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Zedler: Römische Gesetze HIS-Data
5028-32-382-8
Titel: Römische Gesetze
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 32 Sp. 382
Jahr: 1742
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 32 S. 204
Vorheriger Artikel: Römische Geschlechts-Namen
Folgender Artikel: Römische Gewichte
Siehe auch:
Hinweise:

  Text Quellenangaben
  Römische Gesetze, Leges Romanae, oder Leges Romanorum, heissen in einem weitläufftigern Verstande alle diejenigen Rechte und Verordnungen des Römischen Rathes und gesammten Volckes, oder auch anderer Magistrats-Personen, welchen dergleichen zu ertheilen zustand, und die nach ihren besondern Classen und Benennungen unter dem Artickel Römische Recht zu befinden sind.  
  In besonderm Verstande aber hieß bey denen alten Römern und als die Republick noch ihre völlige Freyheit hatte, Lex oder Gesetze eigentlich nur eine solche Verordnung, welche das Römische Volck auf Anfragen derer höhern Magistrats-Personen beliebte und fest stellte. §. 4. Inst. de Jur. Nat. Gent. et Civ.
  Wie denn bekannt, daß zu denen Zeiten der freyen Republick alle Römische Bürger bey Abfassung derer Gesetze das Ihrige zu sprechen und zu erinnern hatten. Daher auch um so viel leichter zu begreiffen ist, warum ein solches Gesetze bey dem Ulpianus in l. 1. ff. de Legib. sonst auch communis reipublicae Sponsio, das ist, ein allgemeiner Schluß der gesammten Republick genennet wird.  
  Es hiessen aber vornemlich nur  
  {Sp. 383|S. 205}  
  diejenigen solche höhere Magistrats-Personen, welche das Recht und die Macht mit dem Volcke zu handeln, hatten, z.E. Die  
 
  • Reges,
  • Interreges,
  • Dictatores,
  • Consules,
  • Tribuni Militum consulari potestate,
  • Censores,
  • Praetores.
 
  Daher denn auch der gar gewöhnliche Unterschied so vieler und mancherley Gesetze entstand, nachdem nemlich eines oder das andere von dieser oder jener Magistrats-Person errichtet worden. So hatte man z.E. ausser denen bekannten Gesetzen derer Könige (Leges Regias)  
 
  • den Legem Aemiliam de Censura, von einem Dictatore,
  • den Legem Aeliam Sentiam, von gewissen Consulibus oder Bürgermeistern,
  • den Legem Pinariam de Ambitu von einem Tribuno militum consulari potestate,
  • den Legem Caeciliam de Fullonibus von denen Censoribus,
  • den Legem Aureliam Judiciariam von einem Praetore, u.s.w.
 
  erhalten.  
  Von diesen Magistrats-Personen muste nun, so offte es nöthig zu seyn schien, ein neues Gesetze zu machen, solches erst zu Hause entworffen und niedergeschrieben werden. Welches mit Zuzühung anderer kluger und erfahrner Männer, und vornehmlich ihrer Vertrautesten, geschahe, mit welchen sie überlegten, ob das neue Gesetze so wohl dem Staate oder gemeinen Besten zuträglich, als denen von Alters hergebrachten Satzungen und Gewohnheiten gemäß wäre. Weswegen man auch diese Formeln hinzu setzte:  
 
