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Forts. S. 40 Sp. 1 |
Noch ist hier des gleich Anfangs angedeuteten, sich widersprechenden
Sprachgebrauchs zu gedenken, nach welchem in der publicistischen Terminologie die Ausdrücke:
bürgerliche und politische Freiheit, bald als Synonyme genommen, bald als wesentlich verschiedene
Begriffe bezeichnend, erklärt werden, in welchem letztern Falle in unserer Sprache auch das Wort
politisch als Gegensatz von bürgerlich durch den Ausdruck staatsbürgerlich ersetzt zu werden
pflegt. In diesem Falle versteht man im Allgemeinen unter der bürgerlichen Freiheit den Schutz der
bestehenden positiven Gesetzgebung durch eine strenge und unabhängige Rechtspflege; eine
Garantie, welche in allen Staatsformen stattfinden sollte und könnte, und auf welche alle Mitglieder
des |
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FREIHEIT |
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Staats ohne Ausnahme Anspruch haben; unter der politischen dagegen, wenn die
Regierten (oder das Volk im staatsrechtlichen Sinn) entweder unmittelbar oder mittelbar an der
Ausübung der Rechte der Staatsgewalt, namentlich der Gesetzgebung, Theil nehmen, was natürlich
nur in gewissen Staatsformen, in der sogenannten Republik und der constitutionellen oder
beschränkten Monarchie und Aristokratie möglich ist, und wobei in allen Fällen nie die ganze
Gesammtheit, sondern immer nur ein Theil derselben als zu dieser politischen Freiheit berechtigt
erscheint.♦ |
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Die nähere Erörterung dieses Punktes kann hier um so weniger übergangen
werden, als sie einerseits zur Aufhellung des in Frage stehenden Hauptbegriffs einen wesentlichen
Beitrag liefert, und als es andererseits feststeht, daß die Nichtanerkennung des in dem Wesen der
Sache selbst doch begründeten Unterschiedes zwischen der bürgerlichen und politischen oder
staatsbürgerlichen Freiheit zu praktisch wichtigen Folgerungen führt, was insbesondere von der neuern
und neuesten Zeit, namentlich in Teutschland, gilt, wie schließlich noch näher gezeigt werden
wird. |
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Auch hier ist zunächst Montesquieu's zu gedenken, der seinen früher schon
mitgetheilten Erörterungen über die Freiheit (gleich im Anfange des XI. Buchs) die Bemerkung
vorausschickt, daß ein Unterschied zwischen den Gesetzen, welche die politische Freiheit in Rücksicht
auf die Constitution und unter solchen, die sie in Rücksicht auf die einzelnen Bürger ausmachen,
stattfinde. Nachdem er nun in dem gedachten Buche die erstere, die politische Freiheit in Beziehung
auf die Staatsverfassung, erörtert hat, betrachtet er sie in dem folgenden (XII.) in Beziehung auf die
bürgerlichen Einrichtungen, und erklärt sich im Allgemeinen über diese dahin:♦ |
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„Dort beruhte sie auf der Vertheilung der drei Gewaltarten; hier, wo wir von einem
andern Punkte ausgehen, besteht sie in der Sicherheit des Bürgers oder in der Meinung, die er von
seiner Sicherheit hat. Die Verfassung kann frei sein, ohne daß es der Bürger sei, und wiederum kann
der Bürger frei sein, ohne daß es die Verfassung sei. In diesen Fallen würde die Constitution im
theoretischen, aber nicht im praktischen Verstande, und hingegen der Bürger im praktischen, aber
nicht im theoretischen Verstande frei sein. In Beziehung auf die Staatsverfassung kann die Freiheit
ihren Grund blos aus den Gesetzen, und zwar aus den Fundamentalgesetzen, hernehmen. In Beziehung
auf den Bürger hingegen kann sie durch Sitten, Gebräuche und angenommene Beispiele gegründet,
wie durch gewisse Civilgesetze noch erhöhet werden, wie in diesem Buche des Weiteren ausgeführt
werden soll."♦ |
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Diese nähere Ausführung beschränkt sich übrigens vorzugsweise auf die
Nachweisung, in wiefern besonders die Criminalgesetze einen entscheidenden Einfluß auf die
bürgerliche Freiheit haben, ohne daß Montesquieu es bestimmt ausspricht, daß die letztere vor Allem
in dem Schutze der persönlichen Freiheit, sowie des Eigenthums beruht. Überhaupt möchte grade
dieses 12. Buch trotz einzelner geistvoller Bemerkungen und Notizen einer der schwächsten Theile
des berühmten Werkes sein. |
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FREIHEIT |
⇧ Inhalt |
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De Lolme beginnt in seiner als classisch selbst von den Briten anerkannten Schrift:
die Verfassung von England 32), seine Widerlegung der Behauptung Rousseau's im contrat social
33); „Das englische Volk hält sich für frei, aber es irrt sich; es ist nur frei während der Wahl der
Parlamentsglieder; sobald diese gewählt sind, ist das Volk Sklave — ist es Nichts!" mit der
Bemerkung, daß Freiheit eins von den Worten ist, die man am allermeisten misverstanden oder
verkehrt angewandt hat, und er erläutert dies nicht nur aus der alten Geschichte 34), sondern auch
durch die Widerlegung der neueren politischen Autoren, welche, durch eine blinde Bewunderung des
Alterthums befangen, nur in der antiken republikanischen Staatsform die Muster aller
Staatsverfassung und die Garantie aller politischen Freiheit haben.♦ |
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Namentlich erklärt er sich gegen diejenigen, welche zufrieden sind, wenn sie
sehen, daß die wenigen, welche den ganzen Staat in der That regieren, bisweilen die täuschende
Ceremonie beobachten, die Masse des Volks versammeln, um sich den Schein zu geben, als wenn sie
es zu Rathe zögen 35);
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- 32) Teutsche Übersetzung, herausgegeben von Dahlmann 1819. (Altona.) S.
228.
- 33) Cap. 15.
- 34) „So machte in Rom die Classe von Bürgern, welche sich zu wahren Herren
des Staats gemacht hatte, und es wohl einsah, daß eine gesetzlich geregelte Macht, wenn sie erst
einmal einem Einzigen anvertraut wäre, ihrer Tyrannei ein Ziel setzen würde, das Volk glauben, daß
es frei sei, so lange diejenigen, welche eine militairische Gewalt über sie ausübten und sie mit
Schmach überhäuften, den Namen consules, dictatores, patricii, nobiles, kurz jeden andern Namen
führten, als das verabscheute rex, und daß es, um diesen unvergleichlichen Zustand zu erhalten, alle
Drangsale über sich ergehen lassen müsse!" De Lolme, die Verfassung von England S. 228.
- 35)
„Wer durch seine Stimme zur Annahme eines Gesetzes beiträgt, hat das Gesetz selbst gemacht; indem
er diesem gehorcht, gehorcht er sich selbst; er ist also frei. Ein Spielen mit Worten, weiter Nichts!
Der Einzelne, der in einer gesetzgebenden Versammlung des Volks seine Stimme abgegeben, hat nicht
das darin durchgegangene Gesetz gemacht, er hat nur zu dessen Annahme seinen tausendsten oder gar
zehntausendsten Theil beigetragen oder beizutragen geschienen; er hat keine Gelegenheit gehabt,
gegen das vorgeschlagene Gesetz Einwendungen zu machen, oder es in Untersuchung zu ziehen, oder
Einschränkungen vorzuschlagen; es ist ihm nur verstattet, sein Ja! oder Nein! dazu abzugeben. Geht
das Gesetz, für welches er gestimmt hat, durch, so ist dieses nicht eine Folge seiner Stimme, sondern
weil zufällig Mehre in hinreichender Zahl sich auf seiner Seite fanden; geht ein Gesetz wider seinen
Willen durch, so muß er sich nichtsdestoweniger demselben unterwerfen. Aber noch mehr! Wenn wir
auch annehmen wollen, daß in dem Stimmgeben die eigentliche Freiheit bestehe, so müssen wir doch
gestehen, daß diese Freiheit nur einen einzigen Augenblick währen kann, da man nothwendig nachher
der Klugheit Anderer sich ganz und gar anvertrauen, oder, nach dieser Lehre, aufhören muß, frei zu
sein. Der Bürger, der seine Stimme gegeben hat, muß sich z. B. ganz auf die Ehrlichkeit derer
verlassen, welche die Stimmen sammeln, und mehr als ein Mal hat man sie falsch angegeben. Ebenso
muß der Bürger Andern auch die Ausführung dessen anvertrauen, was von Allen beschlossen ist, und
wenn die Versammlung aus einander gegangen ist und er sich unter den Männern, welche mit der
öffentlichen Gewalt bekleidet sind, z.E. den Consuln oder dem Dictator, allein sieht, so wird er nur
wenig Sicherheit für die Fortdauer seiner Freiheit haben, sobald diese nur darin besteht, daß er durch
seine Stimme zur Erlassung eines Gesetzes beigetragen hat, das jene nicht gemeint sind zu halten."
Die Verfassung von England S. 230 fg. „Wenn eine Million Stimmende Ja! sagt und eine Million und
eine Stimme Nein! sagen, so wird das souveraine Volk durch eine einzige Stimme {1} repräsentirt und
düpirt." Fr. Baltisch (Prof. Hegewisch) in Bran's Minerva. 1848. Sept. S. 490.
