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Quellenangaben |
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Scribenten, Schrifftsteller,
Scriptores, heissen alle diejenigen, welche
Schrifften oder
Bücher
aufgesetzet haben, es
mögen nun solche schon im
Druck erschienen seyn oder noch
in Handschrifft liegen. |
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Es sind die Scribenten von verschiedener
Art, und können also nach
verschiedenen Absichten und
Ursachen in gewisse Classen eingetheilet werden. So
giebt es Scribenten, die |
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{Sp. 716} |
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bey Verfertigung ihrer Schrifften von dem gelehrten Ehrgeitz gerühret
werden; andere aber
schreiben aus einem andern
Affect. |
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Es ist aber der gelehrte Ehrgeitz eine
Begierde, durch neue
Erfindungen und
Schrifften bey gelehrten Leuten Ruhm zu erlangen, und sich hierdurch unsterblich
zu machen. Denn obgleich ihre Absicht ist, daß sie von andern Leuten ihrer
Schrifften wegen auch wollen gelobet seyn, weil sie aber wohl wissen, daß
Gelehrte davon am besten urtheilen können, so meynen Sie auch grössere
Ehre zu
erlangen, wenn ihre Schrifften bey gelehrten Leuten Beyfall finden. |
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In diese Classe gehören nun viele von denen, so
Schrifften verfertigen. Denn
ob sie gleich in den Vorreden setzen, daß die
Liebe zur Wahrheit, oder das
Verlangen, ihrem Nächsten zu dienen, ihnen die Feder in die Hand gegeben, so
glaubt man doch, daß viele wohl nichts antreibet, als der Ruhm, ein Autor zu
seyn, und die
Begierde, ihren
Nahmen in den Buchläden, oder in den Journalen
gedruckt zu sehen. |
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Je mehr nun in diejenigen, so von denen Studiis Profeßion machen, von diesem
Ehrgeitz besitzen, desto mehr werden sie sich auch bemühen, in der
Welt sich
hervor zu thun. Wenn es dieses Orts wäre, so könnte man von dem Ehrgeitze der
Gelehrten mit mehrern handeln, auch desselbigen
Zeichen und Unterschied
durchgehen: Z.E. Es wäre zu untersuchen, welcher ihr Ehrgeitz grösser sey, ob
derjenigen, die auf ihre Schrifften sehr grosse und weitläufftige Titulblätter
zu machen pflegen, oder die den
Titul eines Buchs nur in etliche wenige
Worte
einschliessen? Diejenigen graduirten
Personen, welche das grosse D. und
M. allezeit vor ihren
Nahmen zu setzen pflegen, oder die es allezeit,
wenn sie sich
schreiben, auslassen, denn manche thun es allerdings auch aus
Ehrgeitz, damit sie theils eine Sittsamkeit affectiren, und von den Leuten
dißfalls gelobet seyn, theils auch, weil solche Gradus heutiges Tages gar zu
gemein werden, und sie vor denen andern was besonders haben wollen. |
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Wer sich bey solchen Scribenten, die zum Ehrgeitz incliniren,
einschmeicheln, oder sie zu desto grössern Eifer in Verfertigung mehrerer und
guter
Bücher, aufmuntern will, der muß Ihnen viel vorschwatzen, wie ihre
Schrifften trefflich abgiengen, wie noch keiner die
Materie so, als wie sie,
abgefaßt, wie die Ausländer wohl von ihnen urtheilten, er muß ihnen die
Lobsprüche zeigen, die man in dieser oder jener Schrifft von ihnen gefunden, und
wie ihnen der
Vorzug vor andern Gelehrten von gleichen Umständen, oder ihren
Schrifften vor den andern von gleicher
Materie
billig gebühre. Man muß auf
diejenigen schmählen, die ihre
Verdienste nicht
erkennen wollen, oder von ihren
Schrifften ungleich urtheilen. |
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In Ansehung der Zeit, da ein Schrifftsteller gelebet, werden die Scribenten
eingetheilet in alte, mittlere und neuere. Im Jahre 1687. entstund ein hefftiger
Streit zwischen den Gelehrten in Franckreich, ob die
alten
Griechischen und
Römischen Scribenten den neuen vorzuziehen, oder ob
vielmehr die letzteren höher als jene zu schätzen wären? Die Gelegenheit dazu
gab ein Gedichte von Mr. Perrault, le Siecle de |
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{Sp. 717|S. 372} |
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Louis le grand betittelt, welches er im gedachten Jahre in einer
Versammlung der Mitglieder de l'Academie Françoise
öffentlich vorlas. Er behauptete in demselben, daß Franckreich unter der
Regierung des grossen Ludewigs dem alten Rom und Griechenlande
in Ansehung der
Künste und
Wissenschafften nicht allein gleich komme, sondern
auch in vielen Stücken noch vorgehe. |
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Hierdurch wurden Dacier und dessen
Ehe-Frau,
Longe-Pierre, Boileau Despreaux, Francius, le Temple und andere
dergestalt aufgebracht, daß sie ihm in vielen
