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Quellenangaben |
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Mit der Schrifft muste man vorsichtiger umgehen.
Einige schnitten den Knoten ohne vieles Wesen
durch, und bekümmerten sich wenig darum, wie sie
ihn geschickt lösen möchten. Es hieß die Vernunfft
und die Weltweisheit wäre die einige Auslegerin der
Schrifft; diese müste sich also nach der Richtschnur
der ersten bequemen; und man dürffte sich nicht
viele Mühe machen, eine geschickte Erklärung der
Sprüche zu finden, die den bösen Geistern etwas
einzuräumen schienen. |
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Andre suchten die Worte derselben zu
verdrehen, und die Welt zu bereden, daß man
bisher die Sprache derselben nur halb
verstanden. |
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Viele liessen sich verlauten, es sey unnöthig,
alle Nebendinge in der Schrifft so eigentlich und
genau zu untersuchen; das Hauptwerck, das in
derselben getrieben werde, sey Busse und
Glauben; wer dieses recht gefasset, der könne die
übrigen derselben so auslegen, wie es ihm gefiele:
Andre suchten noch andere Umschweiffe, der
Klarheit und Deutlichkeit der Göttlichen Bücher zu
entgehen. |
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Durch diese unvorsichtigen Arbeiten und einige
andere Ursachen ward der Verachtung der heiligen
Schrifft dem Unglauben und der Religions-
Spötterey, die in unsern Tagen so gemein worden
ist, eine ebene Strasse zu den Hertzen vieler
Menschen gebähnet. Und diese bösen
Eigenschafften be- |
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{Sp. 849|S. 438} |
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mühten sich hernach auf das hefftigste, da sie
erst einen festen Sitz erhalten hatten, durch eben
die Meynungen ihr Reich zu erweitern, wodurch sie
zum Theil erzeuget worden. |
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Man glaubte nicht ohne Ursache, daß man ein
grosses gegen die Religion gewonnen haben
würde, wenn man nur zuerst den Menschen dieses
beybringen würde, daß alles falsch wäre, was die
Religion aus der Schrifft von den bösen Geistern
lehrete. Wer nur ein Stück einer Lehre, das klar und
deutlich geoffenbahret ist, verdächtig machet, oder
umstösset, der hat den Grund zur völligen
Verachtung und Verläugnung derselben geleget.
Und wer dargethan hat, daß in einem Buche, so für
Göttlich gehalten wird, nur einige unrichtige Lehr-
Sätze oder irrige und nichts bedeutende Sprüche
stehen, der kan sich versichern, daß das Ansehen
desselben in kurtzen gantz fallen werden. |
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Man ergriff also das begierig, was selbst von
vielen, die doch Christen bleiben wolten,
zugestanden wurde, daß die gemeine Lehre vom
Satan so gewiß und richtig nicht sey, als man
insgemein dafür hielte. Man leitete listig und
behutsam die Folge daraus her: Was werden wir
den aus der Schrifft und der gantzen Religion
machen, da man doch noch uneinig ist, wie viel
einige Theile derselben gelten können? |
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Man streuete diese Zweiffel mit Kunst und
Beredsamkeit aus, ohne sich mercken zu lassen,
daß man der gantzen Religion den Fortgang
hemmen wolte; und man fand aus der Erfahrung,
daß man keinen üblen Weg gewehlet, und dem
Glauben durch diese Kriegs List mehr Freunde
abspenstig gemacht, als durch offenbahre
Feindseeligkeiten. |
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Daher kommt es, daß die, so die Ehre GOttes
und der Religion gerne verkleinern wollen, mehr
über den Teufel und seine Macht als über die
Hauptwahrheiten des Glaubens zu spotten pflegen,
und mehr Kräffte verschwenden den Satan als GOtt
und unsern Heyland zu bestreiten. |
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Das letztere ist gefährlich, und wird selten auch
von rohen und unartigen Gemüthern ohne eine Art
der Bestürtzung und verdrießlichen Empfindung
angehöret. Das erste befremdet niemand und kan
ohne Furcht und Sorge geschehen. Was heißt es
denn, über den Teufel und Aberglauben der Welt,
die den Teufel über die Gebühr erhebet, lachen?
Und sagen nicht viele, die doch gottseelig heissen
wollen, selber, es stehe um die Sache desselben so
gut und sicher nicht? |
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Indeß erfolget aus beyden einerley Würckung.
Wer an dem erst zweifelt, was die Schrifft vom
Satan saget, der wird bald weiter gehen, und nicht
unbillig werden, wenn mehr Stücke des Glaubens
angegriffen werden. |
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Man setze zu diesen Ursachen die so gemeine
Kranckheit unserer Zeiten, die viele, neue und
verwegene Meynungen gezeuget, nehmlich die
Verachtung aller der Dinge und Lehren, die in der
alten Welt vorgegangen und geglaubt worden sind.
Die Zeiten der Wissenschafft und des Lichts haben
unsrer Meynung nach so gar lange noch nicht
gedauert. Unsre Väter sind in lauter Blindheit und
Unverstande gebohren, erzogen und
gestorben. |
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Es braucht also nichts mehr, eine Lehre der
Falschheit zu überführen, als zu beweisen, daß das
gottseelige oder vielmehr einfältige Alterthum an
derselben nicht ge- |
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{Sp. 850} |
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zweifelt. Ein jeder siehet leicht, was dieser
schädliche Wahn der Lehre, von der wir jetzt reden,
für Nachtheil zuwege gebracht habe. Daher scheuet
sich der Hauffe derer nicht, die allein scharff zu
sehen vermeynen, öffentlich zu sagen, es sey ein
Gedichte des Alterthums, daß die Nachkommen
frey verwerffen könnten. Die blosse Erzehlung der
Ursache, welche die Lehre der Schrifft von dem
bösen Geistern in den Augen der heutigen Welt
verächtlich macht, ist so gut, als eine Wiederlegung
der Gründe, womit man seinen Eckel für derselben
zu vertheidigen vermeynet. |
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Wir wollen nun aber näher zu der Haupt-Sache
kommen. Wir haben hier nur mit einem Stücke
dieser Lehre zu thun. Wir sehen den Satan als eine
von den Ursachen an, wodurch die Menschen von
der Bekehrung abgehalten und in der Wiedergeburt
gestöhret werden. Und zu diesem Zwecke ist es
genung, aus der Schrifft zu beweisen, daß er eine
Gewalt über die Gemüther der Menschen habe, und
sich dieser Gewalt bediene, sie theils in dem
Dienste der Sünden zu erhalten, theils sie wieder
darein zu stürtzen, wenn sie aus demselben erlöset
worden sind, damit sie dereinst Mit-Erben der Quaal
werden mögen, die ihm und seinen Engeln bereitet
ist. |
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Was bisher von dem alten und neuen Zustande
der Lehre, von dem Satan und seiner Macht
vorgetragen worden ist, kan statt einer allgemeinen
Vorbereitung und Einleitung zu diesem Beweise
dienen. Wir wollen das, was uns die Schrifft von der
benannten Sache deutlich meldet, von dem, was sie
entweder nur dunckel zu erkennen giebt, oder gar
mit Stillschweigen übergehet, mit Fleisse
unterscheiden. |
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Wir können in solchen Dingen, die der
Vernunfft verborgen sind, nicht weiter gehen, als
uns das Licht der göttlichen Bücher leitet. Wo
dieses Licht stille stehet, da ist es der Klugheit
gemäß, sich seiner Unwissenheit zu rühmen. Worzu
nützet es, uns mit weithergehohlten
Muthmassungen zu plagen, die wir durch nichts als
durch Einbildung bestärcken können? |
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Was die Schrifft uns klar geoffenbahret hat,
kömmt auf folgende Dinge an. Sie lehret uns |
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I. überhaupt, daß der Satan entweder selbst
oder durch seine Engel und Beystände das
Hertze der unbekehrten Menschen gantz
einnehmen, und zu seinem Dienste bereiten
könne. |
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Sie lehret uns |
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II. insonderheit, daß er den ohnedem blöden
und finstern Verstand derselben noch mehr
verdunckeln und verblenden könne. |
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Sie lehret uns |
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III. daß er den von Natur zum Bösen
geneigten Willen zur würcklichen Sünde reitzen
und bewegen könne. |
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Sie lehret uns endlich, |
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IV. daß die deren Seelen der Satan
eingenommen, und besessen, alle Freyheit und
Stärcke verlohren, und nicht so wohl selbst in
den Dingen würcken, die gegen das Gesetz des
HErren lauffen, als den HErrn, unter dessen
Joch sie gerathen sind, würcken lassen. |
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Mehr hat der HErr uns nicht dürffen kund thun
lassen, damit wir auf unsrer Huth seyn möchten.
