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ABENDMAHL. Eucharistie, Communion. (Historisch von einem
Protestanten.) Diese christlich-kirchliche Anstalt wirkte stets auf die
Erhaltung und fortdauernde Belebung der gesammten christlichen
Religionsgesellschaft und zwar am meisten in den Zeiten der Entstehung und
ersten Verbreitung des Christenthums selbst. Nach den Nachrichten in den drei
ersten Evangelisten und des Apostel Paulus, ist die erste Anordnung des
Abendmahls unvorbereitet entstanden. Das Passahmahl, aus welchem diese
Feierlichkeit hervorgegangen, war für Jesus ein rührend-wehmüthiges
Abschiedsmahl; die symbolische Stimmung, welche ohnehin jeder Gast nach der
Bedeutung des Festes zu demselben mit hinzubrachte, wurde bei Jesus erhöhet und
erhielt noch mächtiger ergreifende Beziehungen durch die lebendige Vorahnung
seines nahen Todes; daher legt er, voll von diesem erschütternden Gedanken,
jeder Handlung, die er an jenem Abend verrichtet, jedem Worte, das er spricht,
diese Beziehung unter u. schließt (n. Lukas u. Paul.) mit der herzlichen
Ermahnung: thut das zu meinem Gedächtniß! d. h. so oft ihr wieder zusammen seid
zum gemeinschaftlichen Mahle, so gedenket meiner. Versetzt man sich nun in die
Zeiten der ersten Apostel zurück: so begreift man, wie sie ihr ganzes Leben
hindurch an ihren göttlichen Lehrer nicht |
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ABENDMAHL |
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zurückdenken konnten, ohne daß diese Rückerinnerung auf ihre
Gemüther den feierlichsten Eindruck hervorgebracht hätte, am allermeisten bei
jeder Mahlzeit, die sie in brüderlicher Eintracht mit einander begingen. Daher
suchten die Apostel, was bei ihnen unvorbereitet entstanden war, fortzupflanzen
und auf andere überzutragen, überzeugt, daß, was sie mit solcher Rührung
ergreife, auch auf andere wohlthätig wirken müsse. ♦ |
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Äußere Umstände trugen dazu bei, diese Einrichtung zu
befördern. Die ersten Christen zu Jerusalem verkauften, was sie an liegenden
Gründen besaßen, weil sie Einziehung und Raub ihrer Güter selbst von Seiten der
Obrigkeit befürchten mußten. Die nächste Folge davon war gemeinschaftliches
Zusammenleben, gemeinsame Casse, gemeinschaftliche Mahlzeiten, koinōbía; alle,
die gläubig worden waren — sagt der Verfasser der Apostelgeschichte, (2, 44.
f.) — waren bei einander und hielten alle Dinge gemein, ihre Güter und Habe
verkauften sie und theilten sie aus unter Alle, nachdem jedermann Noth war. Und
sie waren täglich und stets bei einander einmüthig im Tempel, und brachen das
Brod hie und da in Privathäusern, nahmen die Speise und lobten Gott mit Freuden
und einfältigem Herzen und hatten Gnade bei dem ganzen Volk."♦ |
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Auch in der Folge, als dieser Verkauf aus begreiflichen
Ursachen nicht mehr nöthig war, dauerte doch die schöne Sitte
gemeinschaftlicher Mahlzeiten fort, und ging von der Muttergemeinde zu
Jerusalem auf die auswärts gestifteten über. Zu gewissen Zeiten, gewöhnlich am
Sabbath oder am Sonntag, der schon frühzeitig von nicht jüdischen Christen zu
gottesdienstlichen Übungen bestimmt wurde, versammelten sich die Christen zu
gemeinschaftlichen Mahlzeiten, wozu ein jeder aus der Gemeinde, was er wollte
und konnte, beisteuerte, und von diesem gemeinschaftlichen Beitrag (koinōbía, collatio, oblatio) aßen, mit wenigen Ausnahmen, in gleicher Vertraulichkeit und
brüderlicher Herzlichkeit, so Arme als Reiche. So entstanden jene Liebes- und
Freundschaftsmahle, agapai. die so sehr dazu beitrugen, die Gemüther einander
zu nähern und aufzuschließen, und die Glieder der Gesellschaft zu edlem
Gemeingeist und zu lebendigem Eifer für die Sache Gottes und Christi zu
vereinen und zu entflammen.♦ |
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Aber jetzt schon mußte in dem Sinne des Abendmahls — so
genannt, weil es zur Zeit der jüdischen und griechischen Hauptmahlzeit, gegen
Abend begangen wurde — eine Veränderung und Erweiterung vorgehen; es wurde
nämlich jetzt die Feier einer verflossenen Begebenheit, also ein Fest der
Erinnerung, an Jesum nämlich und an seinen Tod, eine Auffoderung mithin zu
treuem, unerschütterlichen Bekenntniß der Wahrheit, für welche er sich geopfert
hatte. Nun mußten auch die bedeutungsvollen Worte, welche der Hausvater,
gleichsam Jesu Platz einnehmend, jetzt wiederholte, ganz verschieden von dem
ursprünglichen Sinn in die Sele der übrigen so übergehen, daß sie nichts anders
dabei denken konnten, als: es bedeutet uns seinen Leib, wir erinnern uns dabei
an seine Schicksale u. s. w. |
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So lange indessen die Sache auf diese Weise gehalten wurde,
so lange war der Zweck des Abendmahls, faßlich und ehrwürdig, ein Mittel zu
seyn zur Erhaltung der christlichen Religionsgesellschaft, und war auch leicht
und |
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fast nothwendig erreicht; es wuchs das gegenseitige
Vertrauen zu herzlicher Liebe, die Banden des Brudersinnes wurden immer fester,
alle wurden für die Sache selbst jedesmal aufs neue begeistert. Ohnehin ist der
Morgenländer für gesellige Verbindungen weit mehr gestimmt; und wenn bei ihm
ein bloßer Trunk, den er einem Unbekannten gereicht, schon eine Heiligung der
Freundschaft ist, wie vielmehr eine solche Fortsetzung gemeinschaftlichen
Zusammenlebens und unter solchen Umständen! — Es waren aber besonders äußere
Ursachen, welche jene christliche Einrichtung von ihrem ursprünglichen Zweck
ablenken mußten. |
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Schon alte römische Gesetze hatten nächtliche
Zusammenkünfte, bei welchen gefährliche Verschwörungen oder Bezauberungen
gefürchtet wurden, unter Androhung der Todesstrafe untersagt; diese Gesetze
waren aufs neue eingeschärft worden, seitdem die von Griechenland ausgegangenen
Mysterien, insbesondere die Bacchanalien, die auch nur des Nachts gefeiert
wurden, durch ihre wilden Ausartungen bei den Römern in den übelsten Ruf
gekommen waren *). Natürlich wurden diese Gesetze sehr bald auch für die
Christenversammlungen geltend gemacht, theils darum, weil man die Christen, als
eine Abart und ausgeartete Secte der Juden, ohnehin schon haßte und verfolgte,
theils darum weil die Christen, nicht zu gedenken oft ihres übertriebenen und
beleidigenden Religionseifers**), durch ihre Äußerungen, wenn sie von einem
Könige, den sie verehrten, oder von einem Reiche sprachen, das sie erwarteten,
den römischen Obrigkeiten nicht anders, als höchst verdächtig und gefährlich
erscheinen mußten. Setzen wir dazu, daß diese Leute, wenn sie ihre
Freundschaftsmahle begingen, beständig vom Leib und Blute des geopferten
Christus sprachen u. dgl., daß von diesen Ausdrücken, was so leicht möglich
war, je unzusammenhängender desto schlimmer, den römischen Obrigkeiten zu Ohren
kam: so läßt sich der Vorwurf, welcher den verfolgten Christen gemacht wurde,
gar sehr erklären, der nämlich, daß sie in ihren Zusammenkünften Thyesteische
Mahlzeiten feierten. So wird es begreiflich, daß von dieser Zeit an die
christlichen Versammlungen streng verboten wurden, und daß die sogenannten
agapai. hie und da immer mehr eingeschränkt werden mußten, ja an manchen Orten
gänzlich aufhörten. |
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Aber mit dem einen wollte man nicht zugleich auch das andere
aufhören lassen, die eingeführte Erinnerung nämlich an den geopferten Christus,
welche bisher mit jenen Liebesmahlen verbunden gewesen war. Man trennte also
von den gemeinschaftlichen Mahlzeiten, zumal wo sie aufhören mußten, das
besondere Austheilen des Brodes und Weines, als Erinnerungszeichen an den
Stifter der Gesellschaft, und man nahm diesen abgesonderten Gebrauch in die
Synagogenzusammenkünfte auf, oder in den Zeiten der Verfolgungen in die
Versammlungen oft an ganz verborgenen Orten, in Höhlen, Grotten, un-
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- *) legg. XII tab. IX. 6. Liv. XXXIX. 15. Tacit. Hist. II. 5.
