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Text |
Quellenangaben |
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Verdienst,
Lat.
Meritum, man pfleget dieses
Wort in weitern und engern
Verstande zu nehmen.
In jenem sieht man solches vor eine
Würckung
einer moralischen That an, die darinnen bestehe,
daß man von rechtswegen der
Straffe, oder der
Belohnung würdig geachtet wird; |
siehe
Thomasii fundamenta
Juris naturae et gentium ... |
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Insbesondere
nennet man das Verdienst das
Verhältniß derjenigen
Verrichtungen, die wir dem
andern zu gefallen
thun, so ferne sie gegen
dasjenige gehalten werden, daß man deswegen von
dem andern entweder vermöge eines Vertrags oder
nach der
Billigkeit zu erwarten hat. |
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Zu einem solchen Verdienste werden
gewisse
Eigenschafften erfordert, daß man die Absicht
gehabt, dem andern einen Gefallen zu thun; daß
der andere, dem man eine Gefälligkeit erweiset, es
davor annehme; daß man dazu nicht
verbunden
gewesen; und daß man durch seine
eigene
Kräffte
die
Sache ausgerichtet habe, |
wovon zu lesen.
-
Pufendorff
in jure naturae et gentium …
-
Buddeus
in elementis philos. pract. …
- Hochstetter in Colleg. Pufendorf. …
- Walchs
Philosophisches Lexicon.¶
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Im Theologischen Verstande ist das
Verdienst eigentlich eine solche Verrichtung,
welcher von Rechtswegen die verdiente Belohnung
gebüh- |
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{Sp. 336} |
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ret, |
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1) wegen der
Vollkommenheit, denn was
unvollkommen
ist, das kan nichts verdienen, wer
nicht in allen Stücken des
Gesetzes beharret, der ist
verflucht, |
5 B. Mos. XXVII, 15-
26; |
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2) wegen der
Verbindlichkeit, denn wenn wir
nur thun, was wir
sollen, so haben wir gethan, was
wir zu thun
schuldig waren, und haben damit gar
nichts bey
GOtt verdienet, |
Lucä XVII, 10, |
|
3) wegen der eigenen Beschaffenheit, denn
wer nicht von seinen eigenen, sondern von seines
Herrn
Vermögen und
Gütern einem andern etwas
giebt oder schenckt, wie der ungerechte
Haußhalter, |
Luc. XVI, |
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der kan dadurch nichts verdienen; |
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4) wegen der Vollgültigkeit, denn da David dem
Barsillai vor geringe
Dinge
Königliche Güter und
Wohlthaten geben
wolte, so war dieses kein
Verdienst, sondern eine hohe
Gnade, |
2 Sam. XVII, 27. Cap. XIX,
33.¶ |
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Die Schul Lehrer behaupteten vormahls nach
ihrer eigenen
Philosophie, daß der
Menschen
Verdienst zweyerley sey, einmahl ex congruo,
bequemungsweise, wenn nehmlich der Sünder,
ehe er gerechtfertiget wird, sich zu
bequemen
anfänget, so bald ihn GOtt mit seiner Gnade zuvor
kömmt, und also durch
freyen Willen und natürliche
Krafft, so in ihm nach dem
Fall noch geblieben,
nächst der Göttlichen Hülffe mit
würckt, damit er
durch Busse, das ewige Leben, so ihm GOtt
versprochen, verdienen könne. Sonst wird dieses
bey ihnen, die erste oder vorhergehende Gnade,
dadurch der Sünder nach
Pflicht, und
Schuldigkeit
noch nichts verdienet, genennet. |
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Ferner lehren dieselben, wenn der Mensch die
vorkommende Gnade erlanget, so verdiene er
nachmahls ex condiguo, Rechtswegen, aus
Pflicht, durch eingegossene
Tugend, sonderlich der
Liebe und andern
Wercken, daß ihm GOtt das
ewige Leben zu geben
schuldig sey. Dieses wird
von ihnen die andere oder verdienende Gnade
genennet. |
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Allein ihr eigener Lehrer Durandus setzet sich
dieser unverantwortlichen
Meynung sehr entgegen,
und
schreibt ausdrücklich, daß es lästerlich zu
sagen sey, daß GOtt aus Pflicht und Schuldigkeit
auf unser Verdienst, das ewige Leben geben
müsse, und wenn solches nicht geschehe, er