Hätte der Geist des HErrn uns mehr offenbahret, so
wären wir gelehrter, aber nicht weiser zur Seeligkeit
gewesen. Und wozu hätte diese Wissenschafft
genutzet? Zu nichts, als unsern Vorwitz zu befriedi-
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{Sp. 851|S. 439} |
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gen. Doch vielleicht wäre derselbe nur mehr
dadurch erwecket und erreget worden. |
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Die Schrifft lehret uns |
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I. überhaupt, daß der Satan das Hertz der
unbekehrten Menschen gantz einnehmen, und
zu seinem Dienste bereiten könne |
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Man darff sich, dieses zu beweisen, nur auf die
Worte unsers Erlösers zu den Juden beziehen: Ihr
seyd von dem Vater dem Teufel, und nach eures
Vaters Lüsten wolt ihr thun |
Joh. VIII, 44. |
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Es wäre überflüßig zu zeigen, daß der böse
Geist, der von GOtt abgefallen ist, in diesen Worten
gemeynet werde. Die so die böse Lust des Hertzens
oder sonst etwas unter dem Worte Teufel verstehen
wollen, haben noch nichts zum Vorschein gebracht,
wodurch man nur gerühret, geschweige bewogen
werden könnte, den natürlichen und ersten
Verstand der Worte fahren zu lassen. |
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JEsus will ohne Zweifel dieses sagen: Ihr
Juden habt eure Seelen dem Satan zur Wohnung
übergeben. Dieser hat euch neue Kräffte zu einen
gottlosen und bösen Wandel geschencket. Und
daher sucht ihr nicht so wohl eure eigene als
desjenigen Geistes Begierden und Neigungen zu
vollziehen, der über euch herrschet. |
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Die Redens-Art: Von dem Vater dem Teufel
seyn; ist eben so viel, als: Von dem Satan gebohren
und gezeuget seyn. Daran wird niemand zweifeln
können. Und wer demnach die Krafft dieser
Redens-Art recht begreiffen will, muß auf die
Bedeutung derjenigen sehen, die derselben in der
Schrifft entgegen gesetzet wird: Von GOtt gebohren
seyn. |
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Johannes stellet diese beyden Redens-Arten
ausdrücklich gegen einander: Wer Sünde thut der
ist vom Teufel: (Die das Griechische verstehen,
und in der Sprache der H. Schrifft geübet sind,
werden wissen, daß das Wort, gebohren, hier
ausser Streit in unserer Sprache hinzugefüget
werden müsse, um die Redens-Art vollkommen zu
machen; und der Gegen-Satz zeiget dieses so klar,
als es seyn kan.) Denn der Teufel sündiget vom
Anfang. Wer aus GOtt gebohren ist, der thut
nicht Sünde. |
1 Joh. III, 8. 9. |
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Aus GOtt gebohren seyn, heisset in der Schrifft,
durch die Gnade GOttes verändert seyn, und von
ihm neue Kräffte zum geistlichen Leben erlanget
haben. Aus dem Satan gebohren seyn, vom
Teufel seyn, den Teufel zum Vater haben, heißt
demnach nichts anders, als: Von dem Satan
inwendig ein neues Leben zur Sünde und zur
Bosheit empfangen haben, oder zu einem gottlosen
und lasterhafften Leben von ihm selbst bereitet
seyn. |
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Die also dieses deutliche Zeugniß JESU ihren
angenommenen Meynungen zugefallen nicht
verkehren wollen, werden einräumen, daß der
Satan eine Gewalt habe, das von Natur böse Hertz
der Menschen noch mehr zu verderben, und mit
neuen Begierden und Neigungen zur Sünde
auszurüsten. |
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II. Die Schrifft lehret insonderheit, daß derSatan dem ohnedem schwachen und duncklenVerstand der Menschen noch mehr blenden undverdunkeln könne. |
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Dieses geschah zu den Zeiten JESU und der
Apostel an den Heyden und Juden, die der
überzeugenden Wahrheit des Evangelii sich
entgegen setzten, und durch alle Zeichen und |
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{Sp. 852} |
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Wunder, die vor ihren Augen geschahen, fast
mehr in der Bosheit erhärtet, als erweichet
wurden. |
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Natürlicher Weise muß eine Menge solcher
Thaten, die alle Kräffte der Menschen übertreffen,
die Gemüther zum Beyfall und zur Hochachtung
gegen die Lehre lencken, der sie zum Beweise
dienen sollen, sie mögen so übel gesinnet seyn, als
sie wollen. Und sieht man darzu in der Lehre, die
dadurch befestiget wird, eine offenbare Heiligkeit
und Klarheit, und in dem Wandel der Wunderthäter
eine verehrenswürdige Unschuld und Frömmigkeit,
so muß der stärckste Eigensinn weichen und der
Wahrheit nachgeben. |
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JESUS demnach und seine Zeugen hätten
durch die ausserordentlichen Thaten, die sie
allenthalben in Gegenwart so vieler tausenden
verrichteten, das gröste Theil der Welt zum
Gehorsam bringen müssen, wenn die Natur in den
Menschen allein gewürcket hätte, und sich selbst
überlassen gewesen wäre. Und sie konnten doch
nicht mehr als eine mäßige Anzahl zum Glauben
bewegen. |
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Was verursachte diesen Wiederstand? Die List
des Satans, der das Licht der Vernunfft, welches
den Menschen noch übrig geblieben ist, mit einer
übernatürlichen Finsterniß überzog, und die Krafft
JEsu und seiner Apostel die Göttlich und in sich
erstaunend war, dadurch in den Augen der
Zuschauer verkleinerte. |
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Paulus sagt uns dieses ausdrücklich. Und wäre
dieses Zeugniß nicht vorhanden, so würden wir bey
nahe durch unsre eigene Überlegung auf die
Gedancken fallen, daß der Beweiß des Geistes und
der Krafft |
1 Corinth. II, 4. |
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durch eine mehr als menschliche Gewalt
aufgehalten worden. |
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Ist nun, sagte Apostel, unser Evangelium
verdecket, so ist es in denen, die verlohren werden,
verdecket, bey welchen der GOtt dieser Welt der
Ungläubigen Sinn verblendet hat, daß sie nicht
sehen das helle Licht des Evangelii von der Klarheit
Christi. |
2 Corinth. IV, 4. |
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Es ist bewiesen, daß der Gott dieser Welt in
dieser Stelle der Satan sey. Der war im eigentlichen
Verstande der Gott der Heyden. Er wurde in den
Götzen-Bildern verehret und angebetet. Ihm wurde
geopffert und gedienet, indem man solchen Göttern,
Dienst und Opffer brachte, die durch Laster und
Übelthaten ihr Gedächtniß verewiget, und durch die
Wercke, die dem Satan gefallen, berühmt und groß
geworden. |
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Das helle Licht des Evangelii ist alles das,
was das Evangelium JESU in den Augen der Welt
groß, herrlich und bewundernswerth machte; die
Krafft des HErrn, die so wohl mit dem Worte selbst
verbunden war, als die Predigt desselben äusserlich
begleitete. |
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Der Satan wird als ein listiger Feind
vorgestellet, der dieses Licht und die hellen Strahlen
womit die Wahrheit umgeben war, aufzuhalten
suchte, da er sie nicht dämpffen konnte, und durch
eine Scheide-Wand oder Vorhang zu hindern
trachtete, daß sie nicht in die duncklen Örter fallen
konnten, die sie erleuchten solten. |
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Es steckt also in den Worten |
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{Sp. 853|S. 440} |
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des heiligen Apostels dieser Unterricht. Das
Licht und der Glantz der Lehre, die ich und die
übrigen Apostel verkündigen, ist so groß und
durchdringend; die Göttliche Krafft die unsern
Vortrag belebet, und die Wunder womit wir
denselbigen bestätigen können, sind so
überzeugend, daß alle Hertzen durch dieselbe
umgekehret und gewonnen werden müßten, wenn
sie nicht durch eine fremde Gewalt verhindert
würden, dieselben recht zu erkennen |
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Was kan dem HErrn und seiner Stärcke
widerstehen? Allein die List des Satans ziehet einen
dicken und finstern Nebel um den Verstand der
meisten Menschen, wodurch die reinen Strahlen der
Wahrheit gebrochen, und aufgehalten werden, daß
sie entweder gar nicht, oder nur vom weiten und mit
einem sehr verfälschten und gedämpfften Schein
das Gemüthe derselben erreichen können. Dieses
ist die Ursache, warum uns so wenige zufallen. |
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Das Auge unsers Verstandes gleichet dem
Auge des Leibes. Das Auge des Leibes mag vor
sich noch so rein und wohl beschaffen seyn, so
sieht es doch nichts, wo kein Licht vorhanden,
wodurch die Dinge erleuchtet werden, die es
betrachten soll. Und das Auge unsers Verstandes
sey vor sich noch so scharff und helle, als man will;
es erkennet doch nichts wo es nicht durch ein
Göttliches Licht aufgekläret und gestärcket
wird. |
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Dieses Göttliche Licht kam in die Welt und
wolte die Blindengemüter der Menschen erleuchten.
