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Zedler: Veränderung HIS-Data
5028-47-25-5
Titel: Veränderung
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 47 Sp. 25
Jahr: 1746
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 47 S. 26
Vorheriger Artikel: Veränderter Zoll
Folgender Artikel: Veränderung, in der Sternkunde
Siehe auch:
Hinweise:
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Stichworte Text   Quellenangaben
  Veränderung, Lat. Variatio, Mutatio, wird in der Philosophie auf dreyerley Art betrachtet, und zwar  
1) 1) Metaphysisch,  
  da man überhaupt und in Abstracto untersuchet, was die Veränderung sey, und wem solche, wie auch auf wie vielerley Art solche einer Sache zu komme? Sie zeiget diejenige Wirckung an, wenn etwas aus seinem gegenwärtigen Zustande und Beschaffenheit in einen andern gesetzet wird; und wenn man sagt, daß eine Sache veränderlich sey, so bedeutet dieses eine solche Einrichtung derselben, daß sie einer Veränderung kan unterworffen werden.  
  Ehe man aber die verschiedene Arten der Veränderung genau bestimmen will, muß man billig vorher unterscheiden, was desfalls nach dem ordentlichen Lauff der Natur wircklich geschiehet, und was nach der Allmacht GOttes übernatürlich geschehen könnte, auch wohl bey dem Ende der Welt geschehen dürffte, indem disputiret wird, ob hier nur eine Veränderung der ersten Welt in eine neue; oder eine Annihilation vorgehen werde, welches zwar nicht auszumachen; bey der Frage aber selbst viel darauf ankommt, wie man das Wort Welt nimmt.  
  Inzwischen beobachtet man die Grentzen seiner Vernunfft und bleibet bey dem, was nach dem gewöhnlichen Lauf der Natur vorzugehen pfleget, da denn die eigentliche Veränderung nicht einfache, sondern nur zusammengesetzte Dinge oder Cörper betrifft, folglich sind die Geister derselben nicht unterworffen. Denn dieses bringet nicht nur die Idee, oder die Natur und das Wesen dieser Veränderung mit sich; sondern wir sind auch dessen durch die Erfahrung gnungsam versichert wie unter andern die menschliche Seele ihrem natürlichen Wesen nach weder wachsen, noch abnehmen kan, auch die Grentzen ihrer Dauerung nicht aufhören, welches wir aus der Vernunfft erkennen.  
  Und wenn etwa jemand aus den leiblichen Erscheinungen der Geister eine Veränderung derselben schliessen wolte, der müste entweder keinen rechten Begriff von der Annehmung eines Cörpers, darinnen ein Geist erscheinen kan, haben; oder doch an sich selbst einen gar falschen Schluß machen. Denn so wenig der menschliche Leib verändert wird, wenn man ein Kleid anziehet; so wenig wird das Wesen eines guten oder bösen Engels verändert, wenn derselbige einen aus der Lufft formirten Cörper annimmt. Es sey dann, daß man das Wort Veränderung in so weitem Verstande brauchen wolte, daß auch darunter die Veränderung in Ansehung der Bewegung, wodurch eine Sache von einem Orte in den andern kommt, gehöre, und in so weit ist nichts in der Natur, das vor der Veränderung befreyet sey. So verändern sich Sonne, Irr- und Fix-Sterne in Ansehung ihrer Stelle und Bewegung, ohnerachtet sie in ihrem Wesen von Anfang der Schöpffung bis daher unverändert geblieben, auch so lange bleiben werden,  
  {Sp. 26}  
  bis sich denselben die erhaltende göttliche Krafft entziehen wird.  
  Die Veränderung nun, die mit einem natürlichen Cörper fürgehen kan, ist zu betrachten entweder in Ansehung der Materie, oder der daran sich befindenden Eigenschafften, welche entweder Qualitäten oder Quantitäten, und bald wesentlich, bald ausserwesentlich sind. Ein Cörper kan verändert werden an seinen Eigenschafften, ohne daß an seiner Materie selbst was veränderliches fürgehen solte, als wenn man ein Stücke Wachs hat, so kan man darin bald diese, bald jene Figur drücken, ohne daß die Materie selbst sich verändert, und ein Goldschmied kan aus einem Stücke Gold allerhand Gestalten formiren, so daß die Masse des Goldes einmahl bleibt, wie vorhin. Und wenn auch gleich ein Cörper verdirbet, und insonderheit ein lebendiger stirbet; so kan doch die Materie durch natürliche Kräffte nicht dergestalt vernichtet werden, daß nichts davon solte übrig bleiben.  
