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Text |
Quellenangaben |
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Wissen,
Latein.
Scire, heisset, aus
ungezweiffelten
Gründen etwas durch
Schlüsse
herausbringen.
Z.E. Wer aus der innern
Beschaffenheit der Blätter zeiget, wie ein Baum
daraus werden kan, der weiß es, daß es
angehet. |
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Wissen und
Glauben sind zweyerley
Dinge;
Und wo das erstere sich findet, hat man des
letztern nicht vonnöthen. In der natürlichen
Religion wissen wir die
Wahrheiten aus der
Natur
und
Vernunfft; In der geoffenbahrten Religion
glauben wir dem geoffenbahrten, heiligen und
untrüglichen Worte GOttes.
Wollen wir
erkennen,
ob die
Heilige Schrifft etwas
gesaget habe, so
erreichen wir solches, wenn wir in
Sprachen,
Historien und
Wissenschafften, Alterthümern
u.s.w. studiren; Wollen wir aber glauben, daß das
wahr sey, was die Heil. Schrifft saget, so müssen
wir solches durch die
Gnade GOttes bitten und
erlangen. |
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In der
Hebräischen Sprache schliesset das
Wort: Wissen und erkennen, offt
Liebe,
Gehorsam,
Furcht, Sorge, Vertrauen und Glauben
in sich. Zum Exempel: Die
Söhne Eli erkannten
den Herrn nicht, [hebräischer Text] Luther
übersetzet es: sie fragten nicht nach dem Herrn,
nach seinen Verheissungen und Drohungen,
gehorchten auch seinen Geboten nicht, |
- 1 B. Sam. II, 12.
Vergl.
- Jes. I. 4;
- Psalm I, 6;
- 1 Mos. XVIII. 19;
- Nahum I, 6;
- Tim. II, 19.
- Meisners Philos. Lex. …
- Ludwigs Gel. Anzeige …
- Michaelis Hebr. Gramm.
…
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Siehe auch den
Artickel:
Wissenschafft.¶ |
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Erklärung einiger
Schrifft-Stellen: |
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1. 2 B. Sam. III. 38: Wisset ihr nicht, daß auf
diesen Tag ein Fürst und grosser gefallen ist in
Israel? Hier giebt David zu bedencken: |
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α) |
Die gefallene Person, die
ist Abner. Demselben giebt er zwey
Titul, und
nennet
ihn |
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theils einen Fürsten, als wir 1 B. Sam.
XXVI, 5, finden. [Ein Wort Hebräisch]
bedeutet
nicht etwan einen Titul-Fürsten, der nicht viel zu
sprechen hat; Sondern einen grossen Fürsten,
dem es kommt von [ein Wort Hebräisch],
principem gerere, ein
Herr und
Regent in dem
Fürstenthum seyn: Wie wir es von Abimelech
finden, als er
Richter war, der über
gantz Israel
regierte, |
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B. Richt. IX. |
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Theils einen grossen
Fürsten, denn er war nicht ein geringer Officiant,
sondern der fürnehmste, unter welchen die andern
alle stunden, |
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Dan. II. 48. |
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β) |
Den kläglichen Todes-Fall. |
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Theils, wenn er
hervorgegangen, auf diesen
Tag; Hiermit |
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{Sp. 1337|S. 682} |
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siehet David auf die
gefährliche
Zeit, in welcher er damahls noch
wegen seiner vielen Feinde stunde, da er eines
solchen Mannes
vornehmlich von nöthen hatte. |
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Theils, wo er geschehen, in Israel; Hiermit siehet er auf
die Landschafft
und Religion, weil der wahre Gottesdienst nirgend, als in Israel war. |
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Theils, wie er geschehen; Durch einen gewaltsamen
Tod,
da er wohl länger hätte
leben,
und dem Lande
gute
Dienste
leisten können. |
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γ) |
Des Falles schuldige
Behertzigung. Wisset ihr nicht; Das ist, ihr wisset
es freylich; Ihr solt es aber auch recht bedencken,
und dahin bedacht seyn, wie diese
schändliche That gerochen werden möge.¶ |
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2) Pred. Salom. X, 14. Der Mensch weiß
nicht, was gewesen ist, und wer will ihm sagen,
was nach ihm werden wird. Luther macht hiebey
die Rand-Glosse: „Er gedencket nicht, wie es
vorhin andern gegangen ist, fähret fort, und weiß
doch nicht, wie es gehen wird.„¶ |
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3) Lucä II, 49. Wisset ihr nicht, daß ich seyn
muß in dem, daß meines Vaters ist? Dieses:
Wisset ihr nicht? ist eine gebräuchliche
Redens-Art, wenn man einen dessen erinnern will, was er
vorhin wohl gewust, und was wir ihm vorhin
gesaget haben. Als wenn
Paulus
spricht: Wisset
ihr nicht, daß alle, die wir in Jesum Christum
getaufft sind, die sind in seinen Tod getaufft? |
Röm. VI, 3. Siehe 2 B. Sam.