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{1} Anm. von Sp. 2 ergänzt. |
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FREIHEIT |
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eine Bemerkung, deren Richtigkeit einige Jahrzehnte später durch die
französischen Volksversammlungen während der Republik, und in diesem Jahre wiederum, sowie
auch in denjenigen teutschen Staaten bestätigt worden ist, wo man der beliebten „breitesten
demokratischen Basis" zu Liebe allgemeines Stimmrecht und directe Wahlen eingeführt hat, aus
welcher Pandorabüchse eigentlich alle die uns an den Rand des Abgrundes geführt habenden
politischen Wirren entsprungen sind.♦ |
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Er selbst wirft dann die Frage auf: „Was ist denn Freiheit?" und antwortete: „Die
Freiheit, sofern sie in einer Gesellschaft von Wesen, deren Interessen einander fast beständig
entgegenstehen, stattfinden kann, besteht darin, daß ein Jeder, welcher die Person Anderer achtet und
sie ruhig die Frucht ihres Fleißes genießen läßt, versichert sein kann, die Frucht seines eigenen
Fleißes ebenfalls ruhig zu genießen, und daß auch seine Person sicher ist. Aber durch seine Stimme
dazu beizutragen, daß diese Vortheile der Gemeinheit zu Wege gebracht werden, Antheil zu haben an
der Gründung dieser Ordnung, dieser allgemeinen Einrichtung der Dinge, wodurch jeder Einzelne, wie
sehr er auch in der Menge verloren scheint, wirklich geschützt wird, Vorschriften aufzustellen für
diejenigen, welche mit einer bedeutenden Macht bekleidet, oder mit der Vertheidigung der Bürger
beauftragt sind, und dafür zu sorgen, daß diese Vorschriften nie übertreten werden — das Alles gehört
zur Regierung, keineswegs aber besteht darin die Freiheit. —♦ |
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Mit einem Worte, wer durch seine Stimme zur Abfassung der Gesetze beiträgt,
nimmt Theil an der Gewalt, soviel oder so wenig es auch ist; wer in einem Staate lebt, worin die
Gesetze für Alle gleich sind, und sicher ist, daß sie beobachtet werden (durch welche Mittel diese
Vortheile auch erreicht werden), der ist frei 36). |
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Gentz macht in der schon früher angeführten Stelle zu den Worten: „Die höchste
mögliche bürgerliche Freiheit, gesichert durch diejenige Verfassung, mit welcher sie am besten
besteht, ist der höchste Zweck des Staates," folgende Anmerkung 37): „Man nennt das Resultat
einer solchen Verfassung in Rücksicht auf den Bürger gewöhnlich politische Freiheit. Da dies zu
vielen Misverständnissen Gelegenheit gegeben hat, so wäre es besser, der bürgerlichen Freiheit, d.i.
dem Zustande des Individuums, das nur von gerechten Gesetzen beherrscht wird (folglich aller
Willkür entzogen ist), den Namen bei Freiheit im politischen Sinne ausschließend zu widmen und
bürgerliche und politische Freiheit gänzlich zu Synonymen zu machen." (Daß dieser Vorschlag
unpassend ist, leuchtet von selbst ein.) |
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Zachariä gibt folgende Begriffsbestimmung 38): „Die äußere Freiheit des
Menschen ist das physische Vermögen, das er als ein sittlich freies Wesen hat, durch Vor-
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- 36) Die Verfassung von England S. 231 fg.
- 37) Gentz, Teutsche
Monatsschrift. 1795. Aug. S. 296.
- 38) Vierzig Bücher vom Staat. 1820. I. S. 36.
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⇧ Inhalt |
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stellungen auf eine seinen Vorstellungen entsprechende Weise zu wirken, mit
andern Worten, sie ist das Vermögen, über die Natur zu gebieten. —♦ |
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Die äußere Freiheit ist entweder natürliche oder rechtliche Freiheit. Die
natürliche Freiheit ist die äußere Freiheit, die der Mensch von der Natur erhalten hat. Der Mensch ist
in dieser Beziehung frei, weil und in wiefern er über seine Denkkraft und über seinen Körper gebieten,
die Außenwelt (Sachen oder Menschen) seinem Willen unterwerfen, die Hindernisse, welche ihm
entgegenstehen, durch eigene oder fremde Macht bekämpfen kann. Die natürliche Freiheit, als solche,
hat keine andern Grenzen, als diejenigen, welche ihr die Natur selbst gesetzt hat. —♦ |
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Die rechtliche Freiheit ist die äußere Freiheit, welche dem Menschen dem Rechte
nach gebührt. Der Mensch ist rechtlich frei, wenn und in wiefern seine natürliche Freiheit theils mit
der äußern Freiheit aller andern Menschen zusammenstimmt, theils unter dem Schutze des Gesetzes
steht, theils nach seinem Verdienste, oder nach seiner Schuld abgemessen ist. —♦ |
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Beide können jedoch nur an sich, nicht aber in Beziehung auf die sittliche Freiheit
von einander getrennt werden. Die natürliche Freiheit für sich ist ein sittlich gesetzloses Vermögen,
die rechtliche Freiheit für sich ein leerer Anspruch. Weder der Wilde, noch der Mensch im Staate ist
schlechthin äußerlich frei; schon deswegen, weil jener mehr fodert und dieser weniger hat, als ihm
gebührt 39). —♦ |
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Die rechtliche Freiheit ist nach den verschiedenen Beziehungen, in welchen sie
betrachtet werden kann, entweder staatsbürgerliche (politische) oder bürgerliche Freiheit. Die
staatsbürgerliche Freiheit ist das Recht, an der Regierung (z. B. durch die Wahl der Staatsbeamten,
oder in der Eigenschaft eines Staatsbeamten) Antheil zu nehmen. Die bürgerliche Freiheit ist die —
größere oder geringere — Unabhängigkeit der einzelnen Staatsglieder von der Staatsgewalt. Die
letztere hat wieder theils nach der Verschiedenheit der Hoheitsrechte, theils nach der Verschiedenheit
der Sonderrechte, auf welche sie sich beziehen kann, mehre Namen. So wird sie, z. B. nach der
Verschiedenheit der Fälle, Abgabenfreiheit, persönliche Freiheit, Preßfreiheit, Handelsfreiheit genannt
40).♦ |
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An einer andern Stelle (bei Besprechung der für die politische Freiheit so
unermeßlich wichtigen Gestaltung der Familienverhältnisse und
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- 39) Ferguson, History of civil Society p. 395. Baseler Ausgabe.
- 40)
Zachariä setzt hinzu: „Jedoch nur in der Wissenschaft, nicht in der Wirklichkeit, sollten diese
verschiedenen Arten der äußern Freiheit von einander getrennt sein. Denn sowie die Vernunft fodert,
daß der Mensch in einem jeden Verhältnisse tugendhaft sei, ebenso fodert sie auch, daß ihm in einem
jeden Verhältnisse äußere Freiheit zu Theil werde. Aber sowie derselbe Mensch, in einem
wundersamen Widerspruche mit sich selbst, in der einen Beziehung gut und in einer andern schlecht
sein kann, so kann er auch in dem sonderbaren Gewirre des bürgerlichen Lebens beziehungsweise
Herr und Diener zugleich sein. Jedoch läßt sich allerdings annehmen, daß der Mensch in einer jeden
Beziehung äußerlich frei sein müsse, wenn er es vollkommen auch in einer einzigen Beziehung sein
soll — daß er dieses Gut in einer jeden Beziehung schmerzlicher vermissen oder muthiger erstreben
werde, wenn es ihm auch nur in einer einzigen zu Theil geworden ist."
