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Zedler: Mutter [4] HIS-Data
5028-22-1604-6-04
Titel: Mutter [4]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 22 Sp. 1618
Jahr: 1739
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 22 S. 827
Vorheriger Artikel: Mutter [3]
Folgender Artikel: Mutter, siehe Gebärmutter
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Bibel
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage

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Stichworte Text   Quellenangaben
Bibel Übrigens wird sonst auch durch das Wort Mutter in der heiligen Schrifft in uneigentlichem Verstande angedeutet,  
 
1) die Christliche Kirche, Gal. IV, 26, da Paulus sagt: das Jerusalem, das droben ist, das ist die freye, die ist unser aller Mutter; wodurch, wie gedacht, verstanden wird die Christliche Kirche unter dem neuen Testament, die ist droben, verstehe ihrem Ursprung nach, zumahl derselben Baumeister und Schöpffer GOtt ist, Ebr. XI,, 10, wie denn auch Johannes in der Offenb. Cap. XXI, 2, diese als eine Stadt GOttes siehet herab fahren unter die Menschen. Nach ihrem Wandel und Verlangen ist sie droben im Himmel, da unser Wandel ist,
Phil. III, 30.
 
  Eine freye wird Sie genennet, weil sie in Christo frey von dem Fluch des Gesetzes, der sie davon erlöset hat, Gal. III, 13, frey von dem Zorn GOttes, als der durch Christi Verdienst und Leiden gestillet; frey von der Verdammniß, zumahl nun nichts verdammliches ist an allen denen, die in Christo JEsu sind,
Rom. VIII, 1.
 
  Sie ist unser aller Mutter, weil sie uns geistlicher Weise mit Ängsten gebiehret, Gal. IV, 19. Der Saame, wodurch sie uns zeuget, ist das Wort des Evangelii,
 
  {Sp. 1619|S. 828}  
 
  dadurch wir neu gebohren werden zum Reich GOttes; sie läst auch nicht nach solchen Saamen in uns zu erwärmen durch das Feuer des H. Geistes, und zu bewässern durch das Strömlein Israelis, d.i. uns zu lehren, zu trösten, und zu vermahnen, daß wir als Pflantzen des Heils und Bäume der Gerechtigkeit, Es. LXI, 3 aufwachsen, und zu einem andern Leben in Christo erhalten werden.
 
 
2) Die Jüdische Kirche, und mit derselben ihr gantzes Reich und Staat.
 
 
  So stehet Es. L, 1, so spricht der HErr: wo ist der Scheide-Brief eurer Mutter, damit ich sie gelassen habe? Oder, wer ist mein Wucherer, dem ich euch verkaufft habe? Siehe, ihr seyd um eurer Sünden willen verkauffet, und eure Mutter ist um eures Übertretens willen gelassen. Desgleichen Hos. II, 2, 5, sprecht das Urtheil über eure Mutter, sie sey nicht mein Weib, Und im IV Cap. v. 5, allwo zugleich eine schwerere Strafe angekündigt wird, da es heist: Darum solt du bey Tage fallen, und der Prophet des Nachts neben dir fallen; also will ich deine Mutter hinrichten.
 
 
  Da sich über diese Worte verschiedene Auslegungen finden, so wird es nicht undienlich seyn, selbige hier mit anzumercken. Der Jüdische R. Abarbanel hat eine besondere Auslegung, und will die ersten Worte auf das Volck ziehen, daß sie dieselbigen zu Hosea gesprochen: Du solt noch des Tages fallen, weil Du nicht gescheut hast, uns als grosse Sünder zu strafen und zu schelten; wie sie dort zu Jeremia sagten: Weissage uns nicht in dem Nahmen des HErrn, etc.
Jer. XI, 21.
 
  Allein es ist wider den klaren Context. Das Volck ist es selbst, dem der Fall gedrohet wird, du gottloses Volck, daß du nicht wilt gehorchen, du solt fallen; darum, daß sie mein Gesetz verlassen, daß ich ihnen gegeben habe, und gehorchen meiner Rede nicht, leben auch nicht darnach, darum will ich das Schwerdt hinter sie schicken, bis daß es aus mit ihnen sey, Jer. IX, 13, 16, das wird hier durch das Fallen angezeiget.
 