XI, 20. |
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Es will also der Herr Jesus gleichsam dieses
sagen: Wenn ihr euch erinnert, was ihr von meiner
Geburt an, bis auf diese
Stunde, von mir gehöret
und gesehen habt, so hättet ihr keine
Ursache
gehabt, mich mit Schmertzen zu suchen.¶ |
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4) Lucä XIX, 42. Wenn du es wüstest, so
würdest du auch bedencken zu dieser deiner Zeit,
was zu deinem Frieden dienet. Ach, daß du es
reifflich erwegtest, und zu Hertzen nehmen
möchtest! O si etiam tu! Ach daß du es auch
möchtest behertzigen, und in Staub und in der
Asche Busse thun, wie Ninive. |
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Oder, wie andere es nach dem Grund-Texte
ausgeleget haben wollen: Si vel saltem tu; Wenn
du noch zum allerwenigsten es möchtest
bedencken, und dich bekehren, so wolte ich zu
frieden seyn. Ich wolte gerne geschehen lassen,
daß Capernaum, welches auch meiner Lehre und
Wundertaten halber bis an den Himmel erhoben
ist, geschleiffet werden möchte. Ich wolte mit dem
Untergange der Städte Chorazin und Bethsaide zu
frieden seyn. Aber daß du, Jerusalem, die Königin
aller Städte, darinnen ich meinen Tempel habe, da
die Füsse meiner theuren Märtyrer und Propheten
gestanden, so jämmerlich zugerichtet werden
solte, das bricht mir mein Hertz, das schmertzet
mich. Ah, si vel tu saltem; Ach! Wenn du nur
überbleiben möchtest, und dich das Unglück nicht
träffe. Wenn du nur wüstest, was du sonst wohl
wissen kanst, so würdest du bedencken, was zu
deiner Wohlfarth dienete. |
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Das Wissen ist zweyerley; Eines des
Thuns,
das andere des
Rechtes. Beyderley
Wissenschafften hatten die
Jüden. Es war ihnen
ihr gottloses Wesen nicht verborgen, ihr Gewissen
zeugte wider sie; Sie hatten auch die Wissen- |
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{Sp. 1338} |
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schafft des Rechtes, beydes des
natürlichen
und göttlichen Rechts. Beydes sagte ihnen, daß
es unrecht,
GOtt zu
beleidigen, den Nächsten um
das seine zu bringen; Und dennoch wolten sie
dieses muthwillig nicht wissen. Ob auch gleich die
Propheten auftraten, und ihnen Gottes gerechte
Straffe verkündigten, die auf solche muthwillige
Verbrechung des
Gesetzes erfolgen würde, so
hieß es doch bey ihnen: Hier ein wenig, da ein
wenig, |
Jes. XXVIII, 10. |
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Wenn sie ihnen von dem Kriege sagten, so
sprachen sie: Friede, Friede! Und war doch nicht
Friede. |
Jerem. VI, 14.¶ |
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5) Lucä XXIII, 34. Sie wissen nicht was sie
thun. |
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Jesus