- **) Was mußten die Römer denken wenn sie lasen Tertul., Apolog. c. 37 exteri
sumus et vestra omnia implevimus, urbes, insulas, castella, municipia,
conciliabula, castra ipsa, tribus, decurias, palatium, senatum, forum; sola
vobis reliquimus templa.
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ABENDMAHL |
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terirdischen Kammern und Kapellen. (Euseb. VII, 22) Man kam
daselbst zusammen, je nachdem es die Umstände geboten, in der Frühe des Morgens
oder in den Abendstunden, oft auch in der Stille der Mitternacht; man erhob die
Gemüther zu Gott, man berathete sich über die Heilsangelegenheiten der
Gesellschaft und reichte zum Schluß das gemeinschaftliche Brod und den
gemeinschaftlichen Kelch. So wurde daraus allmählig ein feierlicher
Kirchengebrauch. Das bloße Zeichen aber konnte, wo nicht schon christliche
Gesinnung, innige Andacht und Richtung des Gemüths auf diese Dinge vorhanden
war, keinen Eindruck mehr hervorbringen. Nun suchte man nachzuhelfen, daß man
das Geheimnißreiche im Zeichen selbst vermehrte und übertrieb: dadurch aber
kann wohl das Staunen vermehrt, Schauder erweckt, kann überhaupt Leidenschaft
und überspanntes Gefühl erregt werden, nicht aber eine auf Einsicht gegründete
Ermunterung zum Guten, keine wahre Erbauung, keine Begeisterung. |
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Nach der Zerstörung von Jerusalem erhielten die
Heidenchristen im Christenthums ganz entschieden das Übergewicht; durch sie
geschah die fernere Ausbildung des Christenthums, und alle Glaubenslehren, die
vom zweiten Jahrhundert an ihre Ausbildung erhalten haben, sind mehr oder
weniger von heidnischen Vorstellungen ausgegangen oder mit diesen verschmolzen.
Besonders wurden die Opfer-Ideen, mit denen jeder Heide aufgewachsen war, ins
Christenthum übergetragen: Jesus selbst wurde vorgestellt als ein Opfer, aber
als ein vollendetes, das alle Sühnhekatomben mit einemmal ersetzt habe. Was
Wunder nun, wenn dieselben Begriffe auch auf das Abendmahl, die vornehmste
religiöse Ceremonie, übergetragen wurden? es war ja die Gedächtnißfeier des
großen Opfers, das der Stifter selbst am Kreuze dargebracht hatte.♦ |
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Wir finden diese Vorstellung zuerst in der Schutzschrift für
die Christen von Justinus Martyr, der ersten und reinsten Quelle, aus der wir
von dem Glauben, dem Gottesdienste, den Sitten und der ganzen Verfassung der
Christen zunächst nach dem Tode der Apostel Nachricht schöpfen können. Da wo
Justinus den Gottesdienst der Christen beschreibt, sagt er: Nach geendigtem
Gebete grüssen wir einander mit einem Kusse. Darauf wird dem Vorsteher der
Brüder Brod und ein Becher mit Wasser und damit gemischtem Weine gebracht. Er
nimmt dasselbe, lobt und preiset den Vater aller Dinge durch den Namen des
Sohnes und heil. Geistes und danket ihm für die gnädige Mittheilung dieser
Gaben. Nachdem er das Gebet und die Danksagung vollendet hat, ruft ihm jeder
Anwesende Amen zu. Darauf theilen diejenigen, welche bei uns Diakoni heißen,
das Brod und den Wein und das Wasser, worüber die Danksagung gesprochen worden,
einem jeden der Gegenwärtigen zum Genusse aus und tragen es auch zu den
Abwesenden. Diese Speise heißt bei uns Eucharistie und es darf niemand an
derselben Theil nehmen, als wer das, was wir lehren, glaubt etc. Denn wir
nehmen dieses nicht, wie gemeines Brod und gemeinen Trank, sondern wie Jesus
Christus, unser Heiland, durch Gottes Weisheit (dià lógon theoũ.) Mensch
geworden ist und um unserer Erlösung willen Fleisch und Blut gehabt; so sind
wir auch belehrt worden, |
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ABENDMAHL |
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daß diese Speise, über welche durch ein Gebet nach seinen
eigenen Worten Dank gesprochen ist, und durch welche unser Fleisch und Blut
kraft einer (natürlichen) Veränderung genährt werden, das Fleisch und Blut
jenes Mensch gewordenen Jesus sey *). Noch in andern Stellen betrachtet
Justinus in edler Einfalt, die den Nachfolgenden hatte als Muster dienen
können, das Abendmahl als ein Dankopfer, theils für die zeitlichen und
leiblichen Wohlthaten Gottes, die Früchte der Erde, Brod und Wein, theils für
die Wohlthaten, die Jesus der Welt durch seine Leiden und seinen Tod erwiesen
hatte. |
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Einen Schritt weiter geht, bald nach ihm, Irenäus, daß
nämlich der Logos, sowie er dereinst mit dem Körper Jesu sich vereiniget habe,
so auch nach der Anrufung Gottes mit dem Brod und Weine im Abendmahl in
Verbindung trete, und diesen dadurch eine für die Genießenden zur
Unverweslichkeit vorbereitende Wirksamkeit verschaffe. Bei demselben finden wir
das Abendmahl als ein förmliches äußerliches Dankopfer dargestellt, in einem
Sinne, woraus ein großer Fortschritt der christlichen Vorsteher zu äußerem
Ansehen und sich absondernder Erhebung bemerklich wird. Die schöne Sitte der
freiwilligen Gaben, Oblationen, hatte sich von den ersten Zeiten der Kirche her
erhalten: „die Vermöglichen—sagt Justinus (Apol. c. 88) geben etwas nach ihrem
Belieben an die Armen, man legt es bei dem Vorsteher nieder, der damit den
Waisen und Wittwen und denen, die durch Krankheit und andere Umstände Noth
leiden, zu Hilfe kommt, Gefangene und Fremdlinge unterstützt und überhaupt der
Versorger der Dürftigen ist." Ein Theil dieser Oblationen aber fiel späterhin
dem Klerus anheim. Es mußte also den Vortheilen des Klerus, der schon vor dem
Ende des zweiten Jahrhunderts sich ganz in das Verhältniß der
alttestamentlichen Priester und Leviten zu setzen wußte, sehr angemessen seyn,
jene Oblationen, besonders der Erstlinge, als ein sinnliches Opfer
vorzustellen, das die Gemeinde Gott zum Zeichen der Dankbarkeit und Ergebenheit
durch die Hand des Priesters darzubringen schuldig sey. Darum sagt Irenäus: Wir
sind verbunden, Gott ein Opfer darzubringen und uns dem Schöpfer dankbar zu
bezeigen, indem wir ihm mit reinem Herzen die Erstlinge seiner Gaben vorlegen.
