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AARGAU, Canton und Stand der Schweizerischen
Eidgenossenschaft. A. Geschichte und mittlere Erdbeschreibung. Zu
Cäsars Zeiten, aus welchen die Geschichte uns die ersten
glaubwürdigen Nachrichten über dasjenige liefert, was in Helvetien
sich zugetragen hat, gehörte der nordwestlich am Jura gelegene Theil
dieses Cantons, das Frickthal, zum Lande der Rauraker; vermuthlich
der mittägliche Theil zum Verbigener- und der östliche zum
Tiguriner-Gau. Nach der Niederlage, welche Cäsar den Helvetiern, die
in Gallien eingedrungen waren, beibrachte, traf die Strenge des
Siegers vorzüglich die Verbigener, welche zu entfliehen suchten.
Unter der Römischen Herrschaft gingen die Heerstraßen durch diese
Gegend; Colonien und Ansiedelungen der Herrscher blühten auf, und
die Eingebornen wurden den Römern ähnlich. Schon unter den ersten
Kaisern finden sich Spuren, daß Aquae (Baden) ein nicht
unbedeutender Ort war, der sich auch des Namens Respublica bediente;
auf der gegenwärtigen Grenze zwischen Aargau und Basel lag die
ansehnliche Augusta Rauracorum (Augst bei Basel). In der Gegend des
Städtchens Bruck und des Dorfes Windisch erhob sich die in den
folgenden Zeiten wichtige Stadt Vindonissa (Windisch). In dieser
Gegend wagten es entweder alle, oder doch die westlichen Helvetier
den ungebundenen Scharen des Cecinna, des Vitellius Feldherrn, zu
widerstehen. Sie wurden (70 J. |
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nach Chr. G.) geschlagen. Verwüstungen und
größere Bedrückungen erfolgten. In den folgenden Jahrhunderten war
das Land den verheerenden Einfällen der Allemannen zunächst bloß
gestellt, bisweilen der Schauplatz blutiger Kämpfe zwischen den
Römern und jenen. Nach der Ausbreitung des Christenthums war
Vindonissa der Sitz eines Bisthums, welches um das Ende des 6.
Jahrh., sey es, weil der alte Sitz durch die Kriege verödet, oder
weil der neue zur Befestigung des Christenthums unter den ostwärts
vom Bodensee wohnenden Völkerschaften bequemer war, nach Constanz
verlegt wurde. Mehrere Jahrh. hindurch veränderten sich die Grenzen
des Burgundischen und Allemannischen Landes: doch gehörte der größte
Theil des Aargaus zu Burgund. |
(Meyer v. K.) |
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Nach dem Volksbrauch wurde im Mittelalter das
Land zwischen dem Rheinthal, den Alpen und dem Jura in mehrere große
Räume ausgetheilt, den Thurgau, von dem erst später der sehr
bedeutende Zürichgau unterschieden wurde, den Aargau, den
Wifflisburger- und Waldenser-Gau. Aber diese Bestimmungen waren
landschaftlich, nicht politisch, und wenn sie dennoch aus dem
gemeinen Leben in die Gerichte und die Reichskanzlei eindrangen: so
mußten Unsicherheit der Gränzen, Zweifel und Verschiedenheit der
Ansicht entstehen, welche die Landesbeschreibung jener Zeit sehr
schwierig machen, um so mehr, da die allgemeinen Bezeichnungen
gewöhnlich die kleinern Staatsverwaltungskreise nicht genug
durchscheinen lassen. In einer solchen landschaftlichen Bezeichnung
begreift der Aargau alles Land zwischen der (Birs) Ergotz (bei
Baselaugst) westlich dem Rhein, im Norden, bis zum Einfluß der Aar bei Coblenz, dann an ihr herab bis zum Einfluß der Reuß, an dieser
herab bis in die Gegend von Luzern (wo westlich über die Reuß noch
der Zürichgau hinaus trat) und den Untenwaldenschen Gebirgen, den
Gotthard und die Quellen der Aar, und deren östliche Ufer (so daß
die Grenze etwas über den Brienzer- und Thunersee im Südwesten
herüber geht, (Urk. 763. Cod. All. I, 42.) bis zu dem Einfluß der
Zil und den Solothurner Alpen bis wieder zur Birs; denn Baselaugst
wird in Urkunden K. Arnulfs 894 (Cod. All. I, 498) ausdrücklich in
den Aargau gesetzt, und es ist ganz ohne historischen Grund und eine
völlige Verkennung der landschaftlichen Bezeichnung, deshalb einen
eignen Aragow in die Gegend jenes Orts zu legen, (Neugart Episc.
