I . Berlinische Vorstädte. ...
II . Die Spandauer Vorstadt. *)
Sie liegt der Königsvorstadt, von Berlin aus gerechnet, zur Linken. Sie begreife[t] alles, was von der Prenzlauerstraße bis zum Unterbaum innerhalb der Pallisaden befindlich ist. Sie hat mit Berlin durch die Spandauer- ( b ) und neue Friedrichsbrücke ( c ) Gemeinschaft. Mit der Dorotheenstadt aber durch die große Weidendammsbrükke( d ) und durch die Brücke am Schiffbauerdamme ( f ).
Schon zu Ende des 16ten Jahrhunderts war vor dem Spandauerthore, an der Spree, ein kurfürstl. {S. 38} Garten (wo jetzt Monbijou liegt); desgleichen hatte der Burgermeister Retzlow einen Garten und Meyerey, in der jetzigen großen Hamburgerstraße. Außerdem wohnten da nur sehr wenige Ackersleute, nebst dem Weinmeister und dem Sauschneider. Im 17ten Jahrhunderte ward hier fast nichts angebauet. Beynahe der ganze Theil dieser Vorstadt längs der Spree war Acker, der zu dem 1670 angelegten Vorwerke der Kurfürstinn Dorothea gehörte.
Die Kurfürstinn und nachmalige Königinn Sophia Charlotta ließ diesen Acker in verschiedene Stellen vertheilen, und verschenkte dieselben, nach dem von ihrem Gemahl d. 26. Aug. 1691 erhaltnen Konsens, gegen einen gewissen jährlich davon zu erlegenden Grundzins, den aber die Besitzer nachher durch ein unter sich aufgebrachtes Kapital abgekauft haben.
1691 verschenkte sie die Theile des Ackers, worauf itzt die Grundstücke in der Kalkscheunenstraße (s. unten N. 78) nach dem Wasser zu, und zwischen der Kalkscheunen- und Kirchhofsstraße (N. 79) liegen. 1697 war von dieser Vorstadt noch nichts, als die jetzige Kirchgasse und große Hamburgerstraße nebst etwa 4 Häusern in der jetzigen Oranienburgerstraße *) vorhanden. 1698 verschenkte die Kurfürstin Sophia Charlotta die übrigen Theile ihres Ackers, nemlich die itzt in der Flathosgasse (Nr. 77) und Oranienburgerstraße (Nr. 75) gelegenen Grundstücke. 1702 wurden auch die morastigen Gänsepfühle (in der itzigen Oranienburgerstraße, zwischen der Wassergasse und {S. 39} Monbijou) den Besitzern der hinter denselben belegenen Grundstücke *) vom Magistrat gegen einen jährlichen Grundzins zugetheilt. Diese ließen sie austrocknen, und rückten darauf mit ihren Grundstücken weiter in die Oranienburgerstraße herein. 1708 ward der Frischische große Maulbeergarten angelegt, und die Gegend um das Koppensche Armenhaus in der Hospital- und kleinen Hamburgerstraßebebauet. So nahm diese Vorstadt an Einwohnern zu, daß 1712 Anstalt zu einer besonderen Kirche gemacht werden muste.
Unter K. Friedrich Wilhelm gewann sie weit mehr, der 1716 die Gassen bis ans Oranienburgerthor abstechen ließ, und 1738 verschiedenen Schiffbauern Erlaubniß gab, sich auf dem jetzigen Damme anzubauen. Ihre größte Schönheit aber erhielt sie, als K. Friedrich II . 1750 die ehmalige Konterskarpe ganz mit ansehnlichen Häusern besetzen ließ, wodurch der Haakische Markt, und einige ganz neue Straßen entstanden sind. Er erbaute hieselbst die neue Münzeund auch hernach vor der Stadt das Invalidenhaus, Neu-Voigtland, und verschiedene Kolonistenhäuser. Jetzt hat diese Vorstadt 1020 Vorder- und 374 Hinterhäuser innerhalb den Thoren, und 149 dazu gehörige Häuser außerhalb den Thoren.
In dieser Vorstadt sind folgende Straßen, Plätze und Brücken:
b ) Die Spandauerbrücke, ... {S. 40}
c ) Die neue Friedrichsbrücke, ...
