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Allgemeine Encyclopädie HIS-Data
5139-1-07-134-1-1
Erste Section > Siebter Theil
Werk Bearb. ⇧ 7. Theil
Artikel: BAIERN I. I - VII
Textvorlage: Göttinger Digitalisierungszentrum
Hinweise: Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Bearbeitung
Inhalt: Übersicht
 
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BAIERN I. VIII - XI ⇨

     
Forts. S. 134 Sp. 1 BAIERN, (Bayern; Bojoaria Bajuvaria), vormaliges Herzogthum und nachheriges Kurfürstenthum im baierschen Kreise, gegenwärtig in der Gesamt-Vereinigung aller ältern und neuern Gebietstheile ein souveräner monarchischer Stat, dessen König Mitglied des teutschen Bundes ist.  
  I. Geschichte. Sie ist sehr reich an offenen Quellen 1), und hat schon sehr viele Bearbeiter gefun-
 
 
  • 1) A. Gesetzbücher, B. Generalien, C. Landständische Akten, s. unter dem Art. Baierisches Recht.
    D. Monumenta Boica
    , eine von der Akademie der Wissenschaften in München herausgegebene Urkunden-Samlung von 1764 – 1821. in 24 Bänden bisher bestehend, die bei Klöstern und geistlichen Stiftern vorhandenen Urkunden enthaltend.
    E. Urkunden zum baier. Münz-, Berg- und Kreisrecht, dann zu einer Geschichte des Lechrains. 6 B. v. J. G. Lori.
    F. Urkundenbücher zu verschiedenen Streitschriften über die Kurwürde, über die österreich. Succession 1740, über die Grafschaft Hirschberg, die Herrschaften Sulzburg, Pyrbaum, Wörth und Donaustauf, über die Mauteinrichtung, über das Halleinische und Berchtesgadensche Salzwesen; insbesondere üb. die baier. Succession u. d. Teschner Frieden 1778. 79. {1}
    G
    . Concordaten mit den benachbarten Bischöfen 1751, 1785, 1789. mit verschiedenen Schriften über die baier. Nunciatur, den Hofbischof, die Malteser-Zunge, u. s. w.
    H. Chroniken von Zeitgenossen in Oefele Scriptor. rerum boicarum T. 2. Aug. Vind. 1763. dann in beiden Pez, Freher, Canisius, Eccard, Schilter, Mencken etc.
    I
    . Codices diplomatici ad Meichelbeck Histor. Frising. ad Mausoleum St. Emerami, ad. Mederer Annales Academiae Ingolstadiensis, zu Bergmann's Geschichte von München, Fr. v. Löwenthal Geschichte von Amberg etc. ad Tolner Hist. Palatin, etc. Cod. Dipl. Episcopatus Ratisbonensis ed. Th. Ried. 1816 etc.
    K
    . Verfassungsurkunde für das Königreich Baiern 1808. 1818; dann die Protokolle des Landtages 1819. 15 Bd.
    (Im Reichsarchive wird an einem pragmatischen Repertorium aller Urkunden von 1300 gearbeitet, das in Druck erscheinen soll.)
{1} Fußnote von Sp. 2 ergänzt
S. 134 Sp. 2 BAIERN  
  den 2). Sie umfasset die Merkwürdigkeiten des baierschen Volkes bei drittehalbtausend Jahren, so wie die Thaten seiner Regenten; allein das Land, welches das baierische Volk unter baierischer Regirung bewohnte, war nach verschiedenen Zeitaltern in seinem Umfange sehr verschieden, bald alle Theile des dermaligen Königreiches und noch mehr in sich fassend, bald auf den Bezirk des Herzogthumes Baiern an den Ufern der Donau beschränkt, je nachdem günstige Verhältnisse das Ansehen und die Kräfte der Regirung und des Volkes mehrten oder minderten. (S. den Art. Baiern, Herzogthum)  
  Zur bessern Übersicht wird diese Geschichte hier in sechszehn Absätzen vorgetragen.  
     
I. I. Urgeschichte des baierischen Volkes. ⇧ Inhalt 
  Die Erzählung des Arnpeckh, Aventin und anderer älterer Geschichtschreiber, — daß Bojus der Sohn des alemannischen Hercules, der Stammvater des baierischen Volkes gewesen sey, — wird längst als Fabel angesehen. Der Ursprung des baierischen Volkes verliert sich gleich dem Entstehen anderer Völker im Dunkel der Vorzeit, uns nimmer ergründbar. Ungefähr 600 Jahre v. Chr. fallen die ersten Strahlen historischer Kunde auf das Land an der Donau und am Rhein. Dazumal wohnten Bojer in der Mitte von Südteutsch-
 
 
  • 2) Die hauptsächlichsten sind:
    a. v. Arnpeckh Chronicon Bojoariae in B. Pez Thesaur. Anecdot. T. III.
    b.
    J. Aventin Annalium Bojorum Lib. VII. — ed. Ziegler, Cisner, Gundling, Schard, auch teutsch von dem Verfasser.
    c
    . A. Brunner Annalium virtutis et fortunae Bojorum P. III. Mon. 1626 — 35.
    d. J. Adlzreiter Annales Boicae gentis. Monach. 1662 , 63. 3 T. f.
    e
    . LeBlanc, Th., Histoire de Bavière. 4 T. Paris 1680.
    f. Statsgeschichte des Churhauses Baiern. Frankf. u. Leipz. 1743.
    g
    . Stadler, P., Baierische Geschichte. München 1762.
    h
    . Falkenstein, J. H. v., vollständige Geschichte von Baiern. 3 B. Münch. 1763.
    i. Westenrieder, L., Geschichte von Baiern für die Jugend und das Volk. München 1786.
    k
    . Geschichte und Erdebeschreibung von Pfalzbaiern, von den Verfassern der Kinderakademie. 1786, 97.
    l
    . Feßmaier, J. E., Geschichte von Baiern. Landshut 1803.
    m
    . Milbiller, F., kurzgefaßte Geschichte v. Baiern. München 1806.
    n
    . Hellersberg, K. v., Auszüge aus den Jahrbüchern des baierischen Volkes. Landsh. 1812. München 1817.
    o. Zschokke, H., Baierische Geschichten. 4 B. Aarau 1813 — 18.
    Übersichten
    der baierischen Geschichte haben geliefert: Gundling, Ludwig, Finsterwald, Pütter, Haid, Kaiser, Baumgartner, Westenrieder, Stumpf u. a.
    Haupttheile
    davon bearbeiteten: Velser, Aettenkhofer, Lori, Mederer, Zirngibl, Gemeiner, Lipowsky. Lang, Pallhausen, Rudhart, Eisenmann u. a.
 