  • Si quid Jus non fuit rogari, ejus hac Lege nihil esset rogatum, das ist, wenn es nicht recht wäre, daß man das Gesetze gegeben, so solte es auch nicht gegeben worden seyn; oder:
  • Si quid contra alias Leges ejus Legis ergo latum esset, ut ei, qui eam legem rogasset, impune esset, das ist, daferne auch schon in diesem Gesetze etwas wider andere Gesetze anbefohlen worden, so solte derjenige, der solches gegeben, deshalber dennoch nicht in Straffe genommen werden.
  • Cicero ad Attic. Lib. III. c. 23.
  • Brissonius de Formul. ...
  Wenn dieses geschehen; so ward das geschriebene Gesetze dem gesammten Raths-Collegio zu dessen Beurtheilung übergeben, als ohne dessen Genehmhaltung mit dem Volcke nichts besonders abgehandelt werden durffte.
  • Livius Lib. I. c. 17.
  • Plutarchus in Coriolan. ...
  Nachdem aber der Rath bisweilen viele Schwierigkeiten machte, eine allgemeine Versammlung des Volckes (Comitia) zu bewilligen; so ward hernachmahls durch das Mänische Gesetze (Lege Maenia) verordnet, daß, so offte ins künfftige eine höhere Magistrats-Person aus gerechten und billigen Ursachen verlangte, wegen Abfassung eines neuen Gesetzes das Volck zusammen zu beruffen, die ältesten und vornehmsten des Volckes, ehe man noch die gewöhnlichen Stellen sammlete, und das übrige Volck deshalber seine Meynung eröffnete, über die durch ein Gesetze anzuordnende Sache urtheilen, und also dem übrigen Volcke mit ihrem Gutachten vorgehen solten. Cicero in Bruto c. 14.
  Hierauf erfolgte die ordentliche Promulgation und Kundmachung eines Gesetzes. Es ward nemlich dasselbe öffentlich angeschlagen, daß es ein jeder von dem Volcke lesen, und bey sich selbst überlegen könnte, ob  
  {Sp. 384}  
  solches vielmehr anzunehmen und einzuführen, oder dagegen zu verwerffen wäre. Und dieses geschahe binnen einer Zeit von drey Nundinis, daß nemlich auch das Bauer-Volck, welches auf die Nundinas oder Marckt-Täge vom Landes in die Stadt kam, das neue Gesetze ebenfalls lesen und seine Betrachtungen darüber anstellen könnte.
  • Cicero pro Domo c. 16. und Phil. V. c. 11.
  • Manutius de Leg. ...
  Man machte auch durch einen andern Anschlag bekannt, daß das Volck auf den letzten Tag von diesen dreyen Nundinis in dem Campo Martio zusammen kommen solte. Gellius Noct. Attic. Lib. XIII. c. 14.
  Weil aber an denen Nundinis selbst mit dem Volcke keine Unterhandlung gepflogen werden durffte; so wurden die Comitia gemeiniglich auf den nächst folgenden Tag verleget. Macrobius Saturn. Lib. I. c. 16.
  Und wenn dieses alles gehörig beobachtet worden; so hieß es: Magistratus Populum Jure rogasse, Populusque Jure scivisse, das heißt, die Magistrats-Personen hätten dem Volcke die Sache denen Rechten gemäß vorgetragen, und das Volck wäre davon, wie recht, verständiget worden. Cicero in Phil. 1. c. 10.
  Das Gesetze selbst ward hierauf in denen Comitiis Centuriatis, das heißt, nachdem das Volck auf dem Campo Martio erschienen war und sich in gewisse Centurien vertheilet hatte, gemacht. Und zwar las zuförderst derjenige, welcher das Gesetze errichtet haben wolte, dasselbe dem Volcke vor; hernach aber rieth er demselben auch darzu. Worinnen demselben auch zuweilen andere nachfolgten. Doch fanden sich auch bisweilen andere, welche solches wiederriethen. Welches aber nicht allein denen Zunfftmeistern, sondern auch blossen Privat-Personen, wenn sie anders von der Obrigkeit die Erlaubniß hatten, eine kleine Rede (Concionem) zu halten, zu thun vergönnet war. Livius Lib. XLV. c. 21.
  Ja unterweilen suchten auch so gar diejenigen, welche doch das Gesetze selbst in Vortrag bringen wolten, solches dem Volcke selbst auszureden. Zumal wenn sie solches nicht so wohl vor sich selbst und aus freyer Bewegung, als vielmehr auf Befehl und Gutbefinden des Raths zu machen willens waren. Ein Exempel hiervon erzählet Cicero ad Attic. Lib. I. c. 14. von dem Bürgermeister Piso.  
  Nach angehörten beyderseitigen Reden und von der gegenwärtigen Priesterschafft verrichtetem Gottes-Dienste ward eine Urne (Urna oder Sitella) herbey gebracht und die Namen derer Centurien darein geworffen. Dionysius Halicarnassensis Lib. X. ...
  Hierauf zog man das Loos, und auf welche Centurie die erste, andere oder dritte Numer fiel, u.s.w. die bekam auch hiernach ihren Rang in der Ordnung derer Stimmen. Jedoch mit diesem Unterschiede, daß diejenige Centurie, welche das erste Loos, und also auch die erste Stimme bekam, eben daher Praerogativa, die andern aber Jure vocatae genennet wurden. Asconius Pädianus in Cicer. Divinat. ...
  Wie z.E. in dem Lege Thoria beym Sigonius de Antiqu. ... zu ersehen ist. Nur ist hierbey zu gedencken, daß diese Art,  
  {Sp. 385|S. 206}  