Const. I, 30); diese heißt als Staatskreis Augstgau, und kann in
solcher Hinsicht nicht doppelte Namen haben. Nur bei so, wie oben,
gezogenen Grenzen ist Hepidans Behauptung (Leben der h. Wiborad bei
Goldast SS. rer. All. I, 224) wahr: in pago qui Erigowe nuncupatur,
quem Araris (Arola) fluvius ex uno latere praeterfluit, ex altero
Rhenus; denn sonst stießen die Grenzen des Aargaus nirgends an den
Rhein. In der obigen Ausdehnung gehörte der Theil des Aargaus, der
vom Gotthard herab zum Flußgebiet der Aar gehört, zu Burgund,
wenigstens bestimmt zu dem Reichstheilkreise Lothars und später zu
dem neuen ostjuranischen Königreich — nicht aber die ganze so
benannte Gegend, (die Urk. Lothars von 840 für Luzern beweist so
wenig etwas dafür, als die Ludwig des Deutschen von 842 für Murbach
über dessen Besitz des Elsasses; beide waren |
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wechselsweise für diese Länder Prätendenten: für
den teutschen Besitz eines Aargaus spricht aber die Urkunde 864
(Cod. All. I, 344) Muri, das 1027 ausdrücklich in den Aargau gesetzt
wird, (Herrgott. Gen. dom. Aust. 2, 107) war allemannisch 1036
(Thes. hist. Helv. 15) vgl. Allemannien.) In jedem Lande,
Allemannien und Burgund, war Aargebiet, und in jedem konnte es also
einen Aargau geben.♦ |
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In eben solcher allgemeinen Bezeichnung ist das
Archidiakonat des Aargaus mit Bisthum Constanz genannt, welches sich
(wenn die Vereinigung der einzelnen Dekanate, wie Neugart Episc. Const. I, 119 sie gibt, richtig ist) theils weiter, theils enger als
die landschaftliche Bestimmung zog. Es kann sich nur auf die Grenzen
des Constanzer Sprengels beschränken, schließt also nicht nur alles
nördlich der Aar vom Einfluß der Zil gelegene Land, (den Basler
Sprengel) ab, sondern auch für den westlich jenen höher zwischen
Reuß und Aar gelegenen Theil, wurde ein eigenes Überjuranisch-
Burgundisches Archidiakonat nothwendig; wogegen, unter obiger
Annahme, ein großer Theil des Zürichgau's zu dem Aargauschen
Erzpriesterthum gehörte.♦ |
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Welche Grenzen der Aargau im engern
Verstande als ein Reichsverwaltungskreis, oder eigentlicher Gau,
begriffen habe, ist noch nicht ausgemacht. Wahrscheinlich waren es
der Winkel zwischen der Aar, Reuß, dem Vilsgau und Zürichgau, oder
die Dekanate Mellingen, Aarau, Hochdorf und zum Theil wohl Rothweil;
denn Münster im Ergau (Beromünster oder Sursee) scheint mit der
Gegend da herum die alte Benennung bewahrt zu haben, wie gerade
diese Gegend dem neuen Canton Aargau den Namen gegeben hat und
dessen vornehmsten Bestandtheil bildet. Eben so allgemein hat man
die noch vorkommende Abtheilung der landschaftlichen Bezeichnung
Aargau in das obere und untere genommen, wovon ersteren mehrere
Urkunden bezeugen; er kommt nur in Lothringischen Urkunden und in
denen Kais. Arnulfs vor, als er diese Gegenden auf eine Zeitlang
unterworfen hatte, nicht vorher; und eben die Orte, welche in den
Ober-Aargau gesetzt werden, beweisen, daß dieser den nachher
burgundischen Theil begriffen habe, während die Benennung
Unter-Aargau auch nicht einmal vorkommt. Jene ist also aus dem
Lothringischen Reich und ohne Wirkung geblieben, und nur für das
eine zeugt sie, daß auch im Norden der Aar das oben bezeichnete Land
zum Aargau gerechnet seyn muß, weil zwischen beiden Theilen, da der
obere von der südlichsten Grenze bis Aarwangen lief, sonst durchaus
kein Verhältniß Statt finden würde. (S. die Charte Allemanniens.)