S. 135 Sp. 1 BAIERN ⇧ Inhalt 
  land neben den Helvetiern. Damals zogen Bojer mit andern Galliern unter Bellowes nach Italien, bauten Lodi, Pavia, und andere Städte: Bojer fochten nachher mit den Senonen unter Brennus, und nahmen 390 v. Chr. die Stadt Rom ein, wurden aber in der Folge von Scipio Nasica verdrängt, zogen zu den Tauriskern zwischen den Flüssen Donau und Sau, und wurden mit ihnen 42 J. v. Chr. von den Dakiern überfallen und größtentheils aufgerieben, daher nachher die boische Ödung (deserta Bojorum) an dem Neusiedlersee.  
  Sigowes, ein angeblicher Bruder des Bellowes, soll zu gleicher Zeit mit einem ansehnlichen Heere ausgezogen seyn, und sich im herkinischen Walde niedergelassen haben. Von diesem Volke hat ein Schwarm, Tolistobojer genannt, 280 J. v. Chr. die Heimath verlassen; vereint mit andern Galliern drangen sie unter Anführung eines andern Brennus in Macedonien ein, eroberten Byzanz, und ließen sich in Bithynien nieder, wo sie das Reich Gallogräcia, oder Galatia stifteten, das die Römer erst 25 J. v. Chr. in eine Provinz verwandeln konnten.  
  Auch Julius Cäsar fand die Bojer im südlichen Teutschlande wohnend, und gab einem Schwarme davon, der 58 J. v. Chr. ausgezogen war, Noreja erobert, und sich mit den ausziehenden Helvetiern vereiniget hatte, auf Bitten der Äduer Wohnsitze in Gallien. — Der spätere Tacitus behauptet, das Volk der Bojer habe in dem heutigen Böhmen (Bojohemum, Heimath der Bojer) gewohnt, und sey von den Markomannen daraus 8 J. v. Chr. vertrieben worden 3).  
  Es ist viel über die Frage gestritten worden, ob die Bojer gallischen oder teutschen Ursprungs gewesen, und ob ihre Wanderungen aus dem heutigen Frankreich, oder von den Küsten der Nord- und Ostsee ausgegangen seyen 4)? Dieser Streit wird sich von selbst heben, da nun so ziemlich ausgemacht ist, daß Gallier und Germanen lange Zeit das nämliche Volk gewesen, das die Griechen Kelten, die Römer Gallier genannt, ohne Unterschied, ob sie an der Donau, an dem Rheine, oder an der Elbe wohnten; ihre Sprache, die keltische, damals mit der teutschen die nämliche, soll mit der griechischen sehr nahe verwandt gewesen
 
 
  • 3) C. Julius Caesar de bello gallico; T. Livius in Hist. Rom. L. V. c. 34, 38. Strabo rerum geographicarum L. IV et VII. Plinius Naturae historiarum Lib. 33. C. Corn. Tacitus de situ, moribus et populis Germaniae. Plutarchus in Camillo et Mario. Justinus in Historicis Philippicis. Florus in Epitome rerum romanarum etc.
  • 4) Der ersten Meinung sind Cäsar, Livius, Velser, Brunner, Adlzreiter, Lori, Westenrieder, und die Verfasser der Kinderakademie; vorzüglich aber neuerlich Pallhausen, der aus den Namen der Flüsse und andern Überresten der keltischen Sprache in Baiern die gallische Abkunft beweisen wollte. Die gegentheilige Meinung behaupteten Just. Dithmar in notis ad Tacitum de moribus Germanorum; Leibniz in praefatione ad annales Adlzreiteri et Brunneri; Mart. Schookius in Historia Brandenburgensi; Nic. Hier. Gundling im Discours über die Reichshistorie; Falkenstein in der Geschichte von Baiern; Mederer in seinen Beiträgen, und Lipowsky in seiner baierischen Geschichte.
 
S. 135 Sp. 2 BAIERN  
  seyn. Erst zu Cäsars Zeiten wurde der Name Gallien von Germanien getrennt, und auf das heutige Frankreich beschränkt, und in dieser Beschränkung haben die römischen Schriftsteller in der Folge, ganz irrig, von den ältern Galliern gesprochen 5). —♦  
  Schwerer zu lösen ist die Frage: ob die Baiern von den Bojern abstammen 6)? ja noch mehr, es wird sogar in Zweifel gezogen, ob die Bojer eine bestimmte Völkerschaft unter den Galliern oder Germanen gewesen seyen, oder ob ihr Name nicht einen besondern Ausschuß dieser Völkerschaften, allenfalls einen auserlesenen Kriegerstand (Elites) bedeutet habe, da es sonst kaum zu erklären ist, daß ein mächtiges Volk, welches überallhin Mannschaft zu den größten Heerzügen gegeben, auf einmal verschwunden, und Jahrhunderte lang ungenannt geblieben seyn soll 7). Können wir aus Mangel an Urkunden diese Fragen nicht mehr lösen, und bleibt der Ursprung der baierischen Nation zweifelhaft; so ist sie doch nicht minder edel, da die Geschichte, so lange sie ihren Namen kennt, Großes und Herrliches von ihr zu erzählen hat.  
     
