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Quellenangaben |
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Titul,
Lat.
Titulus,
Frantz.
Titre, Ital. Titolo
heist also zuerst, (wie in dem
vorigen Artickel
gedacht worden) und überhaupt so viel, als die Rubrick, Auf- oder Überschrifft
eines
Buches, Bildes, oder andern
Werckes,
um solches von andern
unterscheiden zu können. |
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Und werden absonderlich die
Worte
oder
Buchstaben auf denen gemahlten und geschnitzten Bildnissen der Titul
genannt, woraus man entweder des Künstlers, der solches verfertiget hat, oder
dessen, den selbiges abbilden
soll, seinen
Nahmen,
oder auch die Zeit, wenn es verfertiget worden,
erkennen kan. |
Gloss. in l. non ambiguum. C.
famil. herc. und in
Novell. de
mand. princ. § titulos. |
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Was nun insbesondere die Titul der
Bücher betrifft, so pflegten die alten
Schrifftsteller vor der
Erfindung der Buchdruckerkunst,
auf den Titel ihrer Bücher zu setzen: Liber unus, Libri duo, u.s.w. und
zwar musten sie dieses darum thun, damit man wüste, in wie vielen Rollen ein
Buch bestanden, ob nur eine oder mehr Rollen dazu gehöreten, damit nichts davon
verlohren; oder ein mehrers, als nöthig, dazu vergeblich gesuchet würde. Denn es
ist bekannt, daß zu der Zeit, als man sich nur mit geschriebenen Büchern
behelffen muste, man solche Bücher nicht gefaltzet, und mit einem Bande, als
einem Gehäuse eingefasset, sondern entweder nur ein lang Stück Pergament oder
eine Schlangen-Haut (drakontos enteron) zu einem
Buche genommen, oder einen Bogen an den andern geleimet, und es hernach in die
Runde zusammen gerollet und aufgewickelt habe, fast wie heut zu Tage die
Land-Charten auf Stäbe aufgerollet werden. |
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Jetziger Zeit aber, da die
Bücher zusammen in eins gedruckt, und alles mit
dem Custos oder letztem Worte gezeichnet, ist es unnöthig auf dem Titel zu
melden, aus wie vielen Büchern eine
Schrift
bestehe, indem davon nicht leicht etwas verlohren werden kan, das man nicht
sofort vermissen würde. Gleichwohl findet man noch viele Schrifften, deren
Tittel ihre Verfasser aus einer heiligen Ehrfurcht vor das liebe Alterthum mit
dem Liber unus ausgezieret haben; vielleicht daß, weil sie die wahre
Ursache
solcher
Gewohnheit der Alten nicht gewust, sie solches als eine besondere
Eloquentz angesehen. |
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Jedoch dieses wäre ihnen noch leicht zu vergeben, wenn nicht viele auf
andere Art ihre Titel lächerlich machten. Man findet nicht leicht schönere
Spielwercke, als wenn man der Wortforschler (Criticorum) und der
Sprachkunst-Verständigen (Grammaticorum) ihre Titel zusammen liest. Da
sind Thesauri, faces, lampades, cornua copiae, statuae merculiates,
lucubrationes, noctes, und hundert andere Erfindungen. |
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Es läst nicht weniger schön, wenn die
Scribenten
ihren
Büchern fein und deutliche und verblümte Titel geben. Da vertiefft einer
seinen Leser bald in einen Oceanum |
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{Sp. 472} |
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macro-microcosmicum; der andere salbet ihn mit einem Smegmate
Orientali; der dritte bringet ihn mit einem Uranophilo coelesti
peregrino in
Gesellschafft, der vierte bittet ihn bey einem renato e mysterio
principio philologico zu Gevattern, der fünffte läst gar die
Evangelische
Wahrheit mit vier Pferden in die
Welt
fahren, wenn Johann Hajus eine Harmoniam Evangelicam
unter den Titul, Triumphus veritatis, ordinati Evangelii quadriga invectae,
sanctorum patrum exercitu stipatae
schreibet,
der sechste verspricht auf den Titul von vier Elementen zu handeln, und in dem
Buche soll man die gantze Einrichtung der Rechts-Gelehrsamkeit suchen. |
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Die, denen man etwas schwärmerisches schuld giebet, sind Meister auf
dergleichen Titul. Da höret man immer Posaunen-Stimmen, oder kriegt sonst
Gesichter in die Augen, aus welchen man sich kaum zu helffen weiß. So führet zum
Exempel ein Rosenkreutzerisches
Buch folgenden Titel: Fratrum Roseae Crucis
Fama escanzia redux, buccina Jubilaei ultimi, Evae hyperboleae praenuntia,
montium Europae cacumina suo clangore feriens, inter colles et convalles Araba
resonans. |
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Das läst auch sehr wohl, wenn die Titel in Form einer Frage eingerichtet
seyn, wie das bekannte, was fehlet mir noch? oder,
warum wilt du lauffen mein Sohn? oder, wer hat das Kalb ins
Auge geschlagen? |
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Endlich haben wir
Teutschen
sonderlich eine lächerliche
Gewohnheit,
daß wir unsern
Büchern unsäglich lange Titel geben. Da wird nicht nur der Haupt-Nahme
des Buchs etliche mahl verändert, und alle Benennungen, die man ihm hätte geben
können mit das ist, und oder,
verknüpfft,
sondern man findet auch gleich auf den Titel Blatte einen Auszug des gantzen
Buchs. |
- Mencke de charlataneria Eruditorum.