deswegen
Unrecht thue. Diese Lehre ist nachmahls
mit allgemeinem Beyfall in der Römischen Kirche
aufgenommen, und bis auf den heutigen
Tag hitzig
vertheidiget worden. |
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Der Herausgeber von P. Quesnels
Betrachtung der Glückseligkeit eines Christlichen
Todes schreibt zwar …: Daß die Lehre der
Papisten
vom Verdienste der Wercke eine Privat-Meynung
sey; er muß aber entweder die
Schrifften der
Papisten, und das Concilium zu Trident nicht
gelesen haben, oder er bemühet sich ein
Blendwerck zu machen, unter welchem er den
Indifferentismum ausbreiten will. |
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Im 13
Jahrhundert hat die Abendländische
Kirche noch durchgehends
geglaubet, daß Christus
sein theures Blut vor der
gantzen
Welt
Sünde
vergossen, und Menschen Verdienste zur Seligkeit
nichts nütze wären. Dieses siehet man aus dem
noch jetzo in der Römischen Kirche bekandtem
Liede des Thomas de Aquino; Pange lingua
gloriosi Corporis mysterium. Denn Aqui- |
|
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{Sp. 337|S. 182} |
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nas singt in diesem Liede: Sanguinem in
mundi pretium Rex effudit gentium, nobis natus,
nobis datus. Womit er dem Concilio zu Trident
offenbar wiederspricht. Desgleichen findet man ein
recht
Evangelisches Bekenntniß in des Aquinas
Worten: Ad confirmandum cor sincerum sola fides
sufficit, welches das Tyrolische Hymnarium, so
1524 zu Siegmund-Lust
in 8
herausgegeben
worden, übersetzet: Der gute Glaube ist genug
geachtet. |
Man kan diesen
Beweiß
vollständiger nachlesen in Peter Buschens
Betrachtung der Evangelischen Wahrheit, von der
Communion beyderley Gestalt, in einigen vor der
Reformation Lutheri schon bekannten Liedern,
Hannover 1732. |
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Im 14 Jahrhundert hatte sich die Lehre von
dem Verdienste der Wercke schon in der Kirche
überall ausgebreitet. Im Königreiche Dännemarck
war um diese
Zeit und sonderlich in der Mitte dieses
Jahrhunderts die theure
Wahrheit von dem Weg des
Sünders zu
Gott durch Versöhnung und Heiligung in
Christi Blut fast gantz in Vergessenheit gekommen,
und hatte an deren statt die Zuversicht nicht nur auf
die verstorbenen Heiligen, sondern auch
vornehmlich auf eigene, und anderer sündhafften
Menschen so genannte gute Wercke überhand
genommen. Dieses erhellet am deutlichsten daraus,
daß man mit dem Antheil an fremden guten
Wercken, einen ordentlichen Kauf-Handel trieb, und
Kauf Contracte
schloß, in der festen Zuversicht, daß
dieselbe von dem Allerhöchsten, gültig und genehm
gehalten werden müsten. Ein Beyspiel davon zu
geben, so heißt es in Annal. Hamsfort MST. des
Jahrs 1379 also: |
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„Conrad, der Betrieger, ein Bothe der Brüder
St. Antonii, kam hieher, und nahm jederman, der
ihm Geld gab, in seinen Orden auf, unter andern
zehn Schwestern, des Klosters Dallum. Unter
diesen sind die fünf klugen Jungfrauen nicht
gewesen." |
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Andere gemeine
Exempel jetzo vorbey zu
gehen, so kauffte sich jetzo die Königin Margaretha
in die Brüderliche Gemeinschafft der
Prämonstratenser-Mönche zu Borglum, und der
Ripischen Canonicorum ein, und erhielt von ihnen
den schrifftlichen Revers, daß sie als ihre
Schwester, vor GOtt angesehen seyn, und an allem
dem, was sie Verdienstliches thun würden, ihren
Antheil haben
solte. |
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George Cassander, der zu den Zeiten
Ferdinands I, und Maximilians I
gelebet
hat,
meynt
in Consultatione de articulis religionis inter
Catholicos et Protestantes controversis …: Die
Päbstlichen
Scribenten
verstünden durch das
Verdienst der guten Wercke ein Verdienst aus
Gnaden, wenn sie jenes erhüben. Allein dieses ist
wiedersprechend, und den Worten des Apostels
Paulus zuwieder, welcher Verdienst und Gnade
einander entgegen setzet, |
Röm. XI, 6. |
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Doch hat Bellarmin im V
Buche de Iustificat.