saget dieses von seinen Creutzigern,
und zeiget damit die
Ursache an, warum er für sie
bete? Es bewege ihn hierzu nicht nur seine
innerliche Liebe und Barmhertzigkeit, sondern
auch äusserlich ihre Unwissenheit, und ist hier
seine Liebe bis auf den höchsten Gipffel
gestiegen. Er erweiset, daß er nicht allein ein
Fürbitter, sondern auch ein Fürsprecher seiner
Feinde sey, und ihnen nach
Möglichkeit, wie ein
Advocate, das
Wort
rede, daß GOtt ihre Missethat
verschonen wolle. Solten sie aber nicht gewust
haben, was sie
thäten? Hatten sie nicht seine
Predigten gehöret? Hatten sie nicht seine Wunder
vielmahl mit Augen gesehen? Was sagte nicht
Nicodemus? Johannis III, 2. Meister, wir wissen,
daß du bist ein Lehrer von GOtt kommen, denn
niemand kan die Zeichen thun, die du thust, es
sey denn GOtt mit ihm. Hat nicht das
Volck
geruffen: Es ist ein grosser Prophet unter uns
aufgestanden, und GOtt hat sein Volck
heimgesucht, |
Lucä VII, 16. Siehe Johann.
VI, 14. |
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Antwort: sie wusten in gewisser Masse, was
sie thäten; Sie waren genugsam von Jesu
Unschuld überzeuget; Sie hätten aus seinen
Wercken überflüßig schliessen können, daß er der
Meßias wäre, allein aus halsstarriger Bosheit
wolten sie ihm die
Ehre nicht geben; Darneben
waren auch sehr viele nicht wussten, daß er
Gottes
Sohn wäre, sondern ihn für einem blossen
Menschen hielten, sie wusten nicht, daß sie den
Herrn der Herrlichkeit vor sich hatten; Ihr habts
aus Unwissenheit gethan, |
Apost. Gesch. III, 17. Siehe 1
Corinth. II, 8. |
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Es war demnach eine sehr grobe
Unwissenheit, daß sie
erkannten, sie hätten einen
Unschuldigen vor sich, und doch nicht meyneten,
sie thäten so groß Unrecht, wenn sie ihn
creutzigten. Sie wusten nicht, daß sie gar den
Meßias vor sich hätten; doch waren sie darinnen
nicht gantz zu entschuldigen, denn sie hätten es
wissen können, |
Johann. XV, 24. |
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Sie hatten Sünden der Unwissenheit, wie
Paulus, der unwissend ein Lästerer gewesen;
Auch Sünden der Schwachheit, wie Petrus, der
aus Furcht Christum verleugnet hatte; Auch
Sünden der Bosheit, wie David, da er den Urias
tödten ließ denn sie wusten, daß sie unschuldig
Blut vergossen. Vor alle solche Gattungen hat
Christus gelitten und Vorbitte gethan.¶ |
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6) Röm. I, 19. Daß man weiß, daß ein GOtt
sey, ist ihnen offenbahr: Denn GOtt hat es ihnen
offenbaret. |
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Die Übersetzung Luthers ist hier sehr
gut, es
komme nun des
Grund-Textes |
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{Sp. 1339|S.
