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Allgemeine Encyclopädie HIS-Data
5139-1-05-154-6
Erste Section > Fünfter Theil
Werk Bearb. ⇧ 5. Theil
Artikel: ARCHIV
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Inhalt:
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Archivolte ⇨

   
Forts. S. 154 Sp. 2 ARCHIV. In eigentlicher Bedeutung (wie in der, welche die Geschichte nachweiset): die unter öffentlicher Anordnung bewirkte, von einer eigenen Behörde in Aufsicht gehaltene Sammlung aller der Urkunden und Aufsätze, welche Thatsachen aussprechen, die auf die Verhältnisse eines Landes oder Landestheiles Bezug haben, vornehmlich und meist des Stats selbst.♦
  Auch das rein Geschichtliche muß für den Stat, der nicht blos eine Finanzmaschine seyn kann, nicht weniger Interesse haben, und dieses gehört nicht weniger zu seinen eigensten Verhältnissen, als die Beweisthümer über den Besitz von Dörfern, Städten, Domainen und Grundgefällen, und es ist eine ganz falsche, bloß von dem vornehmsten (auch leider! hier und da noch einzigen) Gebrauch hergenommene Beschränkung, wenn man bei dem Archiv blos auf die Rechtsverhältnisse (des Stats) sehen will, obgleich die mehrsten Urkunden, ihrem Ursprung nach, nur Rechtsverhältnisse zum Grunde haben.♦
  Viel zu enge wird aber auch der Begriff des Archivs, wenn man darunter allein den Urkundenschatz, mit Ausschluß aller Akten und Papiere, versteht, und die blos diplomatische oder juridische Ansicht und Benutzung zur Hauptsache macht. Oft sind die Verhandlungen wichtiger, als das Resultat, die deshalb entworfene Urkunde; oft sind sie ohne eine solche beendigt, oft fehlt sie; überall dienen sie zur Erläuterung und zum Verständniß (für das nicht immer gesorgt ist). Die Friedensverhandlungen, und die dabei gewechselten Akten (doch in feierlicher und bindender Form, was man für die Würdigkeit zur Aufnahme ins Archiv verlangt), sind ein eben so unentbehrlicher Bestandtheil des Archivs, als ein Fürstendiplom, und die Wechselschriften mit den Landständen über die Verwilligung von Millionen, und die Anlegung hundertjähriger Steuern doch wol einflußreicher für den Stat und geeigneter bewahrt zu werden, als die Erwerbungsurkunde eines Klosters. Jene Akten dürfen also aus dem Archiv nicht verbannt werden, dessen Abtheilung in Urkunden und Akten eine andere Veranlassung und einen ganz andern Zweck hat.
  Viel zu beschränkt ist es auch, wenn die alles vor sich niederbeugende Landeshoheit, (oder die noch mehr mißverstandene neuere Souverainität) nur dem Hauptarchiv des Landes oder Stats (mit seinen Abtheilungen) diesen Namen zugestehen will. Nur im Zeitalter der Landeshoheitsstreitigkeiten war eine solche Einzwängung des Begriffs und die Versagung des Archivrechts (s. unten) an Unterregenten oder Gemeinden im State möglich. Justinian belegt die Sammlungen der Städte unbedenklich mit dem Namen Archiv 1) und die Archive unserer großen Land-Städte (besonders seit
 
  • 1) Nov. 15. c. 5 §. 2.
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  1802) mit ihren Bündnissen, Privilegien, Statuten sind nicht weniger wichtig für diesen Landestheil, wie für den Stat von Interesse, gleich den Domstiftschen, welche gewöhnlich einen großen Theil eigentlicher Statsurkunden gerettet haben, als ein großer Theil der Diplome, welche das (neidische) Landesarchiv bewahrt.
  Archiv als Verwahrungsort einer solchen Sammlung, oder überhaupt als Sammlung von Denkmalen zur Bekundung eines Ereignisses (die Schnüre und Halsbänder nordamerikanischer Wilden) sind abgeleitete Bezeichungen, und unpassend der Gebrauch, welcher jeder kleinen Sammlung von Urkunden und Papieren diesen Namen beilegt, oder den Akten einer Gerichts- oder Verwaltungsbehörde; bei letzter ist der Ausdruck Registratur geeigneter und, im Allgemeinen, auch üblicher; denn Urkunden und Papiere, welche das Verhältniß des Landes betreffen, finden sich nur zufällig und nicht zu dem Zweck der Sammlung darin.♦
  Kirchenarchiv, Familienarchiv sind unrichtige Benennungen; beide Besitzer sind keine Bestandtheile des Landes und ihre Sammlungen sind weder öffentlich angeordnet, noch stehen sie unter eigenen Behörden. Bei Landgemeinden, bei Zünften, nennt man die Sammlung Lade. Die große Verschiedenheit der Bestimmung, welche aus den neuern Lehrbüchern über den Gegenstand hervorgeht, machte diese Kritik derselben, so wenig eigentlich hier ihr Platz war, doch nothwendig.
  Der Name kommt aus dem Griechischen, wo er zuerst sich findet, von arche, archeion, öffentliches (geheiligtes) Gebäude, (Pallast, Gerichtshaus) und dessen sicherster, geheimster Ort; dann die darin verwahrten öffentlichen Urkunden und Papiere. (Hesych. und Suidas). Daher Archivum, archivium, arcivum, Chartophylacium, Tabularium. — Die eigenen Vorsteher, welche schon Justinian in der oben angeführten Novelle fordert, heißen Archiota, Archivarius, Archivista, Chartularius u. s. w.; neuer ist Archivrath.