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FREIHEIT |
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der Stellung des weiblichen Geschlechts zum männlichen) 41) gibt Zachariä
zugleich eine sehr treffende Bemerkung über die Geschichte der wahren politischen Freiheit. Er weist
nämlich nach, daß der Versuch, eine den Grundsätzen des Rechts entsprechende Staatsverfassung in
der Erfahrung darzustellen, nur da gelingen kann, wo beide Geschlechter in einem naturgemäßen
Verhältnisse zu einander stehen, und setzt dann hinzu:♦ |
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„Nicht in den Staaten sind die Einzelnen in der That und Wahrheit frei, in welchen
einem Jeden verstattet ist, das Recht in die eigene Hand zu nehmen, d.i. Selbstrache zu üben. (Das ist
der Begriff, den in der Regel alle ungebildeten Völker mit dem Worte Freiheit verbinden. Der Irrthum
kann leicht zu einem andern führen — als ob die Machtvollkommenheit in dem Rechte zu
willkürlicher Herrschaft bestehe. Ebenso wenig in den Staaten, in welchen der Volkswille Gesetz ist,
das Gesetz aber die Freiheit der Einzelnen dem Interesse des Ganzen unbedingt aufopfert (so deuteten
einst die Griechen das Wort Freiheit), sondern nur in den Staaten herrscht die wahre Freiheit, wo die
Theilnahme der Staatsbürger an der Gesetzgebung das Mittel ist, die individuelle Freiheit, in
sofern diese nur immer mit den gleichen Rechten Aller vereinbar ist, unter den Schutz der Gesetze zu
stellen. Wie könnte sich aber ein Volk zu dem Gedanken erheben, seine Gesetze auf diesen Zweck zu
berechnen, also die Würde des Menschen in einem jeden einzelnen Individuum zu achten, wenn bei
ihm die eine Hälfte der Staatsgenossen, das weibliche Geschlecht, der Anerkennung seiner Würde
entbehrte? Auch hier muß ich auf die Völker teutschen Ursprungs zurückkommen. Ihnen ist das
heimliche (oder häusliche) Leben der Zweck, das öffentliche das Mittel. Und wem verdankt jenes
diesen Vorrang? 42). |
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Schmitthenner hat in seinem classischen Werke: „Zwölf Bücher vom Staat," sehr
treffende Erörterungen über das Wesen der Freiheit 43), und erkennt ebenfalls den fraglichen
Unterschied bestimmt an, sowie er auch denselben am ausführlichsten specificirt 44): „Die Rechte,
welche für das Volk und seine Glieder dadurch entstehen, daß ein Grundgesetz die
Subjectionsverhältnisse bestimmt, sind
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- 41) „Die Grundlage aller Vereinigung der Menschen ist das Verhältniß
zwischen Mann und Frau. Die Art, wie dieses Verhältniß bei einem Volke beschaffen ist, entscheidet
zugleich über das gesammte Verhältniß zwischen beiden Geschlechtern, sowie über die mittelbaren
Folgen des Verhältnisses unter ihnen. — Davon also hängt das Heil der menschlichen Gesellschaft,
davon das Heil der Völker und Nationen vorzugsweise ab, daß das Verhältniß zwischen Mann und
Frau den weisen Absichten der Natur entspreche. Wenn die Sittenlehre in irgend einem Falle von dem
Grundsatze auszugehen hat: sequere naturam – der Mensch folge den Winken der Natur — so ist es in
diesem. Aber kaum in einem andern Falle ist der Mensch der Natur so wenig treu geblieben, als grade
in diesem. Die Vielweiberei ist das gemeine Recht der Völker! Selbst die Gesetze, welche dem
Grundsatze der Einehe huldigen, bekräftigen ihn doch selten seinem ganzen Umfange nach, oder
gestatten doch, Ausnahmen von demselben zu machen." Vierzig Bücher vom Staate II. S. 133. Vergl.
Fr. Baltisch (Minerva 1848. Sept. S. 451).
- 42) a.a.O. S. 141.
- 43) I. Bd. S. 52. 3. Bd. S. 145 fg.
556 fg.
- 44) 3. Bd. S. 560.
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FREIHEIT |
⇧ Inhalt |
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wesentlich von zweierlei Art. Entweder setzt die Regel der Regierungsgewalt blos
eine Schranke, wodurch für den Unterthan eine Sphäre, in welcher er unabhängig ist, also eine
Freiheit (franchise) im negativen Sinne 45), und zwar in sofern, als sie einer öffentlichen Gewalt
gegenüber besteht, eine öffentliche, und in sofern sie der Regierung des Staats gegenüber gilt, eine
politische 46) im weitern Sinne begründet wird.♦ |
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Machen den Inhalt dieser gesetzlich geschützten Sphäre blos Privatrechte aus, also
Befugnisse, nach eigener Wahl über seine Kräfte (innerhalb seiner Rechtssphäre) zu verfügen, z. B.
seine Wirthschaft zu führen, seine Studien zu betreiben u. s. f., so heißt die Freiheit bürgerliche
Freiheit (politische Privatfreiheit) 47). Entzieht aber die Schranke der Regierung ein Recht zu
Befehl und Zwang im Kreise des öffentlichen Lebens, so entsteht eine politische Freiheit im engern
Sinne, wie z. B. die Steuerfreiheit. Oder die Rechtsregel weist den Unterthanen der Regierung
gegenüber Befugnisse oder positive Rechte zu, die, wofern sie keine öffentlichen Functionen zum
Inhalte haben, bürgerliche (droits civils) 48), wofern ihren Inhalt aber öffentliche Functionen, z. B.
die Landstandschaft, ausmachen, politische Rechte im engeren Sinne genannt werden" 49). |
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„Die verfassungsmäßigen politischen Rechte sind in der Regel blos gesetzliche,
indem sie nur auf den Grundgesetzen des Staates beruhen. Sie können aber auch wohlerworbene sein,
indem sie sich zugleich auf Verträge und andere juristische Thatsachen gründen, wie z. B. die Rechte
der Standesherren in den teutschen Bundesstaaten. Dieselben können ferner allgemeine oder auch
besondere und Privilegien gewisser Personen sein 50). Je nach dem Subjecte sind dieselben
endlich individuelle, wenn sie den Individuen zustehen, corpo-
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- 45) „Freiheit im positiven Sinne ist Abwesenheit einer Schranke, im
negativen Schutz durch eine solche."
- 46) „Wie schon die Relativität der Bezeichnungen Freiheit
und politisch ein scharfes Auseinanderhalten der Begriffe gebietet, so muß man sich auch vor einer
Verwechselung der juristischen und der politischen Freiheit hüten. Erstere ist die Abwesenheit einer
Beschränkung durch die Privatgewalt oder privatrechtlichen Ansprüche Anderer, letztere
Unabhängigkeit von der öffentlichen Gewalt."
- 47) „Privatfreiheit, in sofern sie blos Privatrechte
umfaßt, politische, in sofern sie im Verhältniß zu dem Staate besteht."
- 48) „Solche sind das
Indigenat und die daran geknüpften Rechte auf eine Leistung von Seiten des Staats, Genuß der
öffentlichen Anstalten, namentlich auch des Schutzes der Gerichte u. s. f."
- 49) „Die bürgerlichen
Rechte und Freiheiten können unter den verschiedensten Staatsformen dieselben sein, indem sie aus
dem Wesen des Staats überhaupt folgen. Auch der Bürger einer absoluten Monarchie hat (sittlichen)
Anspruch auf Freiheit seiner Person, soweit nicht Beschränkungen durch öffentliche Zwecke
gerechtfertigt werden, und es wird nicht leicht eine gesellschaftliche Ordnung civilisirter Völker
vorkommen, in der dieselbe nicht gesetzlich anerkannt wäre. Das Eigenthümliche des
constitutionellen Staats besteht nur darin, daß dieselbe zugleich durch Anordnung von Organen des
Schutzes äußerlich garantirt ist."
- 50) „Allgemeine sind diejenigen, welche jedem Bürger des
Staats im Verhältniß zu diesem zukommen, besondere aber diejenigen, welche nur einer gewissen
Anzahl von Staatsbürgern ausschließlich zustehen. Grade die Besonderheit dieser politischen Rechte
macht das Wesen der politischen Stände aus."
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S. 43 Sp. 2 |
FREIHEIT |
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rative, wenn sie an Corporationen geknüpft sind, und Volksrechte, wenn die
moralische Person des Volkes als Subject derselben gilt.♦ |
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Die allgemeinen individuellen politischen Rechte sind weiter entweder Freiheiten
in dem erörterten Sinne, indem die sittlichen (angeborenen) Rechte dem Eingriffe der
Regierungsgewalt vollends oder bis zu einer bestimmten Schranke entnommen, oder indem die
Bestimmungen der letztern an gesetzliche Formen und Bedingungen gebunden werden [dahin gehört
1) die subjective Freiheit des Denkens, Glaubens und Gewissens; 2) die Freiheit der Rede und
Handlung; 3) die sogenannte körperliche Freiheit der Person; 4) die Freiheit und Sicherheit des
Eigenthums], – theils positive Rechte oder Befugnisse und Befähigungen der Einzelnen im Verhältniß
zu der Macht des Staates, namentlich zum Genuß der öffentlichen Institute und zur Vollziehung
öffentlicher Functionen (dahin gehört z. B. der Schutz der Rechte durch die Gerichte mittels der
Anerkennung des Princips der Gleichheit vor dem Gesetz, das Recht, Staatsämter zu bekleiden, und
das Recht auf Vertretung durch Stände, oder Repräsentanten). –♦ |
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Die corporativen politischen Rechte sind theils allgemeine, in sofern das
gesammte Volk zu Corporationen, z. B. zu Gemeinden, organisirt ist, und letztern dann von der
Verfassung bestimmte Befugnisse und Freiheiten eingeräumt sind (wie z. B. die Rechte der Autonomie
oder Selbstverwaltung, des Vermögensbesitzes u. s. w.), oder Privilegien, sofern sie nur einzelnen
Classen zustehen (wie z. B. den Kirchen, Universitäten).♦ |
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Die Rechte des Volks endlich gegenüber der Regierung können der Natur der
Sache nach, außer in ganz kleinen Staaten, wie z. B. den kleinen schweizer Cantons, nur durch
Repräsentanten ausgeübt werden. In der Staatsform der Monarchie sind dabei nur zwei Systeme
möglich: 1) dasjenige der Mitregierung, wenn das Volk selbst Antheil an gewissen
Regierungsrechten, d.i. Ausflüssen der Obergewalt, Antheil nimmt, wie namentlich in solchen
Monarchien, die nach dem Princip der Volkssouverainetät construirt sind, ohne daß ausdrücklich
dem Volke die Souverainetat beigelegt wäre. 2) Dasjenige der bloßen Freiheit, wenn die Verfassung
eine Sphäre des öffentlichen und Privatlebens bestimmt, die von der Regierung unabhängig ist" 51).