69) Die Kommendantenstraße ... {S. 41}
70) Der Haakische Markt ...
71) Die große Präsidentenstraße, ...
72) Die kleine Präsidentenstraße ...
73) Der Platz bei Monbijou. ... {S. 42-43}
74) Ein Gäßchen ohne Namen, ...
75) Die Oranienburgerstraße, ... {S. 44}
76) Die Wassergasse. ...
77) Das Flathosgäßchen ...
78) Die Kalkscheunen- oder Ziegelstraße ... {S. 45}
79) Die Kirchhofstraße ...
80) Die Kalkscheunenqueergasse, ...
81) Ein Theil der großen Friedrichsstraße, ... Von da führt sie zu
d ) Der großen Weidendammsbrücke ... bis an
D ) das Oranienburgerthor, ... {S. 46}
82) Der Schiffbauerdamm ...
E ) Der Unterbaum... Vom Unterbaume kommt man dicht an den Pallisaden durch
83) die Charitéstraße ...  {S. 48-49}
84) die Linienstraße. ...
85) Die Hospitalstraße ... {S. 50}
86) Die Bernhardsgasse ...
87) Die kleine Hamburgerstraße, ... führet bis zum
F ) Hamburgerthore.
88) Die kleine Gasse ...
89) Die Heidereutergasse ...
90) Die große Hamburgerstraße, ... {S. 51}
91) Die Kirchhofsgasse ...
92) Die Gipsgasse ... {S. 52}
93) Die Rosenthalerstraße ...
94) Die Laufgasse, ...
95) Die neue Rosenthalerstraße, ...
G ) Rosenthaler Tor.
96) Die neue Schönhauserstraße ...
97) Die alte Schönhauserstraße ... {S. 53}
H ) Schönhauser Thor.
98) Die Schendel- oder Schönweidegasse, ...
99) Die Mulacksgasse. Aus derselben führet rechts:
100) Die wüste Gasse ...
101) Die Nagelgasse.
102) Die Weinmeistergasse, ...
103) Die Münzstraße ... {S. 54}
104) Die Dragonerstraße, ...
105) Die verlohrne Straße, ...
106) Die lange Scheunengasse oder Jakobsstraße ...
107) Die Hirtengasse ... {S. 55}
108, 109, 110, 111) ... Vier kleine Gäßchen, ...
112) ... die kleine Scheunenqueergasse ...
113) Die kurze Scheunengasse, ...
Die Spandauervorstadt hat zwey Policeyquartiere. Zum ersten gehören alle Straßen von N. 71 bis 92 eingeschlossen; zum andern N. 69, 70, und von 93 bis 114 eingeschlossen. Sie hat nur Ein Kirchspiel.
Ausserhalb den Thoren sind zu bemerken:
1) Vor dem Schönhauser Thore: ...
2) Vor dem Rosenthaler Thore: ...
114) Neuvoigtland, ... {S. 56}
3) Vor dem Hamburger Thore: ...
4) Vor dem Oranienburger Thore. ... {S. 57}
5) Vor dem Unterbaume: ...
k ) eine steinerne Brücke ...
 

S. 37: *) Man nannte sie sonst auch die Sophienstadt, von der Königin Sophia Louisa dritten Gemahlin König Friedrichs I ., welche der Kirche dieser Vorstadt (s. S. 51.) ein Kapital vermachte.
S. 38: *) In diesem Jahre wollte die Kurfürstinn gerade von ihrer Meyerey ab, eine Straße ziehen lassen, welche der jetzigen großen Hamburgerstraße parallel gegangen seyn würde. Die Absicht war eigentlich, die Landstraße nach Hamburg von der vorigen Straße weg, hieher zu bringen, damit der, der Kurfürstinn gehörige Schankkrug (wo jetzt das Komödienhaus stehet) mehr Nahrung haben sollte. Aber es ward nicht ausgeführt, weil sich die Eigenthümer der schon eingezäunten Gärten dagegen setzten.
S. 39: *) Es sind die itzigen Güstinschen, Siebertschen, Gauertschen, und Ulricischen Grundstücke.
 
Quelle: Nicolai Beschreibung 1786 Bd. 1 S. 37-58
HIS-Data 5298: Spandauer Vorstadt (Berlin 1244) Karte 1786
© Hans-Walter Pries