  Schon bei den ältesten Völkern werden, wie es natürlich ist, Sammlungen ihrer Urkunden und Verhandlungen erwähnt. Israeliten, Griechen und Römer hatten sie in den Tempeln angelegt; und die Christen legten sie, der Sicherheit wie der Wichtigkeit wegen, zu ihren heiligen Gefäßen, (deren Aufbewahrungsort Justinian 2) daher, wie auch später geschah, die Kirchenarchive nennt) und später zu den Reliquien. Es war natürlich, daß die vorsichtige und kluge Geistlichkeit für die Bewahrung ihrer Erwerbungsurkunden und Freiheiten besonders sorgsam war, und daß ihre Sammlungen die der Fürsten und weltlichen Herren überlebt haben; daher am frühesten die Archive geistlicher Stiftungen erwähnt werden: z. B. Mainz, Fulda u. s. w.♦
  Auch die Könige der ersten und zweiten Dynastie Frankreichs, (und eines großen Theils Teutschlands) hatten, es ist natürlich, eigene Sammlungen und Behältnisse für ihre Urkunden und Verhandlungen, die aber wahrscheinlich zerstreut oder wandelbar waren, je nachdem dieser oder jener Ort als Hauptsitz des Reichs angesehen wurde, und hier befanden sie sich in den Kapellen
 
  • 2) Nov. 74. c. 4. §. 2.
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  der Pfalz, wie es in der Entsagungs-Urkunde Thassilo's ausdrücklich gesagt wird 3). Wir wissen aber weder von diesen, noch von denen der spätern Kaiser bis zum Landfrieden etwas, und es hat sich nichts erhalten 4). Max I. wollte dafür sorgen, für Teutschland aber blieb es ohne Erfolg. Die Geschichte der Archive findet sich am vollständigsten in dem Nouveaux traité de diplomatiquepar deux Benedictins T. I. 1750, und in der teutschen Übersetzung Th. I. S. 88 ff.
Archive Unter der allgemeinen Benennung des teutschen Reichsarchivs waren eigentlich vier Abtheilungen desselben zu verstehen, welche vormals auch in vier verschiedenen Städten Teutschlands aufbewahrt wurden.♦ ⇧ Inhalt 
  I. Zu Wien in der kaiserlichen Residenz war das kaiserliche Reichsarchiv dahin zu rechnen: 1) die geheime Reichs-Hof-Registratur 5), worin Stats- Lehen- Gnaden und andere außergerichtliche Schriften enthalten waren. 2) die Reichshofraths-Registratur, welche streitige Rechts-und Lehensachen verwahrte. (Napoleon ließ sie nach Paris bringen, ob sie zurückgekehrt ist?)♦
  II. Zu Wetzlar das kaiserliche
 
  • 3) Cap. Francof. 794. ap. Georgisch. S. 587.
  • 4) Archivum Palatii oder palatinum, auch Armarium palat. u. imperialis aulae reconditorium, thesaurus u. scrinium regium) wird schon unter den fränkischen Königen gedacht, wie in Hert. notit. regni Francor. zu ersehen ist. Die Annal. Francor. erwähnen ihrer unter Karl dem Gr. bei dem J. 813, und es geht aus ihnen, so wie aus der Baluzischen Sammlung der Capitularien I. Col. 554 und 558, und Harzheim Consil. Germ. I. 540 hervor, daß die Palastarchive zwar vornehmlich die schriftlichen Verhandlungen und Urkunden der Kaiser und Könige selbst enthielten, daß aber auch von fremden, besonders wichtigen, z. B. erheblichen Beschlüssen der Kirchenverhandlungen, Exemplare in der kaiserlichen Kanzlei mit vieler Sorgfalt ausgefertigt und in dem Archiv niedergelegt wurden. Denn der Zweck war, wie aus den Verfügungen K. Ludwig des Frommen erhellet, daß bei entstehenden Zweifeln über etwaige Verfälschung, Verstümmelung oder fehlerhafte Ausfertigung einer Schrift, an das kaiserliche Archiv recurrirt und daraus die Entscheidung hergenommen werden solle. „ Ideo " sagt K. Ludwig ,,exemplum apud armarium Palatii nostri detentum est, ut eo probari patenter possit, qui eam incuriose transcripserit, vel quis aliquam ejus partem detruncarit.“ Vgl. Praecept. I. II. Ludov. pii bei Goldast Const. Imp. II. p. 10. 11. Die Aufsicht darüber war daher auch einem zuverlässigen, angesehenen Geistlichen anvertrauet, wie dann unter Otto III. der heilige Bernhard, und unter K. Heinrich II. der nachherige Erzbischof von Trier, Meingoz, als primiscrinius vorkommt. — Unter Karl dem Gr. und seinem Sohne Ludwig scheint die Pfalz zu Aachen das kaiserliche Archiv enthalten zu haben. Bei den häufigen Wanderungen der teutschen Kaiser und Könige wanderten aber auch die Archive aus einer Pfalz in die andere, und es ward nicht, wie doch fruhe schon in Frankreich, darauf gedacht, ihnen einen festen Standort anzuweisen. Die natürliche Folge davon war, daß der in den ältesten Zeiten darauf verwendeten Sorgfalt ungeachtet, doch wenig oder nichts davon auf die unsrigen gekommen ist. (v. Arnoldi.)