(Delius) |
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Theils schon vor, theils unter den Herzogen von
Zähringen erhoben sich die angesehenen Grafen v. Froburg, Lenzburg,
Rore, Baden und Altenburg. Die letztern, auch im Elsaß und Breisgau
begütert, nahmen von ihrer neuen Burg Habsburg diesen Namen an. Sie
verbreiteten ihre Herrschaft nicht nur über den jetzigen Canton,
sondern auch über den größten Theil des alten, bis nahe an die
Hochgebirge sich erstreckenden Aargaues und die östliche Schweiz.
Graf Rudolf von Habsburg wurde als Kaiser (1273) der Stifter des
mächtigen Erzhauses und Stammvater einer langen Reihefolge
Östreichischer Kaiser. Die Feste oder der Stein zu Baden war ein
Hauptsitz der Herrschaft dieses Hauses in den |
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oberen Landen. Zu Windisch fiel (1308) Rudolfs
herrschsüchtiger Sohn, Kaiser Albrecht, unter den Streichen der
Verwegenen, welche seinem Neffen, Hrz. Johann, das vorenthaltene
Erbe Schwaben zuzuwenden und wohl auch ihre eigenen Besitzungen vor
seiner um sich greifenden Länderbegier zu bewahren gedachten. Die
Gegend wurde der Schauplatz der schrecklichen Blutrache um den
Kaisermord. Mit großer Treue hielten in dem Jahrh. nach Entstehung
des Schweizerbundes, während der öftern verwüstenden Kriege zwischen
den neuen Republikanern und Östreich, der Adel und die Städte des
Landes am letztern Hause fest, und litten nicht selten großen
Schaden an Volk und Eigenthum.♦ |
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Als Friedrich von Östreich, welcher
den Beinamen mit der leeren Tasche erhielt, (1415) mit Acht und Bann
belegt wurde, die Eidsgenossen durch kaiserliche und kirchliche
Machtvollkommenheit sich von dem 3 Jahre früher mit Östreich
eingegangenen 50jährigen Frieden losgebunden sahen, und der Versuch
der Aargauischen Städte das Land zum eidgenössischen Canton zu
erheben, ohne die alten Verhältnisse aufzugeben, von dem Adel nicht
unterstützt wurde, fielen zuerst die Berner, dann die übrigen Stände
erobernd den Aargau an. Bern bemächtigte sich in nicht viel mehr als
14 Tagen der Gegend von Zofingen, Aarburg, Aarau, Lenzburg, Bruck,
und des Stammsitzes des östreichischen Hauses; Luzern und Zürich
erwarben Theile, welche jetzt nicht mehr zum Canton Aargau gehören, und
gemeinschaftlich mit Schwyz, Unterwalden, Zug und Glarus, die freien
Ämter zwischen der Reuß und dem Hallweilersee und die Grafschaft
Baden. Die beiden letztern Landestheile wurden Gemeine Herrschaften der Cantone, welche sich nicht sogleich über ihren
gemeinschaftlichen Besitz einverstehen konnten, doch in der Folge
auch Uri in die Mitgenossenschaft aufnahmen; und nur das Frickthal
blieb unter Östreichs Herrschaft.♦ |
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Zur Zeit der Reformation bekannte
sich der Bernerische Landestheil mit diesem Canton zu derselben. Auch in
Baden und in den Fr. Ämtern fand sie zahlreichen Beifall. Bremgarten
und Mellingen hatten sie bereits angenommen; aber die bei Cappel
1531 siegreichen kathol. Orte führten dort und in den Fr. Ämt. die
alte Religion wieder ein, ohne doch die neue in der Grafschaft Baden
wieder ganz verdrängen zu können. In der ersten Hälfte des 17.
Jahrh. erhielten die, seit langer Zeit aus der Schweiz vertriebenen,
Juden von den Ständen die Bewilligung sich wieder in dieser letztern
Landschaft niederzulassen, und von daher erhielten die 2 zahlreichen
Judengemeinen zu Lengnau und Endingen ihren Ursprung. In den
innerlichen Kriegen von 1655 und 1712 versuchten die 5
mitherrschenden kathol. Stände durch Besetzung dieser gemeinschaftl.
