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Zedler: Ordnung HIS-Data
5028-25-1797-5
Titel: Ordnung
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 25 Sp. 1797
Jahr: 1740
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 25 S. 912
Vorheriger Artikel: Ordnung, Übereinkömmlichkeit, Geschicklichkeit, Befehl
Folgender Artikel: Ordnung in der Baukunst
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel

  Text  
  Ordnung, Ordo, ist in der Metaphysick die Ähnlichkeit des mannigfaltigen in ihrer Folge auf und nach einander, z.E. man saget, die Leute gehen in einer Proceßion ordentlich, wenn sie Paar und Paar gehen, der vornehmere zur Rechten, der nicht so vornehm ist zur Lincken, und gleichergestalt die vornehmeren in den vorhergehenden, die nicht so vornehm sind, in den folgenden Paaren.  
  Worinnen bestehet nun hier die Ordnung? allerdings in demjenigen, wodurch die Ordnung gehoben wird, wenn man es wegnimmt. Nun wird die Ordnung gehoben, wenn ich sie nicht mehr lasse Paarweise gehen, noch nach den Regeln neben und hinter einander, das ist, wenn man dasjenige wegnimmt, darinnen die mannigfaltige Dinge, die sich hier unterscheiden lassen, und nach einander folgen, einander ähnlich sind; ingleichen wenn die Gäste ordentlich an der Tafel neben einander sitzen.  
  Bey dem Raum und bey der Zeit ist eine Ordnung. Wenn ich wissen will, ob etwas ordentlich ist oder nicht, so muß ich  
 
1) alles genau unterscheiden, was sich in dem, welches zusammen als Eines betrachtet wird, unterscheiden läßt, und man als Theile des Gantzen ansiehet;
 
 
2) muß ich dasjenige, was sich bey einem jeden von diesen Theilen, in so weit es als ein Theil des hier zu betrachtenden Gantzen angesehen wird, anmercken läßt, gegeneinander halten;

{Sp. 1798}

so wird sichs befinden, was bey ihnen einerley ist.
 
  Zuweilen fällt es schwer, die Ordnung zu entdecken, wenn nemlich dasjenige, was mannigfaltige Dinge, die zusammen als eines angesehen werden, einerley an sich haben, sehr versteckt ist, daß man es für vielen andern, was sich klärer zeiget, nicht wohl wahrnehmen kan. Z.E. die Ordnung der Natur.  
  Eine Ordnung hat allgemeine Regeln, daraus sie beurtheilet wird; und wo man ordentlich verfähret, richtet man sich nach Regeln.  
  Die Ordnungen haben ihre Grade, nachdem viele oder wenige Ähnlichkeiten darinnen anzutreffen, wie das Mannigfaltige neben und auf einander folget. Nemlich eine jede Ähnlichkeit machet einen Grad. Z.E. wenn eine Menge Menschen ordentlich gehen:  
 
  • so ist ein Grad, wenn sie Paarweise gehen, und diese erste Ähnlichkeit (dieser erste Grad) findet sich in der Zahl;
  • gehet der vornehmere oben an in dem Paar, der geringere unten; so ist die andere Ähnlichkeit (der andere Grad) in dem Paar;
  • gehet das vornehmere Paar vorher: so ist die dritte Ähnlichkeit (der dritte Grad) in ihrer Folge auf einander;
  • theilet sich die Menge in verschiedene Cörper bey der Proceßion; so ist es der vierdte Grad;
  • haben die Glieder eines jeden Cörpers einerley Tracht; so ist es der fünffte Grad.
 
  Je mehr Grade in einer Ordnung sind, je mehr bekommt man Regeln. Je mehr Regeln bey einer Ordnung, je mehr findet man bey ihr wahrzunehmen, obgleich die Zahl des mannigfaltigen einerley bleibet.  
  Wo eine grössere Ordnung ist, da ist mehr Wahrheit (veritas transcendentalis) wo eine geringere Ordnung, da ist weniger Wahrheit.  
  Es werden demnach zu der Ordnung drey Stücke erfordert.  
  Erstlich müssen verschiedene und mannigfaltige Sachen da seyn. Denn die Ordnung begreifft allezeit ein Verhältniß eines Dinges, und daher muß noch etwas anders da seyn, auf welches sich solches beziehet. Die Dinge aber, unter denen eine Ordnung ist, können entweder einander gleich oder ungleich seyn, wie das obgedachte Exempel der Proceßion zeuget. Wir sehen nemlich zwey Proceßionen von Leuten, von denen man sagt, sie gehen ordentlich, da denn bey der einen lauter Leute seyn können, die einander gleich, daß niemand vor den andern eigentlich einen Vorzug hat; doch gehen sie Paarweise, und folget immer ein Paar auf das andere; bey der andern aber ist eine Ungleichheit, daß einige vornehmer, andere geringer, und wenn unter andern eine voran, diese hinten nachgehen; so saget man auch, sie gehen ordentlich.  
  Vors andere müssen bey der Ordnung diese verschiedene Dinge neben einander seyn, oder auf einander folgen, und das ist die Lage oder die Stellung, was die würcklich ausser den Verstand existirende Dinge betrifft. Z.E. wenn ich in einem Garten bin, und sehe, daß die Bäume ordentlich gesetzet, so muß nicht nur mehr, als ein Baum da seyn; sondern die Bäume müssen auch neben einander existiren, und indem ein jeder seine Existentz hat, so hat er seinen Ort; die Lage aber, so fern er mit andern zugleich existiret. Doch hat auch eine Ordnung bey den verschiedenen Dingen in unserem Verstand, als bey dem Gedancken, statt, denen wir eigentlich keine Lage zuschreiben können, sondern müssen nur sagen, daß sie auf einander folgen, man wolte denn solches  
  {Sp. 1799|S. 913}  
  Wort in weiterm Verstand nehmen.  
  Drittens ist bey der Ordnung nöthig, daß die verschiedene Dinge in einer Gleichheit und Ähnlichkeit zusammen stimmen, welches so zu reden das Formale bey der Ordnung ist, wie die beyden erstern Stücke dabey nur zum Grunde liegen müssen, z.E. wenn man sagt, das Buch ist ordentlich geschrieben, so bestehet diese Ordnung darinnen, daß die verschiedene Materien, die darinnen fürkommen, so auf einander folgen, daß die andere mit der ersten, die dritte mit der andern u.s.w. eine Ähnlichkeit haben.  
  Wer also von der Ordnung urtheilen will, der muß die Ähnlichkeit verstehen. Der Grund derselben liegt entweder in der Sache selbst, welches man die natürliche Ordnung nennet; oder sie dependiret zwar eigentlich von menschlicher Willkühr, die aber doch auch ihre Ursachen hat, und wie überall die Kunst ein Affe der Natur ist; also kan man auch sagen, daß man in künstlichen Dingen den Grund der Ordnung von der Ordnung der natürlichen Dinge mit hergenommen.  
  Alles, was vollkommen, ist zwar ordentlich; aber nicht alles ordentliche ist zugleich vollkommen.  
     

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Stand: 25. Februar 2013 © Hans-Walter Pries