Es war starck genung, dieses auszurichten, und
konnte den Gemüths-Augen der Welt eben so viel
Krafft und Hülffe verleihen, die Wahrheit zu sehen,
als die Sonne den natürlichen Augen giebt, die um
uns herliegenden Cörper genau zu betrachten und
kennen zu lernen. |
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Der Widersacher der Menschen konnte dem
Lichte selber seine Krafft nicht nehmen. Er machte
sich also an den Verstand der Menschen, und that
das an dem Auge der Seele, was man an den Auge
des Leibes zu thun pfleget, wenn man will, daß es
nicht in die Ferne sehen, oder die eigentliche
Beschaffenheit gewisser Dinge erkennen soll. |
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III. Die Schrifft lehret uns, daß der Satan den
von Natur zur Sünde geneigten Willen zu aller
Bosheit und würcklichen Unart noch mehr
reitzen und bewegen könne, als er sonst durch
seine eigene böse Lust dazu würde getrieben
werden. |
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Wir werden alle mit einer unruhigen Neigung
zur Sünde gebohren. Und so bald sich unsern
Sinnen oder unserm Verstande etwas vorstellet, das
diese Lust erhitzen und erwecken kan sind wir
fertig, dieselbe zu vergnügen. Indeß sind doch
tausend Dinge in der Welt, die uns zurücke halten,
allezeit das zu thun, was uns gefällt. |
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Das Gesetz, die Ermahnungen der Diener des
HErren, die Vorstellungen kluger und verständiger
Leute, die Furcht der Schmach und Unehre, die
Liebe zu den unsrigen, die Erinnerung der Unlust,
die man sich aus einem eingebildeten Vergnügen
zugezogen, die Gefahr in Armuth zu gerathen, das
herannahende Alter, die Sorge für unser Leben und
Gesundheit und viele andre Dinge mehr, machen
uns offt behutsam und vorsichtig, und legen den
unreinen Begierden unsers Willens auf eine gewis- |
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{Sp. 854} |
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se Weise einen Zügel an. Der Satan ist
vermögend, wo er einmahl Platz gewonnen, alle
diese Seile zu zerreissen, und den Menschen aus
einer Sünde in die andere zu stürtzen, ohne ihm
Raum zur Überlegung und Bedachtsamkeit zu
lassen. |
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Die Schrifft giebt uns mehr denn ein Zeugniß
an die Hand, dieses zu bestätigen Wir wollen
daraus nur einen Ort und ein Exempel wehlen. Der
Ort ist des Apostel Paulus Eph. II, 2. 3. der von
denen Heyden saget, daß sie vor der Ankunfft
unsers Heylandes unter der Bothmäßigkeit des
Satans gelegen, und von ihm genöthiget worden,
alle Begierden des Fleisches zu vollziehen: Ihr habt
weiland in Sünden gewandelt nach dem Lauffe
dieser Welt und nach den Fürsten der in der Lufft
herrschet, der zu dieser Zeit sein Werck hat in den
Kindern des Unglaubens. |
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Bis hieher redet er allein von den Heyden. Die
folgenden Worte betreffen die Juden: Unter welchen
wir auch weiland unsern Wandel gehabt haben, in
den Lüsten unsers Fleisches, und thaten den Willen
des Fleisches und der Vernunfft. |
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Wir wollen diese Stelle nur in soweit
betrachten, als sie zu unsern Vorhaben dienet. Es
ist sehr merckwürdig, daß der Apostel anders von
dem Wandel der unbekehrten Heyden redet, und
anders von dem Wandel der Juden, zu denen er
sich selbst rechnet. Juden und Heyden sind
einander gleich in Ansehung ihrer Natur. Er giebt
beyde Völcker für Kinder des Zorns oder Leute aus,
die von Natur straffwürdig und böse wären. Wir
waren von Natur Kinder des Zorns gleich auch wie
die andern. |
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Ein Volck hat also für dem andern keinen
Vorzug, wenn auf die natürliche Fähigkeit zum
Reiche GOttes und auf den Zustand gesehen wird,
indem sie gebohren werden. Sie sind weiter
einander in Ansehung des Wandels selber ähnlich.
Der Jude so wohl als der Heyde lebte nicht nach
dem Gesetze des HErrn, sondern nach einer
fremden und unheiligen Vorschrifft und Ordnung,
beyde machten sich durch ihre sündlichen Thaten
der Verdammniß werth. |
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Und wodurch werden sie denn von einander
unterschieden? Durch zwey Dinge. Durch die
Ursache, welche sie zu einen sündlichen Wandel
trieb und reitzete, und durch die Regel, wornach sie
denselben einrichteten. Der Heyde wurde theils
durch seine natürliche Unart, theils durch den
Fürsten, der in der Lufft herrschet, durch den Geist
der in den Kindern des Unglaubens sein Werck hat,
zur Schande und Bosheit angespornet. |
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Es ist bekannt, daß mit diesen Beschreibungen
der Geist gemeynet werde, den die Schrifft sonst
den Satan oder den Teufel zu nennen pfleget
Paulus lehret hier demnach, daß dieser Geist über
den Willen der Ungläubigen würcken könne, und ein
Vermögen besitze, die vor sich unmäßigen
Begierden der Natur in eine völlige Unordnung zu
bringen. |
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Die Bosheit der Juden schreibt der Apostel nur
einer Ursache zu. Er sagt nicht, daß sie nach den
Fürsten dieser Welt gewandelt; er sagt nur, daß sie
nach den Lüsten des Fleisches ihr Leben
angestellet. Wer wird sich einbilden, daß der H.
Geist ohne Ursache so verschiedentlich von den
Heyden und von den Juden gesprochen habe? |
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Wir wollen hieraus nicht schliessen, als |
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{Sp. 855|S. 441} |
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wenn dem Satan gar keine Macht über die
Gemüther der Juden von GOtt eingeräumet worden.
