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Zedler: Gelehrsamkeit HIS-Data
5028-10-725-4
Titel: Gelehrsamkeit
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 10 Sp. 725
Jahr: 1735
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 10 S. 376
Vorheriger Artikel: Gelegenheit
Folgender Artikel: Gelehrten-Historie
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text   Quellenangaben
  Gelehrsamkeit, ist eine fertige Geschicklichkeit diejenigen zum Nutzen des Menschlichen Lebens nöthigen Wahrheiten, die nicht unmittelbar in die Sinne fallen, sondern nur durch künstliches Nachdencken sich erforschen lassen, scharffsinnig, und aus ihren Grunde zu erkennen, zu Beförderung wahrer Weißheit unter den Menschen und folglich zu Erlangung wahrer Glückseligkeit.  
  Sie wird eine fertige Geschicklichkeit die Wahrheit zu erkennen genennet, zum Unterscheid der falschen Gelehrsamkeit, als welche letztere unter dem Schein der Wahrheit uns mit Irrthümern abspeiset. Es hat aber die Gelehrsamkeit zum Object solche Wahrheiten, die nicht unmittelbar in die Sinne fallen, sondern durch künstliches Nachdencken müssen erlernet werden; dahero sind diejenigen noch vor keine wahrhafftig-Gelehrte zu halten, deren Wissenschafft nur bloß auf den Gedächtniß beruhet: Denn solcher gestalt müssen wir jeden Handwercks-Mann vor einen Gelehrten halten, als welcher viel Wahrheiten, sonderlich Mathematische, begriffen hat, allein lauter solche, die unmittelbar in die Sinne fallen.  
  Daß aber alle Gelehrsamkeit zu Beförderung wahrer Weißheit unter den Menschen, und folglich zu Erlangung wahrer Glückseligkeit dienen müsse, darinnen unterscheidet sich die wahre Gelehrsamkeit, von einer Pedantischen Wissenschafft wodurch wir eine zahlreiche Wissenschafft ausgekünstelter, auch obwohl scharffsinniger Gedancken die aber keinen Nutzen haben, verstehen. Demnach hat die Gelehrsamkeit allein ihren Sitz in den Verstand: Denn sie ist eine scharffsinnige Erkänntniß der Wahrheit, das ist, des guten und des bösen, in so fern es als ein Gegenstand des Verstandes betrachtet wird.
  • Müller. Einleitung in die Philosoph. Wissenschafften, Eingang. c. 2.
  • Adolph Friedr. Hoffmann, von dem jetzigen Zustand der Gelehrsamkeit, Leipz. 1734. in 4.
  Heut zu Tage pflegt man einen Unterscheid zu machen unter der Gelehrsamkeit, und unter der Gelahrheit, oder Gelehrtheit. Durch jene verstehet man die Geschicklichkeit, diejenigen Wahrheiten zu fassen, welche wir oben beschrieben haben; in welchen Verstande die Gelehrsamkeit sich bey jeden Menschen befindet: Durch die Gelahrheit oder Gelehrtheit aber verstehet man die schon erlangte Wissenschafft solcher benannten Wahrheiten.  
     

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Stand: 21. Januar 2013 © Hans-Walter Pries