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Zedler: Wissen, Latein. Scire HIS-Data
5028-57-1336-5
Titel: Wissen, Latein. Scire
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 57 Sp. 1336-1342
Jahr: 1748
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 57 S. 681-684
Vorheriger Artikel: Wissel-Styl
Folgender Artikel: Wissen … Wissenschafft
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen, Bibel
  • : Absatz in der Vorlage vorhanden
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage

  Text Quellenangaben
  Wissen, Latein. Scire, heisset, aus ungezweiffelten Gründen etwas durch Schlüsse herausbringen. Z.E. Wer aus der innern Beschaffenheit der Blätter zeiget, wie ein Baum daraus werden kan, der weiß es, daß es angehet.  
  Wissen und Glauben sind zweyerley Dinge; Und wo das erstere sich findet, hat man des letztern nicht vonnöthen. In der natürlichen Religion wissen wir die Wahrheiten aus der Natur und Vernunfft; In der geoffenbahrten Religion glauben wir dem geoffenbahrten, heiligen und untrüglichen Worte GOttes. Wollen wir erkennen, ob die Heilige Schrifft etwas gesaget habe, so erreichen wir solches, wenn wir in Sprachen, Historien und Wissenschafften, Alterthümern u.s.w. studiren; Wollen wir aber glauben, daß das wahr sey, was die Heil. Schrifft saget, so müssen wir solches durch die Gnade GOttes bitten und erlangen.  
  In der Hebräischen Sprache schliesset das Wort: Wissen und erkennen, offt Liebe, Gehorsam, Furcht, Sorge, Vertrauen und Glauben in sich. Zum Exempel: Die Söhne Eli erkannten den Herrn nicht, [hebräischer Text] Luther übersetzet es: sie fragten nicht nach dem Herrn, nach seinen Verheissungen und Drohungen, gehorchten auch seinen Geboten nicht,
  • 1 B. Sam. II, 12. Vergl. 
    • Jes. I. 4;
    • Psalm I, 6;
    • 1 Mos. XVIII. 19;
    • Nahum I, 6;
    • Tim. II, 19.
  • Meisners Philos. Lex. …
  • Ludwigs Gel. Anzeige …
  • Michaelis Hebr. Gramm. …
  Siehe auch den Artickel: Wissenschafft.  
     
  Erklärung einiger Schrifft-Stellen:  
  1. 2 B. Sam. III. 38: Wisset ihr nicht, daß auf diesen Tag ein Fürst und grosser gefallen ist in Israel? Hier giebt David zu bedencken:  
 
α) Die gefallene Person, die ist Abner. Demselben giebt er zwey Titul, und nennet ihn
 
 
  theils einen Fürsten, als wir 1 B. Sam. XXVI, 5, finden. [Ein Wort Hebräisch] bedeutet nicht etwan einen Titul-Fürsten, der nicht viel zu sprechen hat; Sondern einen grossen Fürsten, dem es kommt von [ein Wort Hebräisch], principem gerere, ein Herr und Regent in dem Fürstenthum seyn: Wie wir es von Abimelech finden, als er Richter war, der über gantz Israel regierte,
B. Richt. IX.
 
Theils einen grossen Fürsten, denn er war nicht ein geringer Officiant, sondern der fürnehmste, unter welchen die andern alle stunden,
Dan. II. 48.
 
β) Den kläglichen Todes-Fall.
 
 
Theils, wenn er hervorgegangen, auf diesen Tag; Hiermit
 
  {Sp. 1337|S. 682}  
 
siehet David auf die gefährliche Zeit, in welcher er damahls noch wegen seiner vielen Feinde stunde, da er eines solchen Mannes vornehmlich von nöthen hatte.
  Theils, wo er geschehen, in Israel; Hiermit siehet er auf die Landschafft und Religion, weil der wahre Gottesdienst nirgend, als in Israel war.
  Theils, wie er geschehen; Durch einen gewaltsamen Tod, da er wohl länger hätte leben, und dem Lande gute Dienste leisten können.
 
 
γ) Des Falles schuldige Behertzigung. Wisset ihr nicht; Das ist, ihr wisset es freylich; Ihr solt es aber auch recht bedencken, und dahin bedacht seyn, wie diese schändliche That gerochen werden möge.
 