  Die Eigenschafften aber, die sich an einem Cörper verändern lassen sind, wie schon gedacht, entweder Quantitäten oder Qualitäten. In Ansehung der Quantitäten kan etwas grösser oder kleiner werden; davon wir in der untern und vor uns nahe liegenden Welt Beyspiel gnug haben, wenn unter andern Flüsse, Bäche, Brunnen eintrocknen, Kräuter, Thiere, Menschen und deren Theile zu- und abnehmen. Und ob wir schon an jenen grossen Welt-Kugeln wegen allzugrosser Entfernung keine merckliche Ab- und Zunehmung verspüren, so ist doch wahrscheinlich, daß dergleichen Veränderungen da eben sowohl, als wie unten auf Erden sich zutragen, zumahl wenn man den neuen Sternen und Cometen, die so abnehmen, bis sie sich aus unserem Gesichte verlieren, unter die gedachten grossen Welt-Kugeln rechnet. So hat man auch angemercket, daß die Sonnen- und Monds Flecken bald grösser und breiter, bald dünner und kleiner werden; daß aber die Planetischen Cörper selbst uns zuweilen grösser, zuweilen kleiner vorkommen, rühret nicht daher, daß ihre würckliche Grösse zu- oder abnehme; sondern von ihrer weitern Entfernung oder Annäherung zu der Erden.  
  Nicht weniger können in Ansehung der Qualitäten die Cörper verändert werden, welche Veränderung so vielfältig seyn kan als man Arten von den sowohl empfindlichen, als unempfindlichen Beschaffenheiten, wie auch Grade derselben hat. Exempel nehmen wir nur täglich in unserer Elementarischen Welt wahr, wenn sich in der Luft die Kälte, Wärme, Trockenheit, Feuchtigkeit; bey den Kräutern, Blumen, Pflantzen, nach gewissen Zeiten die Gestalt, der Geruch, das Blühen, daß Verwelcken; bey den lebendigen Geschöpffen die Constitution des Leibes verändern.  
  Wie aber die Eigenschafften eines Cörpers wesentlich und ausserwesentlich seyn können, so ist kein Zweiffel, daß die ausserordentliche veränderlich seyn; mit den wesentlichen aber hat es die Beschaffenheit, daß sie zwar dem Wesen nach können verändert werden, wenn sie verderben, oder sterben, als wenn Kräuter und Blumen verwelken, Thiere und Menschen durch den Tod hingerafft werden, das Wasser in Dünste, Dünste im Nebel, Schnee, Wolcken, und so weiter, sich verwandeln; es bleibt aber der Cörper nicht derjenige mehr, der er vorher  
  {Sp. 27|S. 27}  
  gewesen. Denn der bekannte Canon: essentia rerum sunt aeternae, hat auch in dem Verstande seine Richtigkeit, daß das Wesen einer jeglichen Sache nach ihrer Art so lange bleiben und dauren muß, bis die von GOtt angeraumte Zeit herbey kommt, welcher, wie er allein das Wesen der Dinge gesetzet, solches auch allein wieder aufheben kan.  
  Demnach muß man hier zwey Fragen aus einander setzen, einmahl: Ob gewisse Arten der natürlichen Dinge gäntzlich ihr Wesen verlieren können? Welches nach den natürlichen Kräfften nicht geschehen kan, und müssen wir hier eben erwarten, was GOtt bey dem Ende der Welt thun werde, wohin der oben angeführte Canon: essentiae rerum sunt aeternae gehöret, hernach: Ob ein gewisses Individuum das Wesen seiner Art verlieren kan? welches billig zu bejahen, doch so, daß die Sache nachmahls nicht mehr dasjenige ist, was es vorher war, dergleichen wesentliche Veränderung sonderlich die kleineren Cörper angehet.  
  Die Aristotelici kamen auf die Gedancken, daß der Himmel und himmlische Cörper unveränderlich und unverweßlich, welche Meynung sich in viele Schulen eingeschlichen, und lange Zeit beybehalten worden. Nachdem man aber auf den Gebrauch der Ferngläser kam, so bemerckte man allda allerhand Begebenheiten und Veränderungen, in dem Cörper der Sonnen finstere Flecken, und unterschiedlich leuchtende, oder flammende Theile; in dem Mond Berge, Thäler, Wasser, oder tieffe Krüfften, und überall grosse Ungleichheiten, daher man auch von den andern himmlischen Cörpern geurtheilet, daß sich auch an denselbigen viele Veränderungen zutrügen, nur daß sie soweit von uns entfernet sind.  