(adv. haer. V, 18. §. 4. 6.) Ja nach ihm hat Christus selbst bei der Anordnung
des Abendmahls ein solches Opfer eingesetzt, und dieser Gebrauch ist von den
Aposteln der Kirche überliefert worden. (V. 17, 3.) **) |
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Diese Vorstellung ging auch in die afrikanische Kirche über,
erhielt aber da noch die besondere Anwendung, daß sie mit den Opfern, welche
für die Verstorbenen, insbesondere für die Märtyrer dargebracht wurden, in
Verbindung traten. Man glaubte, Gott im Namen der entschlafenen Brüder für den
ihnen durch den Tod ver-
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- *) Justin. Apol. I, §. 13. p. 83. ed. Bened. Paris 1742.
Dial. c. Tryph. §. 260 Vrgl. Ernesti Anti - Murator Opusc — theol. p. 31, seq.
- **) Vrgl. Versuch einer Gesch. des Dogma von dem Opfer des Ab. vom 1. Jahrh.
bis an das Ende des 6. In der götting. Bibl. der neuest. theol. Litterat. etc.
v. Schleusner und Stäudlin Bd. II. St. 2. §. 4. ff.
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liehenen Sieg danken und zum äußeren Zeichen des Dankes
Oblationen als ein Opfer beim Abendmahle darbringen zu müssen, man hoffte
überdieß von ihnen, daß sie den abgeschiedenen Selen, für welche schon jetzt
ein Mittelzustand angenommen wurde, eine desto gewissere Theilnahme an der
ersten Auferstehung und dem darauf folgenden tausendjährigen Reiche Christi
verschaffen würden.♦ |
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Cyprianus lehrte also, daß der Priester, an Christi Statt,
im Abendmahle Gott dem Vater ein wahres und vollkommenes Opfer darbringe, denn
„er opfert Brod und Wein als Symbole des Leibes und Blutes Christi, welche
durch jene ausgedrückt, vorgestellt, bezeichnet, werden;" (exprimuntur, repraesentantur, ostenduntur;) oder, „das Opfer, welches im Abendmahle gefeiert
wird, sey das Leiden Christi und man halte dieses Opfer Gott vor zur
Erinnerung," — um das Leiden Christi Gott gleichsam ins Andenken zu bringen,
als Beweggrund, uns gnädig zu seyn und unsere Bitte zu erhören.♦ |
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Die
Vorstellungen, welche man sich nun von der Heiligkeit des Abendmahls machte,
gingen schon jetzt ins Übertriebene, besonders insofern die hohen Begriffe,
welche man von dem Vorzuge der kirchlichen Gemeinschaft hatte, sich damit
vereinigten. Erst nach langen und schweren Bußübungen wurden die Verbrecher und
Gefallenen in die Kirchengemeinschaft wieder aufgenommen, und der letzte Grad,
die volle Einsetzung in den Genuß aller Bruderrechte, die eigentliche
Wiederheiligung, war der gestattete Mitgenuß des Tisches Jesu. Wer als ein Auswürfling (so übersetzt Spittler den Excommunicirten) gestorben war, für den
wurden keine Todtenopfer gebracht, selbst auf den Krankenbetten wurde denen,
die noch nicht abgebüßt hatten, die letzte Communion versagt, Schauspieler und
solche, welche Schauspielerkünste lehren, blieben nach Cyprians Grundsätzen vom
Abendmahl ausgeschlossen. In einigen Gegenden wurde es Sitte, seinen Antheil am
Abendmahl oder geweihtes Brod und Wein mit nach Hause zu nehmen, damit bei
Krankheiten oder bei Verfolgungen und anderen Gefahren stets ein viaticum in
Bereitschaft sey, oder damit die Begierde nach dem himmlischen Genusse
jederzeit befriediget werden könnte.♦ |
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Daß selbst die Kinder bereits im dritten Jahrhundert an der
Communion Antheil genommen haben, erfahren wir unter anderm aus einer Erzählung
Cyprians, nach welcher ein Kind, das durch Zufall Brod und Wein von einem
Götzenopfer genossen hatte, als darauf bei einer Abendmahlsfeier der geweihete
Kelch herum gereicht wurde, das Gesicht wegwandte vor der göttlichen Majestät,
den Mund fest zuhielt, und sich weigerte zu trinken. Aber der Diakonus goß ihm
mit Gewalt den heiligen Kelch in den Mund." Sogleich bekam das Mädchen
Schluchzen und Erbrechen. Die Eucharistie konnte in dem entweiheten Leibe und
Munde nicht bleiben; der in dem Blute des Herrn geheiligte Trunk kam aus den
Eingeweiden wieder." (de laps. p. 132} — Schon damals hielten die, welche mit
der Rechten das Brod empfingen, die Linke unter, und sahen sich genau vor, daß
nichts von dem geheiligten Brod auf dir Erde fiele oder von dem gesegneten Wein
etwas herabträufelte. (Tertull. de Cor. Mil. c. 3.) |
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Da einmal ausgesprochen war, daß der Leib und das |
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ABENDMAHL |
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Blut Christi im Abendmahle Gott als Opfer dargebracht
würden, so wollte man nun auch wissen, wie Christi Leib im Abendmahle
gegenwärtig wäre, und wahrend die Einen noch eine symbolische oder geistige
Gegenwart anzunehmen schienen, und diese Meinung sich noch lange erhielt, so
redeten doch die Andern bestimmt und ausdrücklich von einer obschon mystischen,
doch wirklichen physischen Gegenwart, und gegen das sechste Jahrh. hin wurde
dieß schon herrschende Vorstellung. Welche Wirkungen mußte eine solche
Darbringung haben, wo Gott so sichtbar, so nachdrücklich Christi Leiden und
Verdienste ins Andenken gebracht wurden. Krankheiten heilen, Dämonen
vertreiben, war noch das geringste, die erste und wichtigste Wirkung dieses
Opfers war die Versöhnung der Gottheit im eigentlichsten Verstande, man pochte
darauf, „wie wäre es möglich— sagt Chrysostomus, daß Gott nicht versöhnt werden
sollte, wenn ihm im Abendmahl das schauervolle Opfer, oder das
gemeinschaftliche Sühnopfer der ganzen Welt, welches geschlachtet auf dem
Altare da liegt, dargebracht wird." —♦ |
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Nun wurde aus der ehrwürdigen Handlung
eine eigentliche Messe, oft ohne alle andere Zeugen, als die Priester waren. Gregorius I. fügte durch seinen Meßkanon, durch die Einführung einer bunten
schauerlichen Pracht beim Gottesdienst und einer Menge neuer Gebräuche der
Abendmahlsfeier noch mehr Glanz und Schimmer bei, aber die alte heilige
Bestimmung derselben schien auf immer vergessen zu seyn. Jetzt kam die von
einigen Kirchenlehrern schon eingeleitete Vorstellung vom Reinigungsfeuer oder Fegfeuer auf, als einem Zustande der Abbüßung, welcher allein durch Fürbitten
und Todtenopfer erleichtert und eher vollendet werden könnte. Daher die
Seelenmessen, Winkelmessen, Privatmessen, trockne Messen, welche immer
herrschender wurden, und eine neue unerschöpfliche Fundgrube des Reichthums für
die Kirche und die Klerisei. |
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Die Vorstellung von der wirklichen Vereinigung des Leibes
Christi mit den Zeichen im Sacramente blieb und wurde verfochten besonders auch