(Dies System ist als das der wahren constitutionellen Monarchie zu bezeichnen.) |
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Daß diese Unterscheidung zwischen der bürgerlichen und politischen Freiheit
keineswegs blos eine doctrinaire, oder nur der Wissenschaft angehörige, sondern zugleich eine von
praktischen Staatsmännern anerkannte ist, dafür gibt es ein sehr vollgültiges Zeugniß in dem
berühmten ministeriellen Hauptorgan Frankreichs, dem Journal des Débats vom J. 1822 52), in
welchem der damalige Ministerpräsident Graf von Villéle sein Regierungs-
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- 51) „Man gebraucht den Ausdruck Volksrechte neuerlich (vergl. Zöpfl,
Staatsrecht §. 76. – Wippermann, Beiträge §. 8. (S. 97) auch wol für die politischen Rechte
überhaupt."
- 52) Wir entlehnen dieses Citat aus Pölitz's Staatswissenschaften im Lichte unserer Zeit,
1. Bd. S. 183. 2. Ausg., da uns das Journal selbst nicht zur Hand ist.
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S. 44 Sp. 1 |
FREIHEIT |
⇧ Inhalt |
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programm aussprach, und wobei jener Unterschied sehr bestimmt hervorgehoben
und der Inbegriff der einzelnen zur politischen wie zur bürgerlichen Freiheit gehörenden Rechte näher
specificirt ward.♦ |
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„Wir wollen die bürgerliche, die religiöse, die Gewerbefreiheit für Alle und
Jeden, wie sie das Gesetz für Alle gleichmäßig bestimmt hat; wir wollen keine Privilegien als solche,
die von der Staatsverfassung ausgehen, und zu welchen ein Jeder durch Verdienst und Talent gelangen
kann. – Wir wollen als constitutionelle und unverletzbare Garantien der bürgerlichen Freiheit die
Geschwornengerichte in allen Processen, wo der Einzelne gegen die gesellschaftliche Gewalt
anzukämpfen hat; wir wollen die Preßfreiheit, theils um allen Handlungen der Staatsbehörden und
allen Beschwerden, welche diese Handlungen veranlassen können, Öffentlichkeit zu geben, theils um
die Volksinteressen und die öffentlichen Angelegenheiten zu berathen; wir wollen
Gemeindeeinrichtungen, nach Maßgabe der Örtlichkeit verschieden orgamsirt, aber sämmtlich dazu
bestimmt, daß die bürgerliche Freiheit aufrecht erhalten werde, die Masse des Volkes bei der
Erhaltung der Ordnung ihr Interesse finde und Verbesserungen in der Verwaltung angeregt und zu
Stande gebracht werden, worüber die Bureaux der Centralverwaltung nur das Recht der Controle
haben dürfen. — Wir wollen aber die politische Freiheit nicht für Alle und Jeden, sondern nur für
diejenigen Classen, denen die Staatsverfassung das Recht gibt, Antheil daran zu nehmen. Die
politische Freiheit ist die Theilnahme an der souverainen Gewalt, an der Leitung der
Staatsgeschäfte. Nicht Alle und Jede besitzen die erfoderliche Unabhängigkeit, die erfoderlichen
Eigenschaften, Tugenden und Geisteskräfte und Talente, um einen selbst nur beschränkten Theil
dieser Gewalt auszuüben. Daher muß die Constitution einen Kreis zeichnen, der die Masse des Volkes
von einer ausgesuchten Zahl Staatsbürger, die materielle Nation von der politischen Nation trenne.
Diesem Kerne muß die politische Freiheit aller Übrigen anvertraut werden. Die (französische)
Charte vertheilt diese politischen Rechte unter die Pairs, die Deputirten und die Wahlherren. Allen
übrigen Staatsbürgern hat sie nur das Recht eingeräumt, ihre Meinungen, selbst die politischen, doch
bei Vermeidung der Strafgesetze, bekannt zu machen. Dieses Recht ist eine Art von gutachtender
(konsultativer) Stimme in Sachen der Politik, wogegen die Pairs, die Deputirten und die Wahlherren
berathende (deliberative) und entscheidende (decisive) Stimmen haben. Bei dieser Concentration der
politischen Freiheit gewinnt das Ganze, denn sie wird von jenen aufgeklärten und unabhängigen
Männern mit mehr Weisheit und Geschicklichkeit gehandhabt, und ist auch weit stärker und
mächtiger, als wenn sie in kleine Abschnitte getheilt wird." |
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Es ist nun zwar neuerdings gegen diese Unterscheidung geltend gemacht worden,
daß eine bürgerliche Freiheit ohne die politische keine wahre Garantie ihrer Dauer hat 53). Allein
obgleich dieses ganz richtig ist, so
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- 53) „Man hat unterscheiden wollen bürgerliche Freiheit und {1} politische
Freiheit. Jene soll da sein, wo die Gesetze richtig angewandt werden auf alle Staatsbürger, diese, wo
die Staatsbürger auf einen Theil der Gesetzgebung Einfluß haben. Aber dieser Unterschied ist nicht
richtig. Wo keine politische Freiheit ist, d.h. wo keine Institutionen sind, welche die Güte, die
Angemessenheit der Gesetze für die gegenwärtige Zeit sowol verbürgen, als auch die genaue
Beobachtung derselben sichern, da ist der Ruhm der sogenannten bürgerlichen Freiheit sehr unsicher.
Die sogenannte bürgerliche Freiheit ohne die politische ist ein Ding, das alle 24 Stunden untergehen
kann. Es scheint dies Wort eine Erfindung zu sein, womit man sich oder Andere trösten wollte über
den Mangel der Sache selbst. So geschah es, daß man von bürgerlicher Freiheit sprach in absoluten
Monarchien, wo jeder Unterthan jeden Augenblick aller seiner Rechte beraubt werden kann, wo es
Zufall ist, wenn ein gutmüthiger, sanfter Monarch sie ungekränkt läßt. Wegen dieses glücklichen
Zufalls schmeichelte man sich mit dem Worte Freiheit und vergoldete damit die Ketten, welche in
solchem Staate Alle, sowol Vornehme als Geringe, tragen. Ohne politische Freiheit ist die
augenblicklich eristirende sogenannte bürgerliche Freiheit nichts Anderes, als eine abgepflückte
Blume, welche das Kind in die Erde steckt, wähnend, sie werde fortleben ohne Wurzel." Franz
Baltisch (Prof. Hegewisch), Politische Freiheit S. 33 fg.
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{1} Anm. von Sp. 2 ergänzt. |
S. 44 Sp. 2 |
FREIHEIT |
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folgt daraus doch nur soviel, daß ein Volk, welches bereits die bürgerliche
Freiheit besitzt, eben schon um dieser willen auch die politische zu erringen trachten muß.
Keineswegs aber darf deshalb der Unterschied zwischen beiden selbst aufgehoben, oder für
unwesentlich erklärt werden, zumal derselbe als eine Thatsache der Geschichte und es zugleich
feststeht, daß die blos bürgerliche Freiheit bei einem sonst gebildeten und von lebendigem
Rechtsgefühle beseelten Volke schon in der Macht der öffentlichen Meinung eine ziemlich genügende
Garantie haben kann. Es genügt hier, an Preußen zu erinnern, dessen Regenten zwar absolut,
namentlich seit dem großen Kurfürsten, regierten, aber von jeher (mit wenigen Ausnahmen) die
bürgerliche Freiheit ihrer Unterthanen auf das Sorgsamste schützten; wie denn auch die
Unparteilichkeit und Unabhängigkeit der preußischen Gerichtshöfe fast sprüchwörtlich geworden
54). |
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Die gedachte Unterscheidung muß im Gegentheil als eine der praktisch wichtigsten
anerkannt und (natürlich unter der Voraussetzung, daß bürgerliche und politische Freiheit, wie rechte
und linke Hand, stets mit einander verbunden sind) festgehalten werden, und zwar aus mehren
Gründen. |
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Erstlich scheidet sich hiernach auf das Grundwesentlichste die ganze antike und
die moderne, oder christlich-germanische Grundanschauung aller Freiheit und des Staatswesens
überhaupt. Bei den Griechen namentlich finden wir, daß sie die Freiheit lediglich in die Theilnahme
an der Herrschaft setzten, und der wichtigsten Rechte der bürgerlichen Freiheit, wie z. B. der
persönlichen, der Glaubens- und Gewissensfreiheit u. dgl. m., so gut wie gar nicht achteten, überhaupt
nicht die Idee von angebornen oder allgemeinen Vernunft- und Menschenrechten hatten, wie dies
weiter Tittmann,
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- 54) „Ja, wenn das Kammergericht nicht wäre!" — sagte der Windmüller zu
Potsdam, als Friedrich der Große ihn zur Abtretung der Mühle nöthigen wollte; und ebenso bekannt
ist, daß Friedrich, als ein Urtheilsspruch des Reichskammergerichts gegen ihn zu Gunsten des
Bischofs von Lüttich durch einen einzigen Reichssoldaten zur Execution gebracht ward, sich willig
fügte.