  Ob man nun schon die von den Aristotelicis fürgegebene Unverweßlichkeit der himmlischen Cörper heut zu Tage verwirffet; so ist doch dieses gewiß, daß diese grosse Welt-Kugeln der Sonne und des Mondes, und übrigen Irr- und Fixsternen beständig bleiben, und wenigstens vor Untergang der Welt nicht zerstöhret werden. Gleiche Beständigkeit hat unsere bewohnte Erd-Kugel an sich, und scheinet nicht, dasselbige jemahls verwese, weil wir sehen, daß kein Stäublein von ihr verlohren gehe, sondern alles, so von ihr in die Höhe weggeworfen, wieder alsbald ihr zufällt.  
  Herrn Wolffen in seiner Metaphysick, sind die Veränderungen (MODIFICATIONES, MODI RERUM), die sich in einem Dinge ereignen können, Abwechselungen seiner Schrancken. Denn wir treffen in einem Dinge weiter nichts an, als sein Wesen, und die Einschränckung dessen, was es in dem Wesen fortdauerndes hat. Das Wesen ist an sich unveränderlich, und also bleibt nichts übrig, was verändert werden kan, als die Schrancken dessen, was fortdaurend ist in einem Dinge. Und kan demnach bey einer Veränderung nicht anders vorgehen, als dasjenige, was auf diese Art eingeschräncket war, nur andere Schrancken erhält.  
  Dieses soll ein Exempel von einem zusammengesetzten Dinge erläutern. Die Ausdehnung des Wachses in die Länge, Breite und Dicke erhält seine Schrancken durch die Figur, so man ihm giebet. Nachdem man nun diese Schrancken abwechselt, so ändert sich die Figur des Wachses. Die alte höret auf und die neue entstehet, ohne daß etwas zu der Materie hinzu oder davon kömmt, oder  
  {Sp. 28}  
  auch etwas von der Materie unterschiedenes davon genommen, oder hinzu gesetzet wird. Also wird in den Veränderungen der Dinge nichts vernichtet, auch nichts von neuem herfür gebracht; als in unserm Exempel wird von dem Wachs nichts vernichtet, ob gleich an statt der gegenwärtigen Schrancken andere kommen, als an statt der gegenwärtigen Figur des Wachses eine andere Figur. Solchergestalt müssen alle Veränderungen, die sich in einem einfachen Dinge ereignen können, nicht anders als Abwechselungen der Grade seyn; jedoch muß eine Abwechselung in die andere gegründet seyn, nehmlich die folgende in der vorhergehenden.  
  Man kan nun die Veränderung  
2) 2) Physisch, oder nach der Natur-Lehre betrachten, da man nicht nur die Application auf die besondern Cörper, wie wir im jeglichen Artickel gethan haben, machet; sondern auch die Ursachen davon untersuchet.  
  Es ist sonst bekannt, wie man mit dem Aristoteles in der Lehre von der Bewegung nicht durchgehends zufrieden gewesen, indem er nicht nur eine ungereimte Definition davon gegeben; sondern auch in der Anzahl und Arten der unterschiedenen Gattungen davon gar verwirret sich aufgeführet. Denn in den Categorien setzet er folgende sechs Arten:  
 
  • genesin, die Zeugung,
  • phthoran, die Verderbung,
  • auzesin, die Vermehrung,
  • meiōsin, die Verminderung,
  • alloiōsin, die Alteration, und
  • tēn kata topon metabolēn, die Veränderung des Orts,
 
  de anima Lib. I. c. 3. aber gedencket er nur vier Arten, und lässet die Zeugung und die Verminderung weg, und Physic. L. V. … mercket er an, ein anders sey die Bewegung der Qualität, ein anders der Quantität, und ein anders des Orts.  
  Diese Lehre ist, wie leicht zu erachten, vielen verwirrt vorgekommen. Andere aber haben angemercket, daß Aristoteles das Wort kinesis in so weitläufftigen Verstande gebraucht, daß er darunter alle Arten der Veränderungen, die sich in den natürlichen Cörper zutragen könnten, begriffen, und damit anzeigen wollen, daß keine Veränderung ohne eine Bewegung des Orts bey den innerlichen Theilen eines Cörpers geschehen könnte, welchem aber vielleicht dieses noch im Wege stehet, daß Aristoteles den motum loci den andern Gattungen der Bewegung entgegen setzet.  