Cap. VII, gestanden, es sey sicherer, alles
Verdienst der Wercke fahren zu lassen, und allein
zu GOttes Gnade zu fliehen. Hingegen bedient er
sich
Tom. IV. … folgender Worte: |
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„Wer den den Überwindern das Kleinod nicht
giebt, der thut Unrecht, wie solte denn GOtt aus
Verdienst das ewige Leben nicht geben." |
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|
Diese harte
Redensart, die ehemahls von den
Parisischen
Theologen ver- |
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{Sp. 338} |
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dammet, vom Guido vor unverantwortlich
gehalten, und 1354 als Ketzerisch wiederrufen
worden, hat Bellarmin von neuen
vorzutragen sich
nicht gescheuet.¶ |
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Dem Tridentinischen Concilio unterwerffen sich
alle
Catholicken. Diese Väter lehren in demselben,
daß alle diejenigen, die bis an ihr Ende in guten
Wercken verharren, das ewige Leben, oder die
Crone der
Gerechtigkeit erlangen, und als einen
Lohn, welchen GOtt selbst verheissen hat, wegen
ihrer guten Wercke und Verdienste nach dem
Kampffe empfangen sollen. |
Concil. Trident. … |
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Die Tridentiner werden niemahls behaupten
können, daß Paulus und alle heilige Männer
dergleichen Redensarten jemahls im Munde
geführet: GOtt müsse die Crone des Lebens nach
Pflicht und Verdienst austheilen. Man wendet zwar
ein, die
Schrifft sage: Wenn du zum Leben
eingehen wilst, so solst du die Gebote halten. Nun
aber verursache die Verheissung, die mit
Bedingung der Wercke geschiehet, daß man sein
Versprechen halte, und
verbinde zugleich, daß die
Person, die das
Werck
gethan, vermöge ihres
Rechts, den Verdienst fodern könne. |
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Allein hierauf antworten unsere
Gottesgelehrten, daß zwar stehe: halte die Gebote,
allein daß man das ewige Leben damit verdiene,
findet man nirgends. Es stehet geschrieben: Glaube
an den Herrn JEsum, so wirst du und dein Hauß
selig, oder wie David sagt: Der dir alle deine Sünde
vergiebt, und heylet alle dein Gebrechen, der dein
Leben vom Verderben erlöset, und dich crönet mit
Gnade und Barmhertzigkeit. |
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Übrigens hat diese irrige Lehre der
Wiedersacher einen grossen Einfluß in den
Grund
der Rechtfertigung, welchen die Römische Kirche
nicht in dem
Glauben allein, sondern in den guten
Wercken sucht, welchen sie ein Verdienst
zuschreibt. Man kan davon den
Artickel: Wercke
(gute) nachsehen, wohin diese Abhandlung
eigentlich gehöret.¶ |
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Wir gehen also zur Abhandlung der Lehre vom
Verdienste Christi fort, davon wir die
unterschiedenen
Meynungen
vortragen
wollen. Es
ist wohl ausgemacht, daß die Lehre vom Verdienste
JEsu die wichtigste
Wahrheit unsers Glaubens ist;
man muß sich aber entsetzen, wenn man die
Irrthümer ansiehet, worein die
Menschen in diesem
Stücke gefallen sind. Manche haben das Verdienst
unsers Erlösers schlechterdings
geläugnet, andere
haben es zu sehr eingeschränckt, und noch andere
haben es durch andere Irrthümer verunehret.¶ |
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Zu der ersten
Classe, die das Verdienst Christi
verwerffen, gehören die Naturalisten. Diese erheben
die natürlichen Kräffte ebenfalls in Ansehung des
Willens, und dadurch kommen sie insonderheit auf den
Pelagianismum. Denn sie meynen, der Mensch könne aus
eigenen
Kräfften
Tugendhafft leben,
nach geschehener
Beleidigung Busse thun, sich
selbst wieder mit GOtt versöhnen, und durch
eigenes Verdienst die Seligkeit erlangen. Damit
läugnen sie das natürliche Verderben der
Menschen, sie wollen nichts von der Erbsünde
wissen, und verwerffen die
Gnade Got- |
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{Sp. 339|S. 183} |
|
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tes, das Verdienst Jesu Christi, und was damit
verknüpfft ist. Dieses kan nicht anders seyn, da sie
keine andere, als die natürliche Religion haben
wollen. |
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Dem ohngeachtet glauben sie ohne das
Verdienst Christi die Seeligkeit zu erlangen. Sie
setzen keinen andern
Grund als die
Natur mit ihren
Kräfften. Sie meynen, wenn man
erkenne, daß ein
GOtt sey, und ihm nach dem natürlichen
Vermögen
durch einen
tugendhafften Wandel diene, so könne
man seelig werden; geschähe es aber, daß man
GOtt beleidige, so müsse man wohl mit ihm vorher
ausgesöhnt werden, ehe man zum
würcklichen
Genuß der Seeligkeit gelangen wolte, welches denn
auch durch natürliche Mittel
möglich zu machen
sey, und folglich sey die Natur zur Seeligkeit
allerdings hinlänglich. Eduard Herbert de
Cherbury giebt zum Mittel solcher Aussöhnung die
Busse an, und meynt, wenn man sich seiner
Sünden wegen betrübe, und darüber einen