bei Veranlassung des Bilderstreites. In dem Concilium zu Nicäa 787, welches die
Kaiserin Irene in Bezug auf diesen Streit versammeln ließ, wurde behauptet, daß
Brod und Wein im Abendmahl kein Bild wären, sondern der Leib und das Blut
Christi selbst im eigentlichen Verstande. Dennoch schrieb um diese Zeit der
Mönch Johannes von Damascus noch: „Fragt ihr, wie das zugehe, so wissen wir
weiter nichts anzugeben, als daß Gottes Wort wahr, kräftig und allmächtig, die
Art und Weise aber unausforschlich ist.“ (de orthod. fide IV. 4.) |
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Paschasius Ratbert, Abt des Klosters zu Corvey, lehrte
zuerst (im J. 831.) in einer besonderen Schrift: de corpore et sanguine Domini:
„daß, obgleich die Gestalt (Figura) des Brodes und Weines im Abendmahle sey,
dennoch von beiden nach der Consecration wirklich nichts weiter übrig bleibe,
denn nur das Äußere, Gestalt, Farbe, Geruch und Geschmack, zugleich aber eine
wahre Verwandlung vorgehe in den Leib und das Blut Christi, und zwar denselben
Leib, der von Maria geboren, am Kreuze gestorben und vom Tode wieder
auferstanden sey." Er berief sich zur Bestätigung seines Satzes auf
Wunder, |
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ABENDMAHL |
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auf wirkliche sichtbare Erscheinungen des Leibes und Blutes
Jesu im Abendmahle. Trotz der vielen Einreden, welche diese Theorie von den
scharfsinnigsten Köpfen fand, gelangte sie doch zu einer öffentlichen und
gesetzmäßigen Giltigkeit; Lanfranc, der heftige Gegner des edlen Berengar von
Tours, und die nachfolgenden Scholastiker, bildeten sie zu einer Vollkommenheit
aus, daß die spätere römische Kirche im Wesentlichen weder etwas hinzuzusetzen,
noch zu verändern fand. Im J. 1215. auf der vierten großen lateranischen Synode
wurde die Transsubstantiationslehre — der Ausdruck war schon früher aufgekommen
— durch den Papst Innocentius III. öffentlich gestempelt und als Kirchenglaube
geboten. Von nun an entstanden alle die Gebräuche vollends, welche der
römischen Kirche eigen geblieben sind; man bestimmte die tres actus
sacramentales: 1. Das Aufheben der Hostie bei der Messe, damit die Gemeinde auf
die Kniee sich werfe und anbete, elevatio et adoratio symbolorum; 2. man
stellte die geweihete Hostie in prächtigen Gefäßen auf, asservatio panis
eucharistici; 3. man trug sie in feierlichen Processionen umher, circumgestatio
und erfand, den Glauben an die wirkliche Verwandlung zu bestärken, das
Frohnleichnamsfest, festum corporis Domini, 1264. |
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Sobald man einmal an die substantielle Verwandlung glaubte,
so hielt man die ängstlichste Aufmerksamkeit für nöthig, daß ja nichts vom
Leibe Christi verloren gehe. Besonders schien es möglich, daß beim Blute
Christi leicht etwas verschüttet werden könnte; darum wurde es für
Gewissenssache erklärt, das Blut Christi nicht jedermann zu geben, um so
weniger, da, wer den Leib genieße, ja gewissermaßen auch Blut genieße
(Concomitanz). Es wurde also festgesetzt, den Laien den Kelch gänzlich zu
entziehen; auf der Synode zu Costnitz 1415 wurde der Gebrauch des Abendmahls
unter beiderlei Gestalt (sub utraque forma) förmlich verboten. Die stürmischen
Streitigkeiten, welche daraus erfolgt sind, müssen an einem andern Ort erzählt
werden. (S. Art. Kelch.)♦ |
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Die griechische Kirche hat die Verwandlungslehre der
lateinischen aufgenommen, wenigstens geben die neuern Griechen die
Übereinstimmung zu. Aber über das Brod im Abendmahl entstand im Anfange des 11
Jahrh. ein Streit zwischen den beiden Kirchen, welcher Veranlassung von
Gewaltthätigkeiten und Kriegen und von der noch fortdauernden Spaltung zwischen
ihnen geworden ist. Die wichtige Frage war nämlich, ob im Abendmahle gemeines,
gesäuertes, oder ob ungesäuertes Brod genommen werden müsse. Die griechische
Kirche entschied sich fürs gesäuerte, wie die ersten Christen und unstreitig
die älteste Kirche gebraucht, die Lateiner für das Gegentheil *). Auch in der
Form des Brodes entstand nun eine Veränderung. Vom Anfang an hatte man sich
runder Brodkuchen bedient, die gebrochen wurden. Man nahm die Stückchen mit der
Hand, späterhin aus Aberglauben mit verhüllter Hand oder mit besonderen
Instrumenten, bis endlich in den Concilien verordnet ward {1}, seit dem 11.
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{1} korrigiert aus: warb |
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- *) Herrmann Hist. concertatt. de pane azymo et fermentato in
C. D. Lips. 1737. Biblioth. selecta de ritu azymi et ferment. Bonon. 1750.
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ABENDMAHL |
⇧ Inhalt |
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Jahrh., den Laien das Brod in den Mund zu geben. In der
latein. Kirche reichte man nun die Oblaten oder Hostien. Der Kelch wurde
übrigens in der griechischen Kirche den Laien nicht entzogen; auch reichen sie
die Communion noch den Kindern, was in der latein. Kirche im 12. Jahrh,
abgeschaft wurde. Die Armenier werfen das Brod in den Kelch, langen es mit den
Fingern heraus und reichen es den Communicanten; ein dabei stehender Knabe
leckt dem Priester die Finger ab. |
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Luther, nachdem er schon mehrere kirchliche Mißbräuche
angegriffen hatte, stieß zuerst an bei dem Umstand, daß der Kelch im Abendmahl
nur vom Priester genommen werde. In der Augsburgischen Confession Art. 22 ließ
er im Namen der Seinigen erklären: Bei uns wird das Abendmahl den Laien unter
beiderlei Gestalt gegeben. Auf den eigentlichen Grund aber, weswegen der Kelch
den Laien entzogen worden war, auf die falsche Lehre von der
Transsubstantiation, war er dabei noch nicht aufmerksam geworden: das
Herkömmliche wurde gelassen, wie hundert andere Meinungen, deren nachtheiliger
Einfluß noch nicht sichtbar geworden war. Es heißt daher auch in der
Augsburgischen Confession Art. 10. „Der Leib und das Blut Christi seyen
wahrhaftiglich (vere) gegenwärtig und würden ausgetheilt im Abendmahl;" und wem
es noch nicht klar ist, ob damit gemeint sey, nach der Transsubstantiation, dem
macht es die Apologie vollends deutlich: „den 10 Art. — heißt es da — fechten
die Widersacher nicht an." — In der Confutatio nämlich war dieser Artikel nicht
bestritten worden, weil die Katholischen wol einsahen, daß Luther und Melanchthon darin nicht von ihnen abwichen. ♦ |
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Melanchthon setzt hinzu: „wir
glauben, quod in Coena Domini vere et substantialiter adsint corpus et sanguis
Christi et vere exhibeantur cum illis rebus, quae videntur, pane et vino cet."