  Dem sey, wie ihm wolle, so lehren die Mechanischen Physici, welche die natürlichen Würckungen aus der Beschaffenheit der Materie herführen, daß bey den Veränderungen ausser der Bewegung die Gestalt, Figur, Grösse der Materie hier das ihrige thäten, welches deutlicher aus den besondern Artickeln zu ersehen.  
  Bey der Veränderung, da ein Cörper seyn Wesen verlieret und der vorige Cörper zu seyn aufhöret, wusten sich einige Aristotelici nicht zu helffen, indem sie die Formen der Cörper als was Wesentliches ansahen. Damit wir aber alle Veränderungen, welche sich in einem Cörper ereignen, desto besser begreiffen mögen; so müssen wir ordentlich überlegen, worauf es eigentlich ankommt. Wann wir die Materie überhaupt erwegen, ehe wir einen Unterscheid in derselben annehmen; so treffen wir in den Theilen nichts als ihre Grösse, Figur und Lage an. Derowegen wenn hier eine Veränderung vorgehen soll; so wird entweder von der Materie etwas hinweg genommen oder hinzugesetzet, oder auch ein Theil in die Stelle des andern  
  {Sp. 29|S. 28}  
  versetzet. Wenn etwas von einem Theile hinweg genommen wird, so wird es kleiner: Wird etwas hinzugesetzet, so wird es grösser. Diese Änderung in der Grösse ist allezeit gewiß. Hingegen entstehet nicht zugleich auch jederzeit eine Änderung in der Figur; sondern es kan auch die Figur verbleiben, die ein Cörper hat, indem etwas hinzugesetzet, oder davon genommen wird. Wenn die Figur bleiben soll, die der Cörper hat, so kan es nur auf einerley Art geschehen, nehmlich wenn die Theile ringsherum auf eine ähnliche Art hinzugesetzet, oder davon genommen werden: Wenn sie aber verändert wird, geht es auf unzähliche Arten an. Und demnach wird in den meisten Vergrösserungen und Verkleinerungen der Cörper zugleich die Figur geändert.  
  Was die Versetzung der Theile betrifft, so kan dadurch gleichfals in einem Falle die Figur unverändert bleiben, nehmlich wenn ein ähnlicher Theil in die Stelle eines ähnlichen gesetzet, d.i. zweyer ähnlicher Theile Stelle mit einander verwechselt wird: Hingegen in allen übrigen Fällen kommt eine andere Figur heraus. Da in der Natur zwey ähnliche Theile nicht seyn können: So ist es wohl wahr, daß der erste Fall der Versetzung in der Natur nicht statt findet: Allein da wir gleichwohl nicht allezeit auf eine völlige Ähnlichkeit sehen, auch wegen der dunckeln Begriffe, die wir von einigen Dingen haben, unterschiedliche Dinge für ähnliche ansehen können; so findet er wenigstens dem Ansehen nach statt.  
  Wenn man die Materie überhaupt betrachtet, in so weit noch kein Unterscheid darinnen anzutreffen, so kan man auch einen Theil wegnehmen, und einen andern wieder davor hinsetzen. Der Theil der hinzugesetzet wird, kommet entweder in die Stelle dessen, der weggenommen ward, oder in eine andere. Wenn ein ähnlicher Theil in die Stelle dessen gesetzet wird, den man weggenommen, so geschiehet dadurch keine Änderung, sondern der Cörper bleibt wie vorhin. Hingegen wenn ein unterschiedener Theil in die Stelle dessen gesetzet wird, den man weggenommen, oder auch ein ähnlicher oder unähnlicher Theil in einen andern Ort angesetzet wird, und die Stelle, wo etwas weggenommen worden, bleibet leer: So wird dadurch die Figur des Cörpers geändert.  
  Wir dürffen nicht meynen, als wenn diese Gründe ohne Nutzen wären. Denn in der Kunst sehen wir gemeiniglich die Materie, daraus ihre Wercke verfertiget werden, nicht anders an, als wenn in ihren Theilen kein innerlicher Unterscheid wäre, und sie bloß der Stelle nach von einander sich unterscheiden liessen. Derowegen wenn wir von allen Veränderungen, durch welche die Wercke der Kunst hervorgebracht, oder auch erhalten und geändert werden, urtheilen sollen; müssen wir auf diese Gründe Acht haben: Wie ein jeder leicht Exempel auf alle Fälle vor sich finden wird, wenn er die Wercke der Kunst durchgehet, auch nur diejenigen, die uns täglich vor Augen schweben. Allein auch in der Natur ereignen sich solche Fälle, der ihr den ferneren Unterscheid in der Materie entweder nicht ansehen dürffen, oder auch nicht ansehen können, weil das übrige in einander fället, daß wir keinen ferneren Unterscheid bemercken können.  
