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Physik |
Natur, Natura, es
werden in der Physick von diesem
Wort allerhand
Bedeutungen angemercket, welche
sich gar füglich in drey
Classen bringen lassen. |
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Denn erstlich
verstehet man darunter
GOtt, als den Urheber der gantzen
Welt,
weswegen die Scholastici die Natur in Naturam naturantem, die GOtt sey,
und naturam, so die erschaffene Welt wäre, theilten, dabey man sich
aber wohl vorzusehen hat, daß man man ihn mit den Geschöpffen nicht vor eins
halte, und dadurch seine
Existentz gar aufhebe. Dahin die
Philosophie vieler
alten
Welt-Weisen gienge, die zu den neuern Zeiten Benedictus Spinoza wieder
aufgewärmt, und solche gottlose Lehre in systematische
Ordnung gebracht hat. |
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Vors andere beziehen sich, die Bedeutungen dieses |
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{Sp. 1036} |
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Worts, zum Theil auf die Geschöpffe, sowol in Ansehung ihrer
Existentz,
dahin die
Redens-Art, dieses oder jenes ist nicht in rerum natura, das
ist, es existiret nicht unter denen Geschöpffen, es ist eine erdichtete Sache,
gehöret; als ihrer Beschaffenheit zugleich, als wenn man
sagt, wir
erkennen aus
der Natur, so heist es so viel, wir können aus den Existentien und
Wesen der
Geschöpffe wahrnehmen, daß ein
GOtt sey. |
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So fern aber dis
Wort die Beschaffenheit und
Wesen der erschaffenen
Dinge
anzeiget, so kan man die Natur entweder der
Geister, oder der
Cörper
verstehen,
und in Ansehung der Cörper solche in eine allgemeine und besondere theilen. |
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Jene zeiget überhaupt die innerliche Beschaffenheit der
natürlichen Dinge,
so fern sich solche durch allerhand
Würckungen zu
erkennen giebt, welche Natur
nach den mechanischen Principiis eben das ist, was Mechanismus genennet wird. |
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Zwar ist dieser beyden
Wörter wegen ehemahls ein Streit gewesen, indem Boyle in einer besondern Dissertation, die zu Londen 1686
Lateinisch unter dem
Titel: libera in receptam naturae notionem disquisitio
ad amicum, Auct. R.B. herauskommen, das
Wort Natur wolte abgeschafft, und
an dessen statt das Wort Mechanismus angenommen haben, welchem hierinnen
Sturm in Dissertat. de naturae idolo beyfiele, der aber
darüber mit dem Herrn Schelhammer, auch dem Herrn von
Leibnitz in einen
Disput gerieth, indem jener in dem Tractat, de
natura sibi et medicis vindicata, sich angelegen seyn ließ, das
Wort Natur
zu vertheidigen, das andere hingegen, Mechanismus, verdächtig zu machen, worauf
Sturm in natura sibi incassum vindicata geantwortet:
Schelhammer aber wieder Naturae vindicatae vindicationem
entgegen satzte. Des Herrn Sturms beyde angezogene
Schrifften
findet man in seiner Philosophia eclectic. Tom. 2. p. 359. und
692. ff. Der Herr Leibnitz aber hat seine
Gedancken in den
Actis Eruditor. 1698 p. 427. eröffnet. |
Man lese von dieser Streitigkeit Carl Günther
Ludovici
in der Historie der Leibnitzischen Philosophie, I. Th. §. 142. u.ff. |
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Allein wenn man in der Haupt-Idee einig, daß Natur eben das, was Mechanismus
bedeuten soll, so scheint sichs der Mühe nicht zu verlohnen, um das
Wort selbst
einen Disput anzufangen; ob aber nicht eines
bequemer in Ansehung des Gebrauchs,
als das andere, solches ist eine andere Frage. |
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Die besondere Natur kan wieder entweder in Ansehung der leblosen, oder der
lebendigen Geschöpffe, betrachtet werden, da denn bey den letztern die Natur
eben das ist, was sonst
Principium vitale genennet wird, und dahin die
vielfältigen
Redens-Arten der Medicorum, daß sich die Natur geholffen; die Natur