II. II. Urgeschichte des Landes Baiern. ⇧ Inhalt 
  Das Land, welches die Baiern, soviel wir zuverlässig wissen, seit mehr als 1300 Jahren bewohnen, wurde den Römern zu Augustus Zeiten bekannt unter dem Namen Vindelicien. Er sendete 15 J. v. Chr. seine Stiefsöhne Drusus und Tiberius, den ersten nach Pannonien (Ungarn) und Norikum (Österreich), dann beide im nächsten Jahre gegen Rhätien (Tirol) und Vindelicien. Diese Länder wurden erobert, und zu römischen Provinzen gemacht. Vindelicien wurde in der Folge das zweite Rhätien (Rhaetia secunda) genannt 8). —♦  
  Da die Römer bei ihren beständigen Kriegen Hilfstruppen bedurften; so ist wahrscheinlich, daß sie die dienstfähige Mannschaft dieser Provinzen in fernen Gegenden des Reiches gebrauchten, und deshalb wurde angenommen, daß die aus Böhmen vertriebenen Bojer in dem entvölkerten Noricum, und nachher in Vindelicien von den Römern aufgenommen worden seyen; einige spätere Schriftsteller weisen ihnen diese Wohnsitze an, keiner der gleichzeitigen Römer spricht von einer solchen Einwanderung der Bojer ins römische Reich 9). — ♦  
  Die Römer, welche diese Provinzen durch Statthalter (Praesides) beherrschen ließen, waren vorzüglich darauf bedacht, Vertheidigungs-Anstalten gegen die Einfälle der germanischen Völker zu errichten. Es wurden Städte gebauet, und befestiget, z. B. Augsburg (Augusta Vindelicorum), Regensburg (Augusta Tiberii); Heerstraßen wurden von Verona bis an die Donau, von Pannonien bis an den Rhein ange-
 
 
  • 5) C. Chr. Barth Teutschlands Urgeschichte, B. I. S. 187.
  • 6) Plato, genannt Wild, hält sie für Longobarden, Krause für Alemannen, Pfister und Mannert für Reste der Heruler, Sciren, Rugier, und Turcilinger; Pallhausen eiferte sehr gegen diese Meinungen.
  • 7) Barth a. a. O. S. 389.
  • 8) Horatii Carm. Lib. IV. Od. 4 et 24. Dio Cassius in Hist. Romana. Strabo L. 4. Pompon. Mela de sito orbis.
  • 9) Strabo, Posidonius, Jornandes de Getarum origine et rebus gestis. — B. Apell von der Ankunft der Bojer in Noricum und Vindelicien.
 
S. 136 Sp. 1 BAIERN ⇧ Inhalt 
  legt. Mehre Standlager sind bekannt, z. B. bei Passau, Künzen, Straubing, Regensburg, Pföring etc. (Castra Patava, quintana, Augustana, Regina vetera) etc10). — ♦  
  Kaiser Adrian ließ am linken Ufer der Donau an und über der Altmühl, über Gunzenhausen, Dinkelsbühl, und hinab an den Neckar eine Vertheidigungslinie mit Wall und Graben (vallatum, Pfahl, Teufelsmauer) erbauen 11). —♦  
  Diese Vertheidigungs-Anstalten hinderten weder den markomannischen Krieg (v. J. 162 — 180), noch die Einfälle der Chatten und Alemannen (im Jahr 225), noch weniger den Zug der Hunnen (i. J. 375), und den der Westgothen unter Alarich (i. J. 400). Am fürchterlichsten wurden diese Länder in dem Zuge der Hunnen und ihrer Verbündeten unter Attila (i. J. 450) verheeret.♦  
  Bei diesen sogenannten Völkerwanderungen war die römische Herrschaft an der Donau vernichtet, obwol erst Odoaker mit den Herulern durch Eroberung der Stadt Rom (i. J. 476) dem abendländischen Reiche, zu dem beide Rhätien gehörten, ein Ende machte. Allein das neue Reich wurde von Theodorich, dem Könige der Ostgothen erobert, und ein ostgothisches Reich gegründet; dieses begriff auch beide Rhätien in sich, und er ließ sie durch einen Statthalter zu Augsburg (Dux Rhaetiarum), regiren. Endlich, im J. 553 ward auch das gothische Reich zertrümmert 12).  
     
III. III. Die Baiern unter den Agilolfingern, (v. J. 554 bis 788). ⇧ Inhalt 
  Gleich bei dem Untergange des ostgothischen Reichs findet sich im heutigen Baiern (und zwar von der Iller bis an die Ens, von den Gränzen der Thüringer bis an den Fluß Nosius bei Trient), das Volk der Bajuvarier, Bojoarier *) selbständig, unter
 
 
  • 10) Das Itinerarium Antonini enthält sechs Heerstraßen, die durch das heutige Baiern führten, mit allen Hauptstationen, die sie berührten, vid. Tabula Peutingeriana, aus dem Original der Wiener Bibliothek von Scheib herausgegeben; die k. Akademie der Wissenschaften veranstaltet eine neue Ausgabe. Darüber, und über die vielen aufgefundenen römischen Ruinen, Meilensteine, Inschriften, Münzen, Altäre, Bäder, Urnen, Grabhügel, Töpfereien sehe man auch Aventin, Velser, Gewold delineatio Norici veterisResch Annales Sabionenses, Nachrichten von Juvavia, (Salzburg), Limbrunn, Falkenstein, Rid, Westenrieders Geographie, Pallhausen, Stichaner, Stark, Raiser u. a.
  • 11) Aelius Spartianus in vita Hadriani Imp. — Flav. Vopiscus in vitis Aureliani et Probi. — Döderlein, Hanselmann, Rettenbacher, und Buchner.
  • 12) Julius Capitolinus, Aelius Lampridius, Aelius Spartianus, Eutropius , Ammianus Marcellinus, S. Hieronymus, Zosimus, Claudianus, Priscus, Idatius, Sidonius Apollinaris, Jornandes, Procopius, Cassiodorus, Paul Warnefried de gestis Longobardorum u. a.
 
