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Zedler: MATRIMONIUM AD MORGANATICAM HIS-Data
5028-19-2086-5
Titel: MATRIMONIUM AD MORGANATICAM
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 19 Sp. 2086
Jahr: 1739
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 19 S. 1091
Vorheriger Artikel: MATRIMONIUM AD LEGEM SALICAM
Folgender Artikel: MATRIMONIUM AD TALAC
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text  
  MATRIMONIUM AD MORGANATICAM, die Ehe zur lincken Hand.  
  Diese Ehe ist eine Art ungleicher Ehe, folglich also, da Weibes-Personen ungleichen Standes von Fürsten genommen werden.  
  Eine solche ungleiche Ehe kan entweder ohne vorher-  
  {Sp. 2087|S. 1092}  
  gegangenen Vertrag, oder mit vorhergegangenen Vertrage vollzogen. In dem ersteren Falle heisset es schlechthin eine ungleiche Ehe, und da fordern die daraus erzielten Kinder auch die Succeßion; so ihnen aber von denen Agnaten nicht will zugestanden werden, woferne nicht die Gemahlinnen in den Reichs-Grafen- oder Fürsten-Stand erhoben werden, siehe matrimonium inaequale.  
  In dem andern Falle heisset die vollzogene Ehe insbesondere die Ehe zur lincken Hand, oder Matrimonium ad morganaticam, da wird bey der Vermählung ausgemachet, daß die eingegangne Ehe zwar eine vollkommene Ehe sey, aber weder die Gemahlin die Fürsten-Würde, noch ihre Kinder die Succeßion haben sollen, u. folgl. werden die aus einer solchen Ehe erziehlten Kinder, aus einem besondern Vertrag von der Succeßion ausgeschlossen.  
  Diese Ehen werden auch genennet ad Legem Salicam contracta matrimonia, weil man in Lege Salica einige Spur davon findet.  
  Warum sie aber matrimonium ad morganaticam heissen, und was dieses Wort eigentlich heissen solle, ist noch streitig. Am wahrscheinlichsten ist, daß, weil bey einer solchen Ehe die erziehlten Kinder sich mit einem gewissen Deputat und einigen Morgen Landes müssen abfinden lassen, etwan daher der Name gekommen sey.  
  Wenigstens siehet man in denen Longobardischen Rechten, daß die Matrimonia ad Legem Morganaticam contracta nicht neu sind, sondern vor Alters schon eingeführet gewesen, und ob nun gleich vielfältig disputiret wird, ob diese Ehen zuläßig seyn, auch etliche eyfrige Gottesgelehrte solche vielmehr einem Concubinatui gleich halten wollen, so sind sie jedoch zu strenge, bey dieser ihrer Meynung, zumal da die wesentlichen Stücke einer Ehe auch bey dieser Ehe verbleiben, nur, daß aus politischer Klugheit allen Zweiffel zu vermeiden, die Kinder von der Succeßion ausgeschlossen werden: welcherwegen auch bey Fürsten und Herren viel eher, als bey andern geringern Personen, Ehen zur lincken Hand geschlossen werden.  
  Im Fürstl. Hause Braunschweig-Lüneburg, hatte man zum Ausgang des 16 Jahrhunderts ein besonders merckwürdiges und hieher sich schickendes Exempel, unter des Hertzogs Wilhelms des jüngern Printzen, derer sieben waren, gehabt, und hatten sie, weil damahls das Recht der Erstgeburth noch nicht eingeführet war, unter ihnen dahin ein Pactum gemachet, daß sie loosen wolten, wer von ihnen sich zu vermählen hätte; da indessen die Einkünffte derer Lande unter ihnen gemein seyn solten; also bewandten Dingen nach, die Succeßion nur auf eine Linie fallen müste, doch mit dem Beysatz, daß, wenn die übrigen sich vermählen wolten, solches ihnen zwar freystehen solte, jedoch, daß sie nur eine Ehe zur lincken Hand dabey eingiengen. Das Loos traf nun den sechsten von ihnen, als den Hertzog Georgen: Der vierdte Bruder, Friederich, vermählte sich zwar auch, iedoch auf nur gedachte Art, zeugte auch Söhne, welche die Herren von Lüneburg genennet worden.  
  Ferner, als sich der Churfürst Carl Ludwig von der Pfaltz noch im Leben seiner rechtmäßigen Gemahlin, einer Landgräfin aus dem Hause Hessen-Cassel, mit der Baroneßin von Degenfeld, vermählte; so wurde diese Vermählung auch als eine Ehe zur lincken Hand angesehen, und wurden die Kinder nur Rau-Graf genennet: Wie man denn dergleichen Exempel noch mehrere in Deutschland, wo solche Familien, die von Fürsten abstammen, annoch üblich  
  {Sp. 2088}  
  sind, vorfindet.  
  Es lässet sich auch fragen, warum denn solche Ehen, Ehen zur lincken Hand genennet werden, da man doch auch wohl rechte Gemahlinnen, einem Fürsten zur lincken Hand ehelich anvertrauet? Hierauf wird geantwortet, daß das letztere in Ansehung der Stellung geschehe, wie solches sich auch bey Privat-Personen mehrmaln ereignet: Alleine der Unterscheid ist eigentlich dieser; Bey ordentlichen Vermählungen werden die Hände gewechselt; Hier aber schlägt der Bräutigam seine lincke Hand in der Braut ihre rechte Hand, und eben daher heisset diese Ehe zur lincken Hand.
  • Heinrich Lynk in Matrimonio ex Lege Salica contracto.
  • Coccejus de inequali matrimonio.
  Also ist es richtig, daß solche aus der Ehe zur lincken Hand erziehlte Kinder nicht succediren, ob es gleich sonsten liberi legitimi sind, und ist dieses ein Exempel, daß in matrimonio feudali etiam liberilegitimi excludiret werden.  
  Weiter fraget es sich, ob auch unter Privat-Personen dergleichen Exempel vorhanden? Und muß man hierbey bekennen, daß unter Privat-Leuten heutiges Tages dergleichen Exempel nicht leichtlich gewahr zu nehmen seyn; wenigstens wird eine Privat-Person dieses ohne besonders erhaltene Vergünstigung nicht thun können, weil es wider die Kirchen-Ordnungen läuffet. Solten indessen dergleichen Fälle vorgehen; so können auch die daher erzeugten rechtmäßigen Kinder von der Lehns-Folge ausgeschlossen werden.  
     

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Stand: 19. September 2016 © Hans-Walter Pries