könne sich nicht helffen, er hat eine gute, schlechte, schwache Natur, und
dergleichen, gehören. |
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Drittens wird dies
Wort auch
gesagt von dem Welt-Geist, denn einige
statuiren, daß er über die
Welt gesetzet, solche dirigire, und alles in seiner
Bewegung erhalte, dahin insonderheit das
Principium hylarchicum des
Herrn Mori, die Natura plastica des Johann
Raji, der Archeus der Paracelsisten und Helmontianer zu
rechnen. Dahero hat man auch |
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{Sp. 1037|S. 536} |
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gewisse
Redens-Arten von der Natur, zum Exempel, die Natur verhalte sich
wunderbarlich und weislich in Herfürbringung ihrer
Wercke;
GOtt und die Natur
mache nichts vergebens, welche sehr zweydeutig sind, indem sie entweder auf
einen Welt-Geist; oder auf die einmal von GOtt verordnete Gesetze der Bewegung;
oder auch auf GOtt selbst gehen können, dahero man wohl zu prüfen hat, was sonst
ein Auctor, der sich dergleichen in seinen Discursen und
Schrifften bedienet,
für seine
Principia habe. |
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Wenn Aristoteles Lib. 4. Metaphysic. cap. 4. p.
677. die verschiedene Bedeutungen dieses
Worts erzehlen will, daß solches
bedeute erstlich die Herfürbringung und Zeugung einer ieden
Sache; hernach die
erste rohe und zum
Grund liegende
Materie, woraus etwas gezeuget werde; drittens
die gantze Structur und Einrichtung des natürlichen
Cörpers, samt seinen
Bewegungen,
Veränderungen und andern
Eigenschafften; vierdtens die
Materie,
woraus etwas
unmittelbar bestehe; fünfftens die wesentliche
Forme einer
ieglichen Sache, und sechstens das
Wesen eines ieglichen
Dinges; es sey nun eine
Substantz oder ein Accidens; so verhält es sich dabey gar
unordentlich, wie denn
auch die Beschreibung, die er physic. Lib. 2. cap. 1. von der
Natur giebt, sehr dunckel, davon man aber in Observat. Hall. tom. 3.
Obs. 7. p. 143. eine schöne Auslegung findet. |
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Moral |
Doch wie auf solche Weise dieses
Wort hauptsächlich im physischen
Verstand
genommen wird; also hat es auch in Absicht auf den
Menschen eine
moralische
Bedeutung, als der eine gedoppelte Natur, eine
physische und
moralische, hat. Jene bestehet in dem natürlich belebten
Leibe,
und in der Connexion desselben mit der
cörperlichen Natur in Ansehung seiner
Erhaltung; diese aber in dem
Gemüthe und dessen natürlichen Correlation sowol
mit dem Leibe, als auch vermittelst desselben mit andern Menschen, in Absicht
auf die allgemeine Glückseligkeit derselben. Ja man braucht das Wort überhaupt
von dem
Wesen, sowol natürlicher als moralischer
Sachen. |
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Recht |
In denen
Rechten hat das
Wort Natur gleichfalls unterschiedene Bedeutungen.
So erkläret z.E. Accursius in §. 1. Inst. de Jur. Nat.
Gent. et Civ. wie auch Florentinus in
l. 3.
ff. de Just. et Jur. und Paulus in l. sed etsi §.
fin. ff. de jud. dasselbe von GOtt, als der ersten
Grund-Ursache und
dem eigentlichen Urheber aller erschaffenen und in der
Welt befindlichen Dinge
selber. |
Siehe auch
§. in pecudum
Inst. de rer. divis. |
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Bisweilen bedeutet es auch so viel, als den natürlichen und dem menschlichen
Hertzen von
GOtt selbst bald bey der
Schöpffung eingepflantzten Trieb zum Guten
und zur Tugend, welcher auch insgemein vor den eigentlichen
Grund der
natürlichen
Billigkeit
angesehen wird, als in l. 1.
ff. de minor.
desgleichen in §. singulorum. Inst. de rer. divis. bald wiederum die
natürliche Lust und Neigung zum
Bösen, und die sonderlich durch den
Fall Adams
auf das gantze menschliche
Geschlechte gebrachte Verderbniß aller seiner
Leidenschafften und
Begierden, |
als in l. item si unus §.
principaliter. ff. de recept. arbitr. und in
l. 2. pr.