Schmertz empfände, so werde auf Seiten dessen,
welcher gesündiget, die
Schuld, und auf Seiten
GOttes die Beleidigung aufgehoben, und erfolge
also eine Aussöhnung. |
Dieses schreibet er de
religione gentilium ... |
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Solche Busse setzet er in einen bloß
natürlichen Schmertz über die Sünde, wenn man
sich derselben
erinnere und Misfallen darüber habe;
folglich wünsche, daß solche nicht
möchte
geschehen seyn. Damit meynt man auf eine gantz
leichte Art, durch natürliche Kräffte seelig zu
werden, man will nichts von Christo, und dessen
Verdienste, vom Glauben, Rechtfertigung und
Heiligung, nichts von den
verordneten Gnaden
Mitteln
wissen.¶ |
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Die Mahomedaner
läugnen ebenfalls das
Verdienst Christi, und folglich fält der
gerecht und
seligmachende
Glauben an ihn gäntzlich weg. Sie
meynen man könne durch sich selbst, oder durch
die guten Wercke gerecht und seelig werden. Das
ist der Naturalismus dieser Religion. In dem Alcoran
wird zwar des Glaubens an Christum und an
GOtt
gedacht; zugleich aber von beyden ein solcher
Begriff gemacht, daß er zu der
wahren
Rechtfertigung nicht hinreiche. Denn an Christum
glauben,
soll nichts anders seyn, als denselben vor
einen
Knecht und Gesandten Gottes
erkennen; den
Glauben aber an GOtt setzet man darinne, daß man
einen GOtt annehme, und auf ihm, als ein gütiges
und mächtiges
Wesen, sein Vertrauen überhaupt
setze. Mit einem solchen Glauben, den man zur
Seeligkeit haben müsse, verknüpffen die
Mahomedaner noch die guten Wercke, die durch
Göttliche Direction geschehen müsten, jedoch
dirigire,
erwehle, reinige, mache gerecht und selig
GOtt, wen er
wolle. Hieraus siehet man, daß sie es
vor
unnöthig halten, daß Verdienst Christi zu
ergreiffen.¶ |
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In den neuern
Zeiten hat
Dippel das Verdienst
und die Gnugthuung Christi auf eine freche Art
niederzuschlagen gesucht, welches man aus
seinem
Buche: Der von den Nebeln des Reichs
der Verwirrung gesäuberte helle Glantz des
Evangelii Jesu Christi, oder Schrifft- und
Wahrheitmäßiger Entwurf der Heyls-Ordnung in
153 Fragen aus einander gelegt, ersiehet. Diese
Fragen machten |
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{Sp. 340} |
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in Schweden, wo er sich damahls aufhielt
grosses Aufsehen, und er muste das
Königreich
deswegen räumen. Überhaupt hat Dippel an vielen
Orten in seiner Vera demonstratione Evangelica die
Absicht gehabt zu
beweisen, daß man das
Verdienst Jesu Christi und die Rechtfertigung durch
den Glauben nicht
nöthig habe; der Mensch könne
selbst, durch die Verläugnung und Ergebung in den
Willen GOttes die
Sünde in sich tilgen, und wieder
in den Stand der ersten Unschuld kommen, worinne
Christus mit seinem
Exempel voran gegangen
wäre. |
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|
Er gesellet sich auf eine offenbare und freche
Art zu den Feinden des Verdienstes und
Genugthuung unsers theuresten Heylandes, und
hat nach der
Boßheit seines Hertzens aus seinem
verdüstertem
Verstande allerhand zusammen
gesucht, damit er seinem gräulichen
Irrthum einen
Schein geben
möchte. Er sucht zu behaupten, die
ohne und wider die
Schrifft ersonnene
Wörter:
Verdienst und Gnugthuung, führten nicht nur in
sich selbst
gantz ungeschickte Begriffe bey sich, da
in beyden das höchste
Gut, welches nichts bedürffe,
von der Creatur zu seiner Befriedigung etwas
fodere; sondern es könnte auch eins bey dem
andern nicht stehen, da der, so genug thue, nicht
verdienen könne; sondern nur, es sey vor sich, oder
einen andern, zahle, was er
schuldig sey, und der,
so verdiene, demjenigen der seine Hülffe bedürffe,
vor den stipulirten
Lohn sein stipulirtes
Werck
leiste. |
|
|
Er erinnert noch weiter, man werde aus keiner
Stelle heiliger Schrifft erweisen, daß Christi
Gerechtigkeit dem Glauben oder dem Gläubigen
zugerechnet werde: was Christus, als der Mittler,
vor uns, wie die Schrifft
rede, gethan, das habe er
zwar uns zum Besten aber nicht an unserer Statt
gethan. In der Haupt-Summa der Theologischen
Grundlehren Chr. Democriti 1732 trägt er alle
diese Irrthümer von neuen wieder vor, und läugnet
nochmahls, daß Christus vor uns genug gethan,
oder uns etwas verdienet habe. |
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Diesem Feind und Spötter der Evangelischen
Wahrheit muste man sich
billig
entgegen setzen, welches auch von
verschiedenen
Gottesgelehrten in
öffentlichen
Schrifften geschehen ist. Als
D.
Joachim Lange des Grotius Buch: Confessio fidei
catholicae de satisfactione Christi 1730 wieder
drucken ließ, fügte er … bey: Ideam Systematis
apostolici et Evangelici de salutis oeconomia in
Christo in catenato XXIV propositonum nexu
delineatam ... Der
Herr Neumeister zu
Hamburg
gab heraus: Vestgegründeten Beweiß aus der Heil.
