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Quellenangaben |
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Fluß, Lat. Flumen, Fluveus
heisset das
Wasser, so innerhalb einer Cauität auf
der Fläche der
Erden vermöge seiner
eigenen Schwere fliesset. |
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Ermeldete Cauität wird der Furth oder Strohm, Alueus,
genennet, und die
Gräntzen derselbigen zu
beyden Seiten, welche das fliessende Wasser in seinen
Schrancken halten, damit es nicht in
die umliegende
Gegend heraus tritt, heissen die |
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{Sp. 1387|S. 713} |
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Ufer des Flusses. Die Quelle, aus welchen der Fluß seinen
Ursprung nimmt, liegt alle
Zeit höher als der Fluß, selbsten,
das ist, sie ist weiter von dem Mittel-Puncte der Erden als dieser entfernet; und je weiter man von der
Quelle wegkommt, je tieffer sencket sich der Fluß, so, daß dessen Fläche bey dem Einfluß ins
Meer am tieffsten in Ansehung der Quelle
liege. |
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Alles dieses lehret augenscheinlich das Wasser-Wägen, da man vermittelst einer Wasser-Wage
längst an dem Flusse herunter ausfündig macht, um wie viel die Fläche desselbigen von einer
gezogenen und durch das
Instrument collimirten
Horizontal-Linien nach und nach abweichet, welche Abweichung das Gefälle des Flusses genennet
wird. Und hieraus ist klar, daß die Bewegung des Wassers in einem Flusse von seiner Schwere
herrühre, vermöge welcher es in seinem Furthe als auf einem Plano inclinato herab rollet; dahero man
auch anmercket, daß je grösser das Gefälle gefunden werde, je geschwinder sich auch der Fluß
bewege. |
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Es ist aber eine einige Quelle nicht genug, einem Flusse sein Wasser zu geben; sondern es stehet
Anfangs durch einen oder dem
Zusammenlauff vieler Quellen ein Bach; viele Bäche, wenn sie zusammen flüssen, formiren einen
kleinen Fluß, welcher desto grösser wird, je mehr sich Bäche und andere kleine Flüsse darein ergüssen,
biß endlich durch den Zusammenlauff
verschiedener Flüsse ein grosser
Fluß erwächset, welcher das von allen denen vorigen empfangene Wasser in die
See ausschüttet. |
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Wann ein Fluß eine solche Tieffe und Breite erhält, daß er zur Farth mittelmässiger
Schiffe dienlich wird, heisset er ein
schiffbahrer oder schiffreicher Fluß,
von dessen Anordnung und Erhaltung die Wasser-Bau-Kunst
handelt, siehe Architectura Hydraulica
Tom. II. p. 1237. |
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Wenn man
erweget, wie viel grosse Flüsse in der
Welt vorhanden sind,
die
täglich und ohne Aufhören ihr
Wasser in so ungeheurer Menge in die
See ausgüssen, diese aber dennoch keinen Zuwachs dadurch erhält, welcher so viele
Secula durch, in welche die Flüsse
beständig geflossen haben, wurde mercklich geworden seyn, so muß man alsobald zugestehen, es
müsse ein Circulus zwischen dem Meere und denen Quellen, aus denen die Flüsse ihren Ursprung
nehmen, vorhanden seyn, da entweder das Meer durch unterirrdische Canäle denen Quellen ihr Wasser
wieder giebet; oder die häuffig aus dem Meer aufsteigenden Dünste, nachdem sie in Wolcken
gesammlet, und zu denen Örtern deren Quellen durch den Wind gebracht worden sind, durch den
Regen die Quellen wiederum mit Wasser versehen. Welche von diesen beyden
Meynungen am
wahrscheinlichsten sey, zeiget
der
Titul Brunn-Quelle Tom. IV. p.