Und er beruft sich ausdrücklich darauf, daß die römische Kirche die körperliche
Gegenwart (corporalem praesentiam) Christi bestätige, und im Meßkanon bete der
Priester, daß nach der Verwandlung des Brodes (mutato pane) der Körper Christi
werde. Auch die beiden Stellen aus dem Vulgarius und Cyrillus, welche
Melanchthon für seine Meinung anführt, sind nach römischer Meinung auf die
Verwandlung bezogen.♦ |
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Die Häupter der Reformation geben hier ein auffallendes
Beispiel, daß sie bei den Aussprüchen der Augsburg. Confession nicht stehen
bleiben wollten, sobald ihre in derselben ausgesprochenen Meinungen nach
späterer Überzeugung ihnen irrig erschienen, wie denn diese Abendmahlslehre in
der Folge von ihnen gänzlich verworfen wurde; also daß es gegen die historische
Ansicht ist, den Religionslehrer auf den Buchstaben der symbolischen Bücher
verpflichten zu wollen, und seine Überzeugung unveränderlich daran zu knüpfen.
Es war wol nur eine Übereilung, aus welcher die Reformatoren bei der
Transsubstantiationslehre Anfangs stehen blieben, weil sie fürchteten, daß,
wenn sie die Verwandlung nicht dächten, sie erklären müßten, die Handlung sey
nur Schein und leeres Zeichen, und den geheimen Einfluß, als bei einem
Sacramente, mochten sie ungern aufgeben.♦ |
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Endlich kam Lnther mit seinem natürlichen Verstande darauf,
daß doch eigentlich an der |
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ABENDMAHL |
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ganzen Sache wenig gelegen sey; bei Abfassung der
Schmalkaldischen Artikel setzte er fest (P. III. art. 6. p. 325): „das Brod und
Wein im Abendmahl seyen der wahrhaftige Leib und das Blut Christi, und werde
nicht allein gereicht und empfangen von frommen, sondern auch von gottlosen
Christen;" (es hänge also nicht vom bloßen Glauben ab;) aber — von der
Transsubstantiation achten wir der spitzigen Sophisterei gar nichts, wonach sie
lehren, das Brod und Wein verlassen und verlieren ihr natürlich Wesen, und
bleibe allein Gestalt und Farbe des Brodes, und nicht das wahre Brod. Denn es
reimt sich mit der Schrift aufs beste, daß Brod da sey und bleibe, wie es
Paulus selbst nennt: das Brod, das wir brechen, und „also esse er von dem
Brode." (Was freilich nicht entscheiden würde: man hätte anfangen müssen zu
fragen: woher man das Mysterium wisse?) — Da nun einmal Luther abgewichen war
von der Verwandlungslehre, um so mehr glaubte er sich hüten zu müssen, daß er
nicht auf den entgegengesetzten Abweg gerathe, und wie immer, wer einmal einen
Irrthum abgelegt hat, und meint, die Wahrheit nun eigentlich gefunden zu haben,
um so hartnäckiger jetzt bei der neugefundenen Ansicht beharret: so blieb auch
Luther nun mit so vielem Eifer auf der dunkelen Mittelstraße stehen, indem er
behauptete, daß zwar keine Verwandlung sey im Abendmahle, aber es sey doch da
wahrer Leib und wahres Blut Christi. |
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Aus diesem Gesichtspuncte muß die Heftigkeit beurtheilt
werden, mit welcher Luther gegen die ältere symbolische Lehre auftrat, die
jetzt durch Carlstadt, Zwingli und Oecolampadius wieder geltend gemacht wurde.
Nicht die Gelehrsamkeit, mit welcher diese Ansicht verfochten wurde, nicht die
Sanftmuth des friedliebenden Melanchthon, nicht die bestgemeinten Bemühungen
des Landgrafen Philipp von Hessen vermochten Luthern eines andern zu überzeugen
oder den Frieden herzustellen. Luthers Unwille entbrannte nur heftiger gegen
die Schweizer und ihre Vertheidiger, er nannte sie Sacramentirer, und erklärte
sie für Schwärmer und Besessene. Die unseligste Spaltung wurde so
unvermeidlich. Es kam dazu, daß im Sächsischen selbst die Parteien getheilt
waren: einige neigten sich, wie im Sinne Melanchthons, mehr zu dem Gedanken
hin, Brod und Wein seyen bloße Erinnerungszeichen; andere, mehr Luthers derber
Denkart zugethan, blieben dabei, es sey wahrer Leib und wahres Blut, ohne daß
sie etwas erklären konnten.♦ |
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Die Spaltung vermehrte sich, als Calvin mit der Lehre von
der unbedingten Gnadenwahl hervortrat und damit die Trennung noch bitterer
machte, wiewol Calvin in der Abendmahlslehre von der Schweizerischen abwich und
aufstellte: daß Leib und Blut Jesu zwar wirklich, aber auf eine blos geistliche
Art empfangen werden, welche Meinung in der reformirten Kirche die herrschende
geworden ist. Die Concordienformel verwirft und verdammt die eine wie die
andere Vorstellung der Sacramentirer, und behauptet dagegen, „daß nicht das
Brod den abwesenden Leib, und der Wein das abwesende Blut Christi bedeute;
sondern daß Brod und Wein wahrhaftig der Leib und das Blut Christi seyen, um
sacramen- |
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tirlicher Einigung willen, propter unionem sacramentalem"
*). |
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So wenig es Luthern zum Lobe angerechnet werden kann, diese
Streitigkeiten mit so vieler Erbitterung geführt zu haben, ein so großes Muster
ist er da, wo er in derselben Sache als Volkslehrer spricht, da er scharf
unterschied zwischen Untersuchungen zur Überzeugung im Denken geübter
Gelehrten, und zwischen Lehre, in welcher die Ergebnisse des Denkens dem Volke
vorgetragen werden sollen. In dem großen Catechismus, der für die „einfältigen
Pfarreherren und Prediger" bestimmt war, erklärt er, es sey genug im
Volksunterrichte folgende Sätze vorzutragen: daß das Sacrament sey Brod und
Wein — daß es nicht sey „schlecht Brod und Wein, so man sonst zu Tische trägt,"
sondern betrachtet und angenommen in einer höheren bedeutungsvolleren
Beziehung; — Brod und Wein in Gottes Wort gefasset und daran gebunden. — Es sey
eine unnütze Frage, auf welche Art Brod und Wein Fleisch und Blut Christi seyn
könnten; wir nehmen die Worte, wie sie sind: die müssen wahr seyn, in welchem
Sinne, mag Christus wissen." Denn wie Christus Mund redet und spricht, also ist
es, als der nicht lügen und trügen kann **). Unglücklicherweise drehete sich in
der Folge alles darum, daß man dieß quo modo, das Luther allein für die
Gelehrten erörtern wollte, nicht allein zu einem Gegenstand der Theologie,
sondern selbst des gemeinschaftlichen Bedürfnisses in der Kirche machte. Es ist
um so schlimmer, daß dieß geschehen, da das Abendmahl offenbar zum ersten Zweck
hatte, Vereinigung in gleichen Gesinnungen zu stiften, und alle Streitigkeiten
und Trennungen fern zu halten. |
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In England fand, je mehr die Reformation sich daselbst
verbreitete, mehr die Zwinglische Abendmahlslehre ihre Verkündiger und
Vertheidiger, als die Lutherische; auch schien jene, als der Verwandlungslehre
recht gerade entgegengesetzt, bequemer, die Grenzscheide zwischen der
engländischen Kirche und dem Papstthume noch genauer und fester zu begründen.