Wir wollen auch nicht sagen, daß er seine
Herrschafft in den Seelen aller und jeder Heyden
aufgerichtet habe. |
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Die Verständigen wissen, daß dergleichen
allgemeine Sätze ihrer Einschränckungen und
Ausnahmen leiden. Sie werden für wahr und richtig
allenthalben gehalten, wenn sie nur bey den grösten
Hauffen gelten können. Und wir können den
Unterscheid, den der Apostel in diesem Stücke
zwischen den Juden und Heyden machet, füglich so
auslegen, daß der Satan mehr Gewalt über die
Leute gehabt, die gar zu den sichtbaren Reiche
GOttes nicht gehöret, als über die Juden, die mehr
Licht und Erkänntniß als jene hatten, und das Volck
waren, so der HErr erwehlet hatte; oder daß er die
meisten Heyden geistlich besessen, und hingegen
das größte Theil der Juden nicht unter seine
Knechtschafft ziehen können. |
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Das andere, wodurch der Apostel die Juden
von den Heyden unterscheidet, ist die Regel des
Wandels. Die Heyden beschuldiget er, daß sie nach
den Lauf der Welt gewandelt, daß heißt, alle
unartige, gottlose und abscheuliche Sitten ohne
Scheu beobachtet und angenommen, die in der
Griechischen Welt im Schwange giengen. Wie groß
diese Beschuldigung sey, werden die am besten
beurtheilen können, die das rohe und ungöttliche
Wesen der alten Griechen aus ihren Büchern, die
noch vorhanden sind, kennen lernen. |
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Von den Juden redet er gelinder. Er wirfft ihnen
nicht vor, daß sie in allen Stücken nach der Welt
und ihren Weisen sich gerichtet; er meldet nur
überhaupt, daß sie den Willen des Fleisches und
der Vernunfft oder vielmehr ihrer sündlichen
Gedancken gethan. |
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Diese unterschiedene Art zu reden bedeutet
mehr, als sich diejenigen vielleicht einbilden, welche
die Schrifft mit einer mäßigen Achtsamkeit lesen.
Die Juden lebten böse und sündlich. Die so unter
den Heydnischen Völckern wohneten, waren
insonderheit gantz verfallen, und in die
Gemeinschafft vieler Greuel gerathen, die beyden
Götzendienern zuläßige Wollüste hiessen. |
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Was thun die bösen Exempel nicht? Doch so
weit giengen sie nicht in der Gottlosigkeit, daß sie
sich nach dem Lauffe der unbändigen Welt in allen
Dingen hätten bequemen sollen. Das Gesetz,
welches sie stets in ihren Schulen höreten, machte
allezeit zwischen ihnen und den Heyden eine
Scheidemauer, die nie völlig eingerissen worden.
Und der Jude, der sich erkühnet haben würde, allen
Lastern der Heyden nachzuahmen, würde gewiß
aus der Gemeine gestossen worden seyn. Aus der
Ursache sagt der Apostel nichts mehr, als daß sie
meistentheils nach den Lüsten des Fleisches
wandelten, und das thäten, was ihnen die Begierde
eingäbe; ohne sie zu beschuldigen, daß sie sich
nach dem Lauffe der Heydnischen Welt
richteten. |
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|
Wir übergeben es dem Urtheile der
verständigen Schrifftforscher ob diese
Anmerckungen in der That so gegründet sind, als
sie scheinen Man mag gegen dieselben oder zu
ihren Vortheile sprechen, so entgeht doch der Krafft
des Beweises nichts, den man aus die- |
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{Sp. 856} |
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sem Orte zum Besten der Lehre von der Macht
des Satans herleitet. |
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Das Exempel, darauf man sich beruffen kan, ist
das Exempel des unglücklichen Judas. Dieser
Apostel des HErrn war von Natur zum Geitze
geneigt. Und diese böse Lust erwachte offt, und
hieß ihn unterschiedene Dinge begehen, die man
von keinem Jünger des Heylandes der Welt
vermuthet hätte. Sie wurde indessen durch
allerhand Ursachen verhindert, bald durch die
Ermahnungen JEsu, bald durch die Scham, bald
durch den Wiederstand des Gewissens, bald durch
Beyspiele der übrigen Jünger, zur völligen
Herrschafft zu gelangen. |
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Ausser Streit wäre sie mit der Zeit gantz durch
die Gnade besiegt worden, wenn die Nachläßigkeit
dieses Elenden dem Satan nicht den Eingang zu
seiner Seelen geöffnet hätte. Die Schrifft sagt
deutlich, daß der Satan in ihm gefahren. |
- Luc. XXII, 3.
- Joh. XIII, 2. 27.
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Und kaum war dieses geschehen, so fand sich
der böse Wille so gestärcket, daß er ohne
Widerspruch und Anstand den Schluß machen
konnte, die allerentsetzlichste That zu begehen, um
eine Hand voll Silberlinge zu erhaschen. |
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Erschreckliches Exempel, welches denen, die
nachsinnen wollen, einen reichen Vorrath zu
allerhand Betrachtungen anbiethet! Judas hatte das
Geld in den Händen, von dem JEsus mit seinen
Jüngern lebte, und wer forderte Rechnung von ihm?
Das wenige, das ihm die Verrätherey einbrachte,
hätte durch kleinere Sünden ohne Mühe erworben,
und von dem Allmosen, die er zu verwalten hatte,
erübriget werden können. Und kaum hat der Satan
sich seines Geistes bemächtiget, so eilet er, eine
Sünde zu verrichten, die allezeit eine der größten
Bosheiten heissen würde, wenn sein Meister nichts
mehr als ein Mensch gewesen wäre. |
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IV. Die Schrifft lehret uns endlich, daß die,
so unter das Joch des Satans gerathen, alle
Freyheit und Gewalt über sich selbst verliehren,
und nicht so wohl selbst würcken, als den
HErren, dem sie sich übergeben würcken
lassen. |
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Die die angeführten drey Sätze zugeben, die
vorher aus der Schrifft bewiesen worden sind, die
sind genöthiget, diesen letzten ohne Beweiß
anzunehmen, der nichts als eine unstreitige und
klare Folge aus den vorhergehenden ist. Ein Geist,
der bey der Hauptkräffte vergiften, der den Verstand
mehr verfinstern, der dem Willen eine geschwindere
und stärckere Bewegung zu sündigen mittheilen
kan, muß völlig Herr und Meister über diejenigen
seyn, die ihm so viel Macht über ihre Seelen
gelassen haben. |
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Wir wollen uns also nur darum bey dieser Lehre
aufhalten, damit wir einige Stellen der Schrifft ein
wenig erläutern mögen, die hieher gehören, und
das, was gesagt ist, auf eine anderer Art
bekräfftigen. |
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Dasjenige, was bisher ausgeführet worden ist,
setzet das schon ausser allen Zweiffel, was nun
dargethan werden soll; Und das, was jetzt
vorgestellet werden soll, giebt denen Wahrheiten,
die bereits ausgeführet sind, eben so viel Licht und
Klarheit wieder, als es von ihnen empfangen
hat. |
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Die Schrifft sagt uns das, was hier
ausgemacht |
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{Sp. 857|S. 442} |
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werden soll, auf zweyerley Art: Einmahl gantz
klar und deutlich; hernach etwas dunckler und
verdeckter, jedoch so, daß auch der Einfältige ihre
Meynung ohne Kunst und Mühe entdecken kan.