Göttlichen Schrifft, daß Christus Jesus für uns und
unsere Sünde genug gethan, nebst beygefügter
Widerlegung der vornehmsten Einwendungen,
welche Christian Democritus in einer Schrifft,
genannt, vera demonstratio Evangelica dargegen
setzen wollen. 1730
in 8.
Ausser diesen kamen noch sehr viele andere Schrifften zum Vorschein, die wir
hier nicht anführen können. |
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Der bekannte
Tuchtfeld gerieth auf eben diese Abwege, und
machte sich der Irrthümer Dippels sonderlich in der
Lehre von Christo und dessen Verdienst und
Gnugthuung vor unsere Sünde,
theilhafftig.¶ |
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{Sp. 341|S. 184} |
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|
Die Antinomi sind in der Lehre vom Verdienste
Christi wie die vorigen, auf Abwege gerathen, doch
ihre Irrthümer sind nicht so grob, wie der
vorhergehenden. Ihr gantzes Lehrgebäude kam
vornehmlich auf drey Stücke an: auf das Verdienst
und Genugthuung JEsu Christi vor unsere Sünde;
auf die Art und Weise, wie man desselben
theilhafftig werden, und die Rechtfertigung erlangen
müsse; und denn auf die guten Wercke, wie weit
man dabey das Gesetz nöthig habe, und was die
eigentliche Absicht derselbigen sey. |
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Von den beyden erstern Stücken müssen wir
weitläufftiger handeln, weil sie hieher gehören. |
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|
Was den erstern Punct anlanget, welcher die
Lehre von dem Verdienst und der Genugthuung
JEsu Christi betrifft, so hielten sie zwar dafür,
dieselbe sey allgemein, und Christus sey für alle
gestorben; sie meynten aber dabey, er habe nicht
bloß unserer Sünden Schuld und
Straffe, sondern
auch unsere Sünde selbst auf sich genommen. Zu
dem Ende berief man sich unter andern auf Jes.
LIII, 5. 6.da vom Meßias gesagt wird, er sey um
unserer Missethaten willen verwundet, und um
unserer Sünde willen zuschlagen: wie aber dieses
auf die Sünden-Straffe gienge, also folge darauf der
HErr warf unser aller Sünde auf ihn,
nehmlich die
Sünde selbst, nicht bloß nach ihrer Schuld und
Straffe, eben wie es 2 Corinth. V, 21 hieße; GOtt
habe den, der von keiner Sünde wuste, für uns zur
Sünde gemacht. |
|
|
Doch
wuste man sich hierinne nicht deutlich zu
erklären, daß man daher nicht genau sagen kan
was eigentlich ihre
Meynung gewesen. Die
Sache
selbst, wie sie von ihnen
vorgetragen wird, ist so
beschaffen, daß man sie entweder nicht wohl
begreiffen kan, oder wo man sich zu einen Begriff
determiniren will, solches zum
Nachtheil der
Heiligkeit Christi gereichen kan, wo man nicht
vorsichtig genug dabey ist. Sagt man er habe nicht
nur der Sünden Schuld und Straffe; sondern auch
die Sünde der Menschen selbst auf sich
genommen, so
fraget sichs: Wie die Sünden selbst
der Menschen zu
verstehen sind, so fern sie der
daher entstehenden Schuld und Straffe entgegen
gesetzet sind? Will man sie als Actus ansehen, so
würde es gantz
ungeräumt seyn, wenn man in
diesem Verstande sagen wolte, daß einer des
andern Sünde, oder die
würckliche und mit dem
Gesetz streitende
Handlungen übernehme, indem
ein actus von solcher Beschaffenheit ist, daß wenn
er einmahl geschehen, derselbe vorbey gegangen,
und nicht mehr vorhanden seyn kan. |
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|
Gesetzt, es wäre dieses
möglich, so würde
doch eine solche Zurechnung, oder Übernehmung
der
Sünde gantz
unnöthig und vergeblich seyn.