  Und alsdenn haben wir gleichfals auf  
  {Sp. 30}  
  die bisher erklärten Gründe zusehen. Wenn wir die Materie der Cörper nicht mehr überhaupt betrachten, und auf etwas mehrers sehen als daß sie einen Raum erfüllet; so müssen wir in den Theilen verschiedene Arten der Materie mit einander vermischt annehmen, und alsdenn ereignen sich noch andere Veränderungen als vorhin erklärt worden.  
  Nehmlich alsdenn können die Materien von verschiedener Art, die mit einander vermischt sind, von einander geschieden, und einige davon, wenn sie geschieden sind, von den übrigen abgesondert, auch neue entweder von eben der Art, oder von verschiedener wieder dazukommen und mit ihnen vermengt werden. Wenn einige davon geschieden, und abgesondert werden, keine aber wieder in deren Stelle kommet; so wird dadurch die Art der Materie geändert, immassen dieselbe von dem Unterscheide der Materien, die mit einander vermenget werden, und von der Proportion, in welche sie mit einander vermenget werden, ihren Ursprung nimmt. Gleichergestalt wird aus eben der Ursache die Art der Materie geändert, wenn an die Stelle derjenigen, die abgesondert worden, eine andere von verschiedener Art, oder auch eine von eben der Art, aber in verschiedener Proportion darzukommt. Hingegen bleibet die Art der Materie ungeändert, wenn an die Stelle derjenigen, die abgesondert worden eben wieder dergleichen, und in eben der Proportion hinzukommet.  
  Da alle Materien der Cörper, die wir kennen, aus Vermischung verschiedener anderer entstehen; so hat man auf diese Gründe in Erklärung der Veränderungen, die sich in einem Cörper ereignen, hauptsächlich zu sehen. Wir finden sie aber auch in der Kunst nützlich, wie einem jeden, der darauf acht hat, nicht schwer seyn wird, Exempel zu finden. Man hat ferner zu erwegen, daß, da die fremde Materie durch den Cörper sich frey durch bewegen kan, dieselbe nicht allein sowohl von der beständigen als sonderlich der veränderlichen Materie einige Theile in Bewegung bringen kan. Da nun alle Veränderungen durch die Bewegung geschehen; so können auch Veränderungen in der fremden Materie Veränderungen in dem Cörper hervorbringen.  
  Endlich betrachtet man auch die Veränderung  
3) 3) Moralisch, welche Betrachtung nur auf den Menschen gehet, der allein der Moralischen Natur theilhafftig worden, daß er seine willkührliche Verrichtungen nach einer gewissen Norme einzurichten hat.  
  Es kan aber der Mensch hier auf eine zweyfache Art betrachtet werden: Einmahl nach seinem innerlichen, hernach nach seinem äusserlichen Zustande. Durch den innerlichen Zustand aber verstehet man die Disposition seiner Seelen, des Verstandes sowohl, als des Willens, welche beyde durch den weisen und gütigen Schöpffer mit verschiedenen Fähigkeiten begabet, die auf vielfältige Art unter einander gemischet sind, woraus verschiedene Naturelle entstehen, die man wieder auf zweyerley Weise betrachten kan.  
  Die eine Betrachtung beziehet sich auf die Lebhaftigkeit, nach welcher die verschiedene Kräffte und Fähigkeiten auf einander folgen, indem bey manchen Verstande z.E. das Judicium oben an, in der Mitte das Gedächtnis, und zuletzt das In-  
  {Sp. 31|S. 29}  
  genium stehet, und bey dem Willen zuerst kommt Ehrgeitz, darauf Wollust, und zuletzt der Geldgeitz, und bey solcher Lebhaftigkeit kan eine Veränderung vorgehen, daß eine lebhafte Fähigkeit schwach, und eine schwache lebhafft wird. Denn dieses haben wir aus der Erfahrung, daß ein in der Jugend lebhafft gewesenes Gedächtnis, oder Ingenium bey angegangenem Alter sich abgeleget, und ein vorher schwaches Judicium zugenommen, nicht in dem Verstande, als wenn die Seele selbst ab- und zunehmen kan, indem dazu die Disposition des Leibes, wodurch die Seele würcket, das meiste thut. Und bey dem Willen ist die Sache durch die Erfahrung auch bestätiget, daß bey manchen Menschen der starcke Hochmuth, die heftige Wollust ihren Graden nach gar sehr kan geschwächet werden.  