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S. 45 Sp. 1 |
FREIHEIT |
⇧ Inhalt |
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Vollgraff, Ed. Platner u.A. nachgewiesen haben 55). Auch bei den Römern,
obwol bei diesen die Idee angeborner Rechte, namentlich auf Freiheit und Gleichheit, schon
bestimmter hervortritt 56), war doch die Freiheit ebenfalls nur als politische aufgefaßt, was sich
sprachlich u.A. darin ausspricht, daß sie die sogenannte demokratische Staatsform schlechtweg mit
dem Ausdrucke libertas bezeichnen 57).♦ |
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Erst durch das Christenthum, welches lehrte, daß alle Menschen als Kinder
desselben Vaters, als Bruder, als vor Gott gleich 58), und durch das germanische Volksthum,
welches denselben Grundgedanken der gleichen Berechtigung Aller gleich bei seinem ersten
Erscheinen in der Weltgeschichte thatsächlich ausgeprägt zeigt 59), konnte der
Persönlichkeitsbegriff und mit ihm die eigentliche Wurzel der bürgerlichen Freiheit zur Geltung
kommen, womit zugleich eine Umwandlung nicht nur der ganzen Staats-, sondern auch der Welt- und
Lebensansicht überhaupt gegeben war. |
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Sodann ist diese Unterscheidung darum höchst wichtig, weil eben nach der neuern
christlich-germanischen Welt- und Staatsansicht die bürgerliche Freiheit als der letzte oder höchste
Zweck, die politische nur als ein Mittel angesehen werden muß, wie denn überhaupt dem an sich
formellen und negativen Begriff dieser letztern ein lebenvoller Inhalt nur durch die erstere gegeben
wird. Daß aber von einer richtigen Einsicht in das Verhältniß von Zweck und Mittel auch die richtige
Lebensführung abhängt, bedarf wol keiner weitem Nachweisung.♦ |
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Damit hängt zugleich der wichtige Punkt zusammen, daß eine Staatsform, die, wie
die sogenannte Republik oder Demokratie, nur für die politische Freiheit sorgt, schon darum eine
einseitige und ungenügende ist. Geschichtlich braucht nur daran erinnert zu werden, welche traurige
Folgen die Verkennung aller dieser Hauptpunkte seit der französischen Revolution zunächst bei den
Franzosen gehabt hat, welche antiken Begriff der Freiheit in ihrer sogenannten Republik wieder
einführen woll-
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- 55) Tittmann, Darstellung der griechischen Staatsverfassung S. 4 fg. 10 fg.
Vollgraff, Politik II. S. 69. 258 fg. Ed. Platner, Allgem. Recht I, 66. Hüllmann, Staatsrecht S. 374.
- 56) Jure naturali omnes liberi §. 1. Inst. de libert. (I, 5). „Quod ad jus naturale attinet omnes
homines aequales sunt.“ Ulpian. in fr. 52. D. de reg. jur. (L, 17.)
- 57) Vgl. Forcellini Lex. sub
„libertas“
- 58) Darüber, daß das Christenthum unter allen positiven Religionen am meisten für die
bürgerliche und politische Freiheit gethan, vgl. Montesquieu, esprit des lois liv. 24. ch. 3, Ancillon,
Vermittl. der Extreme I, 20. Carové, Neorama I, 296. Fichte, Staatslehre S. 175 fg. Zachariä, Vierzig
Bücher vom Staat. 5. Bd. S. 200 fg. (2 Ausg.) Lamartine, Die rationelle Politik. (Leipzig 1848.) S. 8
fg. Fr. Baltisch (Hegewisch) in Bran's Minerva. 1848. Sept. S. 487.
- 59) Wachsmuth, Europäische
Sittengeschichte I, 132 fg. W. Menzel, Teutsche Geschichte I. S. 13fg. Scheidler in Pölitz's
Jahrbüchern. 1834. Sept. Barth, D. Urgeschichte. 2. Bd. S. 405. P. Pfizer, das Vaterland. 1845. S.
265. Teutsche Vierteljahrschrift. 1845. Heft 1. S. 119 fg. Hall. Allgem. Lit-Zeit. 1845. Juni. Nr. 137.
Stenzel, Geschichte preußischen Staats I. S. 72. Heeren, Der teutsche Bund S. 16. Fichte, Staatslehre
S. 61. Jahn, Teutsches Volksthum S. 32. Scheidler, Teutscher Juristenspiegel. 1842. passim. Jac.
Grimm, Teutsche Rechtsalterthümer. Vorr. S. XVI.
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ten 60), obgleich grade sie am allerwenigsten für die republikanische Form
taugen 61), und dann später bei den Italienern, Spaniern, neuerdings auch bei uns Teutschen! deren
(leider! angeborne) Nachahmungssucht (schon Luther klagte bekanntlich: „Wir Teutsche sind aller
Nationen Affen!") grade in dem Gebiete der Politik sich bis auf die neueste Zeit um so verderblicher,
aller dringenden Mahnungen ungeachtet 62), gezeigt hat, als sie sich nicht die (in diesem Gebiete
mit Recht als classische Autorität anerkannten) Engländer 63), sondern die Franzosen zum Muster
nahmen.♦ |
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Das geschah früher schon durch Adoption der wälschen Wahnbegriffe von
Freiheit und Gleichheit, über deren Nichtigkeit und Gefährlichkeit sich erst noch im vorigen Jahre
der (schon früher citirte) echte Freiheitsfreund Wirth in warnenden Worten vergebens aussprach, die
ebenfalls jetzt buchstäblich eingetroffen sind 64). Das geschieht in diesem Jahre fort und fort, indem
man nach französischem Muster allgemeines Stimmrecht und directe Wahlen mit Verwer-
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- 60) Vollgraff, Politik. 3. Bd. (am Schlusse). (Vgl. Goethe's Äußerungen in
Riemer's Briefe von und an Goethe. 1847. S. 293.)
- 61) v. Gagern, Resultate der Sittengeschichte
III. S. 324 (2. Ausgabe). Jefferson (der die Franzosen überhaupt für unfähig für wahre politische
Freiheit erklärt) in Fr. v. Raumer' s Vereinigten Staaten von Nordamerika. 1845. I. S. 168, Vogt,
Ocean und Mittelmeer. 1848. 2. Bd. (Derselbe in einer Debatte in der Paulskirche am 22. Juni.)
Teutsche Vierteljahrschrift. 1845, Nr. 35. S. 27. Cotta's Ausland. 1848 vom 16. Juni. Nr. 144.
- 62)
Ranke, Histor.-polit. Zeitschrift. 1832. 1. Bd. S. 80 fg. P. Pfizer, Briefe zweier Teutschen. 1831. S.
202 fg. Derselbe, Das Vaterland. 1845, S. 15, vergl. S. 57, Jordan, Allgem. Staatsrecht S. 170.
Teutsche Vierteljahrschrift. 1846. Nr. 35. Prutz, Sieben Jahre 1848. S. 59.
- 63) Vergl. von Stael-
Holstein, Über die Verfassung und Verwaltung Englands (übersetzt von Scheidler. Jena 1825.),
Vorrede der Übersetzung. Dahlmann's Politik. Fr. Baltisch, Polit. Freiheit (vergl. auch Allgem.
Zeitung vom 23, Nov. 1848. Beil. S. 5176).
- 64) Wirth, Geschichte der teutschen Staaten. 1847. I. 1.
Liefer. S. 25. „Zuvörderst glaube man nicht, daß die französischen Theorien von Freiheit und
Gleichheit wahr seien. Wir wollen nicht einmal der Schwierigkeit oder vielmehr der Unmöglichkeit
der Ausführung gedenken; wenn ein solcher Zustand auch praktisch vollständig gegeben wäre, so
würde er die Teutschen aller Stände nach den Gesetzen ihres Nationalcharakters, wo nicht mit Ekel,
doch mit Widerwillen erfüllen, und Allen die Überzeugung geben, daß ein solcher Zustand weder
schön, noch würdig und fruchtbar sei. Wir haben die schönen Früchte der Freiheit und Gleichheit,
sowie der Gütergemeinschaft in dem Reformationszeitalter gesehen, sie sind uns noch schärfer in
dem blutigen Wahnsinn der französischen Revolution vor Augen getreten. Es ist ein furchtbarer
Irrwahn, das Loos der untersten Volksclassen mit solchen fanatischen Entwürfen gründen zu können,
alle Stände, auch die tiefsten, werden dadurch nur noch elender! Diejenigen, welche sich die
entschiedenen Radikalen, die Socialisten, die treuen Freunde des untern Volks, oder wie man jetzt
sagt, des vierten Standes nennen, sie sind die bittersten Feinde desselben, wenn sie ihm den Irrsinn
der Freiheit und Gleichheit in den Kopf setzen. Die untersten Volksclassen leiden dadurch am Ende
soviel, als die höhern Stände, weil den größernteils Geistern und wirklich organisirenden Kräften die
Mittel zu jenen tiefern organischen Reformen benommen werden, welche nur das Ergebniß der
gründlichsten Forschungen, des schöpferischen Genies und lange bewährter Lebensweisheit sein
können." Vergl. Fr. Baltisch, Politische Freiheit S. 22. Romang, über Willensfreiheit und
Determinismus S. 102 fg.