     
  2) Pred. Salom. X, 14. Der Mensch weiß nicht, was gewesen ist, und wer will ihm sagen, was nach ihm werden wird. Luther macht hiebey die Rand-Glosse: „Er gedencket nicht, wie es vorhin andern gegangen ist, fähret fort, und weiß doch nicht, wie es gehen wird.„  
     
  3) Lucä II, 49. Wisset ihr nicht, daß ich seyn muß in dem, daß meines Vaters ist? Dieses: Wisset ihr nicht? ist eine gebräuchliche Redens-Art, wenn man einen dessen erinnern will, was er vorhin wohl gewust, und was wir ihm vorhin gesaget haben. Als wenn Paulus spricht: Wisset ihr nicht, daß alle, die wir in Jesum Christum getaufft sind, die sind in seinen Tod getaufft? Röm. VI, 3. Siehe 2 B. Sam. XI, 20.
  Es will also der Herr Jesus gleichsam dieses sagen: Wenn ihr euch erinnert, was ihr von meiner Geburt an, bis auf diese Stunde, von mir gehöret und gesehen habt, so hättet ihr keine Ursache gehabt, mich mit Schmertzen zu suchen.  
     
  4) Lucä XIX, 42. Wenn du es wüstest, so würdest du auch bedencken zu dieser deiner Zeit, was zu deinem Frieden dienet. Ach, daß du es reifflich erwegtest, und zu Hertzen nehmen möchtest! O si etiam tu! Ach daß du es auch möchtest behertzigen, und in Staub und in der Asche Busse thun, wie Ninive.  
  Oder, wie andere es nach dem Grund-Texte ausgeleget haben wollen: Si vel saltem tu; Wenn du noch zum allerwenigsten es möchtest bedencken, und dich bekehren, so wolte ich zu frieden seyn. Ich wolte gerne geschehen lassen, daß Capernaum, welches auch meiner Lehre und Wundertaten halber bis an den Himmel erhoben ist, geschleiffet werden möchte. Ich wolte mit dem Untergange der Städte Chorazin und Bethsaide zu frieden seyn. Aber daß du, Jerusalem, die Königin aller Städte, darinnen ich meinen Tempel habe, da die Füsse meiner theuren Märtyrer und Propheten gestanden, so jämmerlich zugerichtet werden solte, das bricht mir mein Hertz, das schmertzet mich. Ah, si vel tu saltem; Ach! Wenn du nur überbleiben möchtest, und dich das Unglück nicht träffe. Wenn du nur wüstest, was du sonst wohl wissen kanst, so würdest du bedencken, was zu deiner Wohlfarth dienete.  
  Das Wissen ist zweyerley; Eines des Thuns, das andere des Rechtes. Beyderley Wissenschafften hatten die Jüden. Es war ihnen ihr gottloses Wesen nicht verborgen, ihr Gewissen zeugte wider sie; Sie hatten auch die Wissen-  
  {Sp. 1338}  
  schafft des Rechtes, beydes des natürlichen und göttlichen Rechts. Beydes sagte ihnen, daß es unrecht, GOtt zu beleidigen, den Nächsten um das seine zu bringen; Und dennoch wolten sie dieses muthwillig nicht wissen. Ob auch gleich die Propheten auftraten, und ihnen Gottes gerechte Straffe verkündigten, die auf solche muthwillige Verbrechung des Gesetzes erfolgen würde, so hieß es doch bey ihnen: Hier ein wenig, da ein wenig, Jes. XXVIII, 10.
  Wenn sie ihnen von dem Kriege sagten, so sprachen sie: Friede, Friede! Und war doch nicht Friede. Jerem. VI, 14.
     