1613. seqq. |
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Die Flüsse nehmen an Wasser in ihren Ufern zu, oder wachsen an, wem es entweder, starck regnet
oder der Schnee auf denen Gebürgen schmeltzet, und dieses ereignet sich meistentheils zu einer
unbestimmten Zeit. Doch
giebt es verschiedene Flüsse, welche nur zu
gewissen
Jahres-Zeiten aufschwellen über ihren
Ufern treten, und das umliegende
Land überschwemmen. Man hat dieses
schon vor
alten
Zeiten an |
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{Sp. 1388} |
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dem Nilo in Egypten wahrgenommen, welcher nach dem
Sommer- Solstitio aufzuschwellen beginnet
und das Land unter Wasser setzet, biß er um das
Herbst-Aequinoctium sich wieder
innerhalb seinen Ufer begiebet. In denen neuern Zeiten hat man eben dieses von dem Niger-Fluß in
Nigridien erfahren, welcher auf einerley Art und zu einerley Zeit mit dem Nilo eine Überschwemmung
verursachet. Und gleicher Massen befinden sich in America auch Flüsse von dieser Beschaffenheit. |
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Man hat verschiedene
Gedancken, von dieser
Abwechselung des Nili gemacht, unter welchen die wahrscheinlichste ist, daß solche von dem zu
gewissen Zeiten häuffig
fallenden Regen in Aethiopien ihren Ursprung nehme, sintemal bekannt, daß in denen in der Zona torris
da und nicht weit davon liegenden Ländern es einige
Monathe durch nach einander zu regnen
pfleget, welche Regen-Monathe gleichsam den
Winter in selbigen Ländern
ausmachen. |
- Gassendus Phys. Sect. lll. p. 26.
- Vossius de Nili et aliorum fluminum origine 20.
- Dapper in Descriptione Africae p. 59.
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Die Mathematische Betrachtung derer Flüsse ist dahin gerichtet, wie man das Gefälle dererselbigen
finden, die Section eines Flusses abmessen, die Stärcke seines Lauffs und dessen Geschwindigkeit
bestimmet, und anzeigen
soll, wie viel ein Fluß in einer gegebenen
Zeit
Wasser gebe, das ist, wie viel Wasser an
einem
Orte in einer
gegebenen Zeit vorbey flüsse. |
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Das erstere findet man theils unter dem Titul Wasser-Wägen ausgeführet; bey dem andem aber
setzet es überaus grosse Schwierigkeit in
Praxi etwas genau zu bestimmen, so wohl
wegen der Irregularität der Fuhrt, als auch derer vielen krummen und andern
Umständen, welche die Art der
Bewegung unzehlig verändern. |
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Die Section oder der Durchschnitt eines Flusses,
Lat. Sectio fluminis, wird
die Fläche
genennet, welche herauskommt, wenn
man den Fluß gerade über nach einer aus der Fläche des Wassers perpendicular-stehenden Direction
durchschneidet. Es seye A B ein |
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[Grafik] |
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quer über den Fluß ausgespanntes Seil; man lasse sich mit einem Kahnn längst diesem Seiln nach
über den Fluß setzen, und bemercke an verschiedenen Orten derselben CC. etc. vermittelst eines
Bleywurffs, oder Stange wie tieff das Wasser im Flusse biß auf den
Grund seye, so bekommt man die
Linien Cc, Cc, etc.; so man nun den Abstand derer Örter CC. etc. an den Seilen von A, oder B. bey jeder
correspondirenden Abmessung der Tieffe zugleich mit angemercket hat; so kan man wenn man auf eine
Linie A B. die ermeldeten Abstände AC, AC, etc. träget, und an die Puncte C, C, die gefundenen Tieffen
Cc, Cc, perpendicular ansetzet, durch dieser ihrer Extremitäten c. c. den Grund des Flusses der Breite
nach ausziehen, und wird als die Figur A cc. B. das Profil oder dem Durchschnitt des Flusses vorstellig
machen. |
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Auf solche Art kan man an verschiedenen Orten den Fluß ausmessen und unter- |
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{Sp. 1389|S. 714} |
