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Zedler: Seele [4] HIS-Data
5028-36-1051-4-04
Titel: Seele [4]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 36 Sp. 1076
Jahr: 1743
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 36 S. 551
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Hinweise:
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Übersicht
Beschaffenheit der Seele (Forts.)
  Historie dieser Lehre (Forts.)
 
  Neuzeit (Forts.)
 
  Eklektiker
 
  Descartes
 
  Gegner
  Cartesianer
  Christian Thomasius u.a.

Stichworte Text  
Eklektiker Einige haben nach der erwählten Art, eclectisch zu philosophiren, ihre eigene Gedancken von der Seele entdecket, von denen folgende anzumercken sind:  
Descartes
1) kommt für Cartesius, über dessen Lehre von der Beschaffenheit der menschlichen Seele viele Dispüte entstanden sind. Es hatte Cartesius die Gewißheit der äusserlichen Sinnen geleugnet, und indem er suchte, dem Scepticismo zu begegnen, so kam er auf den bekannten Schluß: Ich gedencke, E. bin ich, und meynte, dadurch auch von der Existentz der menschlichen Seele versichert zu seyn. Wie er das Wesen des Cörpers in der Ausdehnung setzte: also meynte er, das Wesen der Seele bestehe in den Gedancken, sie sey ein denckendes Wesen, wie davon die andere und sechste seiner meditationum zeugen.
 
 
  Um solche Meynung recht zu verstehen, müssen aus seinen Schrifften noch zwey Umstände hinzu genommen werden. Der eine ist, was er durch die Gedancken verstanden? In seinen principiis philosophiae findet man davon unterschiedene Stellen, daraus man seine Meynung deutlich sehen kan. Denn part. 1. § 32. heist es: Quippe omnes [acht Zeilen lateinischer Text]. Aus diesem siehet man, wie er das Wort Gedancken in gantz weitläuftigen Sinn nimmt, und darunter die Wirckungen des Verstandes und Willens begreifft.
 
 
  Er siehet auch die Empfindung vor eine gewisse Art der Gedancken an, wie er denn in dem angeführten Werck part. 1. §. 9. ausdrücklich saget: Cogitationis nomine [vier Zeilen lateinischer Text]. Nicht weniger erkennet man hieraus, wie er das Bejahen, Verneinen, Zweifeln, als Wirckungen ansiehet, die zu dem Willen gehören, welches wieder diesem Grund hat: Er bemerckte in der Seele Wirckungen und Leidenschafften, und meynte, daß jene zum Verstand; diese aber zum Willen gehörten, bey welchem Principio er weiter schliessen muste,
 
  {Sp. 1077|S. 552}  
 
  daß die Affecten zum Verstand, und das Judicium zum Willen zu rechnen. Denn er erkannte, daß die Affecten Leidenschafften, das Judicium aber, wenn man etwas bejahet, oder verneinet, eine Thätlichkeit der Seele wären. Daher er den vermöge seines angenommenen Satzes nicht anders konnte, als daß er die Affecten zum Verstand, und das Judicium zum Willen verwiese. Denn in seinem Tractat de passionibus Part. I. Art. 17. sagt er: Postquam ita [15 Zeilen lateinischer Text].
 
 
  Aus diesem kan man also erkennen, was Cartesius haben will, wenn er die Seele ein denckendes Wesen nennet, darüber sich einer seiner vornehmsten Anhänger Anton le Grand in denen institut. philos. part. 9. cap. 1. §. 5. pag. 683 also erkläret: Mens humana est substantia cogitans, id est, conscientia omnium cogitationum, voluntatum, appetituum, sensationum.
 
 
  Der andere Umstand, der hierbey zu erinnern, ist: ob das Wesen der Seelen in einer würcklichen Gedancke; oder nur in dem Vermögen zu gedencken bestehet? Da denn die Cartesianer das Erstere behaupten, und wenn die Rede von dem Sitz der Seelen ist wo sie sich aufhalte? so sagt man in der Cartesianischen Schule, sie befände sich vornehmlich in dem Gehirn, und zwar in der glandula pineali. Von den Cartesianern, welche diese Materie erkläret, wird sonderlich gelobet Ludewig de la Forge, welcher einen Frantzösischen Tractat de l'Esprit de l'homme, Paris 1666 geschrieben, der auch in das Lateinische gebracht worden, und den Titel bekommen hat: Ludovici de la Forge tr. de mente humana et ejus facultatibus, nec non de ejusdem unione cum corpore secundum principia Renati des Cartes, Amsterdam 1669.
 
Gegner des Descartes
  Von den Gegnern des Cartesius ist vieles dawider erinnert worden, von welchen nur einige angeführet werden sollen.
 
 
  Peter Daniel Huetius nimmt in der censura philosophiae Cartesianae cap. 3. diesen Punct aus der Cartesianischen Philosophie zu seiner Untersuchung vor. Er verwirfft, daß das Wesen der Seele nur in dem Dencken bestehe, und da sich Cartesius eingebildet, die Erkenntniß der äusserlichen Dinge, die Existentz eines Cörpers wären ungewiß, und man könne allein durch die Gedancken von der Existentz der Seele versichert seyn, so erinnert er, daß man ohne den Leib nicht gedencken könne; läst auch dasjenige nicht gelten, was er dafür gehalten, daß man die Seele nicht nur eher als den Leib erkenne; sondern daß auch solche Erkenntniß viel gewisser und deutlicher wäre.
 