  5) Lucä XXIII, 34. Sie wissen nicht was sie thun.  
  Jesus saget dieses von seinen Creutzigern, und zeiget damit die Ursache an, warum er für sie bete? Es bewege ihn hierzu nicht nur seine innerliche Liebe und Barmhertzigkeit, sondern auch äusserlich ihre Unwissenheit, und ist hier seine Liebe bis auf den höchsten Gipffel gestiegen. Er erweiset, daß er nicht allein ein Fürbitter, sondern auch ein Fürsprecher seiner Feinde sey, und ihnen nach Möglichkeit, wie ein Advocate, das Wort rede, daß GOtt ihre Missethat verschonen wolle. Solten sie aber nicht gewust haben, was sie thäten? Hatten sie nicht seine Predigten gehöret? Hatten sie nicht seine Wunder vielmahl mit Augen gesehen? Was sagte nicht Nicodemus? Johannis III, 2. Meister, wir wissen, daß du bist ein Lehrer von GOtt kommen, denn niemand kan die Zeichen thun, die du thust, es sey denn GOtt mit ihm. Hat nicht das Volck geruffen: Es ist ein grosser Prophet unter uns aufgestanden, und GOtt hat sein Volck heimgesucht, Lucä VII, 16. Siehe Johann. VI, 14.
  Antwort: sie wusten in gewisser Masse, was sie thäten; Sie waren genugsam von Jesu Unschuld überzeuget; Sie hätten aus seinen Wercken überflüßig schliessen können, daß er der Meßias wäre, allein aus halsstarriger Bosheit wolten sie ihm die Ehre nicht geben; Darneben waren auch sehr viele nicht wussten, daß er Gottes Sohn wäre, sondern ihn für einem blossen Menschen hielten, sie wusten nicht, daß sie den Herrn der Herrlichkeit vor sich hatten; Ihr habts aus Unwissenheit gethan, Apost. Gesch. III, 17. Siehe 1 Corinth. II, 8.
  Es war demnach eine sehr grobe Unwissenheit, daß sie erkannten, sie hätten einen Unschuldigen vor sich, und doch nicht meyneten, sie thäten so groß Unrecht, wenn sie ihn creutzigten. Sie wusten nicht, daß sie gar den Meßias vor sich hätten; doch waren sie darinnen nicht gantz zu entschuldigen, denn sie hätten es wissen können, Johann. XV, 24.
  Sie hatten Sünden der Unwissenheit, wie Paulus, der unwissend ein Lästerer gewesen; Auch Sünden der Schwachheit, wie Petrus, der aus Furcht Christum verleugnet hatte; Auch Sünden der Bosheit, wie David, da er den Urias tödten ließ denn sie wusten, daß sie unschuldig Blut vergossen. Vor alle solche Gattungen hat Christus gelitten und Vorbitte gethan.  
     
  6) Röm. I, 19. Daß man weiß, daß ein GOtt sey, ist ihnen offenbahr: Denn GOtt hat es ihnen offenbaret.  
  Die Übersetzung Luthers ist hier sehr gut, es komme nun des Grund-Textes  
  {Sp. 1339|S. 683}  
  halber an, auf was es wolle. Es heisse das daselbst befindliche Wort: gnoston Theou, die Erkenntniß GOttes, da man ihn erkennet, oder dasjenige, was man von GOtt dem Herrn weiß und erkennen kan, oder, wie es nach des Wortes anderwärtigem Gebrauche in der Schrifft am genauesten seyn wird, eine unwidersprechliche Gewißheit, die vor sich selbst bekannt ist; So wird gedachte Dollmetschung schon stehen bleiben können.  
  Paulus spricht, solche unwidersprechliche von sich selbst bekannte Gewisheit GOttes, oder von GOtt, daß er gewiß sey, und aller Dinge Herr und Regierer, und dessenthalben zu ehren, das sey ihnen offenbaret, nach der Sprache Pauli: In ihnen, nemlich in ihren Hertzen. Es ist ihren Gemüthern also deutlich geoffenbaret, daß sie dessen in ihrem Gewissen überzeuget sind, und es nicht leugnen können. Warum denn? Paulus spricht: Denn GOtt hat es ihnen offenbaret; Da ausser Zweiffel von einer unmittelbaren Offenbarung GOttes die Rede ist, da er nicht durch Mittel, sondern unmittelbar selbsten es ihnen offenbaret, nemlich, da er es in der ersten Schöpffung in des Menschen Hertz eingeschrieben. Da siehet man, daß gewiß von Natur der Mensch etwas von GOtt wisse, ohne alles andere Zuthun, ohne Erlernung aus den Creaturen, und derselben Betrachtung.  
     