Die große Königin Elisabeth aber, unter welcher die Kirchenverbesserung zu
Stande kam, und welche die Absicht hatte, alle ihre Unterthanen durch Ein
Glaubensbekenntniß zu vereinigen, hielt es für unweise, die leibliche
Gegenwart, worauf viele lutherisch-gesinnte bestanden, namentlich zu verdammen;
es wurde deswegen in den 39 Artikeln, welche 1563 auf ihren Befehl auf einer
Synode zu London für das beständige Glaubensbekenntniß der engländischen Kirche
festgesetzt wurden, nur die Transsubstantiation ausdrücklich verworfen (Art.
28), übrigens aber erklärt: Brod und Wein seyen Theilnahme am Leibe und Blute
Christi; der Leib Christi aber werde gereicht, empfangen und genossen auf eine
bloß himmlische und geistige Weise (coelesti et spirituali ratione) durch das
Mittel des Glaubens. Bei diesem Bekenntniß ist es auch geblieben ***). Die
Socinianer traten der Zwinglischen Theorie bei, mit wenigen Abweichungen im
Einzelnen; die Worte: das ist mein Leib erklärte Faustus Socinus: „So wird es
mei-
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- *) Form. Conc. VII. p. 563. ff.
- **) Christlichs Concordienb.
S. 505.
- ***) Pfaff de oblatione veterum eucharist. c. 2.
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nem Leibe und Blute geschehen, wie jetzt mit diesem Brode
und Weine geschieht;" übrigens sey das Abendmahl von Christo zu dem Ende
eingesetzt, damit wir seiner und seines Todes stets für uns erwähnen sollten
*). Die Arminianer weichen von dieser Lehre nicht sehr ab, außer daß sie dem
Abendmahl auch die Kraft beilegen, den Glauben zu stärken, wiewol nur als
symbolische Kraft. Die Anabaptisten und Mennoniten betrachten das Abendmahl als
eine bloße Gedächtnißceremonie, und die Quäker gar für jetzige Christen als
unnütz. |
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Der unchristliche Streit unter uns selbst ist eingeschlafen.
Man schreitet weiter vor im Wesentlichen, wenn die Gründe im Stillen wirken,
als wenn sie mit Anmaßung und Begierde, Aufsehen zu erregen, vorgetragen
werden. Unter den Lutheranern ist keine Schrift von Bedeutung erschienen, die
von dieser Streitsache gehandelt hätte, seit J. A. Ernesti's Abhandlung: brevis
repetitio et adsertio sententiae Lutheranae de praesentia corporis et sanguinis
Jesu Chr. in coena sacra, 1767. (Opusc. Theol. p. 135 ff.) Und auch diese
Abhandl. würde nicht geschrieben worden seyn, wenn nicht der ehrliche Prof.
Heumann zu Göttingen kurz vor seinem Tode die ängstliche Gewissenhaftigkeit
gehabt hätte, zu gestehen, er sey bereits seit 20 Jahren in der Abendmahlslehre
ein Reformirter gewesen! |
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Das Abendmahl ist als eine öffentliche Anstalt der
christlichen Religionsgesellschaft zu betrachten, und jede Gesellschaft hat das
Recht, gewisse Gebräuche und Einrichtungen, sofern sie nützlich gefunden
werden, anzuordnen, und fort zu erhalten. Der Zweck der Anstalt ist, alles das
Gute, das durch Jesu Tod in der Welt mittelbar und unmittelbar bewirkt worden
ist, uns zu vergegenwärtigen, nicht als Gegenstand theologischer Untersuchung,
sondern zur Nacheiferung und Fortsetzung jenes Guten. Auf diese Weise ergeben
sich mehrere Gesichtspuncte, aus welchen die Christen — ohne Unterschied des
Glaubensbekenntnisses — das Abendmahl noch jetzt, da die ursprüngliche
Einrichtung verloren gegangen, als eine sehr ehrwürdige, heilsame und wahrhaft
religiöse Anstalt betrachten können.♦ |
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1) Es gehört zur Selen-Heilkunde, daß der Mensch durch
äußere Veranlassungen bewogen und fast genöthiget werde, aus dem Strudel seines
alltäglichen Wirkens und Schaffens herauszutreten und befreiet von der
Befangenheit, in welche das Thun seine Aufmerksamkeit ohne Unterbrechung
gefesselt hält, jetzt einmal den Zustand seiner Sele im Allgemeinen überschaue
und an den Zusammenhang erinnert werde, in welchem er dasteht zu der
unendlichen Geisterwelt und dem Wesen der Dinge überhaupt. Je weniger
dergleichen Veranlassungen vorhanden sind, um so mehr ist es Pflicht der
Kirche, dafür zu sorgen, daß die eben vorhandenen zu jener Aussonderung
aufbewahrt und nach den Fortschritten der sittlich-religiösen Cultur modificirt
in heilsamer Wirksamkeit erhalten werden.♦ |
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2) Das Abendmahl ist eine feierliche Auffoderung zur
Beförderung und Fortpflanzung des Guten, welche Auffoderung geschicht durch die
feierliche Erinnerung an Jesu Aufopferung, an die Grün-
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- *) Zieglers kurze Darstellung des Lehrbegriffs des F.
Socinus in Henke’s N. Magazin IV. 2. S. 168-76.
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de, die ihn dazu bewogen, an sein ganzes voriges Leben an
seine Heiligkeit and Gottergebenheit, an die Standhaftigkeit für's Gute in
seiner Handlungsweise, als das Siegel für die Bekenntnisse seines ganzen
Lebens. Alles kommt bei dem Menschen an auf Gottergebenheit und
Überzeugungstreue, nichts Großes und Edles kann ohne diese geschehen. Es würde
aber ein Zeichen großer Unwissenheit in der Geschichte Jesu oder roher
Empfindungslosigkeit des Gemüths seyn, dieser feierlichen Handlung, welche uns
Jesum in jener göttlichen Größe vor Augen stellt, ohne Rührung beizuwohnen,
ohne sich zur Nachahmung seiner erhabenen Tugenden entflammt zu fühlen. In
diesem Sinne betrachtet der Apostel Paulus das Abendmahl als ein Fest der
fortwährenden Gemeinschaft Christi mit seinen Bekennern.♦ |
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3) Das Abendmahl ist
eine feierliche Erklärung christlicher Gleichheit. „Haltet nicht dafür — sagt
Jacobus 2, 1. — daß der Glaube an Jesum Christum Ansehung der Person leide." Im
Abendmahle nehmen Alle Antheil an Einem Brod, kein Rang soll Statt finden, alle
erklären, daß sie zu Einer Religionsgesellschaft gehören, daß sie vor dem
Richterstuhle der Pflicht gleich sind. Es ist nichts weniger, als gleichgültig
für das Heil des Menschengeschlechts, daß der Höchste, wie der Geringste, an
diese Gleichheit, als Pflicht vor Gott, erinnert werde: aus dem Gegentheil
entstehen Niederträchtigkeit und Despotismus. |
(F. G. Zimmermann.) |
dogmatisch |
ABENDMAHL, (dogmatisch von einem Katholiken). Nach dem
Zeugnisse der beiden Erkenntnißquellen christlicher Offenbarung, Bibel und
Tradition, hat Jesus der Herr kurz vor seinem Leiden, als er mit seinen Jüngern
das letzte Mal das Ostermahl hielt, ein hochehrwürdigees Institut begründet,
das mit Ausnahme einiger wenigen Sektirer, von allen christl. Parteien,
obgleich nach verschiedenen Ansichten verschieden und ungleich, dennoch aber,
von jeher und immer auf eine ehrerbietige Weise beachtet und erhalten wurde.