 
  Clericus untersuchet in der pnev-
 
  {Sp. 1078}  
 
  matologia Sect. I, c. 2. die Frage: ob das Wesen der Seele in einer würcklichen Gedancke, oder in dem Vermögen zu gedencken, bestehe: und nachdem er angeführet, wie das erstere die Cartesianer beliebten, so berühret er die Gründe, die man dawider gemacht, und welche dieser Meynung zuwider sind. Das vornehmste davon kommt darauf an, wenn das Wesen der Seele in einem beständigen und würcklichen Dencken bestünde, so müste der Mensch zu allen Zeiten, er mag nun schlafen oder wachen, dencken; welches aber wider die Erfahrung sey, indem man im Schlaf nicht gedächte, und nur zuweilen Phantasien habe.
 
 
  Wollte Cartesius einwenden, man gedächte im Schlaf würcklich; man vergesse aber wieder, was man gedacht, und deuchte uns, weil wir uns der im Schlaf gehabten Gedancken nicht erinnerten könten, als gedächten wir gar nicht, so wäre diese Verantwortung nicht hinlänglich. Denn wenn dieses ein, oder ein paar mahl geschehe, so könnte man die Schuld der Vergessenheit zuschreiben; da aber dieses sich so oft zutrage, und nicht nur bey einem, sondern bey so vielen Menschen, so wäre gar nicht zu begreiffen, wie eine so beständige und allgemeine Vergessenheit angehen sollte, da sich dergleichen, wenn man wache, nicht äussere.
 
 
  Wenn Rüdiger in physica divina lib. 1. cap. 4. Sect. 2. §. 16. auf diesen Punct kommt, so setzt er sonderlich an dem Cartesius aus, daß er die Gedancken mit dem Wollen und der Empfindung vermischet. Denn er müsse entweder sagen, daß die Gedancke eine Leidenschafft, oder eine Würckung, oder beydes zugleich sey; nehme er sie vor beydes zugleich, so wäre das Wort Gedancke zweydeutig, weil Leiden und Würcken nicht einerley, auch keine Sache von ihr selbst etwas leiden könte; daß er aber diß Wort nicht zweydeutig könne genommen haben, sey daher zu schliessen, weil er in den Gedancken das Wesen der Seele setze; ein zweydeutiges Wesen aber zu behaupten, sei etwas ungereimtes. Auf solche Weise müsse er die Gedancke entweder vor was thätiges, oder vor was leidendes angesehen haben. Sey die Gedancke was thätiges, so könnte man die Empfindung nicht als eine Art, oder Gattung derselbigen ansehen, in dem alle Empfindung eine Leidenschafft; wenn sie aber was leidendes seyn sollte, so könnte man das Wollen nicht zu den Gedancken rechnen, welches Cartesius selbst vor eine Würckung hielt.
 
 
  Im Jahr 1719 kam zu Franecker von dem Johann Regius heraus: Cartesius versus Spinozismi architectus, worinnen er in Ansehung dieser Materie vornehmlich weisen will, daß er die Selbstständigkeit der Seele geleugnet. Denn c. 3. §. 3. p. 30 mercket er an, daß Cartesius nur eine Substantz zugelassen, indem er sie überhaupt beschrieben, das sie sei res, quae ita existit, ut nulla alia re indigeat ad existendum, und selbst darauf gestehe, daß dergleichen nur eine einige Substantz wäre, welche GOtt sey.
 
 
  In dem §. 4. p. 33. erinnert er, wie Cartesius zwar noch eine Definition von der Substantz gegeben, als wäre sie res solo Dei concursu indigens ad existendum, welche auf die Creaturen gehen solte; indem sie aber so beschaffen, daß die erstere dadurch aufgehoben werde, so habe er sie nur zum Schein
 
  {Sp. 1079|S. 553}  
 
  hingesetzt, und seine eigentliche Meynung bemänteln wollen, welche diese wäre, daß nur eine eintzige Substanz in der Natur sey, und da ausser dieser Substanz alle Dinge nur modi wären, so wären auch die Gedancken und die Ausdehnung nichts anders, als modi. Aus diesem schliesset Regius §. 6. p. 38. und §. 7. p. 39. das, wenn Cartesius die Seele eine rem cogitantem nenne, so wäre sie keine Substanz, sondern nur ein modus, und zwar, der sich in GOtt als der eintzigen Substanz befinde, welches er in dem folgenden vierten Capitel p. 40 u.ff. noch weiter auszuführen suchet.
 
 
  Doch ist auch hier nicht zu vergessen, wie Ruardus Andala den Cartesius wider die Beschuldigung der Spinozisterey entschuldigen wollen, welches dem Regius Anlaß gegeben, eine responsionem apologeticam entgegen zu setzen.
 