  7) 1 Corinth. II, 2. Ich hielte mich nicht dafür, daß ich etwas wüste unter euch, ohn allein Jesum Christum, den Gecreutzigten.  
  Paulus war kein Idiote, wie zwar Theophylactus und Oecumenius aus diesen Worten schliessen wollen, oder, daß er wenigstens nichts in weltlicher Weisheit und Wissenschafft prästiret und gethan haben solte, wie Chrysostomus hieraus muthmassen will; Nein, er war ein Mann von grosser Gelehrsamkeit und Weisheit, wie nicht allein seine Schrifften zeugen, sondern er auch wohl ehemahls die klugen Athenienser mit einer gelehrten fürtrefflichen Rede confundirte, Apost. Gesch. XVII, 10 u.f.
  auch die zu Lystra mit seiner Beredsamkeit in solche Verwunderung setzte, daß sie ihn gar für den Mercurius, den GOtt der Wohlredenheit, hielten, Apost. Gesch. XIV, 11,
  wie denn auch fast keine Wissenschafft gewesen, die er nicht in seinen Schrifften mit anzubringen gewust hätte.  
  Daß er in dem Jüdischen Gesetz und seiner Theologie viel gethan, ist aus Apost. Gesch. XXII, 3, und Philipp. III, 4. 5, zu ersehen; Wie er denn auch aus seinem Vaterlande Tharsen auf die Universität gen Jerusalem geschicket worden. Er hat seine Poeten gelesen, als den  
 
  • Aratus,
Apost. Gesch. XVII, 28.
 
  • Menander,
1 Corinth. XV, 31.
 
  • Epimenides,
Tit. I, 12.
  Zu Ephesus hat er als ein öffentlicher Lehrer zwey Jahr zugebracht, da er mit Juden und Heyden zu streiten und disputiren bekam, Apost. Gesch. XIX, 8 u.f.
  In Sprachen war er so wohl bewandert, daß er ohne Aufschneiderey an seine Corinther schreiben konnte: Ich dancke meinem GOtt, daß ich mehr mit Zungen rede, denn ihr alle, 1 Corinth. XIV, 18.
  Nach Tossani Bibel: Daß ich fremde Sprachen rede, mehr, denn ihr alle.  
  Ja er darff 2 Corinth. XI, 21, schreiben: Worauf  
  {Sp. 1340}  
  iemand kühne ist, darauf bin ich auch kühne.  
  Er verstand nicht allein die Jüdischen, sondern auch Römischen Rechte, die Lehre von Testamenten und Erbschafften, von der Vormundschafft, von der Knechtschafft und Freyheit,
  • Galat. III, 15 u.f. Cap. IV, 1. 2. 24.
  • Röm. VI, 6, 19.
  • 1 Corinth. VII, 21.
  Er wuste das Recht der Römischen Bürgerschafft, und die Freyheiten der Römischen Bürger, wohl zu appliciren und zu gebrauchen, Apost. Gesch. XIX, 37. Cap. XXII, 25.
  Er verstund die Appellationes, Cap. XXV, 11. 12.
  Ja, er gab auch zur Noth einen Medicus mit ab, 1 Timoth. V, 23.
  Allein dieses alles achtete er für nichts, gegen der überschwänglichen Erkänntniß Christi, um welcher Willen er alles für Schaden hielte, Phil. III, 8.
  Er verleugnete sich selbst, und wolte unter seinen Zuhörern, die er zu der Seligkeit führen solte, von nichts wissen, ohne von JEsu Christo, dem Gecreutzigten; Der war allein die Sache, die er vortrug.
  • 1 Corinth. I, 23. 24.
  • Galat. VI, 14.
     