683} |
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halber an, auf was es
wolle. Es heisse das
daselbst befindliche
Wort:
gnoston Theou, die
Erkenntniß GOttes, da man ihn
erkennet, oder
dasjenige, was man von
GOtt dem Herrn weiß
und erkennen kan, oder, wie es nach des Wortes
anderwärtigem
Gebrauche in der
Schrifft am
genauesten seyn wird, eine unwidersprechliche
Gewißheit, die vor sich selbst bekannt ist; So wird
gedachte Dollmetschung schon stehen bleiben
können. |
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Paulus
spricht, solche unwidersprechliche
von sich selbst bekannte Gewisheit GOttes, oder
von GOtt, daß er gewiß sey, und aller
Dinge
Herr
und
Regierer, und dessenthalben zu ehren, das
sey ihnen offenbaret, nach der
Sprache Pauli: In
ihnen, nemlich in ihren Hertzen. Es ist ihren
Gemüthern also deutlich geoffenbaret, daß sie
dessen in ihrem Gewissen überzeuget sind, und
es nicht leugnen können. Warum denn? Paulus
spricht: Denn GOtt hat es ihnen offenbaret; Da
ausser
Zweiffel von einer unmittelbaren
Offenbarung GOttes die
Rede ist, da er nicht
durch Mittel, sondern
unmittelbar selbsten es
ihnen offenbaret, nemlich, da er es in der ersten
Schöpffung in des
Menschen Hertz
eingeschrieben. Da siehet man, daß gewiß von
Natur der Mensch etwas von GOtt wisse, ohne
alles andere Zuthun, ohne Erlernung aus den
Creaturen, und derselben Betrachtung.¶ |
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7) 1 Corinth. II, 2. Ich hielte mich nicht dafür,
daß ich etwas wüste unter euch, ohn allein
Jesum Christum, den Gecreutzigten. |
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Paulus war kein Idiote, wie zwar
Theophylactus und Oecumenius aus diesen
Worten schliessen
wollen, oder, daß er wenigstens nichts in
weltlicher
Weisheit und
Wissenschafft prästiret und gethan haben solte,
wie Chrysostomus hieraus muthmassen will; Nein,
er war ein Mann von grosser
Gelehrsamkeit und
Weisheit, wie nicht allein seine
Schrifften zeugen,
sondern er auch wohl ehemahls die klugen
Athenienser mit einer
gelehrten fürtrefflichen Rede
confundirte, |
Apost. Gesch. XVII, 10
u.f. |
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auch die zu Lystra mit seiner Beredsamkeit in
solche Verwunderung setzte, daß sie ihn gar für
den Mercurius, den
GOtt der Wohlredenheit,
hielten, |
Apost. Gesch. XIV,
11, |
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wie denn auch fast keine Wissenschafft
gewesen, die er nicht in seinen Schrifften mit
anzubringen gewust hätte. |
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Daß er in dem Jüdischen Gesetz und seiner
Theologie viel gethan, ist aus Apost. Gesch. XXII,
3, und Philipp. III, 4. 5, zu ersehen; Wie er denn
auch aus seinem Vaterlande Tharsen auf die
Universität gen Jerusalem geschicket worden. Er
hat seine Poeten gelesen, als den |
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Apost. Gesch. XVII,
28. |
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1 Corinth. XV, 31. |
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Tit. I, 12. |
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Zu Ephesus hat er als ein öffentlicher
Lehrer
zwey
Jahr zugebracht, da er mit
Juden und
Heyden zu streiten und
disputiren bekam, |
Apost. Gesch. XIX, 8
u.f. |
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In
Sprachen war er so wohl bewandert, daß
er ohne Aufschneiderey an seine Corinther
schreiben konnte: Ich dancke meinem GOtt, daß
ich mehr mit Zungen rede, denn ihr alle, |
1 Corinth. XIV, 18. |
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Nach Tossani
Bibel: Daß ich fremde
Sprachen rede, mehr, denn ihr alle. |
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Ja er darff 2 Corinth. XI, 21, schreiben:
Worauf |
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{Sp. 1340} |
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iemand kühne ist, darauf bin ich auch kühne.
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Er
verstand nicht allein die Jüdischen,
sondern auch
Römischen Rechte, die Lehre von
Testamenten und Erbschafften, von der
Vormundschafft, von der
Knechtschafft und
Freyheit, |
- Galat. III, 15 u.f. Cap.