Cartesianer
  Die Cartesianer selbst sind nicht durchgehends mit dieser Lehre von der Seele zufrieden gewesen, wie denn Maubeccius principes physiques de la raison et des passions des hommes zu Paris 1709 heraus gegeben, worinnen er durchgehends den Grund-Sätzen des Cartesius nachgehet; wegen der Seele aber, daß ihr Wesen in dem Dencken bestehe, und sie würcklich allezeit gedencke, will ers nicht mit ihm halten, wovon die acta eruditor. 1709. p. 285 zu lesen sind.
 
 
  Es kommen allerdings zwey Haupt-Bedenklichkeiten dabey vor. Das eine betrifft die Selbstständigkeit der Seele, da wir eben mit dem Regius, dessen vorher gedacht worden; oder mit einem ungenannten, der Aubert de Verse heissen soll, und in seinem impie convaincu auch den Cartesius beschuldiget, er habe die Natur zu einem GOtt gemachet, nicht sagen wollen, er sei ein Spinoziste gewesen; gleichwohl aber ist dieses gewiß, daß er nicht sattsam erwiesen, wie die Seele ein selbstständiges, und von dem Cörper unterschiedenes Wesen sey. Denn indem er die Erkenntniß der cörperlichen Dinge vor ungewiß ausgeben will, so hat er keinen gewissen Grund, daher er weisen könte, warum die Würckungen, die man der Seele als einem selbstständigen Wesen beyleget, nicht von der Materie oder vom Cörper herkommen sollten.
 
 
  Das andere gehet das Wesen der Seele an, wobey er einen zweyfachen Fehler begangen. Einmal will er das Wesen einer Sache erklären, und giebt doch nur eine eintzige Wirckung dafür an. Denn in dem Dencken bestehet das Wesen der Seele nicht, welches nur eine Würckung, die aus dem Wesen fliesset, und ihre Ursachen haben muß, eben als wenn man sagen wollte, das Gold sey eine gelbe Materie. Hernach ist auch der Begriff, den er sich von den Gedancken gemacht, gantz unrichtig und verworren, wie Rüdiger in der vorher angeführten Anmerckung wohl gezeiget hat:
 
Christian Thomasius u.a.
2) folget Christian Thomasius, welcher in seinem Versuch vom Wesen des Geistes besondere Gedancken hat.
 
 
  Wenn er auf den menschlichen Geist kommt, so sagt er Sect. 7. thes. 13 und 14: Daraus folget, daß der menschliche Cörper in solcher Mixtur stehe, worinnen das meiste von Materie; das wenigste von Licht, und die Lufft in Mittel-Proportion sey, derowegen bestehet auch der Geist des Menschen so wohl aus der Mischung Lichts und Lufts, als anderer irdischer Cörper. Was hierbey erinnert werden könnte, das ist bereits unter dem Artickel Geist, im X Ban-
 
  {Sp. 1080}  
 
  de, p. 662 u.f. gedacht worden.
 
 
   
 
 
3) Gehöret hierher Israel Conradi, ein Doctor der Medicin zu Dantzig, welcher 1707 einen Tractat unter dem Titel: cognitio sui ipsius problematico-philosophico-medica herausgegeben, darinnen er vom Wesen der Seele eine besondere Meynung hat. Denn er hält sie für ein von GOtt erschaffenes Licht, so aus einem unserem Begriff nach geistlichen (Spiritu non immateriali) einfachen, unsichtbaren und mit verschiedenen Fähigkeiten begabten Wesen bestünde. Dieses Licht verhalte sich anders bey dem Menschen; anders bey dem unvernünftigen Vieh:
 
 
4) folgt Andreas Rüdiger, welcher auch in der physica divina lib. I. cap. 4. Sect. 4. seine besondere Hypotheses hierinnen hat. Er leget den Menschen einen doppelten Geist, mentem und animam, bey, daß er also aus drey Theilen bestehe. Der eine Geist, den er mentem nennet, verhalte sich gegen die bekommene Ideen würckend, die er zusammen setze, und voneinander scheide; dahingegen die anima nach den Ideen ihre Organa einrichte, und nur einen leidenden Verstand habe.
 
 
  Der erstere Geist oder mens habe das Vermögen zu gedencken und zu urtheilen, welches der animae nicht zukomme, die aber eine besondere Empfindung habe, ohne den sinnlichen Werckzeug wider Wissen vieles zu erkennen, wie an den Nachtgängern abzunehmen; auch das Vermögen, gegenwärtige Dinge zu weissagen, besitze. Den ersten Geist oder mentem theilt er ein in einen menschlichen und viehischen, davon der letztere entweder nur allein das Gedächtniß habe, wie bey den meisten Thieren zu sehen; oder auch zugleich das Ingenium, welches den Affen zukäme; der erstere aber, oder der menschliche, besässe das dreyfache Vermögen, sich zu erinnern, zusammen zu reimen und zu urtheilen, weil das dritte das andere; das andere das erste voraus setzte.
 