Herrschaften die Verbindung zwischen Zürich und Bern zu hindern,
diese hingegen dieselbe zu behaupten, und die Fr. Ämt. wurden
vornehmlich der Schauplatz mehrerer kriegerischen Ereignisse. 1712
wurde der für das Staatsrecht des ältern Schweizerbundes wichtige
Friede zu Aarau geschlossen, und 1714 Baden durch den Friedenschluß
zwischen Frankreich und Östreich nach dem spanischen
Successionskriege bekannt. Das Frickthal litt im 30jähr., in dem
durch den Nimweger Frieden beendigten, und im Östreich.
Successionskriege, und oft beschäftigte die Behauptung seiner
Neutralität die Schw. Cant. Unter |
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drei sehr verschiedenen Regirungen nahmen die
Bewohner der einzelnen Gegenden einen ganz verschiedenen Charakter an. Bei der Schweiz. Staatsumwälzung wurde aus dem Bernerischen
Antheile im Canton Aargau, aus den Fr. Ämt.
und Baden ein Canton Baden, und
Aarau, doch nur auf kurze Zeit, der erste Hptort der helvet. Rep.
Schon 1801 wurden diese beiden Cant., wovon der letztere beinahe gar
keine Hülfsmittel gewährte, in einen C. Aargau vereinigt, welchem
die Mediations-Verfassung von 1803 auch das von Östreich an
Frankreich abgetretene Frickthal beifügte, und dadurch einen der
größern Schw. Cantone bildete, dem es seine vortheilhafte Lage und nicht
ungünstige Ökonomie erlaubten, zeither manches auf zweckmäßige
Staatsanstalten zu verwenden. Seine nach dem Umschwung des europ.
Staaten-Systemes angesprochene Unabhängigkeit wurde durch das
Zusammenhalten seiner Bestandtheile gesichert und vom Wiener Congreß
bestätigt. |
(Meyer v. Knonau.) |
B. |
B. Staatskunde. 1. Der jetzige Canton Aargau liegt im
N. der Schweiz, grenzt nördl. an Deutschl., östl.an die C. Zürich
und Zug, südl. an den Canton Luzern, westl. an die C. Basel, Solothurn
und Bern; sein Flächeninhalt beträgt 38—40 QM., er bestehet aus dem
unteren, vor 1798 mit 4 freien Municipalstädten zu Bern gehörigen,
Aargau, der Grafschaft Baden und den unteren freien Ämtern, die
unter Zürich, Bern und Glarus, den obern Fr. A., die unter den 8
alten Orten standen, dem Kelleramt, das zu Zürich gehörte und dem
sonst östr. Frickthal; er hat jetzt 11 Bezirke: Aarau, Baden,
Bremgarten, Brugg, Kulm, Laufenburg, Lenzburg, Muri, Rheinfelden,
Zofingen, Zurzach, die zusammen in 48 Kreise getheilt sind.♦ |
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2. Der
Canton zerfällt in viele weitere und engere fruchtbare Thäler, die mit
einigen schönen Ebenen abwechseln; die Anhöhen tragen Gehölz; das
Hauptgebirg ist der Jura, der die nördl. Hälfte des Landes von SW.
nach NO. durchstreicht, und niedriger ist als im Westen der Schweiz; die
höchsten Theile desselben in diesem Canton sind die Wasserfluh mit 2880
F. und die Gißlifluh mit 2710 F. über Meer; im südl. Theile des Cantons
streichen mehrere niedrigere Bergreihen von SO. nach NW.
Die Aare,
die Reuß und die Limmat vereinigen sich im Canton erst mit einander,
dann mit dem Rheine; alle vier sind beträchtlich und werden zur
Schifffahrt und Flößung benutzt; der Rhein nimmt aus dem C. 8 Bäche
auf, und ist sehr fischreich; die Aare erhält 20 Flüsse und Bäche
aus dem C., zeichnet sich durch wandelbare Wassermenge und Strömung
aus, führt Goldsand, der mit mäßigem Vortheil ausgewaschen wird, und
hat wie Reuß und Limmat weniger Fischerei.