  • 5) Vergl. die interessante Abh. „Über das geheime Haus- Hof- und Stats-Archiv in Wien; ein Beitrag zum gelehrten Österreich, zur Geschichte unsers Archivwesens und des historischen Quellenstudiums in Österreich überhaupt — im Archiv für Geographie, Historie, Stats- und Kriegskunst, 1r Jahrg. Wien 1810. S. 405 — 423. — Auch: Einige Diplomatische Bemerkungen auf meiner i. J. 1785 und 1786 auf hochfürstl. gnädigsten Befehl unternommenen Reise nach Wien. In P. E. Spies Aufklarungen in der Geschichte und Diplomatik. Bayr. 1791. S. 97. u. f.
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  und Reichs-Kammergerichts-Archiv, eigentlich die sogenannte Leserei, welche gerichtlich verhandelte Parteisachen in sich faßt. Diese wird allmählig zerstreut werden. Der Großherzog von Frankfurt wollte ein Verzeichniß aller darin befindlichen Akten drucken lassen, was aber nicht ausgeführt ist.♦
  III. Zu Regensburg das teutsche Reichstags-Archiv, welches alle Reichstags-Handlungen von Zeit der Eröffnung des Reichstags bis zur Auflösung desselben enthielt.♦
  IV. Zu Mainz das Erzkanzlerische Reichs-Archiv, und um deswillen das Haupt-Reichs-Archiv genannt, weil in demselben a) die mehresten Original-Urkunden von aller Gattung teutscher Reichssachen anzutreffen; b) die mehresten und wichtigsten Gegenstände der Reichssachen darin vollständig, unverstümmelt und in einem genauen Zusammenhange vorkommen 6)
  In Hinsicht der einzelnen Landes-Archive stand der nördliche Theil von Teutschland, besonders Niedersachsen, Holstein, Mecklenburg, die Mark Brandenburg, Pommern etc. in sorgfältiger Aufbewahrung der Urkunden hinter dem südlichen, wo die Stifter hierin sich auszeichneten, weit zurück. Die Archive der größten teutschen Fürstenhäuser reichen selten über das 13te Jahrh. Größtentheils veranlaßte erst der Zeitpunkt, wo die Lehenbriefe aufkamen, eine geordnete Einrichtung der Archive.♦
  Das vom Kaiser Karl IV. zwischen 1348 — 1358. erbaute im Berauner Kreise des Königreichs Böhmen gelegene, ehemals berühmte, Bergschloß Karlstein war nicht nur zum Behältnisse der böhmischen Reichskleinodien und Heiligthümer, sondern vorzüglich auch zum dasigen Landes-Archiv bestimmt. Die wichtigsten das Königreich Böhmen und die demselben einverleibten Provinzen angehenden Urkunden waren dort in feste Kisten eingeschlossen und aufbehalten 7).♦
  Die oberschlesischen Landstände hatten, nach Ableben ihres letzten piastischen Herzogs Johann, alle ihre Landes-Privilegien, fürstlichen Begnadigungs- und Bestätigungsbriefe sammeln und in besonders dazu verfertigten Kästen verwahren lassen. Sie wurden von 4 Deputirten, aus dem Herren- Prälaten- Ritter- und Bürgerstande, jederzeit versiegelt und zu Cosel dem daselbst wohnenden Landes-Archivs-Direktor zur Verwahrung übergeben. —♦
  Auf erhaltene kaiserliche Bewilligung wurde auf das J. 1738 ein allgemeiner Landtag der Oppelschen und Ratiborschen Stände nach Oppeln ausgeschrieben, und darauf der damalige Archiv-Direktor Trzemerky mit den Privilegien-Kasten zu erscheinen beordert. Nach erfolgter Abreise des Archiv-Direktors ward das Archiv-Behält-
 
  • 6) S. Fried. Franz Schal zuverlässige Nachrichten von dem zu Mainz aufbewahrten Reichsarchiv etc. Mainz 1784. 8.
  • 7) Das beste und glaubwürdigste Zeugnis; hierüber findet sich in Balbini l. III. Decad. I. Miscellaneorum historicorum Regni Boh. pag. 106. Schon zu seiner Zeit waren indeß die Kisten leer und, statt dieser ehemaligen Schätze, mit Hopfen angefüllt. Vermuthlich sind sie nach Prag geschafft worden. S. die diplomat. Beitr. z. Unterstützung der Schlesischen Rechte und Geschichte. 2r Bd. 1r Th. (Berlin 1774. 4) S. 62 — 84, wo auch von den Urkunden, welche in Karlstein verwahrt waren, und Schlesien angehen, die Überschriften mitgetheilt sind.
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  niß dem Magistrat zu Oppeln auf das Rathhaus zur Verwahrung übergeben, wo dasselbe bei einer im J. 1739 plötzlich entstandenen Feuersbrunst, nebst dem Oppelnschen alten Stadtarchiv, ein Raub der Flammen wurde. Daher rührt hauptsächlich die Seltenheit Oberschlesischer Urkunden 8). Jetzt ist aus allen aufgehobenen Stiftungen und Klöstern Schlesiens ein Hauptarchiv zu Breslau errichtet, welches mit der Universität in Verbindung steht — ein nachahmungswerthes Beispiel.♦
  Der große Reichthum des Archivs des teutschen Ordens zu Königsberg ist durch Henning und Kotzebue bekannt geworden. Nicht zu übergehen sind die Bemühungen des Johanneums in Grätz, die Urkunden Inneröstreichs zu sammeln, wovon in Hormayr's Archiv für Geographie u. s. w., mehre Nachrichten sich finden.