 
  Von dem mente saget er weiter, daß es nach dem Tode gleich von dem Cörper getrennet, und in die Ewigkeit versetzet werde; die anima aber gehe wie der Cörper unter, so, daß sie bisweilen nicht gleich von demselbigen scheide; auch auf Erden herum schweiffe, und mit einem zarten Leibe umgeben, noch unterschiedene Verrichtungen nach den in dem Leben geistlichen und cörperlichen eingedruckten Ideen hervor bringe. Da man ordentlich den Verstand und Willen als zwey Kräfte der Seele ansiehet, so sondert sie Rüdiger von einander, leget den Willen nicht dem menti, sondern der animae bey, wie er denn in der Proömial-Dissertation des sensu veri et falsi sich bemühet zu erweisen, daß der Verstand in dem Gehirn; der Wille aber in dem Hertzen sey; wobey auch die physica divina lib. 3. cap. 16. Sect. 2. zu lesen.
 
 
  So erhält man auch dafür, weil die Seele von aller Materie entfernet, so könte man ihre keine Ausdehnung beymessen, welche eine Eigenschafft der Materie, oder des Cörpers wäre; aber auch hierinnen gehet Rüdiger von der gemeinen Lehre ab, und behauptet, daß das Wesen des Cörpers nicht in der Ausdehnung bestehe, wie man insgemein dafür halte, und daher den Geist, welcher dem Cörper wesentlich entgegen stehe, die Extension abgesprochen. Er meynet, es habe diese gemeine Meynung viele ungereimte, und gefährliche Irrthümer herfür gebracht. Denn daher hätten ihren Ursprung die wunderlichen Ge-
 
  {Sp. 1081|S. 554}  
 
  dancken des Cartesius von dem Raum, als wäre solcher nur dem Begriff nach von dem Cörper unterschieden, und von der Unendlichkeit der Welt, ingleichen des Gassendus, als wäre noch was drittes zwischen der Substantz und dem Accidente, weil das Leere ohne Zweifel etwas sey; aber weder ein Cörper, noch ein Geist, und daher weder eine Substantz noch ein Accidens; ferner des Heinrich Morus von dem principio hylarchico, welches er als ein ausdehnendes Wesen dem Ausgedehnten entgegen setzte, und daher meynte, es wäre ein allgemeiner Welt-Geist, der nichts anders, als ein unbeweglicher Raum; wie nicht weniger vieler neuen Philosophen, die sich die Seele als was cörperliches eingebildet; oder ihren Ursprung aus einer Einführung (per inducem) herleiten wollen, da doch die Meinung von der Überführung (per traducem) weit leichter; die sie aber nicht annehmen könnten, indem sie das Wesen des Cörpers in der Ausdehnung gesuchet; oder die sich in die Vereinigung der Seele mit dem Leibe nicht zu schicken gewust, weil keine Vereinigung ohne Berührung geschehen könnte; noch eine Berührung ohne der Ausdehnung, und wenn also alles ausgedehnte cörperlich nach ihrer Meinung sey, so hätten sie sonst die Seele nothwendig vor cörperlich halten müssen, zu geschweigen, wie die gantze mechanisch-mathematische Physick der Cartesianer und Atomisten auf dieser Lehre beruhte. Denn da die Physick vornehmlich von den natürlichen Cörpern handelte; des Cörpers Natur aber in der Ausdehnung, als einer Art der Qualität, die nothwendig eine Figur bey sich haben müste, bestünde, so flössen daraus die mechanisch-mathematischen Principien.
 
 
  Seinen Beweis, daß auch dem Geist die Ausdehnung zukomme, folglich das Wesen des Cörpers nicht darinnen bestehen könne, richtete er so ein: Wenn sich der Geist wo befände, es sey an einem Ort oder in einem Raum, so müsse er denselbigen ausfüllen; diese Ausfüllung aber könne nicht anders geschehen, als daß der Geist als in einem Physischen Punct appliciret werde, welches ohne Ausdehnung nicht angienge, dergleichen Umstände noch mehr angeführt werden, daraus seiner Meinung nach die Ausdehnung eines Geistes, folglich auch der menschlichen Seele erhellen soll, wovon die physica divina lib. 1. c. 2. Sect. 1. §. 2. u.ff. zu lesen ist:
 
 
5) Gedencken wir des Raphsons, welcher eine demonstrationem de Deo, sive methodum ad cognitionem Dei naturalem brevem ac demonstrativam heraus gegeben, die zu Londen 1710 zum Vorschein gekommen, und zu Leipzig 1712 nachgedruckt worden. Es befinden sich dabey epistolae miscellaneae, die zum Theil von dem Wesen und von der Unsterblichkeit der Seele handeln. Denn das erste Sendschreiben erzehlet einige Meinungen der alten Philosophen vom Wesen der Seele, und stellet insonderheit eine Vergleichung zwischen der Meinung des Cowards von der Seele, welche schon oben sind vorgestellet worden, und den Einfällen des Lueretius an, denen sie gantz nahe komme; daß er aber auf diese Gedancken gerathen, käme daher, weil er sich keine Seele ohne Ausdehnung und Materie vorstellen können.
 