 
  Das Ebr. caschal heisset eigentlich offendere, impingere in via, in cursu, anstossen, daß man strauchelt, oder gar zu Boden fället, und Schaden nimmt. Hernach wird es moralisch gebraucht von dem Sünden-Fall, da der Mensch sich stösset an GOttes Wort und Gebot, dasselbe verachtet und übertritt, und also einen gefährlichen Fall thut,
1 Cor. X, 2.
 
  Metaphorisch wird es gebraucht von eines Menschen Verderben und Untergang, seinem gäntzlichen Fall und Stürtzung, daß er lieget und nicht wieder aufkommen kan,
Jer. XVIII, 23.
 
  So solte es nun dem Volcke gehen, es solte fallen, und zwar bey Tage. Das geben einige, fortuna maxime splendente, et rebus omnibus florentibus, et ad voluntatem eorum fluentibus, Lyserus h.l. welches die Heil. Schrifft gute Tage nennet
Ps. XXXIX.
 
  Allein es ist besser, man bleibe bey den klaren Buchstaben: am Tage: non fraude, non insidiis, sed clara luce corrues, et in captivitatem duceris.
Hieronymus.
 
  Es soll aber auch fallen der Prophet, nabi, dadurch verstanden wird, nicht nur der zukünfftige Dinge vorher verkündiget, sondern auch ein jeder Lehrer des göttlichen Wortes; Propheten sollen seyn nebiim, h.e. qui
 
  {Sp. 1620}  
 
  audita et revelata a Deo loquntur, Es. III, 2. Dan. IX, 24, also, daß hier unter diesem Nahmen auch die Sacerdotes, welche das Gesetz lehreten, und die Schrifftgelehrten mit begriffen; und ist er Singularis allhier collectivus, der den gantzen Orden der Propheten und Priester anzeiget, nehmlich nicht die wahren, sondern die falschen Propheten und Lehrer; und das wird seyn der Prophet neben dir, das ist, der entweder aus deinem Geschlecht und Freundschafft ist, oder, der bey dir ist, und dich lehret oder der mit dir in gleichem Unglück sich befinden wird.
 
 
  Er wird fallen des Nachts. Das erklären einige durch bald und geschwinde, wie auf den Tag die Nacht folget; Andere, in denselbigen Unglücks-Stunden des Volcks, welches eine Nacht heisset; Noch andere, sie werden des Nachts für dem Fall nicht sicher seyn, 5 B. Mose XXVIII, 67, die Sonne soll über dem Propheten untergehen, und der Tag über im finster werden,
Mich. III, 6.
 
  Aber auch die Mutter soll mit hingerichtet werden; wie etliche das Hebr. Wort als in similitudine auslegen, auf gleiche Art, wie das Volck und die Propheten; daher es andere übersetzen, exscindam, ich will sie gantz mit Strumpff und Stiel ausrotten: Andere, et tacere feci matrem tuam.
 
 
  Bey dem Israelitischen Gottesdienst gieng es nicht stille zu, sondern es wurde GOtt mit singen und spielen gelobet: Wenn aber GOtt die schrecklichen Fälle über sie schicken würde, dann würde durch die greuliche Verwüstung alles stille werden etc.
Gräfens Conc. in Hos. …
 
3) Die Antichristische Kirche, als eine Erfinderin und Fortpflantzerin falscher Lehre.
 
 
  So stehet Offenb. XVII, 5, Johannes habe gesehen das Weib, und an ihrer Stirn geschrieben den Nahmen, das Geheimniß, die grosse Babylon, die Mutter der Hurerey und aller Greuel auf Erden. He mētēr tōn pornōn, die Mutter aller Huren, weil alle Städte, die ihr unterworffen sind, und nach der Redens-Art der Propheten ihre Töchter genennet werden, von ihr das Huren gelernet haben, und ihren Fußtapfen getreulich nachwandeln.
 