Der Hallweiler-See 2 St
lang, ½ St. breit, ist der einzige erhebliche. Die Heilquellen des
C. sind: die schon den Römern (Tacit. Hist. I, 67 Ende) bekannten,
trefflichen Schwefelbäder zu Baden an der Limmat, mit 139 eigenen
und 3 öffentlichen Bädern; das Schwefelbad zu Schinznach an der
Aare; die zu Leerau, Schwarzenberg und Niederweil; eine Salzquelle
ist im Sulzthale. Das Klima ist mild, Ost- und besonders Westwinde,
der Richtung der Aare nach, sind häufig, die Gewässer veranlassen
viele Nebel, die Kälte steigt bis 18º R., im Aarthale die Hitze auf
35º und 38º R.; der Witterungswechsel ist schnell.♦ |
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3. Der Canton
hat |
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144,000 Einw. in 12 Städten und 271 Dörfern, die
Reform. betragen 75,000, die Kathol. 67,000; die Juden wohnen in der
Schweiz bloß hier mit Orts- aber nicht Staatsbürgerrecht in 2
christl. Dörfern und zählen 1700 Seelen. Das Volk ist deutschen
Stammes, noch ziemlich verschieden in Mundart und Sitten, gutmüthig,
froh, einfach, doch abergläubig, gewerbsam, Freiheit und Vaterland
liebend, meist wohlhabend, und lebt von Acker- Wein- und Wiesenbau,
auch Handwerken und Fabriken. Zahlreich sind die Blinden (1810 waren
57), Taubstummen (361 im J. 1810) und die Cretinen; beide letztern
finden sich auf der wässerigen und feuchten Abdachung des Landes
gegen Norden.♦ |
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4. Ausgezeichnet wird der Landbau durch
Wechselwirthschaft und Düngung mit Gyps und Mergel, und besonders
der Wiesenbau durch Wässerung betrieben; die Allmenden sind meistens
vertheilt, die Stallfütterung gemein; Getreide kann ausgeführt
werden, Wein- und Obstbau sind zum Theil vorzüglich, Erdäpfel,
Gemüse, Hanf, Flachs baut man nach Bedürfniß. Die Waldungen betragen
ungef. 88,000 Juchert, zu 45,000 Bern. QSch., wovon der Staat mit
einem Ertrage von 12,000 Fr. 6420 besitzt, das Nadelholz 21,000, das
Laubholz 61,000 beträgt; sie nehmen ungefähr das Fünftel des C. ein,
sind jetzt gut von den Gemeinden unter Aufsicht der Regirung der Landesforstordnung gemäß besorgt, und werden durch Anpflanzung bei
Verehelichnng und Geburten vermehrt. Die Viehzucht ist nicht sehr
beträchtlich, die Fischerei, hauptsächlich der Lachsfang zu
Laufenburg am Rhein ergiebig, wird vom Staate so wie die Jagd
verpachtet. Der Jura bestehet aus Kalkstein, älterm, in welchem
Thonlagen mit Thonerz und Feuerstein, auch Sandsteinlager, Mergel,
Mergelschiefer, Alaunschiefer; und jüngerm, in dem Versteinerungen,
erdiges Eisenerz, Eisenstein, Gyps, Alabaster, Braunkohle und
Steinkohle gefunden werden; im südl. Theile des C. ist der Sandstein
verbreitet, auf welchem hingeströmte Granit- und Gneisblöcke ruhen.