IV, 1. 2. 24.
- Röm. VI, 6, 19.
- 1 Corinth. VII,
21.
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|
Er wuste das Recht der Römischen
Bürgerschafft, und die Freyheiten der Römischen
Bürger, wohl zu appliciren und zu
gebrauchen, |
Apost. Gesch. XIX, 37. Cap.
XXII, 25. |
|
Er verstund die Appellationes, |
Cap. XXV, 11. 12. |
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Ja, er gab auch zur Noth einen Medicus mit
ab, |
1 Timoth. V, 23. |
|
Allein dieses alles achtete er für nichts, gegen
der überschwänglichen
Erkänntniß Christi, um
welcher
Willen er alles für
Schaden hielte, |
Phil. III, 8. |
|
Er verleugnete sich selbst, und wolte unter
seinen Zuhörern, die er zu der Seligkeit führen
solte, von nichts wissen, ohne von JEsu Christo,
dem Gecreutzigten; Der war allein die
Sache, die
er vortrug. |
- 1 Corinth. I, 23. 24.
- Galat. VI, 14.¶
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8) 1 Corinth. VIII, 1. Das Wissen bläset auf,
aber die Liebe bessert. |
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Das Wissen, gnosis, das Erkenntniß, zeiget,
wie der gleich folgende Vers lehret, nicht so wohl
ein wahrhafftig, als vielmehr ein eingebildet
vermeyntes Wissen an, so hier insonderheit
zusammen von demjenigen Wissen gebrauchet
wird, nach welchem die Corinther, als
Neubekehrte, so wohl wusten, daß ein Götze
nichts in der
Welt sey, |
v. 4, |
|
als auch, daß die Speise einen vor
GOtt nicht
fördere, nicht besser, noch schlimmer mache, wie
hierüber ein Streit in der
Gemeine
entstanden, |
v. 8. |
|
Schliesset aber doch nicht insgemein alle
andere, auch
wahre
Wissenschafften, aus, sie
mögen von
menschlichen, oder
göttlichen
Dingen
seyn, weil alle mehrentheils das anhangende
Böse haben, daß der, so sie besitzet, sich
aufbläset. [Ein Wort Griechisch] ist ein artig
Gleichniß, wie Geier bemercket, daß etwa von
einem Blasebalge genommen ist. Denn wie ein
solcher vor sich, unaufgeblasen, nur einen
schlechten
Raum einnimmt, ja fast nichts
scheinet, oder doch allein anzusehen ist,
hingegen, wo er aufgeblasen und voll Lufft
gemachet worden, gewaltig brauset, und einen
solchen starcken Wind von sich giebet, daß er
alles vorstehende wegstossen, einer Glut
gewaltige Brunst machen, ja andere seltsame
Dinge verrichten kan; So verhält es sich mit dem
vielen Wissen,
verstehe, nicht eben für sich selbst,
(per se) sondern zufälliger Weise, wenn nemlich
keine Liebe dabey ist. |
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Es bläset auf, das ist, verursachet grosse
Einbildung, von unvergleichlicher
Würde und
Vorzuge, blehet daher den
Verstand, die
Geberden, die
Reden, ja blehet alles übrige
Fürnehmen auf, daß man sich selbst nicht kennet,
sondern andere neben sich verachtet, und
meynet, man sey es alleine: Die Liebe aber
bessert; Nicht Welt- und Eigen-Liebe, sondern,
durch welche der
Glaube thätig, die eine Frucht
des
H.