  8) 1 Corinth. VIII, 1. Das Wissen bläset auf, aber die Liebe bessert.  
  Das Wissen, gnosis, das Erkenntniß, zeiget, wie der gleich folgende Vers lehret, nicht so wohl ein wahrhafftig, als vielmehr ein eingebildet vermeyntes Wissen an, so hier insonderheit zusammen von demjenigen Wissen gebrauchet wird, nach welchem die Corinther, als Neubekehrte, so wohl wusten, daß ein Götze nichts in der Welt sey, v. 4,
  als auch, daß die Speise einen vor GOtt nicht fördere, nicht besser, noch schlimmer mache, wie hierüber ein Streit in der Gemeine entstanden, v. 8.
  Schliesset aber doch nicht insgemein alle andere, auch wahre Wissenschafften, aus, sie mögen von menschlichen, oder göttlichen Dingen seyn, weil alle mehrentheils das anhangende Böse haben, daß der, so sie besitzet, sich aufbläset. [Ein Wort Griechisch] ist ein artig Gleichniß, wie Geier bemercket, daß etwa von einem Blasebalge genommen ist. Denn wie ein solcher vor sich, unaufgeblasen, nur einen schlechten Raum einnimmt, ja fast nichts scheinet, oder doch allein anzusehen ist, hingegen, wo er aufgeblasen und voll Lufft gemachet worden, gewaltig brauset, und einen solchen starcken Wind von sich giebet, daß er alles vorstehende wegstossen, einer Glut gewaltige Brunst machen, ja andere seltsame Dinge verrichten kan; So verhält es sich mit dem vielen Wissen, verstehe, nicht eben für sich selbst, (per se) sondern zufälliger Weise, wenn nemlich keine Liebe dabey ist.  
  Es bläset auf, das ist, verursachet grosse Einbildung, von unvergleichlicher Würde und Vorzuge, blehet daher den Verstand, die Geberden, die Reden, ja blehet alles übrige Fürnehmen auf, daß man sich selbst nicht kennet, sondern andere neben sich verachtet, und meynet, man sey es alleine: Die Liebe aber bessert; Nicht Welt- und Eigen-Liebe, sondern, durch welche der Glaube thätig, die eine Frucht des H. Geistes ist, Galat. V, 6. 22.
  Diese Liebe ist specialiter von der zu verstehen, die sich des Nächsten annimmet, mit seiner Schwachheit entweder ein Mitleiden hat, oder doch suchet, weil ihm GOtt  
  {Sp. 1341|S. 684}  
  viel liebes und gutes gethan, wie sie dergleichen auch an ihm beweisen möge; Es hindert aber doch auch nicht, daß wir sie nicht, und zwar vornemlich, auf die Liebe Gottes ziehen könnten. Denn wer der wahren Liebe Gottes recht voll ist, der kan nicht anders, als um deswillen zu suchen und zu trachten, wie er nicht nur an sich, sondern auch an andern, alles bessern möge.  
  [Ein Wort Griechisch] heisset eigentlich bauen, da man entweder von Grund aus was neues aufführet, oder etwas eingegangenes auf das beste wiederum stützet, ausbessert und verwahret, daß es zu einer bequemen Wohnung tüchtig bleibe. Es ist aber auch nicht uneben durch Bessern verdeutscht, weil freylich das, was aus schlechtem, gefährlichem und zweiffelhafftem Zustande in einen löblichen und nützlichen versetzet wird, allerdings gebessert heisset; Anzuzeigen, daß, wo wahrhaffte Liebe ist, selbige nicht nur auf sich sehe, sondern auch auf den Nächsten die Augen richte, und die Liebe überall nicht ferne von ihm seyn lasse, welches auch viel nützlicher, als wenn einer in seinem Gehirne noch soviel Wissenschafft verschlossen hielte, weil mit allem dem Nächsten wenig, oder gar nichts geholffen wäre.  
     
  9) 2 Corinth. V, 1. Wir wissen, so unser irrdisches Hauß dieser Hütten zerbrochen wird, daß wir einen Bau haben, von GOtt erbauet, ein Hauß, nicht mit Händen gemacht, das ewig ist im Himmel. Paulus redet von einem solchen Wissen, dadurch wir von der Wahrheit und Gewißheit dessen völlig überzeuget sind. Denn so deutet das Griechische Wort ein solch Wissen an, dabey man einer Sache so gewiß ist, als hätte man es mit Augen gesehen, dessen Gewißheit niemand in Zweiffel ziehen kan. Denn was die Augen sehen, glaubet das Hertz.  
     