Kalk- und Sandsteinbrüche, Torf- Gyps- Mergel- und Leimgruben sind
häufig, ein Eisenbergwerk bei Aarau wird bergmännisch mit
abwechselndem Vortheil bearbeitet, das Erz verkauft.♦ |
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5. Der
Gewerbefleiß ist in den Städten und auf dem Lande lebhaft; es werden
Indienne, baumwollene Zeuge, Leinwand, Seideband verfertigt, auch
Sammt, Kupferwaaren, Messer- und Büchsenschmiedearbeiten: geschickte
Handwerker sind häufig. Der innere Verkehr wird durch zahlreiche
Märkte, der Transit- Produkten- und Fabrikaten-Handel durch gute
Straßen, einen Handelsrath und die 2 Messen zu Zurzach befördert. Ausfuhr: Getreide, etwas Wein, Mastochsen, Baumwollenwaaren und
Garn, Seiden- und Floretseidenband und Tücher, Strohgeflecht und
Hüte, Leder, Messer und Eisenwaaren, Stärke, Vitriolöl. Einfuhr: Vieh, rohe Stoffe zur Verarbeitung, Wollen- und Eisenwaaren, Farben,
Gewürze, Papier, Salz. Der C. prägt nach dem eidgenossischen
Münzfuße (Franken zu 10 Batzen von 10 Rappen) verschiedene Münzen,
auch Denk- und Veedienstmünzen; gerechnet wird nach obigem Fuß, oder
in Liv. zu 20 S. von 12 Den., oder in Guld.; Maß und Gewicht sind,
selbst die früheren getrennten politischen Zustände in Anschlag
gebracht, dennoch außerordentlich verschieden.♦ |
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Der C. ist ein Freistaat, das Volk wählt die
Gemeind- und Kreisvorsteher, und Zweidrittel seiner Stellvertreter
im großen Rath von 150 Gliedern, welcher die Souverain. ausübt, zur
Hälfte kathol. seyn muß und sein drittes Drittel wählt, den kleinen
Rath (von 13 Gl. unter dem Vorsitze eines Bürgermeisters) aus seinem
Mittel, zur Ernennung der Unterbeamten und Offiziere und zur
Verwaltung der öffentlichen Angelegenheiten ernennt, und den obersten Gerichtshof (Appellations-Gericht) wählt. In jedem Bezirke
ist ein Oberamtmann und ein Bezirksgericht, in jedem Kreise ein
Friedensrichter, in jeder Gemeinde ein Amman und Gemeindrath. Die
Friedensrichter sind die erste Instanz und vermitteln im
Durchschnitt vier Fünftel der Streitigkeiten; ein allgemeines
Gesetzbuch im Civile fehlt, im Criminale ist es vorhanden. Die
Polizei wird durch ein Polizeidepartement, die Oberamtmänner und
Unterbehörden verwaltet; ein allgem. Zuchthaus ist in Baden; das
wohleingerichtete Sanitätwesen besorgt der San. Rath, das Armenwesen
die Armen-Commiss., sowohl aus neuen Quellen, als aus älteren
Stiftungen; in Königsfelden bestehet ein Cant. Hosp. von 53 und ein
Irrenhaus von 34 Stellen, in Baden und Schinznach sind
Armen-Badanstalten. Die Gemeinden haben ihre beaufsichtigten Armengüter.
In der allgemeinen Brandcasse waren 1816 für 29,170,600 Fr. 25,419
Gebäude versichert. Die Posten sind ein Regale von 20 — 22,000 Fr.
Ertrag, das Hauptbureau in Aarau hat 13 andere unter sich. Die
Staatseinkünfte bestehen in Zehenden, Grundzinsen, Domainen,
Capitalzinsen, Zöllen und in geringeren Einnahmen und betragen
500,000 Fr., die Ausgaben 490,000.♦ |
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7. Die 48 reform. Pfarren sind in
2 Decanate und 4 Cl., Aarau, Zofingen, Lenzburg und Brugg
eingetheilt, die Regirung vergibt die Stellen, die kirchl. Geschäfte
besorgt der Kirchenrath, die 70 kathol. Pfarren stehen für einmal
theils unter dem Provicariat in Münster, theils unter dem Bisth.
Basel. Es sind im C. 3 Collegiat-Stifte, Zurzach, Baden und
Rheinfelden; diese nebst den Klöstern Muri, Hermetschweil,
Wettingen, Gnadenthal, denen in Baden und Bremgarten, so wie einige
auswärtige, vergeben die kathol. Pfründen. In Endigen und Lengnau
sind Synagogen.♦ |
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8. Schon seit früheren Zeiten war in dem zu Bern
gehörigen Theile des C. viel Wissenschaftl. Bildung und manche gute
Anstalt, jetzt wird seit 1803 viele Sorgfalt auf das Erziehungswesen
verwendet, ein Schulrath im C. und in jedem Bezirke ist aufgestellt,
ein Seminar errichtet, die Erbauung der Schulhäuser wird
unterstützt, die Besoldung der Lehrer ist bestimmt. Jeder Bez.
erhalt seine Secundarschule, der ganze C. eine Lehranstalt für beide
Confess., 10 Stipendien bestehen für Fähige.
In Aarau ist eine C.
Schule mit 8 Lehrern, in Ohlsberg eine Mädchenanstalt. Drei Schweiz.