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suchen, wie dessen Fahrt beschaffen sey. Diese und dessen Geschwindigkeit muß man zum
Voraus
wissen, wenn man
bestimmen
will, wie viel der Fluß Wasser
gebe. |
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Es wird aber die Geschwindigkeit des Flusses folgender Massen abgemessen. Bey Fahr-Wasser
des Flusses oder wo derselbige keine Krümme hat, sondern in ParaIlel-Ufern fortflüsset, erwähle man
nach der Länge des Flusses zwey Stände in einer Weite von ohngefehr 20. Ruthen voneinander, die
man so wohl aus der einen als andern Seite gerade über den Fluß mit Pfählen bemercke. Hierauf werffe
man ein Stück Holtz auf den Fluß oberhalb den ersten Pfahl, und visire an diesen gerade über den Fluß
nach dem gegen überstehenden Pfahl. So bald das schwimmende Holtz in dem Fluße an dieses Visier
gelanget, so lasse man ein Pendulum anschlagen und zähle die Secunden der
Zeit, welche das schwimmende
Holtz auf dem Fluße zubringet, ehe es in das Visier derer an dem andern Stande gesteckten Pfähle
gelanget: denn weil das schwimmende Holtz die Geschwindigkeit des flüssenden Wassers hat, als
welches solches mit fortnimmt; so weiß man hierdurch, wie viel Zeit ein
Theil Wasser brauche um von dem einen
angenommenen Stande, biß zu dem andern sich zu
bewegen, und ist folglich der
Abstand derer Stäbe bey den Ständen, das Spatium, welches das Wasser in der angemerckten Zeit
durchlauffet; daher die Geschwindigkeit einer jeden Partie Wasser so groß seyn wird als der Quotiens,
welcher heraus kommen wird, wenn man ermeldetes Spatium durch die obseruirte Zeit diuidiret. |
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Wenn man derowegen die Menge Wassers ausrechnet, die der Fluß von dem einen Stande biß zu
dem andern fassen kann, so weiß man wie viel Wasser in der angemerckten Zeit vor einem Stande
vorbey gestrichen. Die Ausrechnung der Menge Wasser geschiehet, wenn man die Section des Flusses
abmißt, und solche (wenn sie anders den
Raum des Flusses zwischen denen
beyden Ständen von gleicher Grösse befunden wird, wo nicht,
muß man
verschiedene davon messen,
und einen mittlern davon nehmen) in die Weite derer Stände voneinander multipliciret, so bekommt man
den
cörperlichen Inhalt des
Flusses oder Wassers zwischen beyden Ständen. |
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Es sey
z. E. dieser cörperliche Inhalt 62.
Cubic-Schuh
Wasser befunden, die
Zeit aber, in welcher das
schwimmende Holtz durch beyde Stände passiret, 20. Secunden angemercket worden. Weil ein Cubic-
Schuh Wasser 70. Pfund schwer ist, so wiegen 62. Schuh Wasser 4340. Pfund; nun wiegt 1. Kanne
Wasser 2. Pfund, dahero hält deroselben cörperliche Inhalt 2170. Kannen Wasser, welches in einer Zeit
von 20. Secunden vorbey geflossen, und ist die Geschwindigkeit dieses fliessenden Wassers 1270/12
sintemahl hier die Menge Wasser den
Raum der
Bewegung
vorstellet. |
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Durch diese Berechnung ist man in dem Stande, die Stärcke des Flusses auf Wasser-Zolle zu
reduciren: denn weil ein Wasser-Zoll in 30. Secunden 7. Kannen giebt, und folglich dessen
Geschwindigkeit 7/30. ist, (siehe Digi- |
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{Sp. 1390} |
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tus Tom. VII. p. 908.) so darff man nur inseriren 7/30 : 217/20 = 1. Zoll Wasser zu 465. Zoll Wasser,
welche der Fluß ergiebet. |
Die Mathematische Abhandlung von der Bewegung derer Flüsse findet man in des
- Dominici Guilielmini Mensura Aquarum fluentium,
- Hermanni Phoronom. Lib. II. Sect. II. c. 10. 5.
- Grauesande Elem. Phys. Lib. II. Part. II. c. 9.
- Jo. Poleni de Castellis, per quae Fluuiorum aquae
deriuantur, habentibus latera conuergentia, Item, Tract. de Motu aquae mixto,
- Mariotte Traité de
Mouuement des Laux et des autres corps fluides.