Matthäus 26, 26 — 28. Markus 14, 22 — 24. Lukas 22, 19. 20 und Paulus 1
Korinth. 11, 23 — 29 liefern als classische Zeugen zunächst die Urgeschichte;
und namentlich der Letzte spricht a. a. O. folgender Maßen darüber: „der Herr
Jesus, in der Nacht, da er verrathen wurde, nahm Brod, verrichtete ein
Dankgebet, brach es, und sprach: Nehmet hin und esset, das ist mein Leib, der
für euch gebrochen wird. Thuet dieses zu meinem Andenken. Eben so nahm er auch
nach der Mahlzeit den Kelch, mit den Worten; dieser Kelch ist der neue Bund in
meinem Blute: Gedenket meiner, so oft ihr daraus trinket." |
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Es liegt hiebei offen vor, und ist allgläublich; daß Jesus
eine religiöse Feierlichkeit, welche immer fortdauern soll, angeordnet habe;
auch; daß diese Feierlichkeit zum beständigen Andenken an Ihn, an seine Liebe
gegen die Menschen, und besonders an seinen großmüthigen Tod angeordnet ist,
damit wir durch dieses dankbare Andenken in dem Streben nach unserm höchsten
Ziele gestärkt werden; eben so: daß diese ehrwürdigste Feier das Band der Liebe
und Eintracht unter den Gläubigen, und ihre Verbindung mit Jesus erhalten und
befestigen soll, und daß man durch die Theilnahme an diesem Mahl ein öffent-
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liches Bekenntniß ablege, zu den Verehrern und Schülern Jesu
wirklich zu gehören. |
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Überdieß sich festhaltend an die heil. Bücher, und an die,
in der vom heil. Geiste geleiteten Kirche sorgfältig bewahrte, mündliche
Überlieferung, glauben die Katholiken 1) „daß in dem heil. Abendmahl unter der
Form, Gestalt, des Brodes und Weines der wahre Leib und das wahre Blut Jesu
wirklich gegenwärtig ist; sie glauben, daß bei der Consecration durch die
göttliche Macht die Substanz, das Noumenon des Brodes und Weines in die
Substanz, in das Noumenon des Leibes und Blutes Jesu verwandelt werde, jedoch
so, daß das Phänomenon des Brodes und Weines bleibt, d. i. daß sich das
Noumenon des wirklichen Leibes und Blutes Jesu unter dem Phänomenon, unter der
Form, Gestalt des Brodes und Weines unsern Sinnen offenbare, damit der Leib und
das Blut Jesu unter dieser Form für die Gläubigen genießbar werde. Ferner
betrachten die Katholiken 2) die Feier des Abendmahls, als ursprünglichen
Ritus, unmittelbar durch Jesus Autorität festgesetzt, darum den Gläubigen
unverbrüchlich und heilig, begangen und vollzogen durch das heil. Meßopfer *),
das Darstellungs- und Erinnerungmahl des Todesopfers Jesu, und unterscheiden
hievon 3) den Genuß des heil. Abendmahls, als die von Jesus angeordnete Nahrung
zur Erhaltung und Fortsetzung des geistigen Lebens; als das positive Mittel,
die moralische Kraft zu erhalten, zu erneuern, zu stärken; als ein wahres
Sacrament." In jenem Betracht (2) ist der repräsentative und nicht bloß
commemorative Charakter hinsichtlich auf das Todesopfer am Kreuze
vorherrschend, in letzterer Beziehung (3) dagegen das zugesicherte Wirken Jesu,
versichtbart in den von ihm zu diesem Behufe bestimmten sinnlichen Handlungen.
Paulus und die angeführten Evangelisten bezeichnen in ihrem Berichte alles sehr
genau, was zur Wesenheit eines Sacramentes erfoderlich ist: Materie und Form,
Minister und Subjekt, Wirkung und Modus am Abendmahl. |
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Hieraus ist ersichtlich, daß der ganze Lehrbegriff der
Katholiken von dem heil. Abendmahle vorzüglich auf der Lehre von der wahren und
realen Gegenwart des Leibes und Blutes Jesu unter den Gestalten des Brodes und
Weines beruhe, und daß, steht diese Lehre fest, auch alle übrigen Theile und
Seiten jenes Lebrbegriffes sich ohne Schwierigkeit selbst ergeben und
rechtfertigen müssen. |
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„Die Protestanten, sowohl der Augsburgischen als
Helvetischen Confession, erkennen an der Abendmahlsfeier kein eigentliches Gott
dargebrachtes Opfer; die Reformirten insbesondere lassen keine wirkliche, keine
reale Gegenwart des Leibes und Blutes Jesu zu;, bei ihnen bleiben Brod und
Wein, was sie sind; nach ihrer Meinung gibt es bei der Abendmahlsfeier nur eine
ideale Gegenwart des Leibes und Blutes Jesu, eine Gegenwart im Gedanken, durch
den Glauben, in wie fern sie Brod und Wein als Zeichen, Figur,
Erinnerungsmittel an den Leib und das Blut Jesu betrachten, weil Jesus die
Abendmahlsfeier zu seinem Andenken, und insbesondere zur Erinnerung an seinen
Tod eingesetzt hat."
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- *) S. Art. Messopfer, wohin eigentlich dieß ganze Stück des
kathol. Lehrbegriffs vom Abendmahle gehöret.
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„Die neueren Protestanten, welche den Zeitphilosophien
huldigend, in dem Christenthume bloß reine Vernunftreligion suchen, und eben
darum keine übervernünftige, keine unbegreiflichen Lehren, keine Mysterien
zugeben, schließen sich an den Lehrbegriff der Reformirten an; auch sie lassen
keine reale und wahre Gegenwart Jesu in dem Abendmahle gelten; doch sind
mehrere von diesen der Meinung, daß bei dem Abendmahle nicht bloß die
Erinnerung an Jesus und seinen Tod auf eine ganz natürlich-psychologische Art
die Gläubigen in ihrer guten Gesinnung stärke, sondern daß Jesus durch die
Gnade auf das menschliche Gemüth einwirke, um es im Guten zu befestigen. Diese
Vorstellung behalten mehrere bei, weil sie sonst das Abendmahl unter den
Begriff eines Sacramentes gar nicht subsumiren könnten." |
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„Die älteren Protestanten der Augsburgischen Confession
hingegen, und von den neuern alle diejenigen, welche sich noch an die
symbolischen Bücher halten, nehmen eine wahre und reale Gegenwart des Leibes
und Blutes Jesu an, jedoch nur zur Zeit des wirklichen Genusses; auch nehmen
sie die Transsubstantiation der Katholiken nicht an, sondern sind der Meinung,
daß Brod und Wein bleiben, was sie sind, daß aber in dem wirklichen Genusse mit
dem Brod und Weine der Leib und das Blut Jesu wirklich verbunden und empfangen
werde, oder, wie sie sich ausdrücken, quod in, cum, et sub pane porrigatur
corpus et sanguis Christi." |
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Es gibt daher, wenn von der Gegenwart Jesu in dem heil.
Abendmahle die Rede ist, wenn gefragt wird, wie Jesus in dem heil. Abendmahl
auf uns einwirke, drei Hauptvorstellungsarten, wie es auch drei vorzügliche
Parteien unter den Christen gibt. Diese Vorstellungsarten unterscheiden sich
von einander, wie die Principien, welche man bei der Auffassung und
Beurtheilung der christl. Offenbarung zum Grunde legt. „Die Reformirten räumen
der Vernunft einen so entschiedenen Vorzug ein, daß sie die klaren Aussprüche
der Offenbarung fahren lassen, um allen Conflict mit der Vernunft aufzuheben.