  Der Anfang der städtischen Archive kann höchstens in das 12te Jahrhundert gesetzt werden. — Die mehresten vormaligen Reichsstädte in Teutschland werden diesen Zeitpunkt kaum erreichen; denn in den Zeiten der sächsischen und schwäbischen Kaiser waren sie noch wenig auf eine gute Anordnung ihrer Akten und Urkunden bedacht, deren sie auch noch nicht viele hatten. Erst als sie sich, durch ihre Anhänglichkeit an die Kaiser, Vorrechte und Privilegien aller Art erwarben, und früher als andere Stände anfingen, Gesetze und Statuten zu verfassen und das Gerichtswesen ordentlicher einzurichten, wuchsen ihre Urkunden und Briefschaften immer mehr an. Nun waren sie auch auf die sorgfältigere Ordnung und Aufbewahrung derselben bedacht; allein ihre Archive erhielten sich doch nicht so reichhaltig, als jene der Stifter und Klöster, indem sie theils durch innere Zwistigkeiten, theils durch äußere Unfälle, durch Kriege und Feuersgefahr, weit mehr Verlust zu erfahren hatten, als jene. Die vormalige fromme Ehrerbietung für die Gotteshäuser und die denselben zugehörigen Gebäude hielt meistens, selbst in den Zeiten des Faustrechts, die verheerenden Folgen von denselben ab; dagegen die von den Fürsten und dem Adel gehaßten Städte belagert und verheert — und öfters auch ihre Archive geplündert oder verbrannt wurden 9).
  Es gab vormals zweierlei reichsstädtische Archive, nämlich 1) gemeine, wovon das eine, welches die Akten der schwäbischen Städte enthielt, zu Ulm, das andere aber, worin die Akten der rheinischen Städte aufbewahrt wurden, zu Speyer sich befand. — Die Hansestädte hatten ebenfalls ein gemeinschaftliches
 
  • 8) S. Ebend. Th. II. S. 89. u. 90. Von dem landschaftlichen Archiv zu Berlin findet sich eine Nachricht in Dr. A. F. Büsching's Magazin für die neue Historie und Geographie Th. XV. p. 445. u.f. Eine kurze Beschreibung aller Unglücksfälle, welche die größten und schönsten Archive Teutschlands betroffen haben, findet sich in Schannat vindiciis quorundam Archivis Fuldensis Diplomatum. (Francof. 1778. fol.) pag. 1. sq.
  • 9) S. Th. Andr. Faulhaber über die Geschichte des Kanzlei- und Archivwesens besonders der Reichsstädte. Kempten 1798. 4. S. 5. §. 5. – Über den Archiv-Vandalismus zu unserer Zeit in Cassel unter westfälischer Regirung und in Hanau unter der Regirung des Fürsten Primas mit dem dortigen Landesarchiv, s. man den allgem. Anzeiger der Teutschen 1815. S. 1766 u. 67.
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  Archiv, welches zu Lübeck aufbewahrt wurde 10).♦
  2) besondere städtische Archive, deren jede Reichsstadt ihre eigene hatte. Zu den ältesten Städte-Archiven gehören jene zu Goslar und Strasburg 11), Regensburg und Frankfurt. Nürnberg verlor einen großen Theil seiner Urkunden in dem Aufruhr, welchen im J. 1349 die meisten Zünfte wider den Rath erregten 12). Augsburg wollte sein Archiv besser eingerichtet wissen und wendete sich deshalb im J. 1548 13) an den fürstlich würtembergischen Registrator Jakob von Rammingen, der i. J. 1571 zuerst eine eigene Abhandlung über den Nutzen der Archive und Registraturen schrieb 14) aber, durch andere Geschäfte verhindert, jenes Geschäft nicht übernahm, jedoch dem Rath seine Gedanken darüber eröffnete 15).
  In der vormaligen Reichsstadt Kempten wurden alle wichtigern Urkunden, deren sie seit K. Rudolph I. Regirung gesammelt, aus dessen Zeitalter sie auch teutsche Privaturkunden besaß, in dem geheimen Archiv, (dem Briefthürmlein) verwahrt. Ihre Statuten, Steuerbücher und Rathsprotokolle schrieben sich aus der Mitte des 15ten Jahrh. her. Sie bewahrte außerdem die Reichstagsakten seit dem Anfange des 16ten Jahrh., die Kreisakten seit der Entstehung des schwäbischen Reichskreises, und viele Aktenstücke über den schwäbischen und schmalkaldischen Bund und die Union. Schon im 16ten Jahrh. verfaßte ihr geschickter Stadtschreiber M. Holdenried die Registratur über das geheime Archiv mit vielem Fleiße und nach einer guten Anordnung 16).♦
  Zu Ulm bewahrte vormals das geheime Archiv auf dem Steuerhause die Originale der Urkunden. In dem Rathhausarchiv aber befanden sich nicht nur alle der zur Stadt gehörigen Schriften, der Rathsprotokolle, welche erst von 1500 anfangen, und die Abschriften aller Urkunden im geheimen Archive, sondern auch die schwäbischen Kreisakten, und die Akten der sämtlichen schwäbischen Reichsstädte 17).