 
  Das andere stellt die Meynung des Hobbes, und das dritte des Spinoza
 
  {Sp. 1082}  
 
  von eben dieser Materie vor, da denn Raphson p. 100. von Leibnitzen einfliessen lässet, wie er den Hobbesianischen Concept von der Seele angenommen, indem er in der theoria motus abstracti, welche der hypothesi physicae novae beygefüget, den Cörper mentem momentaneam genennet, gleichwie Hobbes meinte, das Wesen der Seele bestünde in einer beständigen Succeßion der Ideen, die von der Materie, oder dem Cörper herkämen, indem er darinnen mit dem Spinoza überein kommt, daß er alles vor materiell hält.
 
 
  In dem vierten Briefe wird Cartesius mit seinen Anhängern herum genommen, daß er sich eingebildet, es könnten Substantzen ohne einer Ausdehnung bestehen. Denn es glaubt Raphson, daß ein solcher Concept eine leere Einbildung sey, und gieng nicht an, daß eine Substantz ohne der Ausdehnung seyn könnte; nur solte man das extensum und materiale nicht mit einander vermischen. Aus diesem läßt sich schon voraus sehen, was er sich von der Seele vor einen Begriff gemacht. Denn er meynt, sie sey eine ausgedehnte, geistliche, endliche und belebte Substantz, deren Leben die Gedancke sey.
 
 
  In dem fünften Brief heist es deswegen pag. 127. Mens seu anima est substantia extensa spiritualis et autozōos facultate agendi a se ipsa, reagendi in impressiones ab extra, et actionem, et reactionem istas (contra quod in materia accidit) continuandi praedita.
 
 
  Wie dieser Autor überhaupt sehr dunckel schreibt, also ist auch insonderheit der Unterscheid, den er unter der materiellen und geistlichen Ausdehnung machet, so beschaffen, daß er sich schwer einbilden lässet:
 
 
6) Kommt Joh. Clericus zu betrachten vor, welcher in der pnevmatolog. Sect. I. cap. 1. §. 10. meinet, man könne wohl sagen, daß die Seele, soweit sie uns bekannt sey, nichts anders wäre, als eine Substantz, welche gedencken könnte; cap. 3. aber setzet er sieben Kräfte, welche sie habe, als intellectum, voluntatem, sentiendi facultatem, libertatem, phantasiam, memoriam und die habitus; bey welcher Abtheilung sowohl Unordnung als Unrichtigkeit wahrzunehmen.
 
 
  Denn er macht ohne Ursach gewisse Kräfte, als wenn er dem Verstand das Vermögen zu empfinden, die Phantasie und das Gedächtniß entgegen setzet, die doch vielmehr unter dem Verstand begriffen, daß wenn er sie ja hätte nennen wollen, so wäre nöthig gewesen, daß er vorher die Haupt-Kräffte der Seele angeführet, hierauf gezeiget, was eine iede von denselbigen wieder vor Kräffte hätte. So kan man auch die Freyheit vor keine besondere Krafft ansehen, welche vom Verstand und Willen unterschieden sey, und da er die natürlichen Vermögen der Seele erzehlen will, so siehet man nicht, wie die habitus darunter kommen, welches Geschicklichkeiten und Fertigkeiten, etwas auszurichten, sind, die man durch Fleiß und Mühe erlanget; aber nicht von Natur hat;
 
 
7) Syrbius sagt in der philosophia prima part. 1. c. 1. §. 23: die Seele sey ein vernünftiger freyer und unsterblicher Geist, die selbstständige Form des Menschen, und das hinreichende und nechste Principium der menschlichen Handlungen; cap. 5. §. 16. aber theilet er ihre Kräffte ein, in innerliche und äusserliche; jene wären, welche die Seele besonders angiengen, und in derselbigen nur ihr Werck hätten, so Verstand und Willen;
 
  {Sp. 1083|S. 555}  
 
  diese aber äusserten sich nur fast an dem Leibe, und begriffen wieder die wachsthümliche und bewegende Krafft: zu der facultate vegetativa rechnet er die nutritivam, augmentativa und generativam; zu der motrici aber die locomotivam, und die facultatem loquendi:
 
 
8) wird auch nöthig seyn, zu sehen, was Herr Christian Wolff von der Seele philosophiret, zumahl dieses bisher auch ein streitiger Punct gewesen. Weil aber verschiedene Umstände bey seiner Lehre von der Seele, die verworffen worden, fürkommen, so wollen wir ietzo nur bey dem Wesen der Seele bleiben, und erstlich seine Meinung mit seinen eigenen Worten anführen, und hierauf die Einwürffe, nebst seiner Verantwortung hinzusetzen.
 