 
  • *) Bajoarier, auch Bajuvarier, und Boioarier. So hieß das Stammvolk der heutigen Baiern, welches im ehemaligen Noricum und Vindelicien wohnte. Nach dem Zeugnisse des Jordanes de reb. get. c. 55. war es unter diesem Namen bereits in der zweiten Hälfte des 5ten Jahrh. bekannt. Über die Abkunft der Baioarier wird noch heut zu Tage gestritten. Gegen diejenigen, welche sie mit dem bayrischen Geschichtschreiber Aventin durchgängig für Abkömmlinge der alten Bojer halten, behaupten neuere Geschichtforscher mit größrer Wahrscheinlichkeit, daß die Baioarier nichts anders als Reste verschiedener germani- {1} scher Völker waren, die bei den bekannten großen Völkerzügen hier zurückgeblieben, daß sie nach und nach aus Alemannen, Thüringern, Herulern, Rugiern, Sciren, Turcilingern, vereint mit einigen Überresten der alten tuskischen und gallischen Einwohner in ein einziges Volk zusammengeschmolzen, und als Bewohner des ehemaligen Bojerlandes, Baioarier oder Boioarier genannt worden seyen. Denn ihre Mundart zeigt rein den altteutschen Ursprung, wenn gleich ihre Sprache mit einigen keltischen Wörtern vermischt war. Die Römer sprachen mit keiner Sylbe von Bojern, die seit der Vertreibung derselben aus Bojenheim in Teutschland vorhanden gewesen waren; auch Eugippus, der gleichzeitige Biograph des h. Severin, kannte im 8ten Jahrh. keine Bojer in dieser Gegend. Mehr oder weniger ausführlich ist diese Meinung vorgetragen in der Geschichte von Schwaben, neu untersucht und dargestellt von J. C. Pfister. Heilbrunn a. N. Erstes Buch, 1803; in der ältesten Geschichte Bajoariens und seiner Bewohner etc. von Conr. Mannert. Nürnb. u. Sulzb. 1807. und in dem kurzen Auszuge aus den Jahrbüchern des baierischen Volkes von K. Edlen v. Hellersberg. Landsh. 1812. Die entgegengesetzte Meinung vertheidigte Vincenz v. Pallhausen in der Prüfung der von Mannert aus den Quellen entwickelten Geschichte Bojoariens. München 1808, und in mehren andern Schriften. (Milbiller.)
{1} Fußnote von Sp. 2 ergänzt.
S. 136 Sp. 2 BAIERN  
  einem Herzoge aus dem Hause der Agilolfinger, in gewisser Verbindung mit den Franken. Wahrscheinlich hatten die Franken dem baierischen Volke zur Unabhängigkeit verholfen, und Agilolf, vielleicht mit Klodwigs Tochter vermählt, erwarb für sein Geschlecht die Regentenwürde von Baiern 13). Die Regentenreihe war folgende  
 
1. Garibald I. von 554 bis 595
2. Thassilo I. - - 609
3. Garibald II. - - 640 ungefähr
4. Theodo I. - - 680 ungef.
5. Theodo II. - - 717
6. Theodobald

  >

gemeinschaftlich
bis ungefähr

<  
712
  Theodobert 723
  Grimoald 729
7. Hugibert bis 735  
8. Odilo - 748  
9. Thassilo II. - 788.  
 
  Die meisten dieser Herzoge hatten ihren Sitz in Regensburg; außer einigen Zügen gegen die Slaven und Avaren lebten sie friedlich, im guten Einverständnisse mit den Franken und mit den Longobarden, mit denen sie durch Garibalds Tochter, die berühmte Theodelinda, in Verbindung kamen 15).  
  Unter Garibald II. erhielten die Baiern, glaublich mit Zuthun des Franken-Königs Dagobert, ein geschriebenes Gesetzbuch (Leges Bajuvariorum). Hier die Hauptzüge davon: Der Regent sey aus dem Geschlechte der Agilolfinger: die Glieder dieses Geschlechtes zu verletzen, unterliegt der vierfachen Strafe einer Unbill gegen andere Freie. Nach ihnen reihen sich fünf edle Geschlechter: Huosi, Drozza, Fagana,
 
 
  • 13) P. Warnefrid. — Gregor. Turonens. et Fredegar. Scholast. historiae Regum Francorum; Chroniken und Biographien bei Duchesne, Aimoin Monach. Floriacensis. Sigibertus Gemblacensis, Paul. Diaconus , Andreas Presbyter Ratisponensis. — Mederer in seinen Beiträgen.
  • 14) Mederer hat diese Reihe, die bei Aventin, Velser, Brunner, Adlzreiter, Hansiz und Pez anders lautet, kritisch aufgestellt, und die Neuern sind ihm hierin gefolgt.
  • 15) Pallhausen, Garibald und Theodelinda, und die dort angeführten Quellen.
 
S. 137 Sp. 1 BAIERN ⇧ Inhalt 
  Hachilinga, Anniona; ihre Verletzung ist durch doppelte Buße verpönt, Dann kamen die Freien, Freigelassenen und Leibeigenen. Der freie, des liegenden Eigenthums Besitzer und Vertheidiger galt vorzüglich; letztere ungleich weniger; der Freie war der Vertheidiger des Landes auf eigene Kosten; er war bei der Berathung der allgemeinen Angelegenheiten, und Beisitzer der Gerichte. Landesversamlungen und Obergerichte hielt der Herzog: die meisten Angelegenheiten, die Heerschau, und alles, was Grund und Boden und Freiheit betraf, that der Graf des Gaues in den öffentlichen Versamlungen ab, die alle vierzehn Tage gehalten wurden; er war der Feldhauptmann der Freien seines Gaues. Kleinere Händel besorgte der Centenar. Die Gesetze waren sehr einfach: meist Geld- oder Freiheits-Strafen, bei Unfreien Leibesstrafen. Der Schirm des weiblichen Geschlechts und der Kirchen-Sachen war besonders heilig 16).  
  Das wesentlichste Ereigniß dieser Epoche war die Einführung und Ausbreitung der christlichen Religion in Baiern durch die Glaubensprediger Agilus, Eustasius, Haimeram, Rupert, Corbinian s. a. den frühern Severin und Narcissus nicht zu vergessen 17). Besonders machte sich Odilo verdient, da er im J. 739 den Grund zu den ständigen bischöflichen Sprengeln in Baiern legte, und dieses Geschäft mittelst des h. Bonifacius mit Rom in Ordnung brachte 18). Derselbe hat auch mehre Klöster gestiftet, die damals eigentliche Culturanstalten waren 19).  
  Als die Franken-Könige aus dem Geschlechte der Merovinger von ihren Hausmaiern (Ministern) beschränkt und zuletzt verdrängt wurden, mußten die ihnen verwandten Agilolfinger bald ein Gleiches befahren. Odilo verband sich mit Chilitrud, Karl Martells Tochter; allein ihre Brüder Pipin und Karlmann befehdeten Baiern. 743 kam es zur Schlacht: Odilo verlor sie, mußte einen Theil des Landes an den linken Ufern des Lechs und der Donau abtreten, und den Lehneid an die Franken-Könige leisten. Sein unmündiger Sohn Thassilo wurde an Pipins Hof erzogen, früh in dem Kriege gegen die Longobarden gebraucht, im J. 757 zu Compiegne selbst zum Vasalleneide vermocht. 763 entzog er sich dem Kriege gegen Aquitanien, ging nach Baiern zurück, und trat hier auf dem Landtage zu Aschheim die Regirung des Landes an. Eben solche Landtage wurden im J. 772 zu Dingolfing, 774 und 777 zu Neuching gehalten, denen Bischöfe, Äbte, Grafen und Freie des Landes beiwohnten. Die darauf gemachten Satzungen in Kirchen- und politischen Sachen werden Decreta Thassilonis genannt 20).
 