C.
Quand. et quib. |
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{Sp. 1038} |
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quae pars debet. |
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Bald auch die einem ieden lebendigen Geschöpffe von Natur zustehende
Krafft
und
Vermögen, als in §. apium et seq. Inst. de rer. divis.. und endlich
auch die allen und ieden so
cörperlichen als uncörperlichen Dingen bald von
ihrem ersten Anfange her mitgetheilten
Eigenschafften und
Geschicklichkeit, oder
auch deren von Natur an sich habende gute oder schlimme Beschaffenheit,
Neigungen, Sitten,
Gewohnheit, u.d.g. daher denn auch die
Redens-Arten, |
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- Natura agrorum, die natürliche Beschaffenheit derer Äcker und
Felder,
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in l. 1. §. fin. l. 2. §. Labeo ff. de
aqu. pluv. |
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- Natura sua oder Natura sui, nach seiner natürlichen
und wesentlichen Beschaffenheit oder Eigenschafft,
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- in l. 14 §. ult.
ff. depos.
- l. 15. ff.
de pene. commod.
- l. 5. ff. de rescind. vendit.
- l. 10. §. 1 ff.
quemadm. test. aper.
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- Natura rerum, die natürliche Beschaffenheit derer
Dinge
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- in l. 38.
ff. si cert. pet.
- l. 15. ff. de stat. hom.
- l. 28. §. ult. ff. de judic.
- l. 4. ff. de
praescr. verb.
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Gleichwie aber diese natürliche Beschaffenheit ursprünglich allen und ieden
Dingen überhaupt gantz gemein zu seyn scheinet, |
l. 12. §. pen. ff. de accusat. |
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und also auch in diesem
Verstande ein ieder
Mensch ins besondere an und vor
sich selbst betrachtet, oder vermöge seiner natürlichen Beschaffenheit, weder
besser, noch schlechter, sondern dieselben von Natur vielmehr samt und sonders
gleich durch, einer so gut als der andere, anzusehen sind; ja so gar in dieser
Betrachtung auch die Menschen mit denen unvernünfftigen Bestien eines und das
andere gemein haben; so werden auch unter andern die beyderseits Geschöpffen
gemeinen natürlichen Regungen und
Begierden in
l. 1.
ff. de Just.
et Jur. und in §. 1.
Inst. de Jur. Nat. Gent. et Civ. dem
Rechte
der Natur zugeeignet. |
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Wiewol unter dem letztern insgemein nur die natürliche
Billigkeit
und das
sonst so genannte
Völcker-Recht verstanden wird; |
als in
- l. 1.
ff. de acquir. rer. dom.
- l. 3.
et 4. de rer. divis.
- §. singulorum.
Inst. eod.
- l.
50.
ff. ad L. Aquil.
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Inzwischen aber haben dennoch auch in denen alten
Römischen Gesetzen
die
Worte |
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einerley Bedeutung, und werden auch gar öffters mit einander verwechselt.
Daher denn auch sonderlich in
l. 85. in fin. ff. de reg. jur.
gesagt wird, daß derjenige eine natürliche
Verbindlichkeit auf sich habe, oder
von Natur schon dasjenige zu leisten schuldig sey, worzu ihn doch nur eigentlich
das sonst so genannte Völcker-Recht verpflichtet. |
Brissonius. |
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Siehe auch Natürlich. |
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Theologie |
Der Theologus stellet über das
Wort Natur eine gedoppelte Betrachtung an,
und zwar |
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- in Ansehung des
Menschen, davon zu sehen der
Artickel: Natur der
Menschen;
- in Ansehung der
Göttlichen und menschlichen Natur Christi,
davon siehe den
Artickel: Naturen Christi.
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