 
  Es kommt hier alles darauf an, was er für eine Definition von der Seele gemacht, folglich, wie er ihr Wesen vorgestellet. In der ratione praelectionum p. 150. heist es: anima est substanti universi repraesentativa, cujus differentia specifica fundatur in eo, quod modus repraesentandi universum pendeat a corpore quodam organico et ejus in universo situ; und in der Metaphysick §. 894. sagt er: Die vorstellende Krafft macht das Wesen und die Natur der menschlichen Seele aus, und §. 1077: Das Wesen der Seele bestehet in der Krafft, sich die Welt vorzustellen nach dem Stand ihres Leibes in der Welt und denen daher in den Gliedmassen der Sinnen sich ereignenden Veränderungen.
 
 
  Aus diesem siehet man, daß in der Krafft, sich die Welt vorzustellen, das Wesen der Seele bestehen soll, und davon findet man noch andere Stellen in der Metaphysick, als
 
 
 
  • § 745: Unterdessen, da sie ein einfaches Ding ist, in einem einfachen Dinge aber keine Theile seyn können: so können auch in der Seele nicht viele von einander unterschiedene Kräffte anzutreffen seyn, in dem fast iede Krafft ein besonderes vor sich bestehendes Ding erfoderte, dem sie zukäme. Und also ist in der Seele nur eine einige Krafft, von der alle ihre Veränderungen herkommen, ob wir zwar wegen der verschiedenen Veränderungen jede verschiedene Nahmen beyzulegen pflegen;
  • §. 754. da die Seele nur eine einige Krafft hat, von der alle ihre Veränderungen herkommen, so uns von dieser Krafft, dadurch sie sich die Welt vorstellet, auch alles das übrige herrühren, was wir in ihr veränderliches wahrnehmen;
  • §. 755: Weil demnach diese Krafft der Grund ist von allem demjenigen, was in der Seele vorgehet, so bestehet in ihr das Wesen der Seele, und sie ist solchergestalt das erste, was sich von der Seele gedencken lässet. Ja, wer sie deutlich erkennet, der ist in dem Stande, den Grund anzuzeigen von allem, was der Seelen zukommet;
  • §. 758: Was in der Krafft gegründet ist, das folget nicht aus dem Wesen der Natur der Seele, und ist demnach in Ansehung der Seele übernatürlich;
  • §. 784: Wir treffen in der Seele weiter nichts an, als eine Krafft, sich die Welt vorzustellen, und diese ist dasjenige, was in ihr fortdauert, und sie zu einem vor sich bestehenden Wesen macht. Alle Veränderungen demnach, die man in ihr wahrnimmt, sind nichts, denn verschiedene Einschränckungen derselben Krafft, wodurch sie determiniret wird, da sie vor und an sich selbst auf die gantze Welt nach allem ihrem Raum und ihrer Zeit gehet. Der Grund der Einschrän-

    {Sp. 1084}

    ckung bestehet in dem Stande des Cörpers in der Welt, und weil er veränderlich ist, in allen seinen Veränderungen;
  • §. 808: Weil in der Seele nur eine einige Krafft ist, davon alle ihre Veränderungen herrühren, so muß die Krafft, die Welt vorzustellen, auf die gantze Welt gehen, sowohl dem Raume, als der Zeit nach, und also nicht allein auf den gegenwärtigen, sondern auch auf den zukünfftigen und vergangenen Zustand.
 
 
  Er lehret weiter, daß die Seele sich die Welt und die cörperlichen Dinge ohne Beyhülffe des Leibes vorstelle, ja solche Vorstellungen haben würde, wenn auch gar keine Welt und keine cörperliche Dinge vorhanden wären. Denn so sagt er
 
 
 
  • § 777. metaphysic. ausdrücklich: Da der Leib gar nichts zu den Empfindungen in der Seele beyträget; so würden alle eben so erfolgen, wenn gleich gar keine Welt vorhanden wäre: welches auch Cartesius erkannt, und längst vor ihm schon vor diesem die Idealisten, welche nichts als Seelen und Geister zugaben, der Welt aber weiter keinen Raum als in den Gedancken einräumten. Ja, es erhellet aus dem, was oben erwiesen worden, daß wir auch alles ausser uns sehen, hören, und auf andere Art empfinden würden, wenn auch gleich von cörperlichen Dingen ausser uns nichts da wäre,
  • und § 819: Weil die Seele durch ihre eigenthümliche Krafft die Empfindungen hervor bringt; so kommen die Bilder und Begriffe der cörperlichen Dinge nicht von aussen hinein, sondern die Seele hat sie in der That schon in sich, und wickelt sie nur gleichsam in einer mit dem Leibe zusammen stimmenden Ordnung aus ihrem Wesen heraus.
 
 
  Alles, was dawider eingewendet worden, kommt auf 3 Stücke an:
 
 
 
  • Erstlich habe er von der Seele eine solche Vorstellung gemacht, daß sie aller Freyheit beraubet werde, weil nach seinen Principien die Vorstellungen in der Seele nothwendig und in unverrückter Ordnung erfolgen müsten;
  • hernach, daß er der Seele zu wenig beygeleget, wenn sie nur eine Vorstellungs-Krafft haben solte;
  • und drittens, daß er hier etwas behaupte, das kein Mensch begreiffen könnte, daß man alles ausser uns sehen, hören, riechen, schmecken und fühlen würde, wenn gleich keine Welt, nichts von cörperlichen Dingen vorhanden wäre.
 