 
  • 16) Mederer zum angeführten Gesetzbuche.
  • 17) Walafrid. Strabo in vita S. Galli, Jonas Bobiens. in vita Eustasii, Aribo et Meginfried in vita S. Emmerami, vita primigenia S. Ruperti bei Canisius. Meichelbeck. Vita Severini ap. Velser. Mederer etc.
  • 18) Meichelbeck Hist. Frising. Hund Metropolis Salisburg. Aventin, Hansiz Germania Sacra. Falkenstein für Eichstädt, und Stein über das Bisthum Neuburg. Mederer.
  • 19) Weltenburg, Weihenstephan, Ober- und Niederaltaich, Osterhofen, Mondsee, Pfaffenmünster, Niedernburg; ebenso stifteten andere Personen Tegernsee, Ilmmünster u. a. Monumenta Boica,
  • 20) Aventin, Fürst Frobenius {1} Forster von St. Emmeram, Harduin Acta Conc. T. III. Scholliner, Steigenberger, Wurzer, Mederer, Winter, baier. Kirchengeschichte.
S. 137 Sp. 2 BAIERN  
  Thassilo wurde bis an Pipins Tod 768 in Ruhe gelassen; auch nachher hat ihn Pipins Sohn, Karl der Große genannt, nicht beunruhiget, bis er die Unterdrückung der Kinder seines Bruders Karlmann, seines Schwiegervaters, des longobardischen Königs Desiderius und des Herzogs Arichis von Benevent, dessen Schwiegersohnes, vollbracht hatte. Thassilo, der Luitburg, des Desiderius Tochter zur Ehe hatte, suchte dem Sturme auszuweichen; er gab Karln Truppen gegen die Saracenen, und glaublich auch gegen die Longobarden; er suchte die Freundschaft der Päpste zu gewinnen, aber umsonst. Karl ließ den Thassilo durch päpstliche Gesandte an den Vasalleneid, den er als Knabe geleistet, erinnern, und foderte ihn nachher auf einen Reichstag nach Worms zu Wiederholung desselben. Da Thassilo nicht erschien, zog Karl mit drei Heeren gegen Baiern; Thassilo unterwarf sich, empfing sein Land als Lehen, und gab Geißeln.♦  
  Der gute Thassilo war über das harte Benehmen des stolzen Emporkömmlings, seines nahen Verwandten Karls, so entrüstet, daß er den Eingebungen seiner beleidigten Gattin folgend, mit Arichis von Benevent ein geheimes Bündniß mit den Hunnen einging. Karl erhielt davon Kunde, Thassilo wurde auf den Reichstag nach Ingelheim vorgeladen, als Verräther angeklagt und zum Tode verurtheilt; allein Karl begnügte sich damit, ihn und seine ganze Familie (der älteste Sohn Theodo war seit 777 Mitregent, und vor dem Bündnisse als Geißel in Karls Macht, also an allem unschuldig), in Klöster einzusperren, im Jahre 788. Thassilo mußte sechs Jahre nachher auf einem Reichstage noch einmal erscheinen, und für sich und sein Geschlecht auf das Herzogthum Baiern verzichten 21). Unbekannt ist das weitere Schicksal dieser Familie, aber nicht unwahrscheinlich, daß Karls menschlichere Nachfolger einen Sohn Thassilos oder andere Agilolfinger, und die Erhaltung des Geschlechts begünstigt haben. (Man sehe den Artik. Wittelsbacher.)  
     
IV. IV. Die Baiern unter den Karlingern bis zum Vertrage von Verdün. 788 bis 843. ⇧ Inhalt 
 
Regentenreihe: Karl der Große von 788 bis 814
  Bernhard 814 - 817
  Ludwig der Schwache   - 825
  Ludwig II.   - 853
 
  Baiern, nunmehr eine Provinz des fränkischen Reiches, wurde wie die übrigen Theile desselben regirt, insbesondere aber auf einem Reichstage in Regensburg die Herzogenwürde abgeschaft, ein Statthalter angeordnet, dann gegen die Gränzen Markgrafen mit größerer Macht eingesetzt, und aus dem Erbgute der Agilolfinger große Vergabungen an Bischöfe und Klöster, besonders an die Kirche in
 
 
  • 21) Aimoin, Sigebert. Gemblac. Regino, Monach. Engol., Astronom. Annal. Metens, Nazarian., Petav. Laurish. ad a. 787. 788. 794. Eginhard in vita Caroli M. Mederer.
 
