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Zedler: Theorie HIS-Data
5028-43-1104-11
Titel: Theorie
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 43 Sp. 1104
Jahr: 1745
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 43 S. 565
Vorheriger Artikel: Theorides
Folgender Artikel: Theorie … Theil der Astronomie
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text Quellenangaben
  Theorie, Theoria, die Erwegung, oder die Beschreibung eines Dinges, so nur in der Betrachtung und Nachsinnung bestehet; kurtz, eine blosse Wissenschafft ohne würckliche Ausübung.  
  Daher heisset THEORETICUS einer, der etwas vernunfftmäßiges betrachtet.  
  Es ist eine ausgemachte Wahrheit, das man ohnmöglich in einer Wissenschafft practisch glücklich seyn könne, wann man nicht zuvor die Theorie derselben rechtschaffen gelernet. Dahero diejenigen sehr irren, welche nicht viel von der Theorie halten, sondern nur auf die Praxin dringen. Da hingegen auf der andern Seite auch des rechten Weges verfehlen, welche sich einer Theorie, die keinen Nutzen in der Ausübung hat, wiedmen: wiewohl es allemahl schwehr ist von einer Sache behaupten zu können, daß sie keinen Nutzen habe.  
  Wie nun also eine glückliche Ausübung oder Praxis eine gute Theorie voraus setzet: also muß man es auch nicht bey der blossen Theorie bewenden lassen, sondern solche in die Übung zu bringen wissen. Was hilffts einem, wenn er noch soviel Lehrsätze im Kopffe hat, und weiß sie nicht zu gebrauchen und anzuwenden. Ein guter Theoreticus muß auch ein guter Practicus seyn, sonst verdient er nicht den Nahmen eines guten Theoretici, und seine Theorie ist unvollständig.  
  Wenn ein Professor der Rechte nicht weiß, wie er Relationem Actorum anstellen oder eine Klage aufsetzen oder ein Testament machen soll, so ist seine Theorie in Ansehung dieser Stücke unvollkommen. Weiß ein Geometra nicht, wie er die Praxes auf den Papier auf dem Felde wieder anbringen, oder seine Lehrsätze überhaupt zur Praxi anwenden soll, so kan man ihn ohnmöglich vor einen guten Theoreticum halten.  
  Bey einigen wenigen Fällen kommt eine Ausnahme vor, wenn nehmlich der grosse GOTT manchem Menschen zu einer gewissen Praxi ein natürliches Unvermögen gegeben, und er die hierzu nöthige Geschicklichkeit durch allen angewandten Fleiß nicht erlangen können, als wie einige  
  {Sp. 1105|S. 566}  
  Theologen die Gabe nicht haben eine Predigt zu halten, ob ihnen gleich alle Regeln bekannt sind, wie eine Predigt zu disponiren und aszuarbeiten ist.  
  Es ist auch selbst der Erkänntniß der Theorie die Ausübung derselben nützlich. Denn da erkennt man allererst, wenn die Theorien in der Praxi zutreffen, die Richtigkeit der Regeln, und die Praxis ist die Probe gleichsam, die man auf die Regeln macht. Man bekommt hierdurch nicht allein eine Verbesserung mancher Lehrsätze, sondern man erfidet auch manche neue Regeln, darauf man sonst nimmermehr gefallen wäre. Wir müssen hierinnen denen Mathematicis ablernen, die bemühen sich alsobald die Lehrsätze, die sei gefunden, zu den Aufgaben anzuwenden. Wer mehrern Unterricht hiervon verlanget, der lese Wolffs Philosophiam rationalem und Müllers Einleit. in die Philosophischen Wissenschafften I Th. ...
     

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Stand: 11. Januar 2013 © Hans-Walter Pries