  10) 2 Timoth. I, 12: Ich weiß, an welchen ich gläube.  
  Etliche, als Estius, Zeger, geben es: Cui concredidi, welchem ich mich, oder auch meine Beylage, anvertrauet habe. Dieses ist nicht ungereimt, wenn nur das Wort [ein Wort Griechisch] in dieser Bedeutung an einigem Orte vorkäme. Zum wenigsten werden wir es in dem N. Testamente so nicht finden. Hier heisset es nach dem Griechischen: Ich weiß, wem ich gläube.  
  Es pflegen sonst diese drey Redens-Arten: Credere Deum, credere Deo, credere in Deum, einen GOtt gläuben, GOtt gläuben, und an GOtt gläuben, von einander unterschieden zu werden; Welchen Unterschied auch unter den Griechischen Lehrern Gregorius Nazianzenus, und von den Lateinischen Augustinus, angemercket. Die erste Redens-Art beziehet sich auf die Existentz, und daß ein GOtt sey; Die andere auf die Wahrheit Gottes; Die dritte auf die Güte und Allmacht Gottes.  
  Die erste Redens-Art zeiget fürnehmlich die Wissenschafft an, die andere den Beyfall, die dritte das Vertrauen, als die wesentlichen Stücke des Glaubens. Welchen Unterschied auch Luther Tom. I. Jen. Germ. … gar schön erläutert. Ob aber gleich in einigen Orten H. Schrifft dieser Unterschied beobachtet wird, so ist es doch nicht durchgängig; Massen auch von dem seligmachenden Vertrauen gesaget wird: Abraham hat GOtt gegläubet, und das ist ihm ge-  
  {Sp. 1342}  
  rechnet zur Gerechtigkeit,
  • 1 B. Mos. XV, 6.
  • Röm. IV, 3.
  So saget Jesus: Wer mein Wort höret, und gläubet dem, der mich gesandt hat, Joh. V, 24.
  Hingegen wird auch wohl von den Heuchlern, deren Glaube doch nicht richtig ist, gesaget, daß sie an Christum glauben; Als Johann. II, 23. 24. Cap. XII, 52. 53.
  Wenn demnach Paulus hier saget. Ich weiß, welchem ich gläube, so hat es Luther nicht unrecht gegeben: An welchen. Denn allerdings wird das feste und selige Vertrauen, so aus Gottes Wort gefasset wird, und GOtt mit seiner Wahrheit, Güte und Allmacht ergreiffet, durch diese Redens-Art beschrieben.  
  Unter Menschen mag das Sprüchwort gelten: Fide sed cui, vide;Trau, schau aber, wem. Ich weiß, wem ich gläube, und auf wen ich mich verlasse. Ich habe es nicht mit einem Betrüger zu thun, wie Sebul war, der den Gaal weiß nicht was beredete, ihn in Unglück zu bringen, B. Rich. IX, 36.
  Nicht mit einem lügenhafften Geiste, der unsere ersten Eltern verführete, 1 Mos. III, 4. 5.
  Oder, der ausgieng, und ein falscher Geist in aller Propheten Munde war, 1 Kön. XXII, 20.
  Ich gläube an den Herrn, den ich als meinen Vater, als meinem Heyland, als meinen einigen Trost und Hülffe, recht erkenne; Auf dem ruhe ich mit gantzer Zuversicht des Hertzens, wie ein Schiff auf seinem Ancker, oder ein Hauß auf seinem Grunde. Denn der Glaube ist eine gewisse Zuversicht, des, das man hoffet und nicht zweiffelt, an dem, daß man nicht siehet, Ebr. XI, 1.
     
  11) Offenb. Joh. II, 2. Ich weiß deine Wercke.Oida, ich sehe es gleichsam gegenwärtig.  
  Es ist aber dieses Wissen Jesu:  
 
α) Ein göttliches und unfehlbares Wissen, durch seine Allwissenheit, auch nach seiner menschlichen Natur. Er weiß nicht allein die äusserlichen Wercke, sondern siehet auch in das Hertz hinein,
  • 1 B. Sam. XVI, 7.
  • 1 B. Kön. VIII, 39.
  • Johann. XXI, 17.
  • Psalm CXXXIX, 1 u.f. 15. 16.
 
β) Ein solches Wissen, da der Herr Jesus absonderlich die guten Wercke liebet und lobet; Wie also das Wissen, oder kennen Gottes, offt gebrauchet wird.
Als
  • Psalm I, 6.
  • Joh. X, 14.
  • 2 Timoth. II, 19.
  • Amos III, 2.
 
Wenn Christus hier sagt: Ich weiß deine Wercke, will er soviel sagen: Ich weiß genau und eigentlich, ich rühme und lobe, und lasse mir wohlgefallen, was du gutes an dir hast und thust. Zwar unsere Wercke, auch wenn sie am besten sind, sind unvollkommen,
  • Jes. CXIV, 6.
  • Sirach XXVII, 5.
 
  Doch aber rechnet GOtt, um Christi willen, die angegebenen Mängel und Unreinigkeiten, den Gläubigen nicht zu. Was aber gutes dabey ist, das gefällt ihm, das liebet und lobet er;
 
 
Theils, weil es gut ist, und von ihm selbst herkömmt,
  • Phil. I, 6.
  • Jac. I, 17.
 
  Theils, weil sie in Einfalt geschehen, und aus einem aufrichtigen Hertzen herkommen;
 
 
Theils, weil die geistlichen Opffer GOtt durch Jesum Christum angenehm sind,
1 Petri II, 5.
     

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Stand: 12. Juli 2013 © Hans-Walter Pries