Das letzte geschiehet an so vielen Stellen, in
welchen gewisse Thaten und Wercke dem Satan
beygeleget werden, die doch von gottlosen und
bösen Menschen verrichtet werden. |
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Wer kan aus diesen Stellen etwas anders
schliessen, als dieses, daß der unreine Geist den
gantzen Menschen regiere, der ihm sein Hertze zur
Wohnung übergeben hat? Wer für den Urheber der
Thaten angegeben wird, die jemand begehet, der
muß in denselben alles nach seinen Willen lencken
können, und der Ursprung aller Bewegungen seyn,
die zur Vollziehung seiner Wercke vonnöthen
sind. |
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Die nachdrücklichste Stelle von denen, welche
diese Sache ohne alle Dunckelheit vorstellen, stehet
in dem 2 Brieffe des Apostels Paulus an den
Timotheus: Ein Knecht des HErrn soll die Bösen mit
Sanfftmuth tragen, ob ihnen GOTT dermahleins
Busse gebe, die Wahrheit zu erkennen, und wieder
nüchtern würden aus des Teuffels Stricken, von
dem sie gefangen sind, zu seinen Willen. |
2 Tim. II, 24. 25. 26. |
|
Die Ausleger sollen sich noch mit einander
vergleichen, ob die letzten Worte dieser Stelle auf
GOTT oder auf den Satan gehen? Die Griechischen
Worte sind so beschaffen, daß man beyde
Meynungen nicht ohne Wahrscheinlichkeit
behaupten kan. Es liegt jetzo nichts daran, welche
von beyden man wehlen will. Daher kan man diesen
Streit hier bey Seite setzen, und nichts mehr als
diese Worte in Erwegung ziehen: Der Gottlose kan
wieder nüchtern werden aus des Teuffels Stricke.
Man erkläre die letzten Worte, wie man will. Man
wird doch hierinnen mit den andern überein
kommen, daß dieser Satz in dieser Stelle enthalten
sey. |
|
|
Es schliessen diese Worte ein zweyfaches Bild
in sich. Eines ist dem Geiste des HErrn nicht
zulänglich geschienen, die gantze Sache völlig
aufzuklären, und vorzustellen. |
|
|
Das erste Bild ist von einem Menschen
genommen, der durch ein starckes Geträncke den
Gebrauch der Sinnen und der Vernunfft verlohren.
Dieses liegt in der Redensart: Wieder nüchtern
werden. |
|
|
Das andere ist eben ein solcher Mensch, der in
einem solchen Sinn- und Vernunfft-losen Zustande
von einen andern gefesselt worden, und in diesen
Stricken, so von seinem Feinde gezogen und
geleitet wird, wie es demselben gefällig ist. Dieses
Bild liegt in den Worten: Der Strick des
Teuffels. |
|
|
Der Apostel will dieses sagen: Die Menschen,
deren Seele der Satan eingenommen, sind nicht
anders, als trunckene Leute anzusehen, die weder
Verstand noch Willen haben; und von denen sich
leiten und regieren lassen, die Lust haben, sich ihrer
Schwachheit zur Ausübung ihres Muthwillens zu
bedienen. |
|
|
Werden die Bilder weggenommen, und die
Wahrheit, so durch diese Farben der Einbildung
gleichsam abgeschattet worden, vor sich betrachtet;
so kömmt diese Lehre daraus: Der Satan hat das
Vermögen, dem Menschen alle Krafft des
Verstandes zu benehmen, die er noch zur
Beförderung seiner geistlichen Wohlfarth anwenden
könnte, und brauchet die, welche ihm erlaubet
haben, dieses Vermögen |
|
|
{Sp. 858} |
|
|
an ihnen zu beweisen, zu Werckzeugen seiner
unreinen und bösen Absichten. Hat Paulus gewußt,
was er geschrieben, (und wird auch der Unglaube
selber dieses läugnen können?) so wird seinen
Worten keine andere Meynung als diese können
gegeben werden. |
|
|
Der Stellen, in welchen die Wercke der Bösen
und Ungläubigen dem Satan selber zugeschrieben
werden, finden sich viele in den Büchern des Neuen
Testaments. Wir wollen einige aus denenselben
auslesen. |
|
|
JEsus sagt in dem Gleichnisse, worinnen er
sein Reich als einen Acker vorstellet, auf dem
Weitzen und Unkraut zugleich wachsen, daß sein
Feind dieses Unkraut unter den Weitzen, den er
gesäet, mengen würde. |
Matth. XIII, 25. |
|
Er ist selbst der Ausleger dieser Bilder, und
unterrichtet uns, daß der Feind den Teufel, der
Weitzen die heilige und reine Lehre, die er der Welt
kund gemacht, und das Unkraut irrige und gottlose
Meynungen bedeute. Ist es denn der Satan selber,
der solche gefährliche und häßliche Lehren der Welt
kund machet? Wir wissen, daß dieses insgemein
durch arge und boshaffte Menschen
geschehen. |
|
|
JEsus nennet also den Satan, und verstehet
eigentlich diejenigen, die er sonst falsche Propheten
zu nennen pfleget. Können wir hieraus etwas
anders, als dieses schliessen, daß der Geist der
Finsterniß in den Seelen derer würcke, die ihr
ungöttliches Geschwätze mit der heiligen Lehre des
Erlösers vermengen, und die Welt durch Irthümer in
Sünde und Gottlosigkeit stürtzen wollen? |
|
|
Zu der Zeit, da die Juden sich bereiteten,
JEsum gefangen zu nehmen, und denen Heyden zu
überliefern, lässet er unter andern diese Worte in
der Rede an seine Jünger von sich hören: Der Fürst
dieser Welt, oder der Satan, kömmt, und hat nichts
an mir. |
Joh. XIV, 30. |
|
Judas war mit denen Abgeordneten der
Priester und den Soldaten der Römer in der Nähe,
ihn zu greiffen, und wie einen Übelthäter dem
Gerichte seiner Feinde darzustellen. Auf diese
Schaar gehen ausser Streit diese Worte. Und
warum nennet JEsus den Fürsten der Welt an statt
seiner Feinde und Verkläger? Darum, weil diese
durch den Satan getrieben wurden, dieses
ungerechte Werck zu vollziehen. |
|
|
Es ist in allen Sprachen erlaubet, den Stiffter
einer Sache an der Stelle dererjenigen zu nennen,
deren er sich zur Ausführung seiner Anschläge
bedienet. Paulus wünschet unter andern am
Schlusse des Brieffes an die Römer dieser neu-
gepflantzten Gemeine: Der GOtt des Friedens
zutrete den Satan unter eure Füsse in kurtzen. |
Röm. XVI, 20. |
|
Was diese Worte sagen wollen, zeiget uns der
Nahme, den der Apostel GOtt hier beygeleget. Er
heisset ihn einen GOtt des Friedens, einen GOtt der
Frieden, und die, so Frieden suchen, liebet. Und
diese Benennung ist Ursache genug zu glauben,
daß Paulus hier wünsche, GOtt möge die in der
Römischen Kirche entstandenen Uneinigkeiten und
Streitigkeiten bald dämpffen und unterdrücken. |
|
|
Dieser Unfriede bekam ausser Streit von
unruhigen Leuten her, die allem Ansehen nach das
Gesetz der Mosaischen Gebräuche nicht
abgeschaffet haben wolten, oder andere Dinge
nach ihrem Eigensinne eingerichtet wissen wolten;
und doch wird der Satan für den Urheber dessel-
|
|
|
{Sp. 859|S. 443} |
|
|
ben angegeben, weil er die Seelen dieser
Zäncker im Besitze hatte. |
|
|
Der Verstand dieser Worte ist also ohne Zweifel
dieser: Der HErr, der ein Feind alles Gezänckes,
und den Frieden unter den Menschen gerne will
gebauet und erhalten haben, schaffe, daß
diejenigen, die unter euch durch den Satan
angereitzet werden, Zanck und Wiederwillen zu
stifften, in kurtzer Zeit wahrhafftig bekehret, und aus