Sie lassen daher, wie stark die Ausdrücke der Bibel auch immer seyn mögen, bloß
eine ideale Gegenwart Jesu in dem heil. Abendmahle gelten; Brod und Wein sind
ihnen bloße Symbole, Figuren, Erinnerungsmittel an Jesus; Er wird bloß als
gegenwärtig gedacht, und wirkt durch diese Vorstellung, durch den Glauben auf
die Gemüther der Gläubigen. In diesem Systeme gibt es nun von Seiten der
Vernunft gar keine Schwierigkeit, weil die ganze Wirkung des heil. Abendmahls
natürlich-psychologisch ist; dagegen tritt man in einen offenbaren Conflict mit
den deutlichen Aussprüchen der heil. Schrift. An diesen Lehrbegriff schließen
sich bald mit einiger, bald ohne alle Modification jene Evangelischen an,
welche von der Zeitphilosophie ergriffen, die natürliche Religion für die
allein wahre halten, nur diese im Christenthume suchen, und die Offenbarung der
Vernunft gänzlich unterordnen." |
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„Die Evangelischen, welche noch getreue Anhänger der
augsburgischen Confession sind, mögen zwar
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- *) Epitome Theol. christ. Reinhardi §. 162.
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die christliche Offenbarung der Vernunft nicht unterordnen,
jedoch suchen sie die Lehren der Offenbarung so zu modificiren, daß sie dem
Conflicte mit der Vernunft auf die möglichste Art ausweichen. Daher glauben sie
zwar an eine wahre, reale Gegenwart Jesu in dem heil. Abendmahle, jedoch meinen
sie, daß durch die Consecration Brod und Wein nicht aufhören, Brod und Wein zu
seyn, daß aber zur Zeit des wirklichen Genusses der Leib und das Blut Jesu mit
dem Brod und Wein in Verbindung trete, und von den Gläubigen wahrhaft und
wirklich empfangen werde. Luther hielt diese veram realem et substantialem
praesentiam fest, ließ sich durch keine Einwendung davon abbringen, und berief
sich dabei auf die Einsetzungsworte: „Dieß ist mein Leib" {2} *).♦ |
{2} korrigiert aus: Ltib |
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Jedoch nimmt diese Lehre der Evangelischen nach den
verschiedenen Ansichten ihrer Anhänger verschiedene Modificationen an, nach
welchen auch die Vereinigung Jesu mit Brod und Wein im Abendmahle mit
verschiedenen Ausdrücken bezeichnet wird: Impanatio, Consubstantiatio,
Adsumtio, Concomitantia, Unio sacramentalis ff. Marheinecke bezeichnet den
evangel. Lehrbegriff von dem heil. Abendmahle sogar mit Worten, mit welchen
sich der echt katholische Lehrbegriff sehr leicht verbinden läßt, nämlich:
praesentia realis, secundum substantiam, in, cum, sub speciebus; oder
conjunctio et unio filii Dei cum speciebus externis **). Unter einen einzigen
bestimmten Begriff lassen sich die besondern Ansichten der Evangelischen nicht
zusammen fassen, weil sie mehr oder weniger unter einander
abweichen.♦ |
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„Die Katholiken endlich, anstatt die einzelnen Lehren der
Offenbarung durch die Vernunft so zu modificiren, daß aller Conflict beseitiget
werde, suchen vielmehr durch die Offenbarung, welche sie als Gottes Stimme an
uns, als die irrthumslosen Aussprüche der höchsten Vernunft erkennen und
verehren, die Vernunft selbst zu rectificiren, gegen mögliche Verirrungen
sicher zu stellen, und unter der Leitung der Offenbarung in die übersinnliche
Welt auf eine solche Art einzuführen, wie sie es durch sich selbst wegen ihrer
natürlichen Beschränktheit und wegen der noch hinzugekommenen Verschlimmerung
entweder gar nicht im Stande wäre, oder doch nicht ohne offenbare Gefahr des
Mißgriffes und der Verirrung. In dieser Überzeugung weisen die Katholiken die
natürliche Religion der Vernunftthätigkeit an, und lassen ihr bei der
Beurtheilung der positiven Lehren des Christenthums nicht nur den Primat nicht
vor der Offenbarung, sondern geben ihr in diesem Gebiete bloß ein negatives
Votum; mit andern Worten: die Katholiken halten sich bei den positiven Lehren
des Christenthums an die eigenthümlichen Quellen der christlichen Offenbarung,
an die heil. Schrift nach der grammatisch-historischen Interpretation, nehmen
dabei Rücksicht auf mündliche Überlieferung, wie sie in der von dem heil.
Geiste geleiteten Kirche rein und vollständig bewahret wird, suchen auf diesem
Wege den Sinn der geoffenbar-
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- *) Döderlein, christl. Religionsunterricht nach den
Bedürfnissen unserer Zeit. Bearbeitet von D. Junge. 12. Thl. 2. Abth. S. 638
ff.
- **) Sanctorum Patrum de praesenta Christi in coena Domini sententia
triplex. Heidelbergae 1811. p. 8.
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ABENDMAHLSGERICHT |
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ten Lehren, unbekümmert, ob sie diesen Sinn aus den
Principien der Vernunft werden ableiten können; unbekümmert, ob nicht die
Zeitphilosophien dagegen Einwendungen machen werden; und halten dann diesen
Sinn für den wahren, in der Überzeugung, daß Jesus, welcher für die Erhaltung
des Worts der Offenbarung gesorgt hat, eben so gewiß auch für die Aufbewahrung
des richtigen Sinnes dieser Worte gesorget habe, weil ja, sobald der Sinn
verloren geht, auch die Offenbarung selbst verloren ist, wie fest man auch den
Buchstaben halten und bewahren mag." |
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„Auf diesem Wege nun hat sich der eben dargestellte
katholische Lehrbegriff von der Gegenwart Jesu im heil. Abendmahle gebildet,
und immer festgehalten." |
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Daß dieser Lehrbegriff in den deutlichen Aussprüchen der
heil. Schrift, und in der von der Kirche sorgfältig bewahrten Tradition richtig
gegründet sey, und mit den Vernunftprincipien in keinem Widerspruche stehe,
beweisen die katholischen Dogmatiker, unter denen als die neuesten sehr
nachdrücklich sich darüber aussprachen Dr. Jacob Frint *) und Dr. Friedrich
Brenner **). |
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Aus diesen Prämissen erklären und rechtfertigen sich sodann
zunächst die verschiedenen Gebräuche und Foderungen, welche die verschiedenen
christlichen Confessionen beim Abendmahl beobachten, oder rücksichtlich
desselben zu machen pflegen, z. B. Adoration der consecrirten Hostie,
Aufbewahrung, Umtragung und Ausstellung derselben; Empfang des
Altars-Sacraments unter einer oder unter beiden Gestalten; Pflicht, das heil.
Abendmahl zu empfangen; Vorbereitung zum würdigen Genusse desselben durch
Beichte und Buße; Communion der Kranken u. s. w.; was jedoch Alles unter
besondern und eigenen Artikeln zur Sprache gebracht werden muß und wird.
(Frint's Darstellung u. s. w.)
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(Andrés.) |
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- *) Darstellung der kathol. Lehre von dem heil. Abendmahle
nach den Bedürfnissen der neuern Zeiten. Wien und Triest 1816.
- **) Freie Darstellung der Theologie in der Idee des Himmelreichs u. s. w. 3. Bd.
Bamberg und Würzburg 1818.
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