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Zedler: Scribenten HIS-Data
5028-36-715-14
Titel: Scribenten
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 36 Sp. 715
Jahr: 1743
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 36 S. 371
Vorheriger Artikel: Scribenski
Folgender Artikel: Scribenten (Biblische)
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text Quellenangaben
  Scribenten, Schrifftsteller, Scriptores, heissen alle diejenigen, welche Schrifften oder Bücher aufgesetzet haben, es mögen nun solche schon im Druck erschienen seyn oder noch in Handschrifft liegen.  
  Es sind die Scribenten von verschiedener Art, und können also nach verschiedenen Absichten und Ursachen in gewisse Classen eingetheilet werden. So giebt es Scribenten, die  
  {Sp. 716}  
  bey Verfertigung ihrer Schrifften von dem gelehrten Ehrgeitz gerühret werden; andere aber schreiben aus einem andern Affect.  
  Es ist aber der gelehrte Ehrgeitz eine Begierde, durch neue Erfindungen und Schrifften bey gelehrten Leuten Ruhm zu erlangen, und sich hierdurch unsterblich zu machen. Denn obgleich ihre Absicht ist, daß sie von andern Leuten ihrer Schrifften wegen auch wollen gelobet seyn, weil sie aber wohl wissen, daß Gelehrte davon am besten urtheilen können, so meynen Sie auch grössere Ehre zu erlangen, wenn ihre Schrifften bey gelehrten Leuten Beyfall finden.  
  In diese Classe gehören nun viele von denen, so Schrifften verfertigen. Denn ob sie gleich in den Vorreden setzen, daß die Liebe zur Wahrheit, oder das Verlangen, ihrem Nächsten zu dienen, ihnen die Feder in die Hand gegeben, so glaubt man doch, daß viele wohl nichts antreibet, als der Ruhm, ein Autor zu seyn, und die Begierde, ihren Nahmen in den Buchläden, oder in den Journalen gedruckt zu sehen.  
  Je mehr nun in diejenigen, so von denen Studiis Profeßion machen, von diesem Ehrgeitz besitzen, desto mehr werden sie sich auch bemühen, in der Welt sich hervor zu thun. Wenn es dieses Orts wäre, so könnte man von dem Ehrgeitze der Gelehrten mit mehrern handeln, auch desselbigen Zeichen und Unterschied durchgehen: Z.E. Es wäre zu untersuchen, welcher ihr Ehrgeitz grösser sey, ob derjenigen, die auf ihre Schrifften sehr grosse und weitläufftige Titulblätter zu machen pflegen, oder die den Titul eines Buchs nur in etliche wenige Worte einschliessen? Diejenigen graduirten Personen, welche das grosse D. und M. allezeit vor ihren Nahmen zu setzen pflegen, oder die es allezeit, wenn sie sich schreiben, auslassen, denn manche thun es allerdings auch aus Ehrgeitz, damit sie theils eine Sittsamkeit affectiren, und von den Leuten dißfalls gelobet seyn, theils auch, weil solche Gradus heutiges Tages gar zu gemein werden, und sie vor denen andern was besonders haben wollen.  
  Wer sich bey solchen Scribenten, die zum Ehrgeitz incliniren, einschmeicheln, oder sie zu desto grössern Eifer in Verfertigung mehrerer und guter Bücher, aufmuntern will, der muß Ihnen viel vorschwatzen, wie ihre Schrifften trefflich abgiengen, wie noch keiner die Materie so, als wie sie, abgefaßt, wie die Ausländer wohl von ihnen urtheilten, er muß ihnen die Lobsprüche zeigen, die man in dieser oder jener Schrifft von ihnen gefunden, und wie ihnen der Vorzug vor andern Gelehrten von gleichen Umständen, oder ihren Schrifften vor den andern von gleicher Materie billig gebühre. Man muß auf diejenigen schmählen, die ihre Verdienste nicht erkennen wollen, oder von ihren Schrifften ungleich urtheilen.  
  In Ansehung der Zeit, da ein Schrifftsteller gelebet, werden die Scribenten eingetheilet in alte, mittlere und neuere. Im Jahre 1687. entstund ein hefftiger Streit zwischen den Gelehrten in Franckreich, ob die alten Griechischen und Römischen Scribenten den neuen vorzuziehen, oder ob vielmehr die letzteren höher als jene zu schätzen wären? Die Gelegenheit dazu gab ein Gedichte von Mr. Perrault, le Siecle de  
  {Sp. 717|S. 372}  
  Louis le grand betittelt, welches er im gedachten Jahre in einer Versammlung der Mitglieder de l'Academie Françoise öffentlich vorlas. Er behauptete in demselben, daß Franckreich unter der Regierung des grossen Ludewigs dem alten Rom und Griechenlande in Ansehung der Künste und Wissenschafften nicht allein gleich komme, sondern auch in vielen Stücken noch vorgehe.  