  Auch alle großen adeligen Familien fingen schon früher an, ihre Lehenbriefe, Kaufbriefe, Familienverträge etc. in Sicherheit zu bringen, und an feuerfesten Orten zu bewahren. Man findet darunter öfters deren, welche sowohl wegen der Anzahl der Urkunden, als guten Einrichtung alle Achtung verdienen, zum Theil auch dadurch in Stand gesetzt wurden, schätzbare urkundliche Nachrichten von ihren Familien durch den Druck bekannt zu machen, wie z.B. die Herren von Holzschuher, von Münchhausen, von Schliefen, u.a.m. —
 
  • 10) S. C. J. Kulenkamp Anleitung zu einer zweckmäßigen Anordnung und Erhaltung der Amts- und Kirchenreposituren. (Marburg 1805. gr. 8.) S. 25 u. 26.
  • 11) Die sehr lehrreiche Gesch. desselben und seiner Anordnung findet man in Jak. Wenkeri Apparatu. (Argent. 1713. 4) p. 15 sq.
  • 12) S. kleine Chronik der Reichsstadt Nürnberg (Altdorf 1790. 8.) S. 17.
  • 13) Bis in das 16te Jahrh. herrschte auch in den städtischen Archiven die grösste Unordnung. S. Faulhaber am ang. O. S. 6. §. 7.
  • 14) S. Fritsch de jure archivi et cancellariae. Jen. 1664. 4., und C. J. Kulenkamp a. a. O. S. 34.
  • 15) S. P. von Stetten Geschichte der Stadt Augsburg. (Frkfrt. u. Leip. 1743. 4.) Bd. I. S. 357.
  • 16) S. Faulhaber a. a. O. S. 7.
  • 17) S. G. H. Haid Ulm mit seinem Gebiet (1786. 8.) S. 354.
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  Unter den mährischen Familien-Archiven zeichneten sich vorzüglich aus: die Pernsteinischen, Lippe und Zierotischen, über deren Untergang der mährische Geschichtschreiber Persina de Czechorod in Marte Moravico bitterlich klagt 18).
  Bei den Archiven großer Staten werden die Archive öfters abgetheilt: in Haus- Stats- und Reichs- oder Landesarchive. — Unter den ersten versteht man die Sammlung der Urkunden, welche die Genealogie und die persönlichen Verhältnisse des Regentenhauses betreffen. Das zweite enthält die Sammlung der Urkunden, welche die Verhandlungen mit auswärtigen Staten darbieten, die Ministerial- und Gesandtschaftsakten etc. Das dritte umfaßt die Sammlung der Urkunden über die Verhältnisse des Stats zu dem Inlande, oder zu den Unterthanen und Einwohnern. —♦
  Da die ganze innere Verfassung eines Landes auf einem wohleingerichteten Archiv beruht; so gehört dessen Einrichtung zum Wesentlichen eines gut geordneten Stats. Aus einem höhern Standpunkt drückt sich von Hormayr darüber aus, wenn er sagt:
  „die Archive sind Satfelder, die den heiligen zur rechten Zeit mächtig emporstrebenden Keim des alten Ruhms, des Rechts, der Nacheiferung in ihren Schoß tragen, die Gemüther erheben, indem sie vollbrachter Großthaten Möglichkeit erhärtend, besserer Tage Wiederkunft weissagen; — sie sind Mausoleen — nicht der Verwesung, sondern der Erhaltung.”♦
  Praktischer (nach der vormaligen Lage der teutschen Lande) spricht sich hierüber aus Spies, wenn er sagt:
  „Alles was von dem Werth der Archive bekannt ist, erschöpft noch lange ihre reichhaltigen Quellen nicht. Die Ruhe eines Stats hanget sehr viel von diesem Kleinod, als der Brustwehr wider alle Ansprüche widrig gesinnter Nachbarn ab. Ja, es ist nur allzugewiß, daß ein Land unglücklich zu schätzen ist, in welchem nicht auf beständige Ordnung der Archive und Registraturen gesehen wird etc,” 19)♦
  Daher ist für die äussere und innere Einrichtung die höchste Sorgfalt nothwendig 20). Zu jener ist erforderlich:♦
  1) ein wo möglich von allen Seiten frei stehendes massives Gebäude mit feuerfesten Gewölben, welche hell und trocken und durch Thüren und Fensterladen von Eisen verschlossen sind. Jedes Archivgebäude sollte, außer einem großen Flügelthor, noch mehre Ausgänge haben, und gegen den Blitz durch einen guten Wetterableiter gesichert seyn 21).♦
  Wenige Archive sind so glücklich, daß sie nicht im Zusammenhang mit andern Gebäuden stehen. Erst in neuern Zeiten fing man an mehr Bedacht hierauf zu nehmen, wie es z. B. mit dem Archivgebäude in der vormaligen Reichsstadt Wetzlar für das kaiserliche und Reichskammergerichts-Archiv der Fall
 
  • 18) S. Diplom. Beitr. z. Untersuch. der Schlesischen Rechte u. Geschichte. (Bd. 2. Th. l.) S. 64.
  • 19) S. P. E. Spies von Archiven (Halle 1777. 8.) S. 5. u. f.
  • 20) Daher hat man auch besondere landesherrliche Archivordnungen, unter denen wol die Badensche (1808 150 S. 8.) die vorzüglichste seyn dürfte.
