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Quellenangaben |
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Römische Gesetze, Leges Romanae,
oder Leges Romanorum, heissen in einem
weitläufftigern
Verstande alle diejenigen
Rechte und
Verordnungen des Römischen Rathes und gesammten
Volckes, oder auch anderer
Magistrats-Personen, welchen dergleichen zu ertheilen zustand, und die nach
ihren besondern
Classen und
Benennungen unter dem
Artickel
Römische Recht zu befinden sind. |
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In besonderm
Verstande aber hieß bey denen alten Römern und als die
Republick noch ihre völlige
Freyheit
hatte,
Lex
oder
Gesetze eigentlich nur eine solche
Verordnung, welche das Römische Volck
auf Anfragen derer höhern Magistrats-Personen beliebte und fest stellte. |
§. 4.
Inst. de Jur. Nat. Gent. et Civ. |
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Wie denn bekannt, daß zu denen Zeiten der freyen Republick alle Römische
Bürger bey Abfassung derer
Gesetze das Ihrige zu
sprechen und zu erinnern
hatten. Daher auch um so viel leichter zu begreiffen ist, warum ein solches
Gesetze bey dem Ulpianus in
l. 1. ff. de Legib.
sonst auch communis reipublicae Sponsio, das ist, ein allgemeiner
Schluß der gesammten Republick genennet wird. |
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Es hiessen aber vornemlich nur |
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{Sp. 383|S. 205} |
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diejenigen solche höhere Magistrats-Personen, welche das
Recht und
die Macht
mit dem
Volcke zu handeln, hatten, z.E. Die |
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- Reges,
- Interreges,
- Dictatores,
- Consules,
- Tribuni Militum consulari potestate,
- Censores,
- Praetores.
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Daher
denn auch der gar gewöhnliche Unterschied so vieler und mancherley
Gesetze
entstand, nachdem nemlich eines oder das andere von dieser oder jener
Magistrats-Person errichtet worden. So hatte man z.E. ausser denen bekannten
Gesetzen derer Könige (Leges Regias) |
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- den Legem Aemiliam de Censura, von
einem Dictatore,
- den Legem Aeliam Sentiam, von gewissen Consulibus oder
Bürgermeistern,
- den Legem Pinariam de Ambitu von
einem Tribuno militum consulari potestate,
- den Legem Caeciliam de Fullonibus
von denen Censoribus,
- den Legem Aureliam Judiciariam von einem Praetore,
u.s.w.
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erhalten. |
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Von diesen Magistrats-Personen muste nun, so offte es nöthig zu seyn schien,
ein neues
Gesetze zu machen, solches erst zu Hause entworffen und
niedergeschrieben werden. Welches mit Zuzühung anderer kluger und erfahrner
Männer, und vornehmlich ihrer Vertrautesten, geschahe, mit welchen sie
überlegten, ob das neue Gesetze so wohl dem
Staate oder
gemeinen Besten
zuträglich, als denen von Alters hergebrachten Satzungen und
Gewohnheiten gemäß
wäre. Weswegen man auch diese Formeln hinzu setzte: |
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- Si quid Jus non fuit rogari, ejus hac Lege nihil esset rogatum,
das ist, wenn es nicht recht wäre, daß man das Gesetze gegeben, so solte es
auch nicht gegeben worden seyn; oder:
- Si quid contra alias Leges ejus Legis ergo latum esset, ut ei, qui
eam legem rogasset, impune esset, das ist, daferne auch schon in diesem
Gesetze etwas wider andere Gesetze anbefohlen worden, so solte derjenige,
der solches gegeben, deshalber dennoch nicht in Straffe genommen werden.
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- Cicero ad Attic. Lib. III. c. 23.
- Brissonius de Formul. ...
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Wenn dieses geschehen; so ward das geschriebene Gesetze dem gesammten
Raths-Collegio zu dessen Beurtheilung übergeben, als ohne dessen Genehmhaltung
mit dem
Volcke nichts besonders abgehandelt werden durffte. |
- Livius Lib. I. c. 17.
- Plutarchus in Coriolan. ...
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Nachdem aber der Rath bisweilen viele Schwierigkeiten machte, eine
allgemeine Versammlung des
Volckes (Comitia) zu bewilligen; so ward
hernachmahls durch das Mänische Gesetze (Lege Maenia) verordnet, daß,
so offte ins künfftige eine höhere Magistrats-Person aus gerechten und
billigen
Ursachen verlangte, wegen Abfassung eines neuen
Gesetzes das Volck zusammen zu
beruffen, die ältesten und vornehmsten des Volckes, ehe man noch die
gewöhnlichen Stellen sammlete, und das übrige Volck deshalber seine
Meynung
eröffnete, über die durch ein Gesetze anzuordnende
Sache urtheilen, und also dem
übrigen Volcke mit ihrem Gutachten vorgehen solten. |
Cicero in Bruto c. 14. |
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Hierauf erfolgte die ordentliche
Promulgation und Kundmachung eines Gesetzes. Es ward nemlich dasselbe
öffentlich angeschlagen, daß es ein jeder von dem
Volcke lesen, und bey sich
selbst überlegen könnte, ob |
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{Sp. 384} |
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solches vielmehr anzunehmen und einzuführen, oder dagegen zu verwerffen
wäre. Und dieses geschahe binnen einer Zeit von drey
Nundinis, daß
nemlich auch das
Bauer-Volck, welches auf die Nundinas oder Marckt-Täge
vom Landes in die
Stadt kam, das neue
Gesetze ebenfalls lesen und seine
Betrachtungen darüber anstellen könnte. |
- Cicero pro Domo c. 16. und Phil.