 
  Doch es wird nöthig seyn, die Einwürffe selbst anzuführen, und zugleich zu sehen, was er darauf geantwortet hat, auch was wieder dagegen eingewendet worden.
 
 
  D. Buddeus in dem Bedencken über die Wolffianische Philosophie num. 11. erinnert dawider, daß die Vorstellung, in deren Krafft er das Wesen der Seele setze, bey ihm nur eine Empfindung, und also nicht sowohl eine actio als nur eine passio sey, welches an sich nicht nur irrig sey; sondern es werde dadurch auch der Grund geleget, die Seele aller Freyheit zu berauben.
 
 
  Dahin gehören denn auch, daß er die Seele nicht anders als ein Uhrwerck concipire, darinnen alle perceptiones cogitationum, volitionum, decretorum, ja alle Bewegungen in einer unverrückten Ordnung, wie in der mechanischen Welt, auf einander folgten. Sage er, daß die Seele alle Ideen in sich habe, und sie nur gleichsam in einer mit dem Leibe zusammen stimmenden Ordnung aus ihrem Wesen heraus wickele, so sey diese Auswickelung der Ideen nicht
 
  {Sp. 1085|S. 556}  
 
  von einer freywilligen Action zu verstehen, welches daraus erhelle, weil er theils der Seele nur eine Empfindung beylege, theils alles ex nexu caussarum et effectuum herleite, daher es auch hiesse, daß alle Empfindungen der Seele erfolgen würden, wenn gleich gar keine Welt vorhanden wäre.
 
 
  Hierauf gab Herr Wolff in den Anmerckungen über das Buddeische Bedencken p. 84. diese Antwort: Nach dem Systemate verhielte sich die Seele active, welcher er eine Krafft, die Vorstellungen hervor zu bringen, beylege; eine Krafft aber involvire einen conatum continuum agendi. Es sey falsch, daß er die Seele als ein Uhrwerck vorstelle; ihre Freyheit aber habe er anderswo sattsam gelehret. In den Empfindungen sey keine Freyheit nöthig; er lege aber der Seele mehr, als eine Empfindung drey, und bleibe nochmals bey der Meinung, daß alle Empfindungen der Seele erfolgen würden, wenn gleich gar keine Welt vorhanden wäre. In der bescheidenen Antwort auf diese Anmerckungen p. 80 u.ff. heist es: Diese ietzt angeführte Verantwortung sehe gewiß gar verworren aus, und widerspreche sich selber.
 
 
  Man hat, um solches zu beweisen, Gelegenheit genommen, die Sache ausführlicher vorzustellen, und nachdem man dargethan, wie er das Wesen der Seele blos in der Vorstellungs-Krafft gesetzet, so zeiget man weiter, daß bey ihm die Vorstellung oder Idee und die Empfindung einerley sey. Es sey wohl wahr, daß er sage, die Seele verhalte sich als ein thätiges Wesen, indem sie empfinde; darauf aber käme die Frage nicht an, indem die Activität die necessitatem noch nicht aufhebe, weil man in der Natur viele Cörper anträffe, die agirten, aber per rationem mechanicam necessario, folglich beruhe die Controvers darinnen, ob er der Seele eine freye Vorstellungs-Krafft beylege, und nicht viel mehr statuire, daß alle Vorstellungen, Gedancken oder Empfindungen, wie er rede, nothwendig geschehen müsten?
 
 
  Das letztere behaupte er allerdings: Denn
 
 
 
  • § 767 metaphys. hieß es: Es ist demnach zu mercken, daß die Veränderungen der Welt alle in einer unverrückten Ordnung auf einander erfolgen, und weil gleichfalls in der Seele der vorhergehende Zustand den Grund von dem folgenden in sich halten muß, die Empfindungen in der Seele gleichfalls in einer unverrückten Ordnung auf einander erfolgen. Da nun die Empfindungen die Veränderungen in der Welt vorstellen; so ist nur nöthig, daß sie im Anfange einmahl mit einander in einer Harmonie gebracht worden, und es kan nach dieser dieselbe beständig fort dauren;
  • und §. 792. Wenn man demnach urtheilen will, was für Empfindungen die Seele haben kan, und warum sie sich in ihr ereignen, auch so, und nicht anders, beschaffen seyn können; so dürffen wir nur forschen, was der Stand unseres Leibes in der Welt für Veränderungen haben, und was sich so wohl deswegen als nach Beschaffenheit der Gliedmassen der Sinnen für Veränderungen in ihnen ereignen können. Ja, daß er die Krafft der Seele nicht anders, als eine mechanische Krafft ansehe, erhelle aus dem 943. §. met. Weil die vorstellende Krafft das Wesen und die Natur der Seele ausmachet, das Wesen aber nothwendig und unveränderlich ist; so bringet die Seele diese und nicht andere Vorstellungen, und

    {Sp. 1086}

    zwar in dieser und nicht in anderer Ordnung hervor, weil es ihre Krafft nicht anders mit sich bringet.
 