  • 21) S. J. C. Gatterer's prakt. Diplomatik. (Gött. 1799. gr. 8.) S. 183 und G. A. Bachmann über Archive (Amberg und Sulzbach 1801 8.) S. 58. — 62.
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  war, welches im J. 1782 zu bauen angefangen, und im J. 1792 vollendet wurde 22).♦
  2) Schränke von ungefähr 2 ½ Schuhe Höhe, 4 ½ Schuhe in der Länge, beides im Licht. Diese werden mit doppelten Thüren und an beiden Seiten mit eisernen Tragringen versehen, dergestalt, daß wenn auch 4 aufeinander gestellt werden, die Form eines Repositoriums erscheine, das nicht zu hoch ist, doch aber im Fall der Noth augenblicklich abgehoben und fortgeschaft werden kann 23).♦
  3) Ventilatoren, durch die stets frische Luft in die Gewölbe der Archive gebracht werden kann, um alle Feuchtigkeit und Vermoderung der Archivalien zu verhüten.
  In Beziehung auf die innere Einrichtung ist das Wichtigste von allem, daß ohne Mühe und Weitläufigkeit jede Urkunde und Archivalien, welche gefodert werden, aufgefunden und vorgelegt werden können. Hiezu ist erfoderlich, daß sich in jedem Archiv ganz vollständige Repertorien vorfinden, und zwar:♦
  1) ein chronologisches, worin alle Urkunden und Schreiben mit kurzen Aufschriften nach der Zeitordnung mit Bemerkung der Schränke, der Schubladen und der Numern aufgeführt werden.♦
  2) ein reales oder Sachregister nach alphabetischer Ordnung der Regenten, der Orte, der Gegenstände, je nachdem man ein System gewählt hat, wobei der Inhalt der Urkunden kürzlich doch erschöpfend, mit Angabe aller Personen und Daten, angeführt wird.♦
  3) Nachweise, in welche
 
  • 22) S. E. F. W. Freiherrn von Ulmenstein Geschichte u. topogr. Beschr. der kais. fr. Reichsstadt Wetzlar (Hadamar 1802. 8.) Th. II. S. 828 und Th. III. S. 106.
  • 23) Mehr hierüber befindet sich in G. A. Bachmann a. a. O. S. 62 — 66., verglichen mit Gatterer, Kulenkamp, Spieß und Wedekind. Vergl. Jen. Allg. Lit. Zeit. 1815. IV. S. 294. und Intell. Bl. 1816. N. 49. (Vf. u. Delius.) Die Urkundensammlung des Klosters St. Michaelis zu Lüneburg hat im Jahre 1798 eine neue Anordnung erhalten, bei welcher der Zweck vorwaltete, Mabillon's Problem zu lösen: auf welche Weise nämlich die Urkunden-Archive gleich befriedigend für den Diplomatisten, wie für den praktischen Geschäftsmann, geordnet werden könnten? Sie ist sehr einfach. Es sind tragbare Schränke mit eisernen Handgriffen an jeder Seite, von leichtem Holze, eingerichtet, deren 3 oder 4 übereinander gestellt werden können. Sie sind 4 Fuß breit und 1 ½ Fuß tief. In diesen befinden sich sehr flache Schiebladen, nur 3 Zoll hoch, in gedoppelter Reihe. Hierin liegen die Urkunden, und zwar alle neben einander, genau nach chronologischer Ordnung. So wird kein Siegel gedrückt und die äußere Form zeigt sich dem ersten Überblick. Ihr Datum befindet sich, diplomatisch untersucht, deutlich auf der Rückseite geschrieben. — Die vordere Leiste der Schiebladen hat nur die halbe Höhe der übrigen, um hineinfassen zu können beim Herausziehen, und einer jeden den Zugang der Luft zu erhalten. Vorne daran steht das Jahr, oder das Decennium, zu welchem die darin liegenden Urkunden gehören. Die Schränke haben schließbare Flügelthüren. Bei dieser Anordnung bleibt aber, immer das Repertorium ein Real-Index, nach alphabetischer Ordnung der Orter und Gegenstände, unter welchen jedes dahin gehörige Document verzeichnet ist, auf sein Datum hinweisend. Mit Hülfe dessen ist, in weniger als einer Minute Zeit, jedes Stück aufgefunden, und noch schneller reponirt, da beim Aufziehen der Schiebladen sogleich die Lücken ins Auge fallen. Das Archiv kann niemals aus seiner Ordnung kommen, und wenn es wäre, so würde ein Schüler sie wieder herstellen können. — Der Anordner hält sich jetzt durch Erfahrung überzeugt, daß diese Einrichtung, auch bei dem reichhaltigsten Statsarchive angewandt, dem Kenner genugthun werde. (A. C. Wedekind.)
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  alles eingetragen wird, was in andern Urkunden und Akten von derjenigen Materie, welche der Titel in sich hält, vorkommt. Sie sind vorzüglich nothwendig und wünschenswerth, sowol zur Abfassung von Deduktions-Schriften, als insonderheit auch für jeden Geschichtschreiber; denn der Wahrheit der Geschichte ist unendlich daran gelegen zu wissen: daß und wo die Urschriften und Beweise der vorgetragenen Thaten und Ereignisse vorhanden sind, oder ehemals waren, wenn sie auch dermalen nicht mehr bestehen sollten 24). Diese und andere Regeln über Anordnung und die Erhaltung der Ordnung, machen die Archiv-Wissenschaft aus 25).