V. c. 11.
- Manutius de Leg. ...
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Man machte auch durch einen andern Anschlag bekannt, daß das Volck auf den
letzten Tag von diesen dreyen Nundinis in dem Campo Martio
zusammen kommen solte. |
Gellius Noct. Attic. Lib. XIII. c.
14. |
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Weil aber an denen Nundinis selbst mit dem
Volcke keine
Unterhandlung gepflogen werden durffte; so wurden die Comitia
gemeiniglich auf den nächst folgenden Tag verleget. |
Macrobius Saturn. Lib. I. c. 16. |
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Und wenn dieses alles gehörig beobachtet worden; so hieß es: Magistratus
Populum Jure rogasse, Populusque Jure scivisse, das heißt, die
Magistrats-Personen hätten dem Volcke die
Sache denen
Rechten gemäß vorgetragen,
und das Volck wäre davon, wie recht, verständiget worden. |
Cicero in Phil. 1. c. 10. |
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Das
Gesetze selbst ward hierauf in denen Comitiis Centuriatis, das
heißt, nachdem das
Volck auf dem Campo Martio erschienen war und sich
in gewisse Centurien vertheilet hatte, gemacht. Und zwar las zuförderst
derjenige, welcher das Gesetze errichtet haben wolte, dasselbe dem Volcke vor;
hernach aber rieth er demselben auch darzu. Worinnen demselben auch zuweilen
andere nachfolgten. Doch fanden sich auch bisweilen andere, welche solches
wiederriethen. Welches aber nicht allein denen Zunfftmeistern, sondern auch
blossen Privat-Personen, wenn sie anders von der
Obrigkeit die Erlaubniß hatten,
eine kleine
Rede (Concionem) zu halten, zu thun vergönnet war. |
Livius Lib. XLV. c. 21. |
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Ja unterweilen suchten auch so gar diejenigen, welche doch das
Gesetze
selbst in Vortrag bringen wolten, solches dem
Volcke selbst auszureden. Zumal
wenn sie solches nicht so wohl vor sich selbst und aus freyer
Bewegung, als
vielmehr auf
Befehl und Gutbefinden des Raths zu machen
willens waren. Ein
Exempel hiervon erzählet Cicero ad Attic. Lib. I. c.
14. von dem Bürgermeister Piso. |
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Nach angehörten beyderseitigen
Reden und von der gegenwärtigen
Priesterschafft verrichtetem Gottes-Dienste ward eine Urne (Urna oder
Sitella) herbey gebracht und die
Namen derer Centurien darein
geworffen. |
Dionysius Halicarnassensis Lib. X.
... |
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Hierauf zog man das Loos, und auf welche Centurie die erste, andere oder
dritte Numer fiel, u.s.w. die bekam auch hiernach ihren
Rang in der
Ordnung
derer Stimmen. Jedoch mit diesem Unterschiede, daß diejenige Centurie, welche
das erste Loos, und also auch die erste Stimme bekam, eben daher
Praerogativa,
die andern aber Jure vocatae genennet wurden. |
Asconius Pädianus in
Cicer. Divinat. ... |
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Wie z.E. in dem Lege Thoria beym Sigonius de
Antiqu. ... zu ersehen ist. Nur ist hierbey zu gedencken, daß diese Art, |
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{Sp. 385|S. 206} |
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nach dem Loosse zu votiren, erst in denen neuern Zeiten aufgekommen, und
wurden so gar noch unter dem
Könige Tullius die Centurien vom
ersten und andern
Range zuerst aufgefordert, weil sie nicht allein das mehreste contribuirten,
sondern auch die zahlreichsten waren, dergestalt, daß, da gemeiniglich durch
dieser ihre Stimmen die
Sache schon so gut, als abgethan war, an die übrigen
selten die Reihe kam. |
Dionysius Halicarn. in Antiqu. Rom.
... |
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Unterdessen stand noch denen, welchen daran gelegen war,
frey, wider die
Errichtung eines solchen neuen
Gesetzes zu
reden oder dieselbe zu verhindern,
und zwar thaten solches die Zunfftmeister durch das gewöhnliche
Wort: Vero;
wie hingegen die Bürgermeister, wenn sie die Comitial-Täge auf
Namen, oder
allgemeine Buß- und Danck-Feste (Supplicationes) oder aber so genannte
Ferias Latinas ausschrieben. |
Cicero ad Quint. Fratr. Lib. II. Epist.