 
  Gesetzt, heist es weiter, man wolte auf diesen Punct nicht sehen, daß er eine solche Beschreibung von der Seele gemacht, dabey sie aller Freyheit beraubet werde, so habe er doch derselbigen zu wenig beygeleget, wenn sie nur eine Vorstellungs-Krafft haben solte. Den Beweis, den er deswegen führe §. 745. metaph. die Seele sey ein einfaches Ding, daher habe sie nur eine eintzige Krafft, sey nicht sonderlich gerathen. Denn wer werde doch a simplicitate entis ad unicam illius facultatem schliessen, und man sehe nicht, warum ein einfaches Ding nicht verschiedene seinem Wesen gemässe Kräffte haben sollte? Daß er behaupte, man werde die Empfindung der cörperlichen Dinge haben, wenn auch keine Welt vorhanden, sey eine Grille.
 
 
  So weit ist die Vertheidigung dessen, was D. Buddeus an der Lehre vom Wesen der Seele des Herrn Wolffens ausgesetzet, gegangen. Wider diese bescheidene Antwort gab er die nöthige Zugabe zu den Anmerckungen heraus, wo er p. 151. in Ansehung dieses Puncts saget; er wolle davon weiter nichts schreiben, er habe sich deutlich genug erkläret.
 
 
  Ausser diesem hat Herr D. Joachim Lange vieles wider diese Wolffische Lehre vorgebracht. Er untersucht sie viel weitläufftiger, als in den Buddeischen Streit-Schrifften geschehen. Denn in der bescheidenen und ausführlichen Entdeckung der falschen und schädlichen Philosophie in dem Wolffianischen Systemate metyphysico p. 112 u.ff. zeiget er, wie die Wolffische Definition von der Seele grundfalsch, und wenn sie auf den Menschen gehen solte, viel zu enge eingeschräncket sey, und so beschaffen, daß dieselbige ein Atheist annehmen, vermöge derselbigen GOtt und göttliche Dinge, die Unsterblichkeit der Seele läugnen könne, auch mit dem Spinozismo überein komme.
 
 
  Wegen der eintzigen Krafft, sich die Welt vorzustellen, worinnen das Wesen der Seele bestehen soll, erinnert er p. 117, daß man in der Seele noch so vieles antreffe, welches man aus dieser Vorstellungs-Krafft gar nicht leiten könte, und aus der Meinung, daß die Seele sich Vorstellungen von cörperlichen Dingen ohne Beyhülffe des Leibes, ja, wenn auch keine Welt vorhanden wäre, machen könte, zieht er p. 120. folgende Schlüsse:
 
 
 
1) Nach dem Systemate Wolffiano kan und darf niemand etwas durch den Gebrauch der Gliedmassen seiner Sinnen, sonderlich des Gehörs und des Sehens lernen, und also ist alles Lehren und Zuhören vergeblich und überflüßig;
 
 
 
2) Das Systema Wolffianum widerspricht Paulo gleichsam ins Angesicht, wenn dieser saget, daß der Glaube durch die Predigt, und durchs Gehör komme. Röm. X, 17.
 
 
 
3) Wenn der Herr Autor novi Systematis Paulo und zugleich der beständigen Erfahrung nicht contradiciren will, so muß er, so offt der Glaube durch Anhörung des Evangelii angezündet und gestärcket wird, darinn nicht allein lauter Wunderwercke admittiren; sondern auch zugeben, daß dadurch sein Systema und darinnen sonderlich die harmonia praestabilita unzehlig mahl zerstöret wird.
 
 
 
4) Das Systema Wolffianum redet dem enthusiasmo das Wort; doch also, daß es zum puren naturalismo führet:
 
 
 
5) Das Systema Wolffi-
 
  {Sp. 1087|S. 557}  
 
 
  anum führet auf solche grosse und ungeheure Natur-Geheimnisse, welche nicht allein lauter Wunderwercke in sich halten und über einen Begriff gehen; sondern auch wider die gesunde Vernunfft und Erfahrung streiten.
 
 
 
6) Das Systema Wolffianum kan kein Verständiger ohne Verleugnung der gesunden Vernunfft annehmen.
 
 
  Er hat auch in der modesta disquisitione p. 72 u.ff. dasjenige beantwortet, was Herr Wolff zur Vertheidigung seiner Definition der Seele in der commentatione de differentia nexus rerum sapientis et fatalis necessitatis §. 22. p. 73. angebracht hat.
 
 
  Rüdiger hat in einer besondern Schrifft des Herrn Wolffs Meinung von der Seele untersuchet, deren Titel ist: Wolffens Meinung von dem Wesen der Seele und eines Geistes überhaupt, und Rüdigers Gegen-Meinung, welche 1727 heraus gekommen; es hat aber der Herr Wolff nicht darauf geantwortet; Daher Herr Hoffmann seinen 1729 edirten Gedancken über Wolffens Logick einen Anhang beygefüget, darinnen er Wolffen auf die von Rüdigern gemachte Einwürffe zu antworten, einladet.
   
 

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Stand: 5. April 2013 © Hans-Walter Pries