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Zedler: Gleichheit HIS-Data
5028-10-1634-8
Titel: Gleichheit
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 10 Sp. 1634
Jahr: 1735
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 10 S. 834
Vorheriger Artikel: Gleichgültigkeit der Religionen
Folgender Artikel: Gleichmachung
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel

Stichworte Text Quellenangaben
allgemein Gleichheit, Lateinisch Similitudo, ist, wenn eine Sache mit einer andern Sache übereinkommt.  
  Soll also eine Übereinstimmung Stat finden, so verstehet es sich, das verschiedene, wenigstens zwey Sachen da seyn müssen, welche eine Gleichheit haben. Es ist also die Gleichheit ein Begriff, der sich auf einen Gegenstand bezühet.  
  Es thut aber die Gleichheit entweder was zu denen wesentlichen oder denen zufälligen Begriffen. Erstere gehet entweder auf den eigenthümlichen Begriff, und da wird es mit der Differentia oder dem Proprio quarti modi einerley seyn; oder auf den gemeinen, und das nennet man Genus.  
  Jene wird Similitudo absoluta oder omnimoda, diese aber Similitudo secundum quid talis genennet. Die zufällige Gleichheit bestehet in Accidentibus, wenn Dinge einander gleich sind in Sachen, die ihr Wesen nichts angehen.  
  Es flüst aber aus abgehandelter Eintheilung dieses, daß, wo wesentliche Gleichheit anzutreffen, man daselbst von einem zum andern zuverläßlich  
  {Sp. 1635|S. 835}  
  schlüssen, bey der zufälligen aber sich sehr betrügen könne. So würde ich irren, wenn ich zwey Eyer vor mir hätte, welche zwar einander gleich aussähen, das eine aber ein würckliches, das andere nur ein gedresseltes wäre, wenn ich schlüssen wollte, daß mit beyden das vorzunehmen, was mit ordentlich von Hühnern gelegten Eyern kann gemachet werden. Deswegen hat so eine Gleichheit an sich weder in der Demonstration noch in der Probabilitaet einigen Nutzen, ausser daß, wenn man mit dem Pöbel zu thun hat, solches bey ihm einen Eindruck haben kann.  
  Weil nun aber eine Gleichheit entweder in der Qualität oder Quantität seyn kann, so hat man die Similitudinem in die Similitudinem in specie, und in aequalem eingetheilet, also, daß man unter der erstern die Philosophische, unter der andern aber die mathematische verstanden. Donati Metaph. vsual. 16.
  Es ist aber die Mathematische Gleichheit, Lat. Aequalitas, diejenige Beschaffenheit zweyer oder mehrerer Dinge, Vermöge welcher sie der Gestallt mit einander übereinkommen, daß man eines an Stat des andern nehmen oder substituiren kann, ohne daß dadurch eine Veränderung an der Grösse vorgehe. Z.E. Man habe zwey Stücken Bley, jedes von der Schwere eines Loths; so ist klar, daß man ein Loth Bley bekomme, man mag das eine Stück nehmen oder das andere, und dahero sind ermeldete Stücken Bley einander gleich, Massen man eines an die Stelle des andern setzen kann, ohne die Grösse des Loths dadurch zu verändern.  
  Man pfleget die Grössen in der Mathematic mit Buchstaben zu bezeichnen, um daraus, gleichsam als aus ihren Namen zu verstehen, was man vor eine meyne. Z.E. man vergleichet zwey Linien miteinander, so pfleget man die eine A, die andere B, oder auch noch mit andern Buchstaben zu nennen, um solche von einander zu distinguiren: wenn nun von diesen bekannt gemacht wird, daß sie einander gleich seyn sollen, so muß man solches dem Verstande durch ein gewisses Zeichen begreifflich machen, sintemahl dem A und B man die Adfection der Gleichheit nicht ansehen kann.  
  Das Zeichen der Gleichheit ist nun (=) dessen sich Hariot in Praxi Artis Analyticac Sect. I. p. 10. zu erst bedienet, dem die meisten neuern folgen; da hingegen andere mit dem Cartesio das Zeichen ([Sonderzeichen]) vor das Zeichen der Gleichheit gebrauchen; vor dem Hariot aber findet man bey denen Auctoribus kein Zeichen, dessen sie sich bedienet hätte, die Gleichheit damit anzudeuten.  
  Auf solche Art heisset nun A = B so viel, als A ist dem B an Grösse gleich, u. so pfleget man alle Zeit die Gleichheit zwischen zweyen Dingen zu bezeichnen.  
  Die Grundsätze od. Axiomata, aus welchen man die Gleichheit zweyer Dinge darthun kan, sind folgende:  
  1) Eine jede Grösse ist sich selbsten gleich. Hier wird eine Grösse mit sich selbst verglichen, bey welcher Vergleichung kein Unterscheid Stat finden kann, Massen die Grösse einerley verbleibet:  
  2) Wenn zwey Grössen einer dritten gleich sind, so sind sie auch unter sich einander gleich. Z. E. Es seyn drey Kugeln A, B, C, und es würde so wohl A mit C als B mit C verglichen und befunden, daß A = C, ingleichen B = C, so können wir Vermöge dieses Axiomatis schlüssen, daß auch A = B sey, und also hier C das dritte abgebe, dem so wohl A, als B, gleich ist:  
