Titel: |
Bequemlichkeit des Lebens und der Leibesunterhaltung |
Quelle: |
Zedler Universal-Lexicon |
Band: |
Suppl. 3 Sp. 719-721 |
Jahr: |
1752 |
Originaltext: |
Digitalisat BSB
Suppl. 3 S. 363-364 |
Vorheriger Artikel: |
Beque (Imbert de) |
Folgender Artikel: |
Beqver (Ant.) |
Siehe auch: |
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Hinweise: |
- Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe
Hauptartikel
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Text |
Quellenangaben |
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Bequemlichkeit des
Lebens und der
Leibeserhaltung. |
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Ob gleich solche ein nicht zu verachtendes
Stück zeitlicher Glückseligkeit ist; so sind doch
dabey gewisse
Pflichten zu beobachten, wenn
solche
vernünfftig und der
menschlichen
Gesellschafft nicht
nachtheilig seyn soll. Und
zwar |
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1) |
in Ansehung gegen uns selbst, so
muß |
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a) |
solcher Zweck eines bequemen
Lebens,
z.E. in Speise, Trank, Kleidung, Wohnung, Haußrath,
Bedienung,
Ergötzlichkeiten, da er ohne viele
Dienste
anderer nicht zu haben ist, nicht auf eine der
Geselligkeit
zuwiderlauffende Art gesuchet werden; indem, wo dieses geschiehet, ein
Mensch,
gleichwie er andern durch ein unbefugt bequemes
Leben
theils unnütze, theils beschwerlich ist, also sich für nehmlich auch
selbst eben dadurch, daß er andern in der menschlichen
Gesellschafft nur unnütze und beschwerlich ist, mehr Ungelegenheit, als
wahre Bequemlichkeit zu wege bringet, mithin wider die Grund Gesetze
seiner zeitlichen Wohlfahrt anstößet. |
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b) |
Niemand also kan ein
Recht
haben, nur
Dienste
und vielen Beytrag anderer zu einem bequemen
Leben
zu fordern, und doch dargegen wenig oder nichts zum Wohlseyn anderer
beyzutragen, als welche
Art
der Selbst-Liebe ausser allem Zweifel höchst ungesellig wäre. Es ist
daher nicht
unbillig, daß ein
Mensch
in der menschlichen
Gesellschafft
bequemer lebe, als der andere, insoweit nämlich der eine zum
allgemeinen Wohlseyn der menschlichen Gesellschafft mehr beyträgt, als
der andere. Und faule ungeschickte Leute also lässet man mit allem
Rechte den Mangel leiden, in den sie sich selbst stürzen. |
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c) |
Aus diesem
Grunde
verbinden die
Gesetze
einer geselligen Selbst-Liebe einen jeden, daß er, nachdem nunmehro das
Eigenthum
eingeführet ist, zu seiner Nothdurfft und Bequemlichkeit ein
hinlängliches
Vermögen an zeitlichen Gütern zu erwerben trachte; indem
doch ein jeder, soviel möglich, gern ein bequemes
Leben
führen wollte, solches aber ohne zeitliches Vermögen auf einer der
Geselligkeit
gemässe Art sich nicht thun lässet: Dieweil ohne zulängliches Vermögen
man entweder die nöthige Beyhülffe und
Dienste
anderer
Menschen
umsonst begehren, oder durch arglistige Verstellung, als ob man sie zu
ersetzen im
Stande
wäre, um das ihrige betrügen müßte. Also sind alle, die nichts wollen
erwerben lernen, und dennoch gern bequem leben wollen, entweder Bettler
oder Betrüger. |
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Die
Pflichten der Bequemlichkeit |
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II) |
gegen andere
Menschen hingegen
kommen überhaupt auf zweyerley an. |
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Erstlich daß ein jeder das gute, das er ohne
seinen eigenen
Schaden einem andern zu seiner
Bequemlichkeit erweisen kan, ihm erweise: Zum
andern, daß er das
böse, dadurch er dem andern
zur Ungebühr beschwerlich seyn würde,
unterlasse. |
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Die erstere
Art der
Pflichten sind Pflichten der
geselligen Hülffe zu allerseitiger Bequemlichkeit
der Menschen, und werden insgemein
Liebesdienste oder Pflichten der Gefälligkeit und
Leutseligkeit (officia humanitatis) genennet. Die
andere Art aber dieser Pflichten sind Pflichten der
Sicherheit, und können Pflichten der
Eingezogenheit und Friedfertigkeit (officia
continentiae) heissen. |
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Doch sind wir beyderley Pflichten nicht allein
andern zu erweisen schuldig, sondern sie dargegen auch wiederum von