Gesellschaften , die helvetische, die der Künstler und die
pädagogische versammeln sich im Aargau; für den C. selbst haben sich
die Gesellsch. der Geistl., der Ärzte, der Musikfreunde, und
vorzüglich die Gesellsch. für vaterl. Cultur gebildet, die in 5 Cl.,
für Staatswirthschaft, Geschichtkunde, Naturwissenschaft,
Landwirthschaft und Gewerbe und Wohlstand zerfällt.♦ |
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9. Der C. ist in
11 Militärbezirke getheilt: die bewaffnete Macht bestehet; a) aus
den Eli- |
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AARGLETSCHER |
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ten: 3 Comp. leichte Reuter, 3 Comp. Artillerie,
8 Bat. Infant., zusammen 5400 M.; b) Reserve: 31 Comp. Infant., 4
Comp. Artill. mit Stab und Train 5000 M.; c) Freikorps: 10, allemal
aus Cavallerie, Artillerie, Scharfschützen und Infant.,
zusammengesetzte Legionen, zusammen 5000 M. Jeder Aargauer ist von
16—36 Jahren dienstpflichtig.♦ |
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10. Als souv. Freistaat machte der C.
Aargau 1798 zuerst einen Theil des helvet. Bundesstaates aus, und
1803 des veränderten Staatenbundes ; nach Umstürzung der
Vermittelungs-Acte 1813 trat er 1814 dem neuen Bund der 19 Stände
und 1815 dem der 22 bei, bildet den 16. Stand, liefert zum
eidgenoss. Contingent 2410 M. und 48,000 Fr., befindet sich zur Wahl
eidgen. Repräs. in der 5. Cl., er ist in die unterm 20. Nov. 1815
der Schweiz zugestandene immerwährende Neutralität eingeschlossen,
unterm 18. Dec. 1816 dem heil. Bunde beigetreten, und hat mit
Frankreich und Holland für einige Comp. Truppen capitulirt.♦ |
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11. Die
Kenntniß des vormal. Zustandes dieses C. muß aus der Beschreibung
seiner im 1. §. angegebenen Bestandtheile hergenommen werden; s.
Leu's Lex. Zürich 1747 — 1765. 20 Thle. 4. Fäsi‘s Erdbeschr. der
Schw. Zürich 1765, 66. 4 Bde. 8. Normann's Darst. des Schweizerl.
Hamb. 4 Thle. 1795 — 98. 8. womit zu verbinden in histor. Rücksicht:
Tschudi's und Stumpf's Chroniken über die Schw. Müller's, Laufer's,
Meister's Eidgenoss. Geschichten; in Hinsicht auf das Frikthal Lutz:
das vorderöstr. Frikthal, Basel 1801. 8. Renu: le nouveau Suisse.
Bâle 1816. 8. und über das Kelleramt Hirzel's Landesbeschreibung
dess. in Füßli's Schweiz. Mus. 1. Jahrg. S. 614 f.; als Reise:
Maurer's kleine Reisen im Schweizerl. Zürich 1794. 8. als
Sittenschilderung zum Theil: Pestalozzi's Lienh. u. Gertrud. Zürich
1804. 8. Den jetzigen C. haben sämmtlich in Kürze behandelt; Lutz
Aarg. Denkwürdigk. Aar. 1804. 8. (Zschocke's) Umr. der Gesch. des
Aarg. Aar. 1816. 8. Ebel Anleit. die Schw. zu bereisen. Zürich 1810.
4. Thle. 8. Körner's Erdbeschr. der Schw. Winterth. 1805. 8. Ehrmann
Kunde von Helvet. und Ital. Weimar 1808. 8. (Fehr?) Natürl. und
polit. Kunde des C. Aarg. in der 2. Aufl. des Schweiz. Kinderfr.
Zürich 1812. 8. (Zschocke) topogr. statist. Beschreib. im Helvet.
Alman. 1816. Zürich 12. (Zschocke) Umr. der Landesbeschr. des Aarg.
Aar. 1817. 8. Eine Samml. der Gesetze ist 1808 — 1817 zu Aarau in 5
Bdn. erschienen; die Verfass. auch in Usteri's Handb. des Schw.
Staatsrechts. Aar. 1815. 8. Neben den älteren meist fehlerhaften
Charten der einzelnen Theile, enthält J. R. Meyers helvet. Atlas,
und die nach demselben 1803 von Scheurmann in Fol. u. 1816 in gr. 4.
zum Helv. Alm. gefertigte Charte die beste Abbildung des Cantons. |
(Wirz.) |
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