  Hierdurch wurden Dacier und dessen Ehe-Frau, Longe-Pierre, Boileau Despreaux, Francius, le Temple und andere dergestalt aufgebracht, daß sie ihm in vielen Schrifften auf das hefftigste widersprachen. Sonderlich griff ihn Francius in einer Rede auf das empfindlichste an, nennte des Perrault sein Gedichte horribilem et sacrum libellum, und beschuldigte ihn einer mehr als schülermäßigen Unwissenheit; worinne ihm auch Dacier bereits vorgegangen war. Vigneul-Marville gesellte sich gleichfalls zu ihrer Partey, wie aus seinen Melanges d'Histoire et de Literature, im II Theil zu ersehen ist.  
  Was Wilh. Wotton in seinen Reflexionibus de antiquorum et recentiorum eruditione für eine Partey erwählt, lässet sich daraus abnehmen, daß er wider des le Temple Discours eine Schrifft aufgesetzt. Siehe hiervon die Gundlingiana, im XII Stück p. 139.
  So hat auch der scharffsinnige Swift in Engelland die Partey der Alten wider den Bentley und Wotton genommen, welches aus vielen von seinen Schrifften, sonderlich auch aus dem andern Theile des Mährgens von der Tonne zu sehen ist.  
  Dem Urheber des Streits aber, dem Perrault, traten ausser dem Fontenelle sehr wenig Gelehrte bey, der ihnen aber in zween Discoursen, die seinen Poesies pastorales beygefügt worden, auf eine höchst angenehme und sinnreiche Art vertheidigte. Was den Huetium anlanget, so vertheidigte der zwar gleichfalls die alten Scribenten; gab aber nichts destoweniger dabey zu, daß es ihnen die neueren Scribenten in Ansehung der Methode zuvor thäten.  
  Nun haben sich zwar einige gefunden, welche die dritte Partey zu halten, und die Mittelstrasse zu gehen scheinen wollten. Hieher gehören zween Ungenannte, davon einer die Histoire poetique de la guerre nouvelle ... Paris 1687 in 12; der andere aber Caracteres des Auteurs ... herausgegeben. Der Verfasser der ersten Schrifft ist, wie nachhero bekannt worden, de Callieres. Siehe davon la Vie de Mr. Boileau Despréaux, par Mr. Desmaizeaux, p. 166 u.f.
  Der Urheber des andern Tractats, der zu Amsterdam 1705 in 12. wieder aufgelegt worden, soll la Bizardiere seyn, welcher zur Zeit der Wahl des Königs in Pohlen, August II, bey dem Frantzösischen Abgesandten in Pohlen, dem Marquis du Heron, Secretair gewesen.  
  Allein es ist nicht zu leugnen, daß sie ebenfalls den alten Schrifftstellern in den meisten Stücken den billigen Vorzug gelassen haben. Zu welcher Classe Guerer gehören möge, der einen Parnasse reformé und la Guerre des Auteurs verfertigt, (welche Schrifften zu Haag 1716  
  {Sp. 718}  
  wieder aufgelegt worden) kan man nicht gewiß sagen, wohl aber dieses, daß beyde Schrifften im Journal litteraire, Tome IIX. p. 245, als sinnreich und lesenswürdig gerühmt werden. Ein mehreres davon siehe in Stollens Histor. der Philosoph. Gelahrth. p. 12 u.ff. ingleichen die Supplemente dazu, p. 8 u.f.
  Einige Scribenten haben nur eine Schrifft hinterlassen; andere aber mehrerer aufgesetzet. Die so vieles geschrieben, werden Polygraphi genennet, und kan von ihnen Morhoffs Polyhistor nachgelesen werden.  
  Zur bessern Beurtheilung einer Schrifft träget öffters die Erkenntniß der Lebens-Umstände eines Scribenten vieles bey; und deswegen so wohl, als auch weil es billig ist, daß desjenigen, der der gelehrten Welt mit guten Schrifften gedienet, Gedächtniß erhalten werde, sind die mehr zu loben als zu tadeln, welche ihren Fleiß und ihre Zeit auf geschickte Lebens-Beschreibungen von gelehrten Scribenten verwenden.  
  Es wird aber bey dem Leben eines Scribenten gesehen:  
 
  • auf dessen Herkommen und Geburth;
  • auf dessen Nahmen, wobey auch bisweilen desselben Bedeutung zu bemercken;
  • auf dessen Erziehung und Unterweisung;
  • auf sein Vaterland, und den Ort seines Aufenthalts;
  • auf sein Zeit-Alter;
  • auf seine Gemüths- und Leibes-Gaben;
  • auf seinen Stand und sein Amt;
  • auf sein Glück oder Unglück;
  • auf seine Thaten und Verrichtungen;
  • auf seinen Tod und Begräbniß:
  • besonders verdienet einen accurates Verzeichniß aller seiner Schrifften nebst deren Ausgaben oder auch Anzeigung des Orts, wo sie noch in Handschrifft liegen, ein besonders Lob.
 
  Siehe übrigens die Artickel:  
   
     

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Stand: 12. Juli 2013 © Hans-Walter Pries