der Gewalt dieses listigen Wiedersachers zu eurer
Beruhigung gerissen werden mögen. |
|
|
Man kan die Worte des Apostels an die
Epheser nicht anders verstehen: Ziehet an den
Harnisch GOttes, daß ihr bestehen könnet gegen
die listigen Anläuffe des Teufels. Wir haben nicht
mit Fleisch und Blut zu kämpffen, sondern mit
Fürsten und Gewaltigen, mit den bösen Geistern
unter den Himmel. |
Eph. VI, 12. |
|
Alle Umstände dieses berühmten Ortes
versichern, daß hier von den äusserlichen Leiden
und Versuchungen geredet werde, welche damahls
über die neu-bekehrten Christen ergiengen. Sie
wurden von den Ungläubigen bald mit Gewalt, bald
mit List und Schalckheit versuchet, das Kleinod, daß
sie ergriffen, wieder fahren zu lassen. |
|
|
In diesen Versuchungen kämpfften die
Christen, dem Ansehen nach, nur mit Fleisch und
Blut, mit schwachen und ungläubigen Menschen,
die aus Fleisch und Blut bestehen, und durch einen
geringen Zufall in den Staub zerfallen können, aus
dem sie zusammen gesetzet sind. |
|
|
Und vielleicht achteten deswegen einige unter
ihnen die Gefahr nicht sonderlich, die ihnen zu
drohen schiene, und glaubten, daß sie mit
Menschen, die selten alles Mitleiden fahren lassen,
leichte auskommen würden. Was thun wir, hieß es,
daß des Zorns und der Verfolgung werth wäre? Ist
unser Wandel nicht unsträfflich? unsere Liebe nicht
brünstig? unsere Demuth und Gelassenheit nicht
offenbahr? Gesetzt, der Feind stehet gegen uns
einmahl auf, und stöhret unsere Ruhre. Wird diese
Hitze lange dauren können? Haben wir nicht mit
Menschen zu thun, die ihres Unglaubens
ungeachtet, doch Fleisch und Blut bleiben, und
keine Lust an der Quaal ihrer Brüder haben
können? Werden wir diese durch unsere Unschuld
und Gottseligkeit nicht bald wieder besänfftigen
können? |
|
|
Der Apostel benimmt ihnen diesen Wahn, und
giebt die Nachricht, daß sie nicht mit Fleisch und
Blut, sondern mit dem Satan selbst zu kämpffen
hätten, der in den Ungläubigen wohnete, die
natürlichen weichen Hertzen erhärtete, und zum
Eifer und Grimm gegen die Bekenner des Nahmens
JEsu triebe. |
|
|
Es wird so leicht niemand zweifeln können, daß
zu dieser Art Stellen, in welchen die Übelthaten der
Ungläubigen und der gottlosen Welt dem Satan
selber zugeleget werden, den bekannten Spruch
des Apostels Petrus zählen müsse: Seyd nüchtern
und wachet, denn euer Wiedersacher der Teufel
gehet umher, wie ein brüllender Löwe, und suchet,
welchen er verschlinge. |
1 Petr. V, v. 8. |
|
Die meisten nehmen das Griechische Wort,
welches durch Teufel hier übersetzt ist, in dem
Verstande, den es in der Schrifft insgemein hat, und
erklären den Ort von den Versuchungen des
Satans, die Frommen zu berücken, und zum Abfall
oder zur Sünde zu verführen. |
|
|
Ei- |
|
|
{Sp. 860} |
|
|
nige sind mit dieser Auslegung nicht zu frieden,
und meynen, es schicke sich besser an statt des
Wortes Teufel zu setzen: Der Lästerer, der
Verläumder. Nach dieser Erklärung sind die Worte
des Apostels eine Warnung an die Christen, sich für
den Nachstellungen der Heyden und Juden zu
hüten, welche die Gläubigen, die sie durch Ursache
und Gründe nicht überwinden konten, durch
Verleumdungen und Lästerungen unterdrucken
wolten. Und niemand läugnet, daß das Griechische
Wort, welches der Nahme des Satans in den
Büchern des neuen Bundes ist, eigentlich einen
Verleumder bedeute. |
|
|
Jene beruffen sich, zur Behauptung ihrer
Meynung, auf den Gebrauch dieses Wortes in der
Schrifft. Es ist gewiß, daß dasselbe allezeit den
unsichtbaren Feind des menschlichen Geschlechts
anzeige, wenn es ohne einem Beyworte oder
Zusatz; so, wie an diesem Orte gesetzet wird. |
|
|
Diese beziehen sich auf die folgenden Worte:
Wisst, daß eben diese Leiden über eure Brüder in
der Welt gehen. Die sind, wie sie gläuben, ein
starckes Zeugniß, das hie von den Trübsalen
gehandelt werde, die durch ruchlose und böse
Menschen dazumahl den Christen in der gantzen
Welt zugefüget wurden. |
|
|
Die Haupt-Ursache dieser Leiden waren die
Lästerungen, womit man die Christen verhaßt
machte. Der Feind also, der hier genennet wird, kan
keiner als ein Lästerer und Verläumder unter den
Menschen seyn. |
|
|
Wer das Mittel zwischen diesen beyden
Auslegungen wehlet, der lässet denen Gründen
beyder Theile ihre völlige Krafft, die sie haben, und
trifft dabey den rechten Verstand der Apostolischen
Worte. Man kan denen nicht wohl wiedersprechen,
die den beständigen Gebrauch des Griechischen
Worts für sich anführen: und man kan auch nichts
finden, welches den Grund der andern völlig
umstossen könnte, der von den folgenden Worten
hergenommen wird. |
|
|
Beydes bleibet in seinem Werthe, wenn der
Apostel so verstanden wird: Eure Wiederwärtigen
werden durch die Macht des Satans, der über sie
herrschet, gereitzet, daß sie wie wilde und
reissende Thiere herumgehen, den Ort
auszuforschen, an dem sie euch am bequemsten
angreiffen mögen. Ihr sehet nichts als Menschen,
die auf euch und euer Verhalten lauern. Allein hinter
diesen steckt ein anderer Feind, der mehr zu
fürchten ist. Der Satan wütet, tobet, wachet, streitet
in den Menschen, und machet sie verschlagener
und ergrimmter, als sie sonst seyn würden. |
|
|
So viel saget uns die Schrifft von der Macht des
Satans über die Gemüther der Menschen. Es ist
dieses wenig in Ansehung der Dinge, von welchen
sie schweiget. Wie viel fragen kan ausser diesem
der Vorwitz der Menschen nicht auf die Bahn
bringen, die wir weder durch klare Stellen der
heiligen Bücher, noch durch richtige Folgen aus
denen klaren Stellen, die zu dieser Lehre gehören,
entscheiden können? |
|
|
Je mehr wir der Sache nachsinnen, je hefftiger
wir uns bemühen, daß, was wir hier und da davon
finden, zusammen zu setzen und zu vereinigen; ie
begieriger wir werden die Beschaffenheit der Dinge,
die uns eröffnet sind, zu begreiffen: Je mehr Tieffen
entdecken wir, die kein Witz ausfüllen kan. |
|
|
Was ist es, das den HErrn beweget, dem Satan
soviel Freyheit und Gewalt einzuräumen? Sind |
|
|
{Sp. 861|S. 444} |
|
|
wir nicht von Natur geplagt und verdorben
genug? und hätte seine Liebe daher nicht wohl für
uns gesorget, wenn der Feind unsrer Seelen gleich
nach dem Falle in das ewige Gefängniß verwiesen
wäre, welches seine Gerechtigkeit ihm bestimmet
hat, und alles Vermögen verlohren hätte, die von
ihm schon verführten Menschen noch
unglückseliger zu machen? |
|
|
Liegen alle Menschen, die GOtt nicht kennen,
unter dieser Tyranney des bösen Geistes, oder nur
einige? Was sind das für Kennzeichen, wodurch
man die Handlungen, die durch den Trieb des
Satans verrichtet werden, von denen unterscheiden
kan, die das blosse Verderben der Natur
würcket? |
|
|
Auf was Art verblendet der Satan den
Verstand? Bedienet er sich unsrer Lebens-Säffte,