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fung alles Census — welchen die weisen Gesetzgeber des Alterthums selbst für
ihre Demokratien unerläßlich hielten —; ferner beständige „Agitation" oder „Wühlerei" des Volkes
durch Clubs aller Art, Eingriffe in das Privateigenthum, Verwerfung (wenigstens für jetzt) des
Zweikammersystems, Abschaffung des Adels (von der preußischen sogenannten
Nationalversammlung, „der schlechtesten Volksvertretung, die bisher in der Geschichte
vorgekommen ist," sagt von ihr die „Grenzboten" 65) schon im Septemberhefte Nr. 35. S. 387, also
lange vor dem fast verrückt zu nennenden Steuerverweigerungsbeschluß vom 15. Nov., wodurch sie,
nach eigenem Geständniß, die „Brandfackel des Aufruhrs in das ganze Land schleuderte") und andern
derlei politischen Unsinn beliebt hat.♦ |
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Am allerverderblichsten aber wirkt die Nachäffung des wälschen, besonders durch
Rousseau's Irrlehre in Cours gesetzten, meist ganz verkehrt verstandenen und dann natürlich auch der
bürgerlichen und selbst der politischen Freiheit schädlichen Princips der sogenannten
Volkssouverainetät. Diese leidige Volkssouverainetät, die wahre Pandorabüchse alles politischen
Unheils unserer Zeit, ist schon sprachlich ein, noch dazu durch die „scheußliche, breitgequetschte
Schwanzsylbe ( — tä...t) höchst widerlich klingendes" 66), Bastardwort (wie es auch Welcker in
der Paulskirche mehrfach bezeichnete).♦ |
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Der damit zu verbindende Begriff läßt sich allerdings in mehrfachem Sinne
rechtfertigen; zunächst in völkerrechtlicher Beziehung als Princip der Selbständigkeit und
Unabhängigkeit jeder Nation in ihren eigenen innern Angelegenheiten 67). Ferner im
staatsrechtlichen Sinne als Gegensatz oder Negation des sogenannten göttlichen Rechts der Fürsten
(origo majestatis a Deo), welches aus leeren Fictionen des kanonischen Rechts im Mittelalter zur
Geltung kam, aber schon längst, z. B. von Friedrich dem Großen 68), neuerdings sehr gründlich
von Stahl 69) in seiner Unhaltbarkeit nachgewiesen worden; oder auch in dem Sinne, daß die
Quelle der Gesetzgebung, somit die gesetzgebende Gewalt, im Volke, d.h. der Gesammtheit der
Regierten, liegt 70), wonach „Volkssouverainetät nur heißen kann, daß der klar erkannte
Volkswille, die allgemeine Vernunft (nicht die urtheilslose große Masse!) des Volks ihren Ausdruck
in der Regierung finde und durch diese sich selbst regiere" 71). Leider! wird dies Wort in der
Regel, und
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- 65) Vergl. Nr. 44. S. 180 und die andern Urtheile über diese „kindische"
Versammlung in der Teutschen Allgem. Zeitung vom 19. Nov., der Teutschen Zeitung vom 8. und 13.
Nov.; unterm 9. Nov. heißt es in einem Schreiben aus Berlin: „Wer den ganzen Verlauf der hiesigen
Dinge überschaut, dem wird dabei zu Muthe, als wenn Kinder die französische Revolution spielten."
- 66) Wie schon Kolbe über Sprachmengerei (S. 142, vergl. 30. 129. 138) bemerkt hat.
- 67) Vergl.
Tittmann, die Verfassung des teutschen Bundes S. 14 fg. Sternberg in Bülau's Jahrbüchern. 1846. I.
Bd. S. 272, Vergl. den Artikel Intervention von Scheidler.
- 68) Im Antimachiavell; vgl. Wolff's
Friedrich des Großen staatsrechtliche Grundsätze. 1840. S. 6 fg.
- 69) Phil. des Rechts II. 2. Abth.
1846. S. 156.
- 70) Thilo, die Volkssouverainetät in ihrer wahren Gestalt. 1833. Vergleiche Kant's
oben angeführte Ansichten von der politischen Freiheit.
- 71) J. H. Fichte, Die Republik im
Monarchism. 1848. S. 5.
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namentlich heutzutage, nicht in diesen richtigen Bedeutungen, sondern in dem
Sinne genommen, daß das „Volk," die Gesammtheit der Regierten, überall und immerdar, also auch in
der Monarchie, der eigentliche Quell und Inhaber aller Souverainetät sei und selbige durch seinen
Willen auf den Regenten und seine Repräsentanten übertrage. Bei der allgemeinen Verbreitung dieser
Irrlehre 72) halten wir es für angemessen, hier über die Verkehrtheit und Gefährlichkeit dieses
Dogma's die Stimmen einiger unserer freisinnigsten Publicisten anzuführen. So sagt z. B. Jordan, der
vieljährige Märtyrer der Freiheit 73): |
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„Die Ansicht, daß sich die Staatsgewalt ursprünglich in den Händen des Volks
befinde und bei der Errichtung des Staats von diesem an den ausersehenen Herrscher übertragen
werde, ist einer der folgenreichsten Irrthümer. Das Irrige derselben leuchtet aber von selbst ein;
denn die Staatsgewalt ist, an sich betrachtet, keine körperliche Sache, die sich wie etwa die
Bundeslade bei den Israeliten in den Händen der Menschen befinden und so von dem Einen dem
Andern übergeben werden könnte; die als eine selbständige Sache, welche blos ergriffen zu werden
brauchte, auch vor dem Staate vorhanden wäre, sondern eine bloße Vernunftvorstellung, welche in der
Vernunftvorstellung vom Staate oder von der verwirklichten Herrschaft des Rechtsgesetzes enthalten,
von dieser unzertrennlich und durch diese ihrem Begriffe und Wesen nach bestimmt ist. So wenig sich
das Rechtsgesetz in den Händen des Volks befinden und von diesem beliebig behandelt werden kann,
oder gar erst vom Volke geschaffen wird, vielmehr über demselben als unabänderliche Anerkenntniß
und Gehorsam von Allen fodernde Regel und Norm steht, ebenso wenig kann die Staatsgewalt in den
Händen des Volks ruhen und von diesem beliebig modificirt und übertragen, also auch — dieses wäre
eine natürliche Folge — wieder zurückgenommen werden. Die Staatsgewalt ist nach der Idee kein
Product oder Fabricat der menschlichen Willkür, mithin auch kein Gegenstand willkürlicher
Behandlung oder Verfügung, theils Gebot, theils Foderung derselben; sie steht daher, wie das
Rechtsgesetz über den Menschen, und muß von diesen, wie jenes, unbedingt anerkannt werden. Ihre
Anerkennung ist zugleich in der Anerkennung des Rechtsgesetzes enthalten. Wer den Zweck, die
Herrschaft des Rechtsgesetzes, will, der muß auch das Mittel wollen, durch welches jener allein
erreicht werden kann; wie nun jenen Alle wollen, sollen und müssen, so kann und darf auch Keiner
dieses von sich weisen. Zudem läßt sich ein Volk, als eine gesellige Vereinigung, nicht ohne alle
Herrschaft des Rechtsgesetzes, mithin, da diese nur im Staate möglich ist, nicht ohne Staat und
folglich auch nicht ohne bereits anerkannte Staatsgewalt denken, da diese eben das Wesen des Staats
bildet. Wie könnte
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- 72) Darüber, daß z. B. die sogenannte „breiteste demokratische Grundlage"
eins und dasselbe mit der Volkssouverainetät ist, vergl. Teutsche Allgem. Zeitung. 1848. Nr. 300 vom
26, Oct.
- 73) Jordan, Versuche über allgemeines Staatsrecht. S. 73 fg. 236.
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also die Staatsgewalt zur freien Verfügung einem Volke zustehen, welches selbst
seinem Begriffe zufolge nur als unter der Staatsgewalt stehend und dieser gehorchend denkbar
ist?" |
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„Es läßt sich auch gar kein bestimmter Begriff mit der Volkssouverainetät
verbinden. Die Meisten fassen sie zwar als die ursprüngliche Machtvollkommenheit des Volkes aus,
aus welcher die höchste Gewalt fließe; allein diese Volkssouverainetät, wäre sie auch nicht schon an
sich grundlos, würde doch mit der Errichtung des Staats aufhören, wie bereits bemerkt worden ist.
Wollte man unter Volkssouverainetät den auch im Staate noch fortdauernden und dem Volke
zustehenden Besitz der Machtvollkommenheit verstehen, so wäre eine solche Annahme nicht blos
völlig irrig, sondern auch im höchsten Grade gefährlich, wie dieses insbesondere die französische
Revolution bestätigt hat; weil dadurch der Regent zu einem bloßen, dem Volke verantwortlichen und
daher von diesem auch absetzbaren Vollziehungsbeamten ohne eigene Gewalt und Selbständigkeit
entwürdigt, das Volk zum alleinigen Souverain und so der Staat in eine Demokratie verwandelt
würde. Die Theilnahme des Volkes an der Gesetzgebung mit Souverainetät zu bezeichnen, ist weder
wissenschaftlich, weil man in der Wissenschaft nicht verschiedene Begriffe ohne Noth mit denselben
Worten bezeichnen soll, noch rathsam, weil dieselbe Wortbezeichnung zweier verschiedener Begriffe
leicht zur Vermischung der Begriffe selbst, wenigstens zu irrigen Folgerungen im wirklichen
Staatsleben führen kann. Die Lehre von der Volkssouverainetät, welche gar kein praktisches Interesse
hat, wol aber praktische Nachtheile erzeugen kann, ist lediglich eine Folge von der irrigen Ansicht,
welche den Ursprung der Staatsgewalt im Volke finden will. Allein im Staate kann es, wie nur eine
Staatsgewalt, so auch nur eine Souverainetät geben, welche dem Regenten allein und ausschließlich
gebührt, wie die regierende Gewalt, von welcher sie gar nicht verschieden ist; weshalb man die
Regierungsrechte auch Souverainetätsrechte nennen kann. Das Volk ist, ungeachtet es die Macht der
Staatsgewalt vorstellt, dennoch nicht Theilhaber, sondern nur die Stütze der Souverainetät. Blos die
Souverainetät des Staates gebührt dem Regenten und Volke gemeinschaftlich, weil beide in
völkerrechtlicher Hinsicht nur eine Einheit, nur eine moralische Person bilden." |
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In gleichem Sinne hat sich Welcker mehrfach schon vor vielen Jahren und auch
noch neuerdings in der Paulskirche gleichmäßig „gegen die Anhänger des sogenannten göttlichen
Rechts und die Vertheidiger einer in solch einseitigem Gegensatz ebenso haltlosen
Volkssouverainetät" 74) erklärt. Die folgende Hauptstelle verdient ganz besonders im
gegenwärtigen Augenblicke, wo auf der einen Seite Reaction, auf der andern Anarchie unsere junge
politische Freiheit bedrohen, die allgemeinste Beherzigung 75): |
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„Im Geiste des berliner Wochenblattes, der mann-
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- 74) Beiträge zur Lehre von den Injurien. 1833. S. XVIII.
