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S. 490 (Forts.) |
§. 2. Nachdem aber dieselben gefälle zuweilen, nach
gelegenheit der zeiten und läuffte, nicht zureichen, sondern der Obrigkeit
solche kosten und darlagen zu handen stossen, daß sie eines mehrern bedürfftig,
so ist es vor alters Nothhalben aufkommen, daß sie ihre untersassen um
gutwillige steuer und beyhülffe ansprechen: Das geschicht nun in einem
Fürstenthum und Lande dergestalt, daß der Landes-herr seine stände, prälaten,
grafen, herren, ritterschaft und städte, so viel darvon seiner Landes-Fürstl.
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heit unterworffen sind, auf einen gemeinen Landtag
beschreibet, ihnen sein anliegen, als etwa zugestossene oder besorgende kriege
und einfälle, schwere schulden-lasten, und abgang der eigenen cammer-güter,
weitläufftige bestellung des regiments, nothwendige gebäude, vorhabende
gemein-nützige anstalten, ansehnliche heyrathen, kostbare reisen, legationen, und was
dergleichen mehr, zu seiner oder des landes nothdurfft anführen mag, vortragen
und entdecken lässet und ihre gutherzige hülffe begehret. |
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Gleichwie aber dieses ersuchen um die steuer niemand, als
der hohen Obrigkeit, oder dem Landes-Fürsten zukömmet, und gebühret, und so
fern eines von den höchsten regalien ist:** (Denn etliche wenige exempel, daß
auch unter-obrigkeit, oder gar fremde, sich dessen thätlich, oder durch langes
herbringen aus hinläßigkeit des ober-herrns,*** angemasset, mögen die regul
nicht aufheben.) Also hat es gleichwohl diese unumschrenckte macht und
nachdruck nicht, daß er denen unterthanen eben ein grosses vorschreiben und
auferlegen könnte,**** was sie jedesmahl auf solch begehren zur steuer erlegen
müssen, sondern obwohl auf vernünfftiges begehren, treue land-stände ihrem
Herrn nicht aus händen gehen, noch denselben in landes- noch seinen eigenen
nöthen hülff-loß lassen, so bleibet es doch zu dero berathschlagung und
einwilligung gestellet,***** wie viel, auf was zeit und weise, nach gelegenheit
der fälle, und dero vorgebrachten motiven, auch ihres jedesmahligen vermögens,
sie ihrem Landes-herrn an geld oder geldes werth reichen u. geben |
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wollen: Sie erlangen auch deßwegen landes-fürstliche
Revers-briefe, daß solche bewilligung der stände und unterthanen, ihnen an ihren
freyheiten unnachtheilig seyn, und die bewilligte summe künfftig zu keiner
ordentlichen beschwerung und auflage gereichen soll.****** |
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Wie denn nicht weniger auch die art und weise, welcher
gestalt, und nach was für einer proportion solche steuren anzulegen und
einzubringen, anfänglich in der vergleichung und bewilligung des Herrn und der
unterthanen bestanden.******* |
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* Wir wollen uns itzo bey dem ersten anfang und ursprung der
steuren nicht lange aufhalten, weil doch ohnedem leicht zu gedencken, daß in
und bey allen von anfang der welt gewesenen staaten jederzeit die steuern, ob
gleich unter andern nahmen, im gebrauch gewesen, nach dem man solche zu
erhaltung eines landes und bestreitung gemeiner nothdurfft unumgänglich
erfordert, auch keine solche reiche gefunden werden, oder je gefunden worden,
in welchen ein fürst mit seinen ordinair-revenüen hätte auskommen können.
Zumahlen die bestreitung eines regiments viele ausgaben erfordert, und viele
schwürigkeiten, an welche man nicht allemahl dencket, sich ereignen. Daher sagt
der kluge Tacitus recht: Daß die ruhe eines volcks nicht könne ohne handhabung
der waffen, die nicht ohne sold, der sold nicht ohne anlagen oder steuren
erhalten werden. Es hat bereits der weise Plato von den tributen erwehnung
gethan; Und welcher gestalt sonst die Römer hierinnen sich verhalten, ja gar
excediret, ist aus denen historien selbiger zeiten hin und wieder bekandt. Aber
näher auf unser Teutschland zu kommen, so haben die alten freyen Teutschen sich
mit keinen tribut beschweren lassen, so daß, als nachmahls |
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die Römer in dieses land kommen, und ihre beschwerliche
schatzungen einführen wollen, die freyen Teutschen sich mit gewalt widersetzet,
und lieber alles, als solche beschwerden erdulten wollen. Man findet auch beym
Gregorio Turonensi sonderlich, daß die Teutschen bey solcher freyheit unter
denen Fränckischen Königen verblieben, und viel lieber alle krieges-last mit
darsetzung leibes und lebens, als solche dienstbarkeit, auf sich genommen; Und
meynet demnach mehr belobter herr Hertius, daß sie eben um deßwillen Francken,
das ist, freye leute genennet worden. Wiewohl so viel man folgender Zeiten
findet, hat solche exemtion nicht gar lange gedauret, sondern es haben eben die
Fränckischen könige sich dieses juris collectandi mit der zeit, auch so gar
wider die Clöster und kirchen, bedienet: Wie nicht weniger auch die folgenden
kaysere dessen gebrauchet, so daß es mit der erblichen verwandelung der
Fürstenthümer auch an die Teutschen fürsten kommen, und nunmehro von ihnen
krafft der Landes-Fürstlichen hoheit besessen wird. Zwar sind solche anlagen
vor alters freylich nicht so gar häuffig gewesen, und ist denen unterthanen
ausser sonderlichen nothfall nicht leicht etwas über die ordentlichen
erb-gefälle angefordert worden; Nachdem aber sich ferner schwere zeiten und läuffte