Geistes ist, |
Galat. V, 6. 22. |
|
Diese Liebe ist specialiter von der zu
verstehen, die sich des Nächsten annimmet, mit
seiner Schwachheit entweder ein Mitleiden hat,
oder doch suchet, weil ihm GOtt |
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{Sp. 1341|S. 684} |
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viel liebes und gutes gethan, wie sie
dergleichen auch an ihm
beweisen
möge; Es
hindert aber doch auch nicht, daß wir sie nicht,
und zwar vornemlich, auf die Liebe Gottes ziehen
könnten. Denn wer der wahren Liebe Gottes recht
voll ist, der kan nicht anders, als um deswillen zu
suchen und zu trachten, wie er nicht nur an sich,
sondern auch an andern, alles bessern
möge. |
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[Ein Wort Griechisch] heisset eigentlich
bauen, da man entweder von
Grund aus was
neues aufführet, oder etwas eingegangenes auf
das beste wiederum stützet, ausbessert und
verwahret, daß es zu einer
bequemen Wohnung
tüchtig bleibe. Es ist aber auch nicht uneben durch
Bessern verdeutscht, weil freylich das, was aus
schlechtem, gefährlichem und zweiffelhafftem
Zustande in einen löblichen und nützlichen
versetzet wird, allerdings gebessert heisset;
Anzuzeigen, daß, wo wahrhaffte Liebe ist, selbige
nicht nur auf sich sehe, sondern auch auf den
Nächsten die Augen richte, und die Liebe überall
nicht ferne von ihm seyn lasse, welches auch viel
nützlicher, als wenn einer in seinem Gehirne noch
soviel
Wissenschafft verschlossen hielte, weil mit
allem dem Nächsten wenig, oder gar nichts
geholffen wäre.¶ |
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9) 2 Corinth. V, 1. Wir wissen, so unser
irrdisches Hauß dieser Hütten zerbrochen wird,
daß wir einen Bau haben, von GOtt erbauet, ein
Hauß, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im
Himmel. Paulus
redet von einem solchen Wissen,
dadurch wir von der
Wahrheit und
Gewißheit
dessen völlig überzeuget sind. Denn so deutet das
Griechische
Wort ein solch Wissen an, dabey man
einer
Sache so gewiß ist, als hätte man es mit
Augen gesehen, dessen Gewißheit niemand in
Zweiffel ziehen kan. Denn was die Augen sehen,
glaubet das Hertz.¶ |
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10) 2 Timoth. I, 12: Ich weiß, an welchen ich
gläube. |
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Etliche, als Estius, Zeger, geben es: Cui
concredidi, welchem ich mich, oder auch meine
Beylage, anvertrauet habe. Dieses ist nicht
ungereimt, wenn nur das Wort [ein Wort
Griechisch] in dieser
Bedeutung an einigem
Orte
vorkäme. Zum wenigsten werden wir es in dem N.
Testamente so nicht finden. Hier heisset es nach
dem Griechischen: Ich weiß, wem ich gläube. |
|
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Es pflegen sonst diese drey
Redens-Arten:
Credere Deum, credere Deo, credere in Deum,
einen
GOtt gläuben, GOtt gläuben, und an GOtt
gläuben, von einander
unterschieden zu werden;
Welchen
Unterschied
auch unter den
Griechischen
Lehrern
Gregorius Nazianzenus,
und von den
Lateinischen
Augustinus,
angemercket. Die erste Redens-Art beziehet sich
auf die
Existentz, und daß ein GOtt sey; Die
andere auf die Wahrheit Gottes; Die dritte auf die
Güte und Allmacht Gottes. |
|
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Die erste Redens-Art zeiget fürnehmlich die
Wissenschafft an, die andere den Beyfall, die
dritte das Vertrauen, als die wesentlichen Stücke
des
Glaubens. Welchen Unterschied auch
Luther Tom. I. Jen. Germ. … gar schön erläutert. Ob aber
gleich in einigen Orten
H. Schrifft dieser
Unterschied beobachtet wird, so ist es doch nicht
durchgängig; Massen auch von dem
seligmachenden Vertrauen
gesaget wird:
Abraham hat GOtt gegläubet, und das ist ihm ge-
|
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{Sp. 1342} |
|
|
rechnet zur Gerechtigkeit, |
- 1 B. Mos. XV, 6.
