Titel: |
Geselligkeit |
Quelle: |
Zedler Universal-Lexicon |
Band: |
10 Sp. 1260 |
Jahr: |
1735 |
Originaltext: |
Digitalisat BSB
Bd. 10 S. 647 |
Vorheriger Artikel: |
Gesellen-Zeichen |
Folgender Artikel: |
Gesellschafft |
Siehe auch: |
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Hinweise: |
- Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe
Hauptartikel
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Text |
Quellenangabe |
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Geselligkeit, ist eine
Pflicht mit andern
Menschen eine
friedliche und dienstfertige
Gesellschafft zu unterhalten, damit alle durch alle ihre
Glückseligkeit
erlangen mögen. |
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Da die Geselligkeit zum
Zwecke unserer
eigenen Glückseligkeit erfordert, daß
wir einander
vernünfftig
lieben, und also die
Pflichten, die wir andern aus
vernünfftiger Liebe zu erweisen
schuldig sind, uns zu unsern selbst eigenen
Besten als unumgängliche
Mittel desselben von
GOtt und
Natur auferleget sind,
ein Mittel aber mit gleichem, und nicht mit geringern Grade der
Begierde, als
mit welchen man nach dem Zwecke strebet, angewendet werden
muß; indem die
Begierde des Mittels in
würcklicher Anwendung des Mittels keine andere ist als
die Begierde des Zweckes selber durch das Mittel, welche Begierde sich selbst
nicht zuwieder seyn kan: so folget, daß mit so grosser und inniglicher Begierde
ein jeder den
Zweck seiner eigenen Glückseligkeit suchet, und also sich selbst
vernünfftig liebet, mit eben so grosser und inniglicher Begierde, und mit nicht
geringerer, er andern Menschen die ihnen schuldige Pflichten erweisen müsse. |
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Alle andere
Menschen nun haben sowohl einen letzten
Zweck, nemlich ihre
Glückseligkeit, als wir selbst die Unsrige zu unsern letzten Zweck haben: sie
haben auch alle von
Natur mit uns gleiches
Recht nach denenselben zu streben,
und unsere
Pflichten gegen sie sind zugleich eben so
nöthige und unentbehrliche
Mittel ihrer Glückseligkeit, als unserer eigenen, und als gleicher
Gestalt ihre
schuldige Pflichten gegen uns nöthige und unentbehrliche Mittel so wohl der
ihrigen, als der unsrigen sind. |
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Dahero da wir andern
Menschen, die ihnen schuldige
Pflichten mit so grosser
und inniglicher
Begierde und Zuneigung zu leisten
verbunden sind, als wir nach
unsrer eigenen Glückseligkeit streben, so müssen wir unstreitig verbunden seyn
ihre Glückseligkeit mit so grosser und inniglicher Begierde zu befördern als
unsere eigene; gleichwie auch ihnen eben diese
Pflicht oblieget. |
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Eine inniglicher vernünfftige Zuneigung gegen eine
Person, ihre
Glückseligkeit befördern, heisset die
Liebe: Derowegen sind, Vermöge der
Geselligkeit alle
Menschen einander zu lieben schuldig, als sich selbst. |
Müller Natur- und Völcker-Recht, 2. |
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