  Die andere Betrachtung beziehet sich auf die Göttliche Intention, wie die Kräffte unserer Seelen sollen beschaffen seyn, daß im Verstande Licht und Wahrheit, im Willen Liebe und Tugend wohnten: Weil nun durch den kläglichen Sünden-Fall unserer ersten Eltern diese Kräffte gar sehr verderbet worden, daß wenn solche in dem blossen natürlichen Stande gelassen würden, sie das von GOtt gesetzte und zu des Menschen Glückseligkeit bestimmte Ziel nicht erreichen könnten; so müssen wir billig auf ihre Verbesserung bedacht seyn, wodurch eine neue Veränderung vorgehet, wenn wir aus dem Verstande die Finsterniß und Unwissenheit nebst den Irrthümern zu vertreiben, und den Willen von den unordentlichen Neigungen, zu der wahren und ordentlichen Liebe, folglich zur Tugend zu bringen suchen, welches durch zweyerley Mittel geschehen kan.  
  Eines theils sind es natürliche Mittel, wodurch nur eine Philosophische Veränderung geschiehet, die von sehr schlechtem Werthe ist. Denn was dadurch ein Mensch insonderheit bey seinem Willen ausrichten kan, kommt entweder darauf an, daß er seine böse Neigungen und Affecten im Zaum zu halten lernet, damit sie äusserlich in Reden und Thaten nicht ausbrechen, wobey das böse Ding doch allezeit im Hertzen bleibet, und das Absehen gehet dabey nur auf eine äusserliche Ehrbarkeit; oder man dämpft eine böse Neigung, einen unordentlichen Affect, indem man einen andern erreget, als wenn ein Wollüstiger durch den Ehrgeitz seiner Wollust zu widerstehen, bemühet ist, und das heist: Einen Teuffel austreiben, damit ein anderer Raum bekommen möge.  
  Andern Theils sind es Gnaden-Mittel, wodurch eine geistliche Veränderung, oder die wahre Bekehrung eines Menschen geschiehet, welches in die Theologie gehöret.  
  Vors andere kan der Mensch nach seiner äusserlichen Moralischen Beschaffenheit angesehen werden, darinnen auch viele Veränderungen vorgehen, die sonderlich auf drey Stücke ankommen:  
 
a) Auf den Stand selbst, wenn mancher in der Ehe, und darauf durch den Tod seines Ehegatten ausser derselben lebet; und einer, der bisher ausser der Ehe gelebet, trit nun in den Ehestand; dahin nun auch unter andern gehöret, wenn ein Kind, ein Vater oder Mutter; ein Knecht oder Magd, ein Herr oder Frau wird; ingleichen wenn jemand zu einer Beförderung gelanget:
 
 
b) Auf die Uti-
 
  {Sp. 32}  
 
  lia, wodurch wir die Ehre, Commodität und das Haab und Gut verstehen, worinnen die meisten Veränderungen fürgehen, welche man, weil man diese Utilia für Glücksgüter hält, dem Glücke zuzuschreiben, und zu sagen pflegt: Das Glücke sey veränderlich. So sitzet mancher in grossen Ehren; er kommt aber auch ziemlich wieder herunter, und mancher Reicher wird arm, und ein Armer reich:
 
 
c) Auf den Wohlstand, oder Gewohnheiten geschickter Leute, nachdem man sich in seinem äusserlichen Thun und Lassen aus Klugheit richtet, worinnen von Zeiten zu Zeiten Veränderungen geschehen, daß bald dieses bald jenes Mode ist.
 
  Bey dergleichen Veränderungen muß ein jeglicher Mensch sehen: wie weit sie in seiner Gewalt stehen, oder nicht, und in Ansehung des erstern: Ob die Veränderung nützlich; oder schädlich?
  • Walchs Philosophisches Lexicon.
  • Wolffs Metaphys. …
  • Ebendesselben Phys. Dogmat. I Th. …
  • Sturms Natur-Lehre …
     

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Stand: 15. Februar 2013 © Hans-Walter Pries