- 75) Welcker a.a.O.
S. XXXIV.
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heimer Zeitung u. dgl. m. bemüht sich jetzt eine große Schar von Freiheitsfeinden,
das Herz des Fürsten – soweit es gelingt, sicher zu deren größtem Unglück – mit Argwohn, Mistrauen
und Haß gegen die wahren Freunde der Freiheit, gegen einen großen Theil ihres Volkes zu
vergiften, und zu diesem Zwecke sie zu überreden, mit der warmen Liebe zur Freiheit sei Fürstenhaß
und Förderung der Revolution und der jetzt wie ein Gespenst gefürchtete Grundsatz der
Volkssouverainetät unzertrennlich verbunden. Nun bin ich zwar auf das Innigste überzeugt, daß
diejenigen, welche theoretisch Revolutionen billigen und Republik und Volkssouverainetät für die
allein richtigen Staatsgrundsätze erklären, die treuesten Bürger und Beamten der Monarchie sein
können – ähnlich wie so viele Anhänger der alleinseligmachenden Kirche, welche jeden
Andersglaubenden als Ketzer verdammt, die treuesten Verehrer und Unterthanen protestantischer
Regenten sind – und daß mir dieselben jedenfalls unendlich weniger gefährlich scheinen, als jene
selbstsüchtigen moralischen Vergifter der Seelen der Fürsten, jene Zerstörer des Vertrauens und
Friedens zwischen ihnen und ihren Völkern. Dennoch ist es auch hier schon im Interesse der
Wahrheit, und vielleicht auch, weil es den Bösen Verdruß macht, nicht ganz unnütz, zu beweisen, daß
ein so entschiedener und warmer Freund der Freiheit, wie ich mich nennen darf, zugleich mit jenen
hier bereits dargestellten Grundsätzen der Gesetzlichkeit und Treue, und mit der Anerkennung der
sittlichen und geschichtlichen Grundlagen für Begründung und Leitung aller politischen Verhältnisse
und Bestrebungen – und wie ich hoffe, in völliger organischer Verbindung mit ihnen und mit den
Grundsätzen wahrer Freiheit – sogar stets die Erbmonarchie mit einer demokratischen und einer
zeitgemäß und gut gebildeten aristokratischen Standschaft als naturrechtliches und politisches Ideal
und als die höchste Stufe der natürlichen Entwickelung unserer europäischen Culturverhältnisse
darstellte, und die einseitige neufranzösische, in die Cortesverfassungcn übergegangene (aber in dem
wahren englischen Staatsrecht und selbst in der französischen Charte nicht begründete) Souverainetät
des Volks im Gegensatz gegen die Regierung und die Betrachtung des Fürsten als eines absetzbaren
Beamten entschieden bekämpfte." (S. mein System der Rechts-, Staats-und Gesetzgebungslehre. 1828.
1. Bd. S. 186 fg. 201. 205. 414-425. Neuer Beitrag zur Lehre von den Injurien und der Preßfreiheit etc.
S. XIII. XV. XVI. XVIII.) |
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Ferner Zöpfl in seinem allgemeinen und constitutionellen Staatsrecht 76)
ausgesprochen: |
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"Es ist eine sehr häufige Behauptung, daß die Staatsgewalt eine dem Souverain von
dem Volke übertragene Gewalt sei. Unverkennbar hängt diese an Consequenzen reiche Ansicht mit
der Vertragstheorie zusammen, kann aber selbst nach dieser, wenn man auch dieselbe für richtig
annehmen wollte – was, in Bezug aus die historische Entstehung einiger Staaten, allerdings geschehen
darf –
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- 76) S. 45. 2. Ausgabe. Vergl. desselben Constitutionelle Monarchie und
Volkssouverainetät. 1848. S. 11. 16 fg.
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dennoch nicht gerechtfertigt werden. Vom philosophischen Standpunkte aus
müßte nämlich die Frage, ob die Staatsgewalt dem Souverain vom Volke übertragen sei, in Bezug auf
den Staat in der Idee verneint werden, weil sie mit der Idee des Staats gegeben und von dieser
untrennbar und somit wie diese selbst, uranfänglich ist. Aber auch in Bezug auf die Darstellung des
Staats im praktischen Leben — in Bezug auf die historische Entstehung des Staats — ist diese Frage
nicht minder zu verneinen, weil es vor der Anerkennung eines Subjects als Souverain gar keine
Staatsgewalt gibt, welche übertragen werden könnte; daher denn auch nicht von einer Übertragung,
sondern nur von der Anerkennung der Staatsgewalt in einem Subjecte die Rede sein kann, und hiermit
ist denn sofort auch der Staat historisch begründet und entstanden, auf welche Art immer — selbst
vielleicht durch ungerechte Gewalt und Zwang — Anerkennung herbeigeführt worden ist. Nur allein
da kann man von einer Übertragung der Staatsgewalt sprechen, wo ein bereits bestehender Staat aus
einer Beherrschungsform in eine andere übergeht, z. B. eine Demokratie in eine Monarchie, wo also
der bisherige Souverain seine Gewalt an ein anderes Subject abtritt und gleichsam cedirt. Wer aber
jede bestehende Staatsgewalt als auf einer Übertragung durch das Volk beruhend betrachten wollte,
würde sich einestheils die historische Unrichtigkeit zu Schulden kommen lassen, zu behaupten, daß
jedem Staate eine Demokratie und resp. die Volkssouverainetät vorangegangen wäre, und andererseits
würde er sich genöthigt finden, zu gehaltlosen Fictionen zu greifen, um die Geltung einer Gewalt als
Staatsgewalt da zu erklären, wo sie historisch erweislich dem Volke gegen seinen Willen
aufgedrungen worden ist. Offenbar sind diejenigen, welche die Staatsgewalt als übertragen durch das
Volk betrachten, in der Meinung befangen, daß ein Subject, um als Staatsherrscher zu gelten, eines
Besitztitels der Staatsgewalt bedürfe. Man übersieht aber dabei, daß die Staatsgewalt, eben weil sie für
den Staatsherrscher ein Besitz ist, dem Unterthan gegenüber selbst ein genügender Titel ist, resp. einen
solchen in sich selbst enthält." |
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Endlich enthält eine der neuesten Schriften, die des jüngeren Fichte, hierüber
ebenfalls sehr richtige und um so mehr hierher gehörige Ansichten, als sie dabei zugleich der Begriffe
der bürgerlichen Freiheit u. s. w. gedenkt 77). |
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„Kein Staatsorganismus ist ohne die abschließende Einheit einer Regierung, ohne
Souverainetät zu denken. Keineswegs aber folgt daraus weiter, daß sie aus diesem Grunde zugleich
an die Einheit einer einzelnen Person geknüpft sein müsse. Nur das folgt nothwendig, daß sie
ununterbrochen und stetig wirken und allgegenwärtig erhaltend, gleich einer Seele, den Staat
durchdringen muß. Der Souverain im Staate „„stirbt nicht;"" denn mit ihm stürbe unmittelbar auch der
Staat, dessen Individualität in demselben Momente sich in alle Winde
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- 77) J. H. Fichte, Die Republik im Monarchismus. 1848. S. 10.
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auflösen würde. — Hieraus ergibt sich zunächst nur dies, daß dem Volke, als
einem Aggregat von Einzelnen betrachtet, der Charakter der Souverainetät in keinem Sinne
beiwohnen könne. In der Politik, wo das theoretisch Befestigte in die Praxis sich umsetzen soll, und
wo darum falsche oder halbwahre Theorien von den allerverderblichsten Folgen sind, gilt es vor
Allem, die Ur- oder leitenden Begriffe zur möglichsten Klarheit und Bestimmtheit herauszuläutern.