-
Deutsche
Acta Eruditorum, XXXII,
Th. p. 656. u.f.
- Johann Gottl. Biedermanns Progr.
de insolentia titulorum librariorum, Naumburg 1743, in 4.
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In den Druckereyen wird der Titul zu einem
Buche oder Carmen vor ein
Kunst-Stück gehalten, wenn solcher wohl gerathen, weil selbiger gleichsam der
Rock zum Buche ist, und keinen leichtlich vorgeschrieben wird, was vor
Schrifft er dazu nehmen soll. Sondern er muß alles selbst erdichten, was zum
Wohlstand erfordert wird. Der beste
Vortheil, den man sich dabey bedienen muß,
ist, daß man ihn vorher wohl durchlist, und in Theile abtheilet, alsdenn die
Haupt-Zeile oder das Haupt-Wort setzet, nach der müssen die andern alle
gerichtet werden, jedoch daß keine der andern gleich kommt, welches einen
Übelstand machet. Überhaupt sehen diejenigen Titul am besten, da nicht allzu
grosse Schrifften dazu genommen werden, damit die gehörige Proportion heraus
kommet. |
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Auch die Buchbinder haben mit den Tituln der
Bücher zu thun. Sie sollen
öffters auf die Rücken der Bände die Überschrifften der Bücher setzen. Will man
nun solche mit Golde aufprägen, so wird erstlich der
Ort,
wo die
Schrifft hinein kommen soll, mit Firnebock roth, oder mit distillirten
Grünspan grün, also auch mit andern Farben angefärbet; die Buchstaben, wie man
sie |
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{Sp. 473|S. 250} |
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in Druckereyen hat, in den so genannten Schrifftkasten gesetzet,
eingeschraubet, übern Kohlen warm gemacht, vermittelst eines Gummi-Wassers die
Gold-Blätter aufgeleget, und wie mit einem Stempel eingedrücket. Endlich wird
mit Golde ins Gevierdte eine Zierrath herum gemacht. Will man die Schrifft nicht
mit Golde haben, mag man sie mit Druck-Farbe schwartz hinein drucken, oder mit
der Feder hinein schreiben. |
Zeidlers Buchbinder-Kunst p. 120. |
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Zum Schluß kommen wir noch einmahl zu denen Gelehrten zurücke, doch nicht
zwar zu denen curieusen Tittel-Schmidten, sondern zu denen, welche in ihren
Schrifften
anderer ihrer
Bücher anzuführen haben. Solche solten die Titel der Bücher
allezeit in der
Sprache und mit denen
Worten,
deren sich der Verfasser bedienet hat, anführen: Es wird aber gar öffters zum
Schaden der Leser darwieder gehandelt. Denn man
erfährt täglich, daß, wenn man
bey den Buchhändlern Bücher nicht unter ihrem wahren Titel, sondern nur nach dem
Sinne des Titels suchet, man, ohne dieselben zu finden, zurücke gehet; ob sie
sich gleich in den Niederlagen oder öffentlichen Buchläden befinden. Will man ja
den Titel eines
Buches in der Sprache, darinne man
schreibet anführen, so füge
man dem wahren Titel die Übersetzung desselben noch besonders bey. |
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Noch mehr zu tadeln ist, wenn man die Titel zwar in ihrer
Sprache, aber nicht mit ihren eigenen, sondern mit gleichgültigen
Worten
anführet. Also ist z.E. nicht einerley, ob ich des Demetrius
Werck
von den
Schrifftstellern, die einerley
Nahmen gehabt, unter dem
Nahmen homōnymōn, oder unter dem Nahmen
sonōnymōn
anführe. Hierdurch wird nur
die Anzahl der
Bücher eines Schrifftstellers, wieder die
Wahrheit, vermehret.
Und was ist die
Ursache solcher unächten Titel? Meistentheils die Commodität,
daß man das
Buch, wenn einen das Gedächtniß verlassen, nicht zur Hand nehmen
will, sondern den Titel nur so hinschreibet, wie es einem am ersten beyfällt. Es
klaget hierüber
Bayle in seinem Histor. Critischen Lexico, unter dem Worte
Demetrius. |
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