  Eines der wohleingerichteten und musterhaften Archive war vor dem Anfang des letzten französischen Krieges das brandenburgische Hauptarchiv zu Plassenburg, dessen wesentliche Bestandtheile jetzt mit dem königl. baierischen Filialarchiv in Bamberg vereiniget sind. — Die königl. baierischen Archive in der Residenzstadt {1} München, und darunter vorzüglich das Reichsarchiv, gehören jetzt unstreitig unter die ersten und vorzüglichsten Archive in Teutschland, wie die erst kürzlich davon öffentlich bekannt gemachte Nachricht ausführlich darthut 26). Sämtliche Archive stehen unter dem königlichen Ministerium des Hauses und des Äussern .♦ {1} korrigiert aus: Residenzstand
  Von dem kaiserl. österreichschen Hausarchiv s. oben. Im Königreiche Preussen ist das geheime Statsarchiv dermalen dem Statskanzler untergeordnet.
  Bei allen Archiven größerer Staten sollte unter den Archivbeamten immer ein eigenes Mitglied, das vor-
 
  • 24) Zu einem lehrreichen Muster hiezu kann dienen: Job. Chph. Adelung's Direktorium, d. i. chronol. Verzeichnis der Quellen der südsachs. Geschichte, sofern selbige aus Geschichtschreibern aller Art und Denkmälern bestehen. Meißen 1802. 4.
  • 25) So alt die Lehre von Archiven ist, und so viele Anweisungen hierüber (s. F. A. Huch's Versuch einer Literatur der Diplomatik. sechste Abtheil. S. 425 — 440. J. L. Gatterers praktische Diplomatik. S. 182, F. J. Kulenkamp Versuch e. Anleit. z. zweckmäß. Anord. u. Erhalt. der Amts- u. Kirchen-Reposituren. S. 49 — 55. G. F. Döllinger's Entwicklung d. Grundsätze d. Registratur-Wissenschaft. Erste Abtheil. S. 15 — 21) vorhanden sind; so sind es doch noch nicht volle 20 Jahre, seitdem die Theorie derselben auf bestimmte Regeln gebracht wurde. Joh. Ant. Ögg, Archivar des vormaligen Domstifts zu Würzburg, schrieb zuerst i. J. 1804 Ideen einer Theorie der Archiv-Wissenschaft, Gotha, 134 S. 8. Er hat darin viel geleistet, um ein wirkliches System derselben darzustellen; nur machte er die sonderbare Eintheilung in Archival- und Registratur-Urkunden, und verlangte die Abtheilung der Registratur in Archival- und gemeine Registratur. — Hierauf folgte Joh. Franz Xav. von Epplen Praktische Anleitung zur Einrichtung der Archive und Registraturen, Frankf. 1805. 42 S. 8. und ein Jahr später 1806 eine Anleit. zur Archivs-Wissenschaft von Paul Osterreicher, königl. baier. Archivar zu Bamberg. 48 S. 8., in dessen und Döllinger's Zeitschrift für Archiv- und Registratur-Wissenschaft, welche jedoch nur aus der ersten Abtheilung besteht. Ihm ist die Archiv- Wissenschaft die nach überlegten und in Ordnung gereihten Regeln abgefaßte Erkentniß vom Archiv. — Das Hauptwerk von allem ist: jedem Archivstück seinen rechten Platz so anzuweisen, daß man es zur rechten Stunde hervorzugeben vermag, und benützen kann. Dann baue man Theorien welche man wolle. Vgl. Note 23. u. Registratur-Urkunden.
  • 26) S. Dr. Chr. Müller's München unter König Maximilian Joseph I. Mainz 1811. 4. Th. II. S. 887 – 899{1}.
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  zugsweise ein Landeseingeborner seyn müßte, blos für den historischen Zweck angestellt seyn, welches sich ausschließlich mit historischer Bearbeitung der Urkunden und Archivalien, mit Anlegung eines Direktoriums nach jenem von Adelung über die südsächsische Geschichte u. s. w. so wie mit Aufsicht über die Archivs-Bibliothek zu beschäftigen hätte, indem dies von dem fleißigsten und kentnißreichsten Archivar nie gefodert und erwartet werden kann, ohne daß darunter die laufenden Geschäfte, und die Aufsicht über die Erhaltung der strengen archivalischen Ordnung leiden müßten.
Öffnung der Archive Wenn die Archive ganz ihren hohen Zweck erfüllen sollen, so muß die liberalste Benutzung derselben eintreten. In den frühern Zeiten sah man die Archive als die größten Geheimnisse des Landes und Herrschers an, und kein ungeweihtes Auge durfte in die Grabgewölbe dringen, in welchen die Urkunden dem Moder zur Beute wurden. Eine einsichtsvollere und vernünftigere Zeit trat ein; man ließ endlich der Geschichte zum Theil ihr Recht. Aber leider! auch nach der völligen Auflösung des Reichsverbandes und nachdem der Bestand der teutschen Staten auf ganz andere Weise als durch die alten Briefe, oder das Dunkel der Erwerbung festgestellt worden, dauert hie und da eine Geheimnißkrämerei mit den Archiven fort, gegen welche nicht laut und kräftig genug angearbeitet werden kann.♦ ⇧ Inhalt 
  Es ist nicht zu läugnen, daß einstens viele Archive Urkunden enthielten, deren Bekanntmachung dem Besitzer hätten nachtheilig werden können, und daß einzelne dergleichen in Hinsicht auf das Inland noch vorhanden seyn können, wie es noch nicht Zeit ist, die neuesten Bündnisse und Verträge an das Licht zu bringen. Aber diese Einsicht und Bekanntmachung verlangt auch Niemand, wer die Archive sich und der Nation geöffnet wissen will. Nur die Urkunden, der ältern Zeit zunächst, verlangt er, die ohne alles Bedenken der allgemeinen Benutzung überlassen werden können, die der Geschichte angehören. Dies ist die Hauptmasse; jeder Archivar kennt schon die etwa zurückzubehaltenden, und diese nicht ausscheiden wollen, würde blos Faulheit oder Neid anzeigen.