ihnen zu erwarten befugt, |
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{Sp. 720} |
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in Betrachtung der natürlichen Gleichheit der
Rechte aller Menschen. Sie sind aber von beyden
Seiten nicht mit
Gewalt zu erzwingen, sondern
durch Liebesreitzung und
Klugheit von allen
Seiten freundlich zu suchen und zu erwarten. |
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Dahero entstehen in Ansehung unserer
Befugnis, auch von andern der
Pflichten der
Gefälligkeit und Friedfertigkeit gewärtig zu seyn,
ebenfalls zwo besondere Pflichten: nämlich die
Pflicht der Bescheidenheit, mit welcher wir
Pflichten der Gefälligkeit von andern gewärtig
sind; und die Pflicht der
Gedult, mit welcher wir
uns gegen sie in Ansehung der uns von ihnen zu
leistenden Pflichten der Friedfertigkeit
betragen. |
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Alle diese vier Hauptpflichten der
Bequemlichkeit, welche alle übrige, die nach der
Vielfältigkeit der Fälle unzählig sind, unter sich
begreiffen, können ferner in allgemeine und
besondere eingetheilet werden. |
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Die allgemeinen sind die
Pflichten der
Leutseligkeit und Bescheidenheit, der
Friedfertigkeit und Gedult, die zu den gemeinen
Zwecken aller Menschen bequem und dienlich
sind, und die also alle Menschen allen andern,
bekannten und unbekannten, bey aller
Gelegenheit zu erweisen
verbunden sind. Diese,
zusammt den Pflichten der
Nothwendigkeit,
werden insgemein die allgemeinen Menschen-
Pflichten genennet. |
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Die besondern hingegen sind die
Pflichten
der Gefälligkeit und Bescheidenheit, der
Friedfertigkeit und Gedult, die ein Mensch dem
andern, und dieser jenem, in beyderseitiger
Absicht auf die ihnen beyden eigenen und
besondern
Zwecke leistet. Diese können jenen
allgemeinen Menschenpflichten gar wohl unter
dem
Titel der besondern Freundschaftspflichten
entgegen gesetzet werden. |
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Zu allen
Pflichten der Bequemlichkeit sind
zwar alle Menschen einander
verbunden; jedoch
nur überhaupt, und unter einer Bedingung, die in
jedem vorkommenden besondern Falle dem
eigenen Gewissen eines jeden überlassen ist; in
so ferne nämlich deren Leistung dem leistenden
selbst nicht unbequem, oder wenn sie unbequem,
in so ferne solche Unbequemlichkeit durch eine
gleichgeltende Bequemlichkeit ersetzet wird.
Dahero sind die Menschen zu den Pflichten der
Bequemlichkeit einander durch ein nur
unvollkommenes
Recht, daß sie in jedem
vorkommenden Falle nicht so schlechterdings von
einander erzwingen können, verbunden; Und
niemand kan also der besagten Pflichten von
Seiten des andern, daß sie ihm nämlich in diesem
oder jenem Falle schlechterdings und gewiß
geleistet werden müßten, versichert seyn. |
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Da nun aber ein nicht geringer Theil der
menschlichen Glückseligkeit auf der
Bequemlichkeit des
Lebens, diese aber, vermöge
der
Geselligkeit, auf den
Pflichten der
Bequemlichkeit beruhet, so folget, daß, so groß
die Ungewißheit dieser letztern ist, in eben so
große Ungewißheit auch hiedurch die
menschliche Glückseligkeit versetzt werde. Weil
aber die Menschen mit höhestem
natürlichen Rechte nach ihrer Glückseligkeit streben, welcher,
wie gedacht, die Ungewißheit der Pflichten der
Beqvemlichkeit sehr im Wege stehet; so müssen
sie mit höhestem natürlichen Rechte befugt seyn,
solcher Ungewißheit abzuhelffen. |
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Solches hat im Stande der Natur durch kein
natürlicheres und der
Geselligkeit gemäßeres
Mittel geschehen können, als durch freundliche
Verabredungen oder
Unterhandlungen, durch
welche alles, was in der Application dieser
Pflichten auf allerhand vorfallende besondere
Fälle ungewiß und zweifelhaft seyn möchte, gewiß
gemacht |
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{Sp. 721|S. 364} |
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wird, und solchergestalt die
Pflichten
selbst und ihre Application auf diesen oder jenen Fall in vollkommene Pflichten
verwandelt werden: Welche hernach Pacte oder Verträge genennet werden. |
S.
Müllers Philosophie Th. III, … |
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