Denn, wenn man die Schuld, und mit derselben die
Straffe übernimmt, so wird man ohne dem schon
angesehen, als wenn man die Sünde gethan. Fällt
dieses auf solche Art weg, und man meynt, daß,
weil bey einer Sünde ausser der eigentlichen
Schuld, da sie einem kan zugerechnet werden, und
der Straffe, noch eine gewisse Befleckung oder
Verunreinigung in der Seele dessen, der sie
begehe, entstünde, Christus nebst der Schuld und
Straffe solche zugleich übernommen habe, so geht
das auch nicht so schlechterdings an, und wenn
man ja der- |
|
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{Sp. 341} |
|
|
gleichen
Redensart brauchen wolte, so müste
sie nur auf gewisse Masse, unter einem richtigen
Sinn genommen werden. Solches könnte
geschehen, wofern man sie so verstünde, daß
nachdem Christus die Sünde der Menschen
übernommen, so habe er in dem Göttlichen
Gerichte die Person der Sünder
vorgestellet, und
sey angesehen worden, als wenn er die Sünde
selbst begangen habe. In dieser Absicht heißt es
vom Meßias, es würden sich viele über ihn
ärgern, weil seine Gestalt häßlicher sey, denn
anderer Leute, und sein Ansehen, denn der
Menschen Kinder, |
Jesai. LII, 4. |
|
und unter den Kirchen-Lehrern hat Gregorius
Nyssenus gesagt, Christus habe getragen
tōn
amartiōn hemōn rypon, den Flecken unserer
Sünde. |
|
|
Solte hingegen der
Verstand dahin gehen, daß
Christus die aus der Sünde entstehende
Befleckung, oder die maculam an sich genommen,
und selbige sich an ihm, wo nicht auf eine
physische, doch auf eine
moralische Art befunden,
so wäre das gottlos und höchst ärgerlich, weil es
seiner Heiligkeit schnurstracks zuwider ist. Übrigens
scheinen die Antinomi bey dieser Meynung eben
keine
böse Absicht gehabt zu haben, und wie sie
vielleicht dadurch die Grösse des Verdiensts JEsu
Christi, und den
Reichthum der
Gnade GOttes
desto nachdrücklicher vorstellen wollen; also ist
auch zu vermuthen, daß sie es nicht so
übel
verstanden.¶ |
|
|
Der andere Punct betrifft die Art und Weise,
wie man des Verdiensts JEsu Christi
theilhafftig
werde, daß man die Rechtfertigung, oder
Vergebung der Sünden erlange. Hiervon lehren die
Antinomi in ihren
Schrifften folgendes: |
|
|
Es sey die Gnade Gottes, welcher uns des
Verdiensts Christi theilhafftig mache und applicire,
gantz frey und an keine Bedingung gebunden; damit
man aber wisse, wie sich der Glaube dabey
verhalte, so müsse man unter der Erlangung und
unter der Offenbahrung der Rechtfertigung einen
Unterscheid machen. Bey jener wenn man durch
Christum wolle
gerecht werden, verlange GOtt keine
gewisse Beschaffenheit des
Menschen, keine
Betrübniß und Beängstigung über die
Sünden,
keinen
Glauben an Christum. Vielmehr werde er
durch blosse Betrachtung des grossen Elendes,
darinne er den Sünder antreffe, bewogen, ihm der
von Christo erworbenen Gnade theilhafftig zu
machen, eben wie man sonst einem in grosser
Noth
steckendem Menschen zu Hülffe komme, wenn er
gleich darum nicht nachgesucht, oder selbige
verlangt habe. |
|
|
Darum hieße es auch vom Meßia, er sey
gesandt den Elenden zu predigen, die
zerbrochenen Hertzen zu verbinden, zu predigen
den Gefangenen eine Erledigung, den Gebundenen
eine Öfnung, |
Jes. LXI, 1. |
|
mithin müsse Christus in seinem Verdienste
den Menschen, so fern sie sich in ihren
ordentlichen
sündlichen
Zustand und Elend befänden,
mitgetheilet werden. |
|
|
Ja wolte man sich auch hier wiedersetzen, und
die
Gnade nicht annehmen, so würde GOtt doch
durchfahren, und es gleichsam wie ein
Artzt
machen, der den Patienten bisweilen wieder ihren
Willen die Artzeney eingäbe. Sey die Rechtfertigung
auf solche Art bloß durch die Erbarmung GOttes
oh- |
|
|
{Sp. 343|S. 185} |
|
|
ne Busse und Glauben des Sünders erlangt, so
müsse die Offenbahrung, oder Versicherung
derselbigen in der
Seele darzu kommen, worzu der
Glaube
nöthig sey. Dieser gehe daher nicht vor der
Rechtfertigung her, sondern folge darauf, und thue
dem Menschen kund, daß er gerechtfertiget sey.
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Bey dieser Lehre mögen diese auch keine
übele Absicht gehabt, und vielleicht gesucht haben,
das Werck unserer Rechtfertigung als ein blosses
Gnadenwerck, dazu der Mensch nicht das geringste
beytragen könne, vorzustellen; sie sind aber in dem
Vortrag selbst gar sehr von der Wahrheit
abkommen, und haben die von GOtt verordnete und
in Heiliger Schrifft vorgeschriebene Heyls-Ordnung
gleichsam umgekehrt. Solches scheint daher zu
rühren, daß sie in einigen Stücken die Wahrheit
eingesehen, in andern hingegen irrige Begriffe aus
des Calvinus Lehre von der Prädestination
beybehalten, und also das wahre und
falsche
unter einander gemischt. Dieses ist die Lehre, welche die Antinomi vom Verdienste Christi haben.¶ |
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|
Unter diejenigen die das Verdienst Christi
einschräncken und particulair machen, müssen
vornehmlich die
Reformirten gerechnet werden.