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Die Nutzung der Flüsse betreffend, so sind zwar etliche aus den
alten
Rechts-Gelehrten der
Meinung, daß alle Thiere in
der Wildniß, die Vögel in der freyen
Lufft, und die Fische in dem fliessenden
Wasser frey, und einen jeden zu fangen
erlaubt seyn, allein dieses ist bey denen Flüssen, wie bey der Jagd die Frey-Pürsche, an denen meisten
Orten entweder
gäntzlich aufgehoben, oder doch in so weit limitiret, daß die
öffentlichen Ströme und Flüsse,
als
zum Exempel die
Donau, der
Rhein etc. jederman zu befischen
erlaubt und zugelassen, die priuat-Flüsse aber sonderbaren und
eigenen
Personen zugehören, folglich ohne
deren
Willen niemand darinnen zu fischen
vergönnet sey. |
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Diese letzere Fisch-Gerechtigkeit nun wird entweder durch
Landes-Fürstliche
Lehen
ordentlich verliehen, oder mit
einen
Land-Gute als ein bonum
adjacens oder anstoßendes Stuck und als eine Zugehör desselben ordentlich
verkaufft, alsdenn auch in denen
Lehen- und Kauff-Briefen, die
Grentzen, wo die Fischerey
anfängt und sich endet, die
Gerechtigkeiten, ob man an einen
Ufer allein, oder beyderseits zu fischen
Macht, und ob ein
Benachbarter gleiches
Recht oder nicht habe,
ausdrücklich und ausführlich gemeldet. |
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Es muß aber der Flüsse
Gebrauch also beschaffen seyn, daß die
Benachbarten keinen
Schaden und
Nachtheil dabey leiden, und daß die
Fischerey auf solche Art und auf bestimmte zugelassene Zeit also
bestellet sey, wie es die
Landes-Herrliche Fisch-
Ordnung mit sich bringet. |
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Die Fluß-Fische sind unterschiedlich, nachdem nemlich die Flüsse aus frischen Brunnen Quellen
und felsichten Gebürgen entspringen, nachdem haben sie auch gesunde frische und edle Fische, als
Aschen, Forellen, Gründlinge, Schmerlen, Pfrilern, oder Elritzen, Zuchen und dergleichen, oder aber,
wenn sie aus Teichen, Seen und auf ebenen Orten ihren Lauff, und einen leimigten
Grund und Boden haben,
bringen sie Hechte, Schleyen, Alten, Aalraupen, Barben, Weiß-Fische, bißweilen auch wohl Karpffen,
und werden diese Fluß-Karpffen denen Teich-Karpffen weit vorgezogen, weil angeregter weicher Fisch,
wenn er in den flüssenden Wasser aufwächst, viel härter, gesünder und fetter wird, als wenn er in
stillstehenden Wasser zu seinen Wachsthum gelanget. |
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Wie aus den Flüssen die nächst und zu weit davon entlegene Wiesen durch Schöpff-Rader mit
einer trefflichen
Würckung zu wässern seyn,
davon kan unter den
Worten Wässerung und Wiese
nachgesehen werden. |
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Bey denen
alten wurden die Flüsse heilig
und |
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{Sp. 1391|S. 715} |
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vor Götter gehalten, |
Chiffletius Aqu. Virg. in Graeuii Thes. Antiqu. Rom. Tom. IV. p. 1790. |
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Sie wurden gemahlet auf der
Erde liegend auf den
Ellbogen gelehnet und einen Krug unter den
Arm habend, woraus Wasser floß,
halb nackend, und um den
Kopff mit einen Crantz von
Schilff umwunden. |
Fabricius Rom. 15. |
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Sonderlich waren die Brunnen und Qvellen, wo die Flüsse entsprungen, heilig, und durffte sich
niemand darinnen baden, |
- Seneca Epist. 41.
- Lipsius in Tacit. Annal. XIV. 73.
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Ja sie opfferten so gar denen Flüssen Böcke, |
Horatius Od. lll. 13. v. 1. |
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und
baueten ihnen Tempel. |
Juuenalis III. 13. |
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darinnen ihnen an
gewissen dazu gewidmeten Fest-Tägen geopffert wurde, siehe Fontinalia. |
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Die Perser
thaten ihnen auch
göttliche
Ehre an, und verboten bey hoher
Straffe, daß niemand
darein speyen, oder seinen Urin lassen, vielweniger etwas unreines hinein werffen, ja auch nicht einmahl
die Hände darein waschen durffte. Daher, als Tiridates mit des Vitellii Armée über den Euphrat gehen
wolte, opfferte er dem Flusse erstlich ein Pferd, um ihn dadurch sich zum Freunde zu machen. |
Brissonius de Regno Persar. II. p. 166 sq. |