  Es läßt sich sogar beweisen, daß der Stat die Pflicht hat, die Archive zu öffnen. Die Landesgeschichte ist das edelste Gemeingut des Landes, sie kann aber ohne die allgemeinste Benutzung der Archive gar nicht bewirket und geschrieben werden; diese dürfen also den Wenigen, welche den hohen Beruf fühlen, die Lehrer der Geschichte ihres Volks zu werden, nicht verschlossen bleiben. Jedes Land hat ein Recht darauf zu dringen, wie das ganze teutsche Volk; denn ohne die Landesgeschichte vollständig zu besitzen, wird nie die Reichsgeschichte aufblühen.♦
  Was möchte auch wohl die Öffentlichkeit der Nachrichten schaden? Der ganze Inhalt der Archive (mit jenen wenigen Ausnahmen) gehört der Vergangenheit an, kein Nachbar kann aus den neuaufgefundenen Urkunden Ansprüche begründen und fortsetzen wollen. Nur für die Geschichte sind sie noch geschrieben. Und sollte auch irgend ein Ländererwerb in einem zweideutigen Lichte erscheinen; wenn der Nachbar
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  seine Archive nur halb so emsig durchsucht, muß ja durch diese das wahre Verhältniß nicht weniger hervortreten. Was hat Gudenus, Erath, Gerken, Meichelbeck's Codex, Mainz, Quedlinburg, Brandenburg und Freisingen geschadet? Mit Recht haben daher stets die unterichtetsten Männer diese Verheimlichung beklagt, die edelsten Minister (z. B. Herzberg) sie verbannt.♦
  Und was ist die Folge des unnützen Verschlusses hinter unverschieblichen Riegeln? Der gänzliche Verlust der Urkundenschätze, des Vermächtnisses der Vorzeit für die Nachkommen. Es ist warlich hohe Zeit, daß wir den Überrest retten, der unsere Landesgeschichte ausmacht. Was ist durch Unwissenheit, Dummheit und Unglück nicht in den letzten 50 Jahren untergegangen, bei den Klosteraufhebungen muthwillig zerstört worden! Leset Hormayr's gerechte Klagen über den Vandalismus unter Joseph II., Amoldi's über die Zertrümmerung des reichen Dillenburger Archivs durch teutsche und unteutsche Hände, seht wie die Juden der elenden westphälischen Regirung das Archiv zu Cassel abfeilschten, wie die Göttinger Commissarien in Halberstädt'schen Stiftern statt Urkunden — Moderreste finden — und öffnet die Archive, soll nicht auch die trostlose Geschichte über Euch ein gleich freies aber gerechtes Urtheil sprechen, die Ihr immer fortfahrt, den Regirungen von der Schädlichkeit der allgemeinen Benutzung dessen, was Ihr als Euer Eigenthum und als Heimlichkeit anzusehen Euch gewöhnt habt, einen unwahren Bericht zu geben.
 
Archiv-Copien Archiv-Copien, s. Copien.
 
Archivrecht ARCHIVRECHT ist das Recht, vermöge dessen die in einem Archiv aufbewahrten Urkunden und Akten, selbst wenn jene nicht die Form öffentlicher Urkunden haben, doch die Kraft derselben besitzen, mithin vollkommnen Glauben haben, eben weil sie in Archiven lange Zeit deponirt gewesen sind. Dieses beruht auf der Novelle 49. c. 2. und auf mehren Partikularverordnungen, ist jedoch nur auf den Fall zu beschränken, wenn das Archiv ordnungsmäßig angelegt ist, die Urkunde keine offenbaren Zeichen der Unechtheit an sich trägt, oder sonst Verdachtsgründe vorhanden sind.♦ ⇧ Inhalt 
  Solche Archivurkunden und Aktenstücke begründen also nicht sowol einen Beweis, gegen den kein Gegenbeweis zulässig wäre, sondern vielmehr nur eine rechtliche Vermuthung ihrer Echtheit, die nur durch einen stringenten Gegenbeweis entkräftet werden kann. Die hierüber erschienenen Schriften sind aufgezeichnet in Huch Vers. einer Lit. der Diplom. 2. 425 ff. denen Wedekind de usu et praestantia tabulariorum quae archiva appellant in Scholis. Goett. 1756. 4. zuzusetzen ist, so wie die Vorschriften der Preuß. Allg. Ger. Ord. Thl. I. Tit. 10. §. 158 c. ff.
   
HIS-Data 5139-1-05-154-6: Allgemeine Encyclopädie 1. Sect. 5. Th.: ARCHIV HIS-Data Home
Stand: 28. November 2017 © Hans-Walter Pries