 
  Wohin aber das Wort Geheimniß hier eigentlich gehöre? ob es sey ein Stück des angeschriebenen Nahmens, und also Johannes dasselbe, nebst den folgenden Worten, auch an der Stirn des Weibes gesehen habe? oder ob Johannes per appositionem dieses Wort vor den Nahmen des Weibes setze, und also beschreibe die Art und Beschaffenheit dieses Nahmens, nehmlich daß derselbe ein Geheimniß und etwas verborgenes sey, das da müsse mystice, geistlicher Weise ausgeleget und verstanden werden? davon ist nichts gewisses zu sagen, auch nicht viel daran gelegen, weil einerley Sache dadurch angedeutet wird, nehmlich daß dieses sey nomen mysticum, ein solcher Nahme, der eine geistliche Deutung hat; wie der Engel in dem 7 Vers dieses Capitels sich erbeut, er wolle dem Johanni sagen das Geheimniß des Weibes und des Thieres; und Christus befiehlet dem Johanni, daß er soll schreiben das Geheimniß der 7 Sterne, welche sind Engel der sieben Gemeinen,
Cap. I, 20.
 
  Also wird nun hiermit angedeutet,
 
  {Sp. 1621|S. 829}  
 
  daß durch die grosse Babylon nicht die Haupt-Stadt in Chaldäa, sondern die geistliche Babel und die Antichristische Kirche, und durch die Hurerey nicht leibliche, sondern geistliche Hurerey zu verstehen sey: gleichwie auch eben diese grosse Stadt heisset geistlich Sodom und Egypten, da unser HErr gecreutziget ist,
Cap. XI, 17,
 
  derowegen ist dieses nicht ein heiliges und gottseliges Geheimniß, wie die Menschwerdung Christi,
1 Tim. III, 16,
 
  wie die geistl. Vermählung Christi mit seiner Gemeine,
Ephes. V, 32,
 
  und die gantze Evangel. Lehre,
C. I, 9, C. VI, 19;
 
  sondern mysterium iniquitatis, das Geheimniß der Boßheit und Ungerechtigkeit des Antichrists, davon Paulus geweissaget: Es reget sich schon die Bosheit heimlich,
2 Thess. II, 7. Lucii Erkl. der Offenb. Joh. …
 
4) Treue Lehrer und Prediger.
 
 
  Also vergleichet sich Paulus mit einer Mutter, wenn er an die Galater schreibet: Meine lieben Kinder, welche ich abermahl mit Ängsten gebähre, bis daß Christus in euch eine Gestalt gewinne, Gal. IV, 19, da er sie denn sehr liebreich anredet: teknia mou, meine lieben Kindlein.
 
 
  Sonst pfleget er seine Zuhörer auch mit dem brüderl. Nahmen zu beehren, wie er denn kurtz vorher auch die Galater also titulirte, v. 12, das aber ist noch zu wenig seinen Affect gegen sie zur Gnüge auszudrücken, der recht väterlich und mütterlich war. Es hätten die Galater leicht einen Zweifel in seine Liebe setzen können, nachdem er sie so hart angelassen:O ihr unverständigen Galater, Cap. III, 1, darzu noch der falschen Apostel heimtückische Verläumdung kam: er bezeugte aber, er sey der alte Paulus, der nichts destoweniger sie hertzlich liebe, als seine liebste Kinder.
 
 
  Er nennet sie nicht nur tekna, Kinder, sondern seine rechte zarte und innige Liebe auszudrücken, nennet er sie teknia, seine Kindlein, weil er jetzt von der Geburt reden wolte, da er sie vermittelst des Worts, als eines unvergängl. Saamens, gezeuget hatte,
1. Petr. I, 23,
 
  deshalben er sie nicht nur Kinder oder GOttes Kinder, wie sie waren durch den Glauben an Christum,
Gal. III, 26, Joh. I, 12,
 
  sondern auch seine Kindlein nennet, weil er sie gezeuget hatte durchs Evangelium,
1 Cor. IV, 14, 15;
 
  ebenso hatte er als GOttes synerios und Mit-Arbeiter
1 Cor. III, 9,
 
  durch das Wort und die Tauffe sie zu GOttes Kindern gemacht, aus welchem glückseligen Zustande sie aber gefallen waren durch Abfall und Unglauben, darum sie abermahls musten gebohren werden.
 