Schrifften auf das hefftigste
widersprachen. Sonderlich griff ihn Francius in einer
Rede auf
das empfindlichste an, nennte des Perrault sein Gedichte
horribilem et sacrum libellum, und beschuldigte ihn einer mehr als
schülermäßigen Unwissenheit; worinne ihm auch Dacier bereits
vorgegangen war. Vigneul-Marville gesellte sich gleichfalls zu
ihrer Partey, wie aus seinen Melanges d'Histoire et de Literature, im
II Theil zu ersehen ist. |
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Was Wilh. Wotton in seinen Reflexionibus de antiquorum
et recentiorum eruditione für eine Partey erwählt, lässet sich daraus
abnehmen, daß er wider des le Temple Discours eine
Schrifft
aufgesetzt. |
Siehe hiervon die Gundlingiana,
im XII Stück p. 139. |
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So hat auch der scharffsinnige
Swift in Engelland die Partey der Alten wider den Bentley
und Wotton genommen, welches aus vielen von seinen
Schrifften,
sonderlich auch aus dem andern Theile des Mährgens von der Tonne zu sehen ist. |
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Dem Urheber des Streits aber, dem Perrault, traten ausser
dem Fontenelle sehr wenig Gelehrte bey, der ihnen aber in zween
Discoursen, die seinen Poesies pastorales beygefügt worden, auf eine
höchst angenehme und sinnreiche Art vertheidigte. Was den Huetium
anlanget, so vertheidigte der zwar gleichfalls die alten Scribenten; gab aber
nichts destoweniger dabey zu, daß es ihnen die neueren Scribenten in Ansehung
der
Methode zuvor thäten. |
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Nun haben sich zwar einige gefunden, welche die dritte Partey zu halten, und
die Mittelstrasse zu gehen scheinen wollten. Hieher gehören zween Ungenannte,
davon einer die Histoire poetique de la guerre nouvelle ... Paris 1687
in 12; der andere aber Caracteres des Auteurs ... herausgegeben. Der
Verfasser der ersten Schrifft ist, wie nachhero bekannt worden, de
Callieres. |
Siehe davon la Vie de Mr. Boileau Despréaux, par Mr.
Desmaizeaux, p. 166 u.f. |
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Der Urheber des andern Tractats, der zu Amsterdam 1705 in 12. wieder
aufgelegt worden, soll la
Bizardiere seyn, welcher zur Zeit der Wahl des Königs in Pohlen,
August II, bey dem Frantzösischen Abgesandten in
Pohlen, dem Marquis du Heron, Secretair gewesen. |
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Allein es ist nicht zu leugnen, daß sie ebenfalls den alten Schrifftstellern
in den meisten Stücken den
billigen
Vorzug gelassen haben. Zu welcher Classe
Guerer gehören möge, der einen Parnasse reformé und
la Guerre des Auteurs verfertigt, (welche Schrifften zu Haag 1716 |
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{Sp. 718} |
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wieder aufgelegt worden) kan man nicht gewiß
sagen, wohl aber dieses, daß
beyde Schrifften im Journal litteraire, Tome IIX.
p. 245, als sinnreich und lesenswürdig gerühmt werden. |
Ein mehreres davon siehe in Stollens Histor.
der Philosoph. Gelahrth. p. 12 u.ff. ingleichen die Supplemente dazu, p. 8 u.f. |
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Einige Scribenten haben nur eine
Schrifft hinterlassen; andere aber mehrerer
aufgesetzet. Die so vieles geschrieben, werden Polygraphi
genennet, und kan von ihnen Morhoffs Polyhistor
nachgelesen werden. |
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Zur bessern Beurtheilung einer Schrifft träget öffters die
Erkenntniß der
Lebens-Umstände eines Scribenten vieles bey; und deswegen so wohl, als auch weil
es
billig ist, daß desjenigen, der der gelehrten Welt mit guten Schrifften
gedienet, Gedächtniß erhalten werde, sind die mehr zu loben als zu tadeln,
welche ihren Fleiß und ihre Zeit auf
geschickte Lebens-Beschreibungen von
gelehrten Scribenten verwenden. |
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Es wird aber bey dem
Leben eines Scribenten gesehen: |
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- auf dessen Herkommen und Geburth;
- auf dessen
Nahmen, wobey auch bisweilen desselben Bedeutung zu
bemercken;
- auf dessen
Erziehung und
Unterweisung;
- auf sein Vaterland, und den
Ort seines Aufenthalts;
- auf sein Zeit-Alter;
- auf seine
Gemüths- und
Leibes-Gaben;
- auf seinen
Stand und sein
Amt;
- auf sein Glück oder Unglück;
- auf seine
Thaten und Verrichtungen;
- auf seinen
Tod und Begräbniß:
- besonders verdienet einen accurates Verzeichniß aller seiner Schrifften
nebst deren Ausgaben oder auch Anzeigung des Orts, wo sie noch in
Handschrifft liegen, ein besonders Lob.
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Siehe übrigens die
Artickel: |
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