„„Volkssouverainetät"" ist gar kein politischer Begriff, weder ein ursprünglicher, noch ein
abgeleiteter, sondern eine höchst schwankende, unklare Vorstellung, die in ihren Folgen um so
schädlicher gewirkt hat, als sie auf ein allerdings berechtigtes, nur ganz wo andershin fallendes
Verhältniß hindeutet. Das Wohl des Volkes ist allerdings der rechte „„souveraine"" Zweck, auf
welchen Alles hinzielt; dies meint eigentlich, praktisch genommen, jenes Gelüsten, was einige
verworrene Köpfe der Menge eingeredet haben, daß ihr um deswillen die Souverainetät zukomme. Es
ist ebenso falsch, als die entgegengesetzte Behauptung, daß dem Herrscher, weil er Souverain sei,
auch Unbeschränktheit des Willens zukommen müsse. Fügen wir noch die dritte politische
Scheinwahrheit hinzu, von der Freiheit und Gleichheit aller Menschen (im Staate, wie sich versteht),
so glauben wir, alle Wankebegriffe genannt zu haben, die nach entgegengesetzten Seiten hin in der
neuern Zeit das politische Urtheil verwirrt haben. Bürgerliche Freiheit in gleichem Maße kommt
sicherlich Allen zu; aber auf der Ungleichheit — in Würde und Besitz, in Amt und Macht — beruht
sogar das Wesen und die Möglichkeit des Staates, während freilich diese Ungleichheit nicht (blos) auf
ererbten politischen Vorzügen, sondern auf dem innern Werthe der frei sich entwickelnden
Individualität beruhen soll." |
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So lange diese Wahnbegriffe allzumal, besonders aber die Volkssouverainetät, in
dem gewöhnlichen falschen Sinne dieses Wortes im Schwange sind, und so lange man noch nicht zu
der Einsicht gekommen ist, daß zwar die Rechte der bürgerlichen Freiheit allen Gliedern des Staats
ohne Ausnahme die Befugnisse der politischen Freiheit dagegen durchaus nur dem geistig mündigen
und äußerlich selbständigen Theil, mit einem Worte, den activen Bürgern zustehen müssen, und daß
bei einem großen und gebildeten Volke nicht die sogenannte Republik oder Demokratie, sondern
einzig und allein die constitutionelle Monarchie (welche natürlich dem — von der Staatsform der
Demokratie wohl zu unterscheidenden — demokratischen Princip, soweit dasselbe berechtigt ist,
ebenso sehr sein Recht widerfahren lassen muß, als sie die Übergriffe des aristokratischen
zurückzuweisen, aber ebenso die unbefugten Strebungen der Demagogie zu bewältigen hat) als die
eigentliche wahre Garantie der bürgerlichen und politischen Freiheit anzusehen ist; so lange man
überhaupt die Freiheit nur für eine durch diese oder jene Staatsform sofort in Besitz zu nehmende
Sache und nicht als ein fort und fort durch Arbeit und Aufopferung immer mehr und mehr zu
realisirendes Lebensprincip oder Ideal erkennt (wie dies die |
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nicht oft genug zu wiederholenden Worte Goethe's so treffend andeuten) 78),
und so lange man endlich um die wichtigsten Grundbedingungen der Freiheit, politische (d.h.
staatswissenschaftliche) und echt sittlich-religiöse Charakterbildung, sich nicht mit dem größten Ernst
bemüht – so lange wird man auch dies anerkannt höchste Gut des vernünftig geselligen Lebens nicht
wahrhaft erreichen!♦ |
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Daß es die Literatur nicht an Aufhellung aller dieser Begriffe hat fehlen lassen,
wird sich aus dem bisher Mitgetheilten schon zur Genüge ergeben haben. Wir fügen demgemäß in der
Note das Verzeichniß derjenigen Schriften bei, die außer den bereits citirten entweder unmittelbar oder
mittelbar die richtigen Ansichten über das Wesen der bürgerlichen und politischen Freiheit und ihrer
Bedingungen enthalten 79), und schließen mit den Worten eines unserer
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- 78) "Nur der verdient sich Freiheit, wie das Leben, der täglich sie erobern
muß." Faust II.
- 79) Über diese Lehre ist zu vergleichen Fr. Nathan. Volkmar, Abhandl. über
ursprüngliche Menschenrechte, Freiheit und Gleichheit. (Breslau 1793.) C. G. Neuendorf, Kurze
Belehrung für Nachdenkende über bürgerliche Freiheit und Gleichheit in der Teutschen Monatsschrift.
Jahrg. 1793. 1. Bd. S. 132 fg. Vergl. über Freiheit und Gleichheit Teutsche Monatsschrift. 1793. 3. Bd.
S. 67-83. Joh. Chr. G. Schaumann, Versuch über Aufklärung, Freiheit und Gleichheit. (Halle 1793.)
J. C. Hoffbauer, Freiheit und Gleichheit, in den Untersuchungen über die wichtigsten Gegenstände
des Naturrechts. (Halle 1795.) Abh. XXVII. J. W. Hermanni, Über Menschen-, Bürger- und
Regentenrechte und Pflichten, wie auch über Freiheit und Gleichheit. (Münster 1796.) C. M.
Wieland's Gespräche unter vier Augen. (Leipzig 1799.) (Auch sämmtliche Werke. 31. Bd. S. 210 fg.)
E. F. Klein, Freiheit und Eigenthum, abgehandelt in acht Gesprächen. (Berlin 1790.) De Villers, De la
liberté. (Metz 1791.) J. H. Reischel, Über natürliche Freiheit des Menschen; als ein Anhang zu s.
Vers. eines system. Abrisses und Erkl. des Grundinhalts aller möglichen Gesetze des Menschen.
(Münster 1792.) C. A. Horn, Über den wahren Begriff von Freiheit. (Nürnberg und Markbreit 1794.)
Über die Grundsätze der Freiheit und Gleichheit. (Frankfurt 1794.) Reden an teutsche Bürger über
Staat, Rechte und Pflichten, teutsche Freiheit u. s. w. (Karlsruhe 1795.) Schmalz, über politische
Freiheit. (Halle 1804.) Eine merkwürdige Predigt über Freiheit und Gleichheit ist: Homélie du citoyen
Cardinal Chiaramonti, evèque d'Imola, actuellement souverain pontife Pie VII., adressée au peuple
de son diocèse, dans la republique cisalpine, le jour de la naissance de Jesus-Christ l'an 1797. Imola,
de l'imprimerie de la nation, an VI de Ia liberté. Réimprimé a Come, an VIII, et traduit en français à
Paris 1814. (Auch hat Lavater eine solche Predigt gehalten, die man im vierten Buche seiner
nachgelassenen Schriften, herausgegeben von Gesner, findet. Vergl. Krug, Handbuch der Philosophie
und der philosophischen Literatur II. 2. Aufl. 1822. S. 130. Note.) Ausführliche Erörterungen über das
Wesen der politischen Freiheit finden sich auch in Welcker's Rechts-, Staats- und
Gesetzgebungslehre (1829). I. Bd. S. 222-286; ferner in der vorzüglichen, besonders das Wesen der
englischen politischen Freiheit treffend erörternden, Monographie: "Politische Freiheit," von Franz
Baltisch (Prof. Hegewisch in Kiel). (Leipzig 1830.) Es gehört hierher auch die Literatur über Wesen
und Werth der verschiedenen Staatsformen der Monarchie, Aristokratie und Demokratie, wobei es
besonders beachtenswerth ist, daß die bedeutendsten Schriftsteller des Alterthums einstimmig die
Demokratie oder sogenannte Republik verwerfen, weil in ihr eben für die politische Freiheit keine
Garantie gegeben ist. (Vergl. Herodot. III, 80 seq. Isocrat. Nicocl. p. 36 seq. ed. Lang. Platon, De rep.
VIII, 564; Polit. p. 345. {1} ed. Bekk. Xenophon. Rep. Ath. I, 5. Aristotel. Polit, IV, 10. V, 10, 11. Eth.
VIII, 10. Cic. De rep. I, 38.)
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{1} Anm. von Sp. 2 ergänzt. |
S. 49 Sp. 2 |
FREIHEIT |
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berühmtesten, bereits mehrfach citirten Staatsgelehrten, der in seiner Schilderung
der echt germanischen (und ausführbaren) Staatsverfassung zugleich die Grundbedingungen aller
wahren bürgerlichen und politischen Freiheit nennt 80): |
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"Die Idee des modernen Staates kann ihre Wirklichkeit nur in einer Verfassung
haben, in welcher jeder Einzelne in dem Kreise seines durch das Gitter geschriebener Gesetze
umschlossenen Rechts frei und froh waltet, durch öffentliche Rechte in seine Gemeinde
aufgenommen, durch politische an das Vaterland geknüpft ist, in welcher die Freiheit der
Corporationen gleicher Weise durch die Gesetze umwölbt ist, daß sie zwar ungeneckt das Ihrige
ordnen, aber zugleich in das allgemeine Staatsleben aufgenommen und der Regierungsgewalt
unterthan sind, in welcher das Volk durch öffentliche Interessen verbunden, durch politische Rechte
gesichert, zu steigender Veredelung getrieben wird, wo endlich, von unerschütterlichen Säulen
getragen, ein Thron die Kuppel der Verfassung bildet und über dem Ganzen, heilig, unantastbar, von
dem Nimbus fleckenloser Majestät umflossen, von den Edelsten umgeben, von den Weisesten
berathen, der Fürst seines Volkes als der Genius desselben waltet. Ein Staat mit dieser Verfassung
würde namentlich die Idee der germanischen Monarchie in ihrer vollen Entwickelung auf der Erde
darstellen."
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(Dr. Karl Hermann Scheidler.) |
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- 80) Schmitthenner, 12 Bücher vom Staat. 1843. III. S. 248.
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