 
  Welche Redens-Art hergenommen von einem gebährenden Weibe, der es in der Geburth sehr sauer ankommt; also will Paulus sagen, lasse ich es mir mit Lehren, Predigen, Seuffzen, Bethen, Flehen und Ermahnen blutsauer werden, damit ihr meine lieben Galater solt wiedergebohren, aus dem Irrthum, darein ihr gefallen seyd, errettet, und GOttes Creaturen werden, geschaffen zu guten Wercken,
Eph. II, 20.
 
  Zwar thut dieses GOtt, der Vater des Lichts, als die Haupt-Ursache,
Jac. I, 17,
 
  die Kirche als Mutter,
Es. LIV, 1, Gal. IV, 26, Es. LXVI, 9,
 
  jedoch thun die Lehrer der Kirche, als GOttes Mitarbeiter, das ihrige mit dabey; und zwar nicht nur, wenn sie ihre Zuhörer zu allererst zum wahren seligma-
 
  {Sp. 1622}  
 
  chenden Glauben bringen, sondern auch, wenn dieselben abfallen, und die erste Liebe verlassen, müssen sie selbige palin, abermahl mit Ängsten gebähren.
 
 
  Das Absehen solches ängstlichen Wiedergebährens war: daß Christus eine Gestalt in euch gewinne. Es hatten die falschen Apostel, wie Lutherus angemercket in seinem Comment. die vorige durch des Apostels Predigt, als er sie zuerst gezeuget hatte durch das Evangelium, in ihnen gäntzlich ausgelöschet, und hatten an deren statt Mosen ihnen ins Hertz gebildet, als wenn sie durch denselben müsten selig werden, wodurch aber nichts anders, als Scheinheilige und Heuchler worden, die nichts von Christo behielten, und hinter die Seligkeit hingiengen: so bearbeitete er sich demnach mit grossen Geburts-Schmertzen dahin, daß Christus eine Gestalt wieder in ihnen gewinnen möchte.
 
 
  Wie die Natur die Frucht im Mutterleibe von dem Hertzen aus immer mehr zur Vollkommenheit bringet; so wird Christi Erkenntniß immer völliger, seine Nachfolge in allen denen Stücken, die er uns vorgestellet hat, immer ähnlicher, bis wir alle hinan kommen zu einerley Glauben,
Eph. IV, 13,
 
  da gewinnt er seine Gestalt in uns durch den Glauben und Erkenntniß,
2. Cor. III, 18. Carpz. Fruchtbr. Gesellsch. I Th. …
 
5) Eine grosse Haupt-Stadt,
2 Sam XX, 19 …
 
6) Eine Regentin, wie also Debora, die Regentin u. Richterin in Israel genennet wird,
B. der Richt. V, 7.
 
7) Die Erde, welche unser aller Mutter genennet wird, Sir. XL, 1, es ist ein elend jämmerlich Ding um aller Menschen Leben, von Mutter-Leibe an, bis sie in die Erde begraben werden, die unser aller Mutter ist; Mit welcher Benennung die Erde beleget wird, nicht allein, weil der erste Mensch aus der Erden erschaffen worden, sondern auch weil sie
 
 
 
a) uns ernehret, indem sie Korn und Früchte träget, die der Mensch zu seiner Nahrung und nothwendigen Unterhalt haben muß,
Hos. II,
 
 
b) uns träget und heget,
Ps. CXV, 16,
 
 
c) uns gleichsam in ihren Schoos aufnimmt, wenn wir gestorben sind.
Osiandri Bib. h.l.
 
8) Die Maden und Würme im Grabe, wie Hiob C. XVII, 14 sagt: die Verwesung heisse ich meinen Vater, und die Würme meine Mutter und meine Schwester; Dieweil sie sich zunächst an die Leiber der Todten machen, ja gar hinein kriechen, ihre Wohnung in ihnen aufschlagen, und nicht ausweichen, bis sie alle ihr Fleisch verzehret haben, nicht anders als wie die Mutter und Schwester unsere nächste Bluts-Verwandten sind.
 
     

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Stand: 6. Oktober 2023 © Hans-Walter Pries