unsers Blutes, unsrer Geister, die Krafft desselben
zu hemmen? Lässet er etwan gewisse Dünste in
unserm Leibe aufsteigen, die, man weiß nicht wie,
das Licht des Verstandes benebeln, wie der Staub
die Schärffe der Augen des Leibes aufhält? |
|
|
Erfüllet er unsre Einbildung mit falschen
Bildern? Stellet er uns die äusserlichen Dinge in
einer fremden Gestallt vor? Bezaubert er etwan
unsre Augen und Ohren, daß wir mehr zu sehen
und zu hören glauben, als wir würcklich sehen und
hören? |
|
|
Wie macht er es, wenn er den Willen zur Sünde
reitzet? Geschicht es durch scheinbare Bewegungs-
Gründe, die er dem Verstande beybringt; oder weiß
er eine Kunst, unsere Lebens-Geister in eine
stärckere Bewegung zu setzen? Sind gewisse
Leiber von Natur fähiger und geschickter zu seinen
Würckungen als andere? |
|
|
Hat er die Krafft, die Menschen zu solchen
Lastern und Sünden zu bewegen, wozu sie keine
natürliche Neigung haben? Erstreckt sich sein
Vermögen z.E. so weit, daß er einen von Natur
Mitleidigen unbarmhertzig, einen Freygebigen
geitzig, einen Mäßigen unmäßig, einen
Sanfftmüthigen hitzig und zornig machen kan? Oder
kan er nur die natürlichen Neigungen und
Regungen der Menschen stärcken und
anfeuren? |
|
|
Versucht der Fürst der verdammten Geister
selbst seine Macht an einigen Menschen? Oder
treibt er sein Werck allein durch die Geister, die ihm
unterworffen sind? Sind alle Geister, die in seinem
Reiche leben, gleich starck, den Seelen der
Menschen zu schaden? Oder sind einige
geschickter darzu als andere? |
|
|
Die diese und viele andere Fragen von dieser
Art aufwerffen, werden vergeblich auf eine
ungezweifelte Antwort warten. Der HErr hat uns
durch seine Offenbahrung nicht gelehrt, sondern
weise zur Seeligkeit machen wollen. Zu diesem
Zwecke ist das genung, was uns von der Macht des
Satans entdecket ist. |
|
|
Die das, was bisher aus der Schrifft bewiesen
worden ist, für falsch und irrig erklären, können nur
einen einigen Weg gehen, die Verständigen, so
anders dencken, zum Beyfall zu bewegen. Sie sind
schuldig, darzuthun, daß die vorgetragenen Lehren
in sich unmöglich, und mit den ersten Gründen aller
menschlichen Wissenschafft streiten. |
|
|
Niemand hat eher Recht, den klaren und hellen
Buchstaben eines Buches, das er selbst für göttlich
erkennet, zu verlassen, als bis er bewiesen, daß der
Buchstabe auf ungereimte und aller Vernunfft
entgegen lauffende Sätze führe. Ist dieses aber
geschehen, so hat auch niemand Ursache uns zu
verklagen, wenn wir sagen, der natürliche und erste
Verstand gewisser Schrifft-Stellen müsse zurücke
gesetzt werden. |
|
|
{Sp. 862} |
|
|
Noch hat sich kein Mensch gefunden, der sich
getrauet hätte, zu zeigen, der hebe alle Grund-
Lehren der Wahrheit und der Vernunfft auf, der da
saget, daß ein starcker Geist einem andern Geiste,
der schwächer oder verdorben und mit einem Leibe
umgeben ist, einnehmen, und nach seinem Willen
stimmen könne. Ruhmräthige Spötter, die alles für
falsch ausschreyen und verlachen, was sie selbst
nicht fassen wollen oder können, giebt es an allen
Orten. |
|
|
Allein soll das gelten, was von solchen Leuten
mit einer unverschämten Dreustigkeit behauptet und
vorgegeben wird: So ist es am besten, daß wir alles
aufheben, was man bishero Wissenschafft
genennet hat, und so leben, als wenn wir noch auf
einer Offenbahrung warteten. |
|
|
Die Gründe, die vor kurtzer Zeit so gangbar in
der Welt waren, sind diese: Ich begreiffe die Art
dieser oder jener Sache nicht: daher ist sie falsch.
Die ersten Sätze der Weltweisheit, der ich mich
ergeben, erlauben es nicht, dieses oder jenes zu
glauben: daher kan ich es verwerffen. |
|
|
Diese und einige andere Gründe sind ietzt
selbst unter denen verächtlich worden, die sonst viel
damit auszurichten vermeynten. Und wenn diese
Beweise weggenommen werden: so weiß man
nicht, auf was Weise man darthun könne, daß die
Lehre der Schrifft von dem Satan unmöglich sey,
oder aus solchen Dingen bestehe, die einander
bestreiten und aufheben. |
|
|
Die, so sich getrauen, zu beweisen, daß zwo
Naturen in keiner Gemeinschafft mit einander
stehen können, müssen beyde nach allen ihren
Eigenschafften und Kräfften kennen. Und die also
das, was gesagt worden ist, unternehmen wollen,
müssen zum voraus setzen, daß ihnen die Natur
und das Wesen unsrer Seele so wohl als der bösen
Geister, die von GOtt abgefallen sind, gantz
bekannt sey, und daß sie alle ihre Eigenschafften,
die Grentzen ihrer Kräffte, alles was sie thun, oder
nicht thun können, ohne alle Dunckelheit
einsehen. |
|
|
Es muß ihnen nichts von allen diesen Dingen
verborgen seyn. Gestehen sie nur ihre
Unwissenheit in einem einigen Stücke, so haben sie
alles, was sie sagen könnten, selbst geschwächet
und verdächtig gemacht. Und ist iemand in der
Welt, der sich dieser Wissenschafft nur mit dem
geringsten Scheine der Wahrheit rühmen
könnte? |
|
|
Die scharffsinnigsten Leute klagen, daß ihr
Geist gleichsam stumpf werde, wenn er sich selbst
beschauet, und fast nirgends mehr Schwierigkeit
antreffe, als bey der Untersuchung seiner eigenen
Kräffte. Und was ist es, das wir von den übrigen
Geistern wissen, wenn das zurücke geleget wird,
was uns die Schrifft davon meldet? Wer wird sich
demnach erkühnen, wo er den Nahmen eines
Weisen behalten will, uns auf einen klaren Beweiß
von der Unmöglichkeit der Lehre von der Krafft des
Satans Hoffnung zu machen? |
|
|
Es hat das Ansehen, daß diejenigen selbst, die
den Satan gerne unter den Christen abgeschaffet
wissen möchten, daran verzagen, daß sie einen
solchen Beweiß der Welt jemahls darlegen werden.
Spinosa, der den schädlichen Ruhm erlanget, daß
er die Sache des Unglaubens am scharffsinnigsten
vertheidiget, hat alles in der Kürtze zusammen
gefasset, was gegen die Lehre von der Macht des
Satans über die Menschen erinnert werden kan.
Allein dieses ist so schlecht, daß die es gewiß
zurücke lassen werden, |
|
|
{Sp. 863|S. 445} |
|
|
die Proben von dem grossen Witze dieses
Mannes aus seinen vorhandenen Schrifften geben
wollen. Und wäre es weit besser beschaffen, als es
ist, so wäre es doch nichts als ein Einfall, der denen
etwa gefallen könnte, die nur auf die äusserliche
Gestalt der Dinge zu sehen pflegen. |
|
|
Dieser berühmte Verfechter des Unglaubens
sagt: Es ist ungereimt sich einzubilden, daß Gottes
Feind gegen seinen Willen die meisten Menschen
verführe und betrüge, und daß GOtt diese Verführte
hernach dem Satan zur ewigen Straffe übergebe.
Wie stimmt dieses mit der göttlichen Gerechtigkeit?
Der Teufel betrügt die Menschen ungestrafft und
ungehindert, und GOtt läßt die Menschen, die von
dem Satan jämmerlich betrogen worden sind, nicht
ungestrafft. |
Epist. LXXIV ad Alb. Burgh.