  nach dem Loosse zu votiren, erst in denen neuern Zeiten aufgekommen, und wurden so gar noch unter dem Könige Tullius die Centurien vom ersten und andern Range zuerst aufgefordert, weil sie nicht allein das mehreste contribuirten, sondern auch die zahlreichsten waren, dergestalt, daß, da gemeiniglich durch dieser ihre Stimmen die Sache schon so gut, als abgethan war, an die übrigen selten die Reihe kam. Dionysius Halicarn. in Antiqu. Rom. ...
  Unterdessen stand noch denen, welchen daran gelegen war, frey, wider die Errichtung eines solchen neuen Gesetzes zu reden oder dieselbe zu verhindern, und zwar thaten solches die Zunfftmeister durch das gewöhnliche Wort: Vero; wie hingegen die Bürgermeister, wenn sie die Comitial-Täge auf Namen, oder allgemeine Buß- und Danck-Feste (Supplicationes) oder aber so genannte Ferias Latinas ausschrieben. Cicero ad Quint. Fratr. Lib. II. Epist. 7.
  Die Augures und andere Magistrats-Personen aber, deren Amt und Pflicht es war, auf die Bewegungen und Zeichen des Himmels zu mercken, wenn sie dem versammleten Volcke verkündigten, etwas widriges gesehen oder gehöret zu haben, als wenn es z.E. geblitzet oder gedonnert, oder eine Eule von der lincken Hand hergeflogen kommen, oder die Vögel durch ihren Flug oder auch sonst etwas unglückl. angezeiget, oder jemand plötzlich und geschwinde von der fallenden Sucht zur Erden gesuncken, u.s.w. als wodurch die Comitia auf einmahl zerrissen wurden, und ein jeder unverrichteter Sache wieder nach Hause gehen muste.
  • Paul. Manutius de Legib. ...
  • Paul. Merula de Comit. ...
  • Struv. in Synt. ...
  Wenn aber dieses nicht war, sondern die Comitia würcklich bestunden; so geschahe die Rogation selbst mit der gewöhnlichen Formel: Velitis, jubeatis, Quirites - - hoc ita, uti dixi. Ita vos, Quirites, rogo. Cicero in Or. pro Domo c. 18. u.f.
  Mit dem Zusatze: Si vobis videbitur, discedice, Quirites. Worauf so dann ein jeder sich zu der Centurie hin verfügte, in welcher er seine Stimme zu geben hatte. Ascon. Pädianus in Cic. Or. pro Corn. ...
  Wie es aber mit der Sammlung derer Stimmen selbst gehalten worden, davon besiehe den Artickel Suffragium.  
  Daferne nun die mehresten auf die Einführung eines solchen Gesetzes stimmten; so hieß es alsdenn Lex Scita, oder Perlata. Wenn es aber die mehresten verwarffen; so hieß es dagegen Lex Antiquata. Manutius de Legib. ...
  Ein Lex Perlata, das ist, ein durch die mehresten Stimmen vor genehm gehaltenes Gesetze, ward so denn mit einem förmlichen Eyd-Schwure bestätiget, so denn aber auf eine eherne Tafel geschrieben und in die öffentl. Schatz-Cammer gebracht. Manutius de Legib. ... Bes. auch Just Rycquius de Capitol. ...
  Die Namen derer Gesetze betreffend, so erhielten dieselben solchen mehrentheils von denen beyden Bürgermeistern, unter deren Regierung sie gegeben worden. Z.E. Lex Aelia Sentia, Papia Poppaea, Fusia Caninia. Bisweilen bekamen sie auch nur einen Zunahmen, wenn sie irgend von einem Dictatore, Praetore oder Censore gegeben worden. Dergleichen sind z.E. Lex Aemilia, Lex Aurelia u.a. Bisweilen aber wurden ihnen auch noch andere und von der Materie oder dem Inhalte derer Gesetze selbst  
  {Sp. 386}  
  hergenommene Zunahmen beygefüget. Z.E. Lex Cornelia sumtuaria, Lex Gabinia Tabellaria, Lex Cassia Agraria, u.s.w.  
  So viel endlich die Formalien und die Schreib-Art, in welcher die Gesetze abgefasset worden, anbelanget; so kan man sich deshalben in vielen alten Denkmahlen mit mehrerm Raths erholen. Dahin gehören z.E. die alten Gesetze beym Reinesius in Inscript. 473 und das vortrefliche Uberbleibsel von dem Lege Servilia beym Sigonius de Judic. ... wie auch von dem Lege Thoria bey eben demselben de Jure ... Bes. auch Brissonius de Formulis ...
  Beyläuffig sind allhier noch unterschiedene Redens-Arten zu mercken, welche von denen, so in den Römischen Alterthümern nicht so recht bewandert sind, insgemein gar sehr vermenget werden. So hieß nehmlich:  
 
  • Legem Rogare oder Lex rogatur, wenn dem Volcke ein neues Gesetze vorgetragen ward;
  • Legem Antiquare oder Lex antiquatur, wenn solches unterblieb;
  • Legem abrogare oder Lex abrogatur, wenn solches gäntzlich caßiret und aufgehoben ward;
  • Legem derogare oder Lex derogatur, wenn nur ein Theil desselben abgeschaffet ward;
  • Legem subrogare oder Lex subrogatur, wenn etwas neues hinzugesetzet ward; und endlich
  • Legem obrogare oder Lex obrogatur, so offt eines oder das andere in demselben geändert ward.
Ulpianus in Fragm. ... Ein mehrers kan hiervon bey dem schon offt angezogenen Manutius de Legibus nachgelesen werden.
  In wie fern übrigens die Wörter Gesetze und Recht (Lex und Jus) von einander unterschieden sind, davon ist bereits mit mehrerm unter dem Artickel Lex im XVII Bande p. 969. u.ff. gehandelt worden.  
  Sonst aber können hierbey auch die Artickel  
   
     

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Stand: 27. Februar 2013 © Hans-Walter Pries