ereignet, daß entweder die Regenten mit solchen erb-gefällen und cammer-gütern
nicht auszulangen vermocht, oder solche sonst in abgang gerathen, ist
denenselben eine freywillige beysteuer vom gantzen lande geschehen, und in die
cammern zu einer beyhülffe gegeben worden, welche doch nunmehr also beschaffen,
daß deren wiederabschaffung gar schwer zu hoffen ist; Wie sie denn auch
vielleicht um deswillen gemeiniglich Land- oder ordinar-Steuern genennet
werden. Hierzu hat man noch ferner auf die consumtiones an getränck, auch
einiger orten wohl an fleisch, brod u. d. g. etwas geleget, welches man
insgemein Trancksteuer, fleisch- und wag-pfen- |
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Teutschen Fürsten-Staats |
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nig, etc. heisset. Sintemahl aber auch dieses nicht
zureichen wollen, hat man die obgedachte ordinar-steuern jährlich etliche mahl
unter den namen der extra-steuern zu verdoppeln angefangen, von welchen ich
doch finde, daß deren vor 50. und mehr jahren so gar viele nicht, und selten
über 2. oder 3. termine gewesen, womit es aber ietzo eine gantz andere
beschaffenheit hat. Doch könten auch noch wohl die zeiten wiederkommen, daß
zumahl bey guter administration der Cammer-güter und einziehung des
überflüßigen hof-staats die extra-anlagen vermindert, mithin dem vermögen der
unterthanen wieder aufgeholffen würde. Was sonst bey bewilligung, einsammlung
und anwendung solcher extra-steuern noch vofället, ist und wird theils im text
selbst, theils dabey gelegenheitlich berühret. |
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** Deren sonderliches kennzeichen und vorzug denn darinnen
bestehet, daß der landes-herr solche nach bewandten umständen mit fug von dem
lande prætendiren, und wenn sie einmahl angesetzet oder bewilliget worden, auch
von einigen widersetzlichen und saumseligen beytreiben kan. Woraus denn
erhellet, daß solche anlagen, welche zuweilen unter-obrigkeiten, oder
unterthanen selbst unter einander, machen, keinesweges aber steuern, sondern
anlagen zu nennen, und den consens aller, so dazu beytragen sollen
erfordern. |
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*** Wannenhero ferner abzunehmen, daß aus dem steuer-rechte
nicht allemahl auf die landes-hoheit geschlossen werden könne. |
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**** Es pfleget zwar jedes fürstenthum ein recht vor sich zu
haben, wie hoch etwan dem landes-herrn mit steuern an hand zu gehen: Wie denn
auch in den reichs-abschieden versehen, daß die unterthanen höher nicht mit
steuern zu belegen, als einer ieden obrigkeit herkommen sich erstrecket u.
recht ist: Allein es muß wol |
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hierinnen nicht auf solche regel, sondern auf die
vorfallende noth und bestreitung der publicorum gesehen werden, als worinnen
getreue stände und unterthanen ihren herrn nicht entstehen können noch
werden. |
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***** Es ist dieses nach der in Teutschland üblichen
regiments art also eingeführet, an sich auch gantz löblich, um dadurch die
unterthanen zu überzeugen, daß ihnen nichts unbilliges, sondern, was die
verständigsten des landes selbst nöthig befunden, angefordert werde, wie hievon
bereits im II. Theil als von denen landständen gehandelt worden, erwehnung
geschehen. Daferne aber die stände hierbey sich einer fugniß über die gebühr
anmassen wolten, müste ihnen hinlänglich begegnet und der respect des
landes-herrn mithin erhalten werde. Es haben wohl einige gelehret, ein land wäre nicht
eher zum steuer-beytrag verbunden, bis des fürsten Cammer und geld-tasche genug
ausgefeget, und ohne dessen schuld erschöpffet sey; Diese wissen aber meines
erachtens selbst nicht, was sie sagen; Denn wer solte doch wohl von denen
ständen sich deßfalls zum richter aufwerffen können. Gewiß mögen treue
unterthanen sich dessen nicht anmessen, sondern sie müssen des landes-herrn
arbitrio die beurtheilung der umstände und gegenwärtigen benöthigung
überlassen, allermassen sie auch nach denen neuesten kayserlichen
wahl-capitulationen und reichs-abschieden sich des ihren landes-herrn schuldigen
beytrags nicht entschlagen können. Dahingegen auch ein der billigkeit ergebener
herr seine unterthanen, soviel möglich verschonen, und unter andern des kaysers
Justiniani Worte erwegen wird: Deo auspice hoc unum nobis studio est, ut
publica tributa citra querelam inferantur. |
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****** Die reversales werden meistens nur über die, gedachter
massen, vormahls zu einer Cammer-hülffe bewilligte land- und tranck-steuren
gegeben, dahingegen die extra-steuren, weil sie ohnedem von einer zeitigen
verwilligung dependiren solcher reversirung eben |
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Teutschen Fürsten-Staats |
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nicht gebrauchen, wie bereits an andern orte berühret
worden. |
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******* Wie denn die herren ICti lehren, daß denen
unterthanen zu überlassen, welcher modus collectandi vor ihnen der aller
convenableste sey. Ich habe aber daran einen grossen zweiffel, und wie es
heutigen tages damit gehalten werde, ist in den folgenden zu ersehen. |
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