S. 138 Sp. 1 BAIERN  
  Salzburg, deren Bischof Arno 798 Erzbischof wurde, gemacht 22).  
  Auf dieser und den vielen andern Versamlungen wurden verschiedene Gesetze in geistlichen und weltlichen Dingen gegeben, und die Macht der Bischöfe dadurch vorzüglich gehoben, daß sie auch zu königl. Gesandten (Missi) zur Aufsicht über die Verwaltung der Provinzen ernannt wurden 23).  
  Außerdem begann Karl mit bedeutender Macht einen eilfjährigen Krieg gegen die Hunnen, und erweiterte Baierns östliche Gränze bis an die Raab in Ungern. Das Gebiet wurde dem ostbaierischen Markgrafen übergeben, die kirchliche Aufsicht aber unter die Sprengel von Salzburg und Passau vertheilet 24).  
  Karl hatte in seinem Testamente Baiern mit der Lombardei seinem Sohne Pipin, und nach dessen Tode seinem Enkel Bernhard zugedacht; allein nach Karls Tode (im J. 814) nahm sein Sohn Ludwig der Fromme Baiern, theilte es im J. 817 seinem Sohne Ludwig II. zu, einem Kinde, statt dessen er die Regirung führte. Bernhard, mißvergnügt darüber, stiftet eine Verschwörung gegen den Oheim, wird entdeckt, unterwirft sich, wird geblendet und stirbt im J. J. 818.♦  
  Ludwig II. übernahm die Regirung von Baiern im J. 825 und nannte sich in allen Urkunden König von Baiern (Rex Bojoariorum). Als sein Vater dem Sohne zweiter Ehe, Karl (nachher der Kahle genannt), einen Länderbesitz zu verschaffen, dazu auch das baierische Rhäzien gab, verband sich Ludwig mit seinen Brüdern, und kriegte gegen den Vater; in der Folge aber auch gegen die treulosen und grausamen Brüder, bis endlich nach Pipins und des Vaters Tode sich Lothar, Ludwig und Karl zu Verdün im J. 843 über eine Ländertheilung verglichen, in welcher Ludwig nebst Baiern alle teutsche Lande bis an den Rhein, und dazu noch die Städte Mainz, Worms und Speier erhielt 25).  
     
V. V. Die Baiern unter den Karlingern vom Vertrage zu Verdün bis zu ihrer Erlöschung, v. J. 843 — 911. ⇧ Inhalt 
  Die Regentenreihe ist folgende:  
 
Ludwig II. (v. J. 843) bis 876.
Karlmann - - - 880.
Ludwig III. - - - 882.
Karl der Dicke - - - 887.
Arnulph - - - 899.
Ludwig das Kind - - 911.
 
  Ludwig II. der von den Geschichtschreibern der Teutsche genannt wird, nannte sich in den Urkunden König in Ostfranken, desgleichen auch seine Nachfolger, mit Ausnahme Karlmanns, der sich König der
 
 
  • 22) Meichelbek, Monumenta Boica, Nachricht von Juvavia, Chronicon S. Petr. Salisburg. Mederer.
  • 23) Georgisch, Capitularia Regum Francorum, Enhuber Concilia Ratisponensia. Alcuini opera ed. Frobenii Principis ad S. Emmeram.
  • 24) Eginhard. Alcuin.
  • 25) Charta divisionis ap. Baluz. Theganus in vita Ludovici Pii. Annales Pithoeani, Fuldenses, Bertiani, Laurisheimenses ap. Eccard.
 
S. 138 Sp. 2 BAIERN  
  Baiern nannte 26). Alle hatten erschöpfende Kämpfe gegen die Normänner, gegen die Slaven in Nordteutschland, gegen die Böhmen und Mähren zu bestehen, und Ludwig das Kind erlag den wiederholten Angriffen der Ungern 27). Im Innern hatten sie durch vernachlässigte Aufsicht über den Heerbann, durch Vergabung an die Kirchen und Bischöfe, Enthebung derselben von den Reichslasten, durch Belehnungen und dergleichen Mißgriffe ihre eigene Macht herabgewürdiget. Durch die Einziehung der Grafschaft Babenberg wurde das baierische Kammergut gemehret 28).  
     
VI. VI. Baiern unter Herzog Arnulph und seinen Söhnen, v. J. 911 bis 938. ⇧ Inhalt 
  Als nach Erlöschung des Karlingerstammes die Rheinfranken, Sachsen und Thüringer den Grafen Konrad von Frizlar als teutschen König anerkannten, fanden die Baiern keinen ihrer Regirung würdiger, als ihren Herzog Arnulph, den Sohn des Markgrafen Luitpold, der im J. 907 in einer Schlacht gegen die Ungern gefallen war. Arnulph an Leib und Sele ein statlicher Mann, vorher schon ausgezeichnet in den Kämpfen gegen die Ungern, der abgegangenen Könige Verwandter, wollte sich an der Spitze von Baiern behaupten; die Ungern, die den ihnen von den Karlingern gelobten Tribut foderten, wies er männlich ab, und schlug ihren Einfall zurück (im J. 912).♦  
  Allein König Konrad, der sich durch Schwaben verstärkt hatte, überfiel Baiern, und brachte ihn zum Weichen. Er der Besieger der Ungern mußte zu ihnen flüchten. Nach K. Konrads Tode im J. 917 setzte sich Arnulph wieder in Regensburg fest, entschlossen, den Angriff des neuen Königs Heinrichs I. zu erwarten, und sich aufs Äußerste zu vertheidigen. K. Heinrich kam im J. 920 mit einem Heere vor Regensburg; allein nach vergeblicher Gewalt versuchte er den Weg der Güte, und da er nur wünschte, daß Baiern sich nicht von Teutschland trennen möchte, so kam bald der Vergleich zu Stande: „Arnulph und seine Nachkommen sollten Baierns Regenten bleiben, jedoch die Lehenshoheit des Reichs anerkennen."♦  
  Und so hat in der Folge Herzog Arnulph als Vasall des Reiches den Heerzug K. Heinrichs gegen die Böhmen im J. 930 begleitet, und im J. 935 erschien er bei der Krönung Königs Otto I. und verrichtete das Ceremoniel des Marschaldienstes. Allein als unabhängiger Regent machte er einen Zug nach Italien, setzte Bischöfe ein, hielt Synoden, und übte das Münzrecht.♦  
  Als Herzog Arnulph sein ruhmvolles Leben im J. 937 beschlossen hatte, folgten seine Söhne Eberhard, Arnulph und Hermann in der Regirung Baierns; allein da sie innerhalb Jahresfrist des Königs Belehnung nicht suchten, so wurden sie von demselben bekriegt, und nach verzweifelten Kämpfen des Herzogthumes verlustig. K. Otto beraubte das Herzogthum Baiern aller Vorzüge, und gab dasselbe wie ein Amtslehen an
 
 
  • 26) Ried Cod. Dipl. Episcop. Ratisp.
  • 27) Annales Fuldenses, Regino. Mausoleum S. Emmerami.
  • 28) Mon. Boica. Hund Metropolis Salisburg. Regino.
 