7. |
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Die Augures und andere Magistrats-Personen aber, deren
Amt und
Pflicht es
war, auf die
Bewegungen und Zeichen des Himmels zu mercken, wenn sie dem
versammleten
Volcke verkündigten, etwas widriges gesehen oder gehöret zu haben,
als wenn es z.E. geblitzet oder gedonnert, oder eine Eule von der lincken Hand
hergeflogen kommen, oder die Vögel durch ihren Flug oder auch sonst etwas
unglückl. angezeiget, oder jemand plötzlich und geschwinde von der fallenden
Sucht zur
Erden gesuncken, u.s.w. als wodurch die Comitia auf einmahl
zerrissen wurden, und ein jeder unverrichteter Sache wieder nach Hause gehen
muste. |
- Paul. Manutius de Legib. ...
- Paul. Merula de Comit. ...
-
Struv.
in Synt.
...
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Wenn aber dieses nicht war, sondern die Comitia würcklich
bestunden; so geschahe die Rogation selbst mit der gewöhnlichen Formel:
Velitis, jubeatis, Quirites - - hoc ita, uti dixi. Ita vos, Quirites, rogo. |
Cicero in Or. pro Domo c. 18. u.f. |
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Mit dem Zusatze: Si vobis videbitur, discedice, Quirites. Worauf so
dann ein jeder sich zu der Centurie hin verfügte, in welcher er seine Stimme zu
geben hatte. |
Ascon. Pädianus in Cic.
Or. pro Corn. ... |
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Wie es aber mit der Sammlung derer Stimmen selbst gehalten worden, davon
besiehe den
Artickel Suffragium. |
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Daferne nun die mehresten auf die Einführung eines solchen
Gesetzes
stimmten; so hieß es alsdenn Lex Scita, oder Perlata. Wenn es
aber die mehresten verwarffen; so hieß es dagegen Lex Antiquata. |
Manutius de Legib. ... |
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Ein Lex Perlata, das ist, ein durch die mehresten Stimmen vor
genehm gehaltenes Gesetze, ward so denn mit einem förmlichen Eyd-Schwure
bestätiget, so denn aber auf eine eherne Tafel geschrieben und in die öffentl.
Schatz-Cammer gebracht. |
Manutius de Legib. ... Bes. auch
Just Rycquius de Capitol. ... |
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Die
Namen derer
Gesetze betreffend, so erhielten dieselben solchen
mehrentheils von denen beyden Bürgermeistern, unter deren
Regierung sie gegeben
worden. Z.E. Lex Aelia Sentia, Papia Poppaea, Fusia Caninia. Bisweilen
bekamen sie auch nur einen Zunahmen, wenn sie irgend von einem Dictatore,
Praetore oder Censore gegeben worden. Dergleichen sind z.E.
Lex Aemilia, Lex Aurelia u.a. Bisweilen aber wurden ihnen auch noch andere
und von der
Materie oder dem Inhalte derer Gesetze selbst |
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{Sp. 386} |
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hergenommene Zunahmen beygefüget. Z.E. Lex Cornelia sumtuaria, Lex
Gabinia Tabellaria, Lex Cassia Agraria, u.s.w. |
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So viel endlich die Formalien und die Schreib-Art, in welcher die
Gesetze
abgefasset worden, anbelanget; so kan man sich deshalben in vielen alten
Denkmahlen mit mehrerm Raths erholen. Dahin gehören z.E. die alten Gesetze beym
Reinesius in Inscript. 473 und das vortrefliche
Uberbleibsel von dem Lege Servilia beym Sigonius
de Judic. ... wie auch von dem Lege Thoria bey eben demselben
de Jure ... |
Bes. auch Brissonius de Formulis ... |
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Beyläuffig sind allhier noch unterschiedene
Redens-Arten zu mercken, welche
von denen, so in den Römischen Alterthümern nicht so recht bewandert sind,
insgemein gar sehr vermenget werden. So hieß nehmlich: |
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- Legem Rogare oder Lex rogatur, wenn dem
Volcke ein
neues
Gesetze vorgetragen ward;
- Legem Antiquare oder Lex antiquatur, wenn solches
unterblieb;
- Legem abrogare oder Lex abrogatur, wenn solches
gäntzlich caßiret und aufgehoben ward;
- Legem derogare oder Lex derogatur, wenn nur ein Theil
desselben abgeschaffet ward;
- Legem subrogare oder Lex subrogatur, wenn etwas neues
hinzugesetzet ward; und endlich
- Legem obrogare oder Lex obrogatur, so offt eines oder
das andere in demselben geändert ward.
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Ulpianus in Fragm. ... Ein mehrers
kan hiervon bey dem schon offt angezogenen Manutius de
Legibus nachgelesen werden. |
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In wie fern übrigens die
Wörter
Gesetze und
Recht
(Lex und Jus) von einander unterschieden sind, davon ist
bereits mit mehrerm unter dem
Artickel
Lex
im XVII Bande p. 969. u.ff. gehandelt worden. |
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Sonst aber können hierbey auch die
Artickel |
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