- Röm. IV, 3.
|
|
So saget Jesus: Wer mein Wort höret, und
gläubet dem, der mich gesandt hat, |
Joh. V, 24. |
|
Hingegen wird auch wohl von den Heuchlern,
deren Glaube doch nicht richtig ist, gesaget, daß
sie an Christum glauben; |
Als Johann. II, 23. 24. Cap.
XII, 52. 53. |
|
Wenn demnach Paulus hier saget. Ich weiß,
welchem ich gläube, so hat es Luther nicht
unrecht gegeben: An welchen. Denn allerdings
wird das feste und selige Vertrauen, so aus Gottes
Wort gefasset wird, und GOtt mit seiner Wahrheit,
Güte und Allmacht ergreiffet, durch diese Redens-Art beschrieben. |
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Unter Menschen mag das Sprüchwort gelten:
Fide sed cui, vide;Trau, schau aber, wem. Ich
weiß, wem ich gläube, und auf wen ich mich
verlasse. Ich habe es nicht mit einem Betrüger zu
thun, wie Sebul war, der den Gaal weiß nicht was
beredete, ihn in Unglück zu bringen, |
B. Rich. IX, 36. |
|
Nicht mit einem lügenhafften
Geiste, der
unsere ersten
Eltern verführete, |
1 Mos. III, 4. 5. |
|
Oder, der ausgieng, und ein falscher Geist in
aller Propheten Munde war, |
1 Kön. XXII, 20. |
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Ich gläube an den Herrn, den ich als meinen
Vater, als meinem Heyland, als meinen einigen
Trost und Hülffe, recht
erkenne; Auf dem ruhe ich
mit gantzer Zuversicht des Hertzens, wie ein
Schiff auf seinem Ancker, oder ein
Hauß auf
seinem
Grunde. Denn der
Glaube ist eine gewisse
Zuversicht, des, das man
hoffet und nicht
zweiffelt, an dem, daß man nicht siehet, |
Ebr. XI, 1. |
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11) Offenb. Joh. II, 2. Ich weiß deine
Wercke.Oida, ich sehe es gleichsam
gegenwärtig. |
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Es ist aber dieses Wissen Jesu: |
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α) |
Ein göttliches und
unfehlbares Wissen, durch seine Allwissenheit,
auch nach seiner
menschlichen
Natur. Er weiß
nicht allein die äusserlichen
Wercke, sondern
siehet auch in das Hertz hinein, |
|
- 1 B. Sam. XVI, 7.
- 1 B.
Kön. VIII, 39.
- Johann. XXI, 17.
- Psalm CXXXIX, 1
u.f. 15. 16.
|
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β) |
Ein solches Wissen, da
der Herr Jesus absonderlich die guten Wercke
liebet und lobet; Wie also das Wissen, oder
kennen Gottes, offt gebrauchet wird. |
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Als
- Psalm I, 6.
- Joh. X, 14.
- 2
Timoth. II, 19.
- Amos III, 2.
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Wenn Christus hier
sagt:
Ich weiß deine Wercke, will er soviel sagen: Ich
weiß genau und eigentlich, ich rühme und lobe,
und lasse mir wohlgefallen, was du gutes an dir
hast und thust. Zwar unsere Wercke, auch wenn
sie am besten sind, sind unvollkommen, |
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- Jes. CXIV, 6.
- Sirach XXVII, 5.
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Doch aber rechnet GOtt,
um Christi willen, die angegebenen
Mängel und
Unreinigkeiten, den Gläubigen nicht zu. Was aber
gutes
dabey ist, das gefällt ihm, das liebet und lobet er; |
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Theils, weil es gut ist, und von ihm selbst
herkömmt, |
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Theils, weil sie in Einfalt geschehen, und aus
einem aufrichtigen Hertzen herkommen; |
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Theils, weil die geistlichen Opffer
GOtt durch Jesum Christum
angenehm sind, |
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1 Petri II, 5. |
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