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  Berchtold den Bruder des Herzogs Arnulph, der bisher Markgraf im Vintschgau gewesen 29).  
     
VII. VII. Baiern als teutsche Provinz unter Herzogen als Kronbeamten aus verschiedenen Häusern, v. J. 938 bis 1250. ⇧ Inhalt 
  Während dieser Periode ist die politische Geschichte von Baiern ganz mit jener des teutschen Reiches ver-  
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  webt; denn die Kaiser und Könige waren die eigentlichen Regenten, und überließen den Herzogen außer den Kriegsgeschäften der Provinz nur wenige andere, und trachteten auch öfters, das Herzogthum Baiern in ihrem Hause zu behalten; daher verweisen wir den Leser auf die teutsche Reichs-und Kaisergeschichte, und bemerken hier nur das, was sich eigenthümlich in der baierischen Provinz zugetragen hat.  
  Regentenreihe  
 
Teutschlands Kaiser und Könige. Baierns Herzoge.
I. Otto I. bis 973. 1) Berchtold, ein Baier bis 948.
  2) Heinrich I. des Königs Bruder ein Sachse - 955
II. Otto II. bis 983. 3) Heinrich II. Sohn des vorigen abgesetzt 976.
  4) Otto aus Schwaben bis 982.
III. Otto III. bis 1002. 5) Heinrich III. Berchtolds Sohn, ein Baier, tritt ab 985.
  6) Heinrich II. abermals bis 995.
IV. Heinrich II. oder Heilige bis 1024. 7) Heinrich IV. des vorigen Sohn (als König Heinrich II.) bis 1004.
  8) Heinrich V. ein Luxenburger, abgesetzt 1008.
  9) Heinrich IV. abermals, d. i. der König selbst bis 1017.
  10) Heinrich V. abermals bis 1026.
V. Konrad II. bis 1039. 11) Heinrich VI. Sohn des Königs und nachmaliger Kaiser (Heinrich III.) ein Rheinfranke bis 1042.
VI. Heinrich III. bis 1056. 12) Heinrich VII. ein Luxenburger - 1047.
  13) Konrad I. Graf von Zütphen, v. 1049 bis zur Absetzung 1053.
  14) Heinrich VIII. des Königs Sohn (nachmals K. Heinrich IV.) bis 1055.
  15) Konrad II. des vorigen Bruder, ein Kind, stirbt 1055.
VII. Heinrich IV. bis 1107. 16) Agnes, Witwe K. Heinrichs III. und Mutter K. Heinrichs IV. tritt ab 1061.
  17) Otto II. von Nordheim, aus Sachsen, abgesetzt 1070.
  18) Welf I. aus Schwaben, abgesetzt 1077.
  19) Statthalter des Königs bis 1096.
  20) Welf I. abermals bis 1101.
VIII. Heinrich V. bis 1125. 21) Welf II. bis 1120.
  22) Heinrich IX. oder Schwarze, des vorigen Bruder, tritt ab 1126.
IX. Lothar bis 1137. 23) Heinrich X. oder Stolze, des vorigen Sohn, abgesetzt 1139.
X. Konrad III. bis 1152. 24) Leopold, Markgraf von Ostbaiern bis 1141.
XI. Friedrich I. bis 1191. 25) Heinrich XI. oder Jasomirgott, des vorigen Bruder, tritt 1156 das Herzogthum Baiern ab, wogegen ihm, die ostbaierische Markgrafschaft, zum Herzogthume erhoben, verliehen worden.
  26) Heinrich XII. oder der Löwe, Sohn Heinrichs X. abgesetzt 1179.
XII. Heinrich VI. bis 1198. 27) Otto von Wittelsbach, Pfalzgraf von Baiern, v. 1180 bis 1183.
XIII. Philipp bis 1208. 28) Ludwig I. oder Kelheimer, des vorigen Sohn.
XIV. Otto IV. bis 1215.    
XV. Friedrich II. bis 1250. 29) Otto der Erlauchte bis 1253.

 
 
  • 29) Continuator Reginonis, Luitprand. Hermann. Contractus, Sig. Gembl. Wittichind. Annal. Dittmar Merseburg.{1}Hochwart Catal. Ep. Ratisp. ap. Oefele. Agn. Candler Arnulphus male malus cognominatus.
{1} Fußnote von Sp. 2 ergänzt.
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  Da die Herzoge nur Kronbeamte waren, die bis gegen das Ende dieser Periode ziemlich willkürlich ernannt und abgesetzt wurden; so war es natürlich, daß die Baiern an den häufigen Kriegen, welche die teutschen Könige führten, Theil nehmen mußten: solche Kriege führte man gegen die Ungern, gegen die Sarazenen, zur Behauptung der Kaiserkrone in Italien, und selbst in Teutschland, besonders Heinrich IV. gegen die Sachsen. Das baierische Herzogthum selbst wurde durch Erhebung von Kärnthen, Ostfranken und Östreich zu Herzogthümern, dann durch die Stiftung des Bisthumes Bamberg sehr verkleinert.♦  
  Dagegen wuchs nicht nur die Macht der Bischöfe bedeutend, sondern auch die der Grafen vorzüglich. Diese, ehedem blos Beamte und Vorsteher ihres Gaues, machten ihr Amt erblich, und vereinigten nicht selten durch Heirath, Belehnung und auf andern Wegen mehre Grafschaften. So erhoben sich die Grafen von Andechs, Abensberg, Vohburg, Bogen, Ortenburg, Leuchtenberg, Lengenfeld, Sulzbach, Hirschberg, Graisbach, Wasserburg u. a.; größer noch war das Besitzthum der Welsen, und am vorzüglichsten das der Familie Wittelsbach. Bei dieser Familie war fast immer die Pfalzgrafenwürde, die nächste nach dem Herzoge, bestimmt, ihn in der Abwesenheit zu vertreten, dann des Königs Bann (Criminalrecht), und die besondern Rechte desselben auf seinen Kammergütern und in Fiskalien zu wahren.♦  
  So wie früher die Kronbeamten alle Freien auf Provinzialtagen versammelten, um über die Landesangelegenheiten zu rathschlagen, so erschienen jetzt Bischöfe und Grafen in eigenem Namen, und ihre Stimmen wurden um so wichtiger, als sie jetzt ihre eigenthümlichen Interessen zu vertheidigen hatten. Allein da besonders in den Zeiten K. Heinrichs IV. die geistliche und weltliche Herrschaft durch den sogenannten Investiturstreit entzweiet waren, da die teutschen Provinzen besonders Sachsen und Schwaben den König selbst bekriegten: so führten Bischöfe und Grafen unter einander Krieg, wodurch die Mindermächtigen gar oft beschädigt wurden; und da sie von dem Könige, und den allgemeinen Rechtsinstituten keinen Schirm mehr erhalten konnten: so sahen sie sich genöthiget, sich unter den Schutz eines mächtigen Lehen- oder Vogtherrn zu begeben, oder einer Kirche zinsbar, oder gar leibeigen zu werden; ja selbst Bischöfe und Klöster mußten einen Vogt annehmen, weil sie anders nicht sicher waren. So haben Sucht nach Immunitäten, das unselige Lehensystem der Großen, und die Privatgewalt die öffentlichen Rechtsinstitute und Ordnungen in Teutschland zerstört, und dafür eine beinahe gänzliche Vereinzelung zu Privatverbindungen hervorgebracht, die zum Theile bis auf unsere Zeiten gedauert haben 30).).  
  Unter solchen Zeitverhältnissen wurde Heinrich der Löwe des Herzogthums Baiern verlustig erklärt, im J.
 