… |
|
Das heisset, Stricke aus Sand flechten, und
eine recht kindische Unwissenheit in der
Christlichen Lehre verrathen Der Beweiß ist theils
von der Macht, theils von der Gerechtigkeit GOttes
hergenommen. Der ungläubige Jude berufft sich
zuerst auf die Macht GOttes. Es ist ungereimt, zu
glauben, daß GOtt, der doch allmächtig, einen
Feind habe, der gegen seinen Willen die meisten
Menschen verführet. |
|
|
Man kan diesen Satz auf zweyerley Weise
verstehen. Er kan einmahl so viel bedeuten: Die
Christen lehren, daß GOtt, so mächtig als er auch
sey, könne es dem Satan nicht wehren, die
Menschen zu verführen. |
|
|
Er kan hernach auch so erkläret werden: Die
Christen lehren, GOtt sehe es nicht gerne, daß der
Satan an den meisten Menschen seinen bösen
Zweck erreichet. |
|
|
Die Lateinischen Worte: Invito Deo, sind so
zweydeutig, daß sie diesen Verstand so gut als
jenen dulten können. Es scheinet allerdings, der
Jude habe das erste sagen wollen. Und ist dem so,
so antworten wir ihm, daß er in der Lehre der
Christen unwissend sey. |
|
|
Wir lehren alle, daß unser GOtt, der mit einer
unendlichen Macht versehen ist, den Satan völlig
fesseln, und wenn es ihm beliebte, ausser aller
Macht setzen könne, der Welt zu schaden. Steht
dieses nicht an so vielen Orten der Schrifft gantz
deutlich? Und hat jemahls ein wohl unterrichteter
Christ etwas anders als dieses gesagt, daß GOtt
aus gerechten und heiligen aber uns unbekannten
Ursachen dem Satan erlaubet, dem Menschen
nachzustellen? |
|
|
Soll der andere Verstand gelten, so haben wir
nichts dargegen einzuwenden. Es ist wahr, daß der
HErr, der unsre Glückseeligkeit liebet, niemand
gerne in den Stricken des Satans siehet. Allein so
fällt der gantze Beweiß auseinander. Wird ein
Verständiger so schliessen können: GOtt sähe es
lieber, wenn kein Mensch den Satan, dem er aus
gerechten Ursachen vergönnet, dem Menschen
Netze zu legen, Gehör gäbe: daher ist er nicht
allmächtig. |
|
|
Die sich nur in der Welt umsehen wollen,
werden sich leichte in die Lehre der Christen finden
können, die diesem Juden so unglaublich und
wunderlich vorkömmt. Ein Fürst, der Gerechtigkeit
u. Gottseligkeit liebet, siehet in seinem Lande eine
Menge voll ruchloser Spötter, die alle Mühe
anwendet, Jünger zu ziehen, und ihren Gifft
fortzupflantzen. Er hat Macht genung, diese Bande
auszurotten, und an ihren unseeligen Unternehmen
zu hindern. Und er thut es doch nicht. |
|
|
Er hat nach einer reiffen Überlegung gefunden,
es sey rahsamer der Gottlosigkeit mit Gründen und
Ursa- |
|
|
{Sp. 864} |
|
|
chen als mit Gewalt u. Straffen entgegen zu
gehen. Inzwischen verdrießt es ihn, so offt er
vernimmt, daß viele seiner Unterthanen vom
Glauben abfallen, und zu den Feinden des
Höchsten treten. |
|
|
Wird ein Kluger, dem man dieses erzehlet,
Ursache finden, an der Wahrheit der Sache zu
zweifeln? Wird er daher Anlaß nehmen, die Macht
oder die Weisheit dieses Fürsten zu läugnen? Wie
offt müssen wir die Meister der Vernunfft, die über
die Wolcken fahren wollen, ersuchen, nur auf der
Erden zu bleiben, und von denen, die weit
einfältiger als sie sind, Unterricht
anzunehmen? |
|
|
Der andere Grund bezieht sich auf die göttliche
Gerechtigkeit: Kan man es glauben, daß ein
gerechter GOtt den Satan werde ungestrafft die
Menschen verführen lassen, und die hergegen
straffen, die das Unglück haben, in seine Netze zu
gerathen? Lauter grobe Unwissenheit u.
Blindheit! |
|
|
Das Lateinische Wort: impune, das in dem
ersten Satze dieses Schlusses, ungestrafft,
übersetzt worden ist, kan wiederum auf eine
zweyfache Weise erkläret werden. Es kan so viel
heissen, als: ungestrafft; und so wird dieses die
Meynung seyn: GOtt strafft die Bosheit nicht, die der
Satan an den Menschen ausübet. Es kan dieses
Wort auch gegeben werden: Ungehindert; GOtt
läßt den Satan sein Werck frey ausführen, und
wehret ihm nicht, die Menschen nach seinen
Gefallen zu verleiten. |
|
|
Der Gegensatz scheinet die erstere
Übersetzung zu bestätigen. Doch man wehle
diesen, man wehle jenen Verstand; der Satz bleibt
falsch u. unrichtig. Es ist falsch, daß der HErr die
Bosheit des Satans ungestrafft hingehen lasse. Er
wird zum Gerichte des grossen Tages
aufbehalten. |
Jud. V, 6. |
|
Und es ist falsch, daß er ihm alle Freyheit
lasse, seinen Muthwillen auszuüben. Der HErr
zerstöhret die Anschläge desselben, so offt sie
seinen heiligen Absichten entgegen stehen, und
schützet die Seinen gegen seine List u.
Bosheit. |
|
|
Das andere kömmt eben so wenig mit der
Lehre der Christen überein. Spinosa redet so, als
wenn wir glaubten, GOtt straffe die Menschen, die
von den Satan verführet werden, darum, weil sie
sich von ihm hintergehen lassen, ob sie gleich
seinen Nachstellungen nicht entweichen
können. |
|
|
Ist es nicht unverschämt, dergleichen Lehren
denen Christen vorzuwerffen, die vielleicht keiner
von allen den Träumern sich einfallen lassen, die in
so grosser Menge unter den Bekennern des
Namens JEsu aufgestanden sind? Könnten wir, die
wir mit der grösten Ehrerbietung von der Heiligkeit
und Gerechtigkeit unsers Schöpffers reden, auf die
Meynung gerathen, daß GOtt ein unvermeidliches
Unglück, ein Unglück, das er selbst nicht zurücke
halten kan, noch will, ewig bestraffen wolle? |
|
|
So aberwitzig u. ungereimt muß man eine
Lehre vorstellen, die man weder dulten will, noch
mit gültigen Gründen bestreiten kan. Die
Ungläubigen, die ausser dem Reiche GOttes leben,
würden ohne dem die Schwere der göttl.
Gerechtigkeit empfinden, wenn gleich kein Satan in
der Welt vorhanden wäre. Wer nicht gläubet, der ist
schon gerichtet, |
Joh. III, 18. |
|
Und die durch sein Eingeben zu grössern
Missethaten sich verleiten lassen, als sie sonsten
durch die Unart ihrer Natur verrichtet haben würden,
die haben darum ein schärfferes Gerichte zu
gewarten, weil sie die angebotene Gnade
verschmähet haben, die sie von der Gewalt dieses
Feindes errettet hätte, wenn sie sich derselben
unterworffen. |
|
|
Man kan nicht sagen, ob alle dieje- |
|
|
{Sp. 865|S. 446} |
|
|
nigen, welche der Schrifft Gewalt zufügen,
damit die Lehre von der List und Stärcke des
Satans aus derselben weggeschaffet werden möge,
dieses unbesonnene Gedichte des Spinosa oder
sonst etwas zum voraus setzen. |
|
|
Die wenigsten lassen die Gründe ihrer
Vermessenheit recht deutlich sehen: Und vielleicht
sind viele unter ihnen, die selbst nicht wissen, was
sie eigentlich so behertzt machet, ein Buch, daß sie
für Göttlich halten, weit freyer zu erklären, als
jemahls ein Verständiger einen Griechischen oder
Lateinischen Dichter erkläret hat. Vielleicht ist es in
diesem nichts als Hochmuth und Frevel, in jenen ein
geheimer Unglaube, den sie selbst nicht recht
wahrnehmen; in andern ein frecher Übermuth. Der
Tag des Herrn wird alles klarmachen, und den Rath
der Hertzen offenbahren. |
|
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