Denn der unbedungene Rathschluß Gottes bringt
unmittelbar mit sich, daß die Gnade Gottes in
Ansehung der Seeligkeit der Menschen nicht
allgemein, sondern particulair sey. Und eben
hieraus muß die Particularität des Verdienstes JEsu
Christi fliessen, daß er nur der Auserwählten
Heyland sey, welches nach dem einmahl
angenommenen Grundsatz der absoluten
Prädestination nicht anders seyn kan. Denn ist das
der beständige und unveränderliche
Wille GOttes,
daß nur etliche, die er ausersehen hat, die
Seeligkeit erlangen sollen, warum hätte Christus
auch vor diejenigen sterben wollen, die gleichwohl
nach dem unbedingten Rathschluß Gottes
verdammt werden? Wäre das nicht etwas
vergebliches gewesen; mithin auch etwas, somit der
Weißheit und Gerechtigkeit Gottes gestritten hätte,
wenn Christus auch vor derjenigen Sünden hätte
leiden und sterben sollen, denen doch sein
Verdienst nicht zu statten kommen kan? |
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Solcher
Schluß ist den Reformirten nicht
entgegen. Sie bekennen sich dazu mit
ausdrücklichen Worten, und verwerffen die Lehre
von dem allgemeinen Verdienste Christi. |
Dieses ist aus dem auf dem
Synodus zu Dordrecht gemachten Schlusse in
secundo doctrinae capite de morte Christi et
hominum per eam redemtione Artic. VIII
zu ersehen.
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Diesen stimmen die Reformirten Lehrer in ihren
Privat-Schrifften bey, und sagen ohne Bedencken,
es sey nicht ein jeder
Christ schuldig zu glauben,
daß Christus für ihn gestorben sey. Heidegger
schreibet in corpore doctrinae …, die Verworffenen
werden keines weges
verbunden an Christum, als
den vor sie gestorbenen Heyland zu glauben, und
der jüngere Spanheim giebt
Tom. III.
oper. … vor
etwas höchst falsches aus, daß alle Berufenen, ehe
sie ernstlich Busse thäten, solten schuldig seyn, zu
glauben, daß Christus auch vor sie gestorben
wäre. |
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Es lassen zwar diese Lehre viele unter den
Reformirten fahren, die Englische Kirche hält das
Verdienst Christi vor allgemein, wie Nichols in
defensione |
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{Sp. 344} |
|
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eccl. Anglic … bezeuget; und in den
Märckischen Glaubens-Bekenntnissen wird solche
Allgemeinheit auch gelehret, so D. Balthasar in
Censura Confessionis fidei 1725 bewiesen hat.
Allein dem ohngeachtet bleibt es ein allgemeiner
Lehrsatz aller genuinen Reformirten, welche sich zu
den
Schlüssen des Dordrechtischen Synodi
bekennen, |
dabey man Cyprian im
Unterricht von Kirchlicher Vereinigung der
Protestanten … lesen kan. |
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Da nun die Gnade und das Verdienst JEsu
Christi particulair seyn soll, so folget auch daraus,
die Particularität des Gnaden-Beruffs und der
Gnaden-Mittel. In der Liturgie, welche unter Carln I,
König von Großbritannien, die
Bischöffliche den
Schottländern haben aufdringen wollen, haben
diese vieles ausgesetzet, unter welchen manches
gantz unnöthig ist, und aus offenbaren
Affecten
geschehen. Unter andern tadeln die Schottländer
an der Liturgie, sie lehre das allgemeine Verdienst
Christi. Wir wollen hier nicht eine Sache beweisen,
die in der Schrifft so deutlich vorgetragen ist, wir
wollen nur sehen, woraus dieselben
schliessen, daß
die
Verfasser der Liturgie die allgemeine Erlösung
Christi lehren? Sie
sprechen, weil sie die Worte
gebrauchen: Christus hat mich und das gantze
menschliche Geschlecht erlöset; solche Worte
aber nirgend anders erklären. |
|
|
Wir müssen diesen Schluß billigen, und halten
davor, daß die Verfasser allerdings Christi Verdienst
für allgemein gehalten. Wenn wir aber die
gleichgültigen Worte Johannis 1 Joh, II, 2. ansehen,
daß Christus die Versöhnung nicht allein für unsere,
sondern auch für der gantzen Welt Sünde sey,
welche Worte der Apostel nirgends anders auslegt;
müssen wir denn nicht eben den Schluß machen,
oder gelten lassen, daß Johannes die allgemeine
Erlösung Christi geglaubt und gelehret? Und ist es
denn
billig, daß wir den vorgefaßten
Wahn, Gottes
Gnade sey unwiederstreblich, und es sey nicht