  3) Wenn man gleiches zu gleichen addiret, so sind die Summen einander gleich. Als  
  {Sp. 1836}  
  wenn A = B, C = D, so ist auch A und C. zusammen genommen so groß als B und D, od. A + C = B + D:  
  4) Gleiches von gleichen abgezogen, läst gleiches übrig, also wenn A = B, C = D, so ist auch die Differentz zwischen A und C, der Differentz zwischen B und D gleich, oder AC = B - D.  
  5) Gleiches durch gleiches multipliciret giebt gleiche Producte: also ist unter voriger Hypothesi das Product aus A in C dem Producte aus B in D gleich oder AxC = BxD.  
  6) Gleiches durch gleiches diuidiret, läst einen gleichen Quotienten; z. E. der Quotiens, so aus der Diuision des A durch C entspringet, ist so groß als der Quotiens herauskommt, wenn man B durch D diuidiret, das ist A=B.  
  7) Die Helfften von einerley Grösse sind einander gleich; und so auch die, so das doppelte, dreyfache, vierfache etc. von einerley Grösse ausmachen. Hierher gehöret auch der Grund-Satz von der Congruentia derer Grössen, wie dieser Titel ausweiset.  
  Diese Grund-Sätze haben ihren vortrefl. Nutzen in der Reduction derer Gleichungen; dahero wir selbige noch mit einigen Exempeln in Zahlen erläutern wollen.  
  Vermöge des andern Grund-Satzes ist 7 + 3 = 12 - 2, denn 7 + 3 = 10 und 12 — 2 = 10. nach n. 1. aber ist 10 = 10. u. eben Falls nach n. 1. ist 5 = 5. Hieraus folget, daß auch nach dem dritten Grund-Satze sey 7 + 3 = 12 - 2 + 5. nach dem vierten 7 + 2 - 5 = 12 — 2 — 5. nach dem fünfften (7 + 3) + 5 = (12 - 2) + 5. nach dem sechsten 7 + 3/5 = 12 - 2/5 und so weiter, indem man nemlich mit denen gleichen Zahlen, 7 + 3. 12 22. 5. und fünffe die Veränderungen nach denen ermeldeten Grund-Sätzen vornimmt.  
  Gleichwie man aber die Gleichheit zweyer Grössen erkannt, wenn man eine jede vor die andere gantz substituiren könnte, ohne daß dadurch eine Veränderung in der Grösse erfolgte; so erkennet man eine Ungleichheit zweyer Grössen, wenn man eine vor die andere nicht gantz auf eine solche Art substituiren kann, sondern da sich nur ein Theil der einen Grösse vor die andere gantze substituiren läst; und auf solche Art ist bey ungleichen Grössen nur ein Theil der einen der andern gantzen Grösse gleich.  
  Hieraus erwachsen die Begriffe von denen grössern und kleinern, da nemlich von zweyen ungleichen Grössen, diejenige grösser genennet wird, wenn ein Theil von ihr der andern gantzen Grösse gleich ist, hingegen kleiner, wenn sie gantz genommen nur einem Theile der andern Grösse gleich kommt.  
  Auf solche Art müssen bey Vergleichung zweyer Grössen, dieselben entweder einander gleich oder ungleich seyn. Sind sie ungleich, so ist die eine entweder grösser oder kleiner als die andere; dahero findet man bey Vergleichung zweyer Grössen, daß die eine entweder grösser, oder gleich, oder kleiner als die andere sey; quartum non datur. Und aus diesem Grunde kann man auch die Gleichheit zweyer Grössen erweisen, wenn man darthut, daß die eine weder grösser noch kleiner als die andere seyn könne, als woraus nothwendig erfolget, daß sie alsdenn einander gleich seyn müssen.  
  Dieser Methode, die Gleichheit nach dieser Art indirecte zu erweisen, bedienet man sich, wenn die Demonstratio directa so weitläufftig fällt, und haben solche so wohl Euclides Elem. XII.  
  {Sp. 1637|S. 836}  
  2. et. 10. als andere, besonders aber Archimedes gebraucht; daher sie auch Methodus Archimedea, und von Renaldino Methodus per explosum excessum atque defectum genennet wird.  
  Die vornehmsten Grund-Sätze von denen ungleichen Größen, in so ferne man solche durch gleiche verändert, sind:  
  1) Gleiches zu ungleichen addiret, giebt ungleiche Summen:  
  2) Gleiches vor ungleichen subtrahiret, lässet ungleiche Differentzien:  
  3) Gleiche Grössen von einer grössern oder kleinern abgezogen, bringen die erste Differentz grösser als die andere.  
  Gleich wie man die Gleichheit durch ein gewisses Zeichen bemerkt, zu tut man auch dieses mit dem größern und kleinern.
  Das Zeichen des grössern, Signum Maioritatis ist >; das Zeichen des kleinern, Signum Minoritatis ist <; demnach ist 9>5. oder 9 ist grösser als 5. und 5<9 oder 5. ist kleiner als 9. Also ist nach dem ersten Grund-Satze 9+2 > 5+2. nach dem andern 9- 2 > 5-2.  
  Wenn in einer Expression zwei Grössen vorkommen, von denen undeterminiret ist, welche von ihnen grösser oder kleiner sey; beydes aber Stat finden kann, so pfleget man beyde Zeichen anzubringen, und ist a><b so viel als a entweder größer oder kleiner als b.  
     
mit Gott Gleichheit mit Gott, siehe Mensch.  
     
der Menschen Gleichheit derer Menschen, siehe Mensch.  
     

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Stand: 10. Februar 2023 © Hans-Walter Pries