 
  • 30) Wittichind. Conrad. Ursperg. Ditmar. Herm. Contract. Chronographus et Annalista Saxo, Lambertus Schaffnaburgensis, Gerhard in vita S. Udalrici, Adelbold in vita S. Henrici IV. Otto Frisingensis, Berthold Constantiensis, Vita Henrici IV. Chronicon Weingartense, Henric. Stero. Origines Guelficae etc.
 
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  1179 und der baierische Pfalzgraf, Otto von Wittelsbach, um K. Friedrich I. durch Kriegs-und Friedensthaten hoch verdient, wurde im J. 1180 damit belehnt 31).  
  Herzog Otto erhielt mit dieser Belehnung eine Amtswürde mit dem Fürstenrange, die wol schon auf seine Nachkommen überging, und ohne schweres Verbrechen nicht entzogen werden konnte, aber nur wenig an Gütern und Einkommen. Sein Erbgut waren die Grafschaften Kelheim, Wartenberg und Scheiern und dazu viele einträgliche Vogteien über Hochstifter und Klöster. Er vermehrte dieses Erbgut durch Ankauf von Allodien, als im J. 1182 der ihm verwandte Graf von Dachau starb. Er selbst starb zu Constanz im J. 1183.  
  Sein einziger Sohn Ludwig der Kelheimer (zu Kelheim wahrscheinlich geboren, wo er auch 1231 ermordet wurde), erweiterte durch Erbschaft, Kauf und Belehnung sein Gebiet auf eine sehr ansehnliche Weise, da unter ihm mehre Grafengeschlechter ausstarben. So erhielt er 1185 die Grafschaften Riedenburg, Lengenfeld und Stephaning, 1208 die von der ausgestorbenen Nebenlinie besessene Grafschaft Wittelsbach); ferner 1210 die Markgrafschaft Kam mit der Grafschaft Vohburg; 1219 ergaben sich ihm Stadt und Gericht Reichenhall freiwillig, 1224 erlangte er die Güter der ausgestorbenen Grafen von Kirchberg und Eggmühl; so wie ihm 1228 die bambergischen Lehen in der Gegend von Regensburg ertheilt wurden 32). —♦  
  Vorzüglich merkwürdig ist der Erwerb der Pfalzgrafschaft am Rhein, womit er von K. Friedrich II. im J. 1215 belehnt wurde, in deren ruhigen Besitz er aber erst 1227 kam, nachdem sein Sohn die Tochter des Pfalzgrafen Heinrichs des Schönen geheirathet, und dieser gestorben war 33).  
  Ludwigs Sohn, Herzog Otto der Erlauchte, erweiterte sein Gebiet 1240 als das mit ihm verwandte Geschlecht der Grafen von Phalley erlosch. Im J. 1242 starb sein Stiefbruder Albert IV. Graf von Bogen, und alle seine weitläufigen Besitzungen mit den Rechten der Burggrafschaft Regensburg gingen an den Herzog über. Eben so erwarb derselbe die von seinem Oheim besessene Grafschaft Wasserburg 1247, und im nächsten Jahre durch Erlöschung des Geschlechtes der Grafen von Andechs und Diessen diese Grafschaften nebst Wolfrathshausen, Tölz und Weilheim; Belburg und Kalmünz kamen ebenfalls an ihn, und dazu wurden ihm Floß und Parkstein 1251 versetzt 34). —♦  
  Durch diese Erwerbungen hatten die Herzoge ihr Erbgut außerordentlich vermehrt, ihr Einkommen vervielfacht, und durch die Vereinigung der Grafengerichte und Vorrechte ihre Macht und ihr Ansehen in Baiern so vergrößert, daß sie als die eigentlichen Herrn der Provinz angesehen wurden; die
 
 
  • 31) Gemeiner Geschichte des Herzogthums Baiern unter K. Friedrich I. und die daselbst umständlich angeführten Quellen.
  • 32) Hund baierisches Stammbuch, Ättenkhofer. Chronicon Salisburg ap. Basnage. Monumenta Boica.
  • 33) Tolner Historia Palatina.
  • 34) Hund, Ättenkhofer. Farrago rerum Ratisponensium ap. Oefele.
 
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  Kaiser dagegen hatten außer ihrem Ehrenvorzuge kaum mehr etwas zu genießen. Die Urkunden K. Friedrichs II. von den Jahren 1220 und 1232, wodurch er die Gerechtsame geistlicher und weltlicher Fürsten bestimmte, gaben diesen eigentlich nur die Anerkennung der Regentenrechte, die sie sich im Laufe der Zeit bereits allgemein angeeignet hatten 35).
 
 
  • 35) Constitutiones Friderici II. de juribus principum in Schmauss Corp. jur. publ. T. I. p. 3 — 8.
 
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Stand: 8. Dezember 2017 © Hans-Walter Pries