Titel: |
Ungelehrsamkeit |
Quelle: |
Zedler Universal-Lexicon |
Band: |
49 Sp. 1425 |
Jahr: |
1746 |
Originaltext: |
Digitalisat BSB
Bd. 49 S. 728 |
Vorheriger Artikel: |
Ungelegenheit eines Tutorn (die) |
Folgender Artikel: |
Ungelehrte |
Siehe auch: |
|
Hinweise: |
- Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe
Hauptartikel
|
|
Text |
Quellenangaben |
|
Ungelehrsamkeit, ist eine
Gegeneinanderhaltung der
Gelehrsamkeit, eine
Erkenntniß
gelehrter
Wahrheiten ohne
Grund,
ohne scharffsinnigen
Begriff. |
Müllers Philos. I Th.
… |
|
Es kan aber die Ungelehrsamkeit der
Weißheit gar wohl verknüpffet seyn. Denn die
gelehrten Wahrheiten, sonderlich die practischen
werden ja nicht etwa nur zum
Dienst und
Nutzen
der
Gelehrten, sondern zur Beförderung der
Glückseligkeit des
menschlichen
Geschlechtes,
und also zum Dienst und Gebrauch auch der
Ungelehrten, erfunden. Und warum solte man also
einen Menschen der, ob er gleich die zu einem
weisen Leben erfoderten Wahrheiten aus ihren
tiefsten Gründen selbst herzuholen nicht fähig ist,
dennoch aber durch guten
Unterricht von dem
Wege der Thorheit sich auf den Weg der Weisheit
leiten lässet, nicht vor einen weisen Mann paßiren
lassen, da er vielmehr mit weit mehreren Grunde
der Wahrheit ein Weiser ist, als der tiefsinnigste
Gelehrte, der den Weg der Weisheit durch
eigenes Nachdencken erkennet, aber auf dem
Wege der Thorheit würcklich wandelt. |
|
|
Gleichwie also in vielen Gelehrten
Gelehrsamkeit ohne Weisheit ist, also kan
gleichergestalt in einem Ungelehrten, der jedoch
die
Regeln der Tugend und
Klugheit, so viel ihm
nach seinem
Stande vonnöthen, durch guten
Unterricht, blos auf gemeine Art erkennet, eine
wahrhaffte Weisheit ohne Gelehrsamkeit seyn.
Jedoch folget daher nicht, daß auch in dem
gantzen menschlichen Geschlechte, eine
zulängliche Weisheit ohne Gelehrsamkeit seyn
könne. Sondern gleichwie der
allgemeine Nutz
des menschlichen Geschlechts erfodert, daß eine
gnungsame Anzahl von
Bauren,
Handwerckern,
Kaufleuten, in der menschlichen
Gesellschafft sey;
obgleich nicht eben ein jeder ein Bauer,
Handwercker, Kaufmann seyn muß; also erfodert
auch der allgemeine Nutz des menschlichen
Geschlechts, daß eine genugsame Anzahl
rechtschaffener und mit gründlicher Einsicht
begabter Gelehrten unter den Menschen zu finden
sey; obgleich ebenfalls nicht eben ein jeder
gelehrt seyn muß. |
|
|
Wiewohl es nun allen Menschen gegeben ist
weise zu werden, wenn sie nur wollen, so muß
man doch auch einen Unterschied unter einer
einfältigen die auf einer bloß gemeinen
Erkänntniß, theils gemeiner, theils mitgetheilter
gelehrter Wahrheiten beruhet, und einer gelehrten
Weisheit, welche mit eigener scharffsinnigen
Erkänntniß des wahren Guten verbunden ist,
machen; und dabey erwegen, daß also nicht eben
alle Menschen eine gelehrte Weisheit besitzen
müssen. |
Müllers Philosoph. I Th.
… |
|
|
|
|
|