möglich, selbige, wenn man sie einmahl gehabt, zu
verliehren, welcher doch so vielen Exempeln
wiederspricht, uns so weit treiben lassen, zu
behaupten: Christus habe die nicht erlöset, und
nicht verlanget, im Ernste seelig zu machen, die
nicht würcklich seelig werden?¶ |
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|
Die Socinianer können vermöge ihres
Lehrgebäudes nicht zugeben daß das Verdienst
und die Genugthuung Christi geschehen sey. Denn
da sie Christum vor keinen wahren GOtt erkennen,
so müssen sie nothwendig auch dessen Verdienst,
wie wir es nach der Schrifft beweisen, läugnen.¶ |
|
|
Unter diejenigen welche das Verdienst JEsu
geringschätzig halten, müssen auch die
Papisten
gerechnet werden. Denn sie erheben das Verdienst
guter Wercke, vom Verdienste JEsu aber höret man
unter ihnen wenig oder gar nichts. Gleichwie aber
unsere Lehre von dem Verdienste Christi, von der
Rechtfertigung und den guten Wercken
augenscheinlich in Gottes Wort enthalten ist; also
hat dieselbe freylich dadurch grossen
Unwillen der
päbstlichen
Geistlichkeit auf sich geladen, daß sie
die bußfertigen Sünder zu Christo geführet, und aus
dem Irrwahn gesetzet, darein der |
|
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{Sp. 345|S. 186} |
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|
Süder
Sächsische König Ceadwalla geführet
war, als er das
Kloster Selesey in Engelland stifften,
und schreiben muste: Wir müssen vor die
irrdischen und vergänglichen Güter, den ewigen
und himmlischen Lohn des obern Vaterlandes
einkauffen. |
Man findet diese Begebenheit
beym Dodsworth u. Dugdale appendice ad
monastici Anglicani tomum primum edit. Londini
1661. ... |
|
Dieses ist eben der irrige Wahn, mit welchem
das blutige Verdienst Christi noch heut zu
Tage in
der Römischen Kirche nicht hoch genug erhaben
wird. Denn so schreibet Mariales Tom. IV.
Bibliothecae interpretum ad summam D. Thomae
…: "Die Jesuiten u. Dominicaner sind darinnen
einig, daß niemand seelig werde, als durch sein
eigen Verdienst, wenn er erwachsen ist."¶ |
|
|
In der
Grafschafft Hohenstein haben sich zu
Anfange dieses
Jahrhunderts schwere
Irrthümer
wider das Verdienst Christi hervor gethan. Der
sogenannte Democritus Christianus u. C.E. Triller
mochten wohl grossen Antheil an diesen
Unordnungen haben. Denn diese bemüheten sich
das Verdienst Christi dem einfältigen Hauffen aus
dem Hertzen zu reissen. Hierzu ließ sich
vornehmlich der damahlige Superintendent zu
Elrich,
M. Otto Christian Damius, brauchen. Denn
dieser gab um das
Jahr 1707. ein neues Gesang-
Buch heraus, in welchem er überall die Lieder, die
von Christi Verdienste handeln, geändert,
zerstümmelt, oder ausgelassen, damit den Leuten
das Andencken dieser Lehre entrissen werden
möchte. Ferner hat er
verschiedenen Predigern
einen geschriebenen Aufsatz zugestellt, unter dem
Titel: Frage, ob Christi Gerechtigkeit den
gläubigen Menschen zugerechnet werde? In
welchem er diese Irrthümer weitläufftiger
auszubreiten und zu behaupten gesucht hat.¶ |
|
|
Sonst hat auch
D. Meyer in seinem Anti
Spenero, der 1695. heraus gekommen, dem seel.
Spener in dem
Artickel von Christo unter andern
Irrthümern auch diesen … beygemessen, daß er
das allgemeine Verdienst Christi
geläugnet, indem
er in der Evangelischen Glaubens-Lehre …
gesagt hätte: Das Hohepriesterliche
Amt Christi
gehe in
gewisser masse alle
Menschen an, und da
rede er nicht von dem
Nutzen, sondern von dem
Objecte und von dem Angehen des
Hohenpriesterlichen Amtes, und indem er fortfahre:
"Nachdem aber die heylsame Gnade GOttes allen
Menschen nicht nur den Juden Tit. II, 11. in Christo
erschienen ist, so ist unser Hohepriester ein Priester
der gantzen Welt, daß alle und jede Menschen Theil
haben an seinem Priester-Amte;" so folge daraus
offenbar, daß die Heyden die
Krafft des
Hohenpriesterlichen Amtes zu den
Zeiten des Alt.
Testaments nicht angegangen, wenn er erst zur Zeit
des Neuen Testaments, wie Spener vorgäbe, ein Priester der
gantzen
Welt worden sey. |
|
|
Allein auf diese Beschuldigung hat er im
Anhange an die aufrichtige Übereinstimmung …
sich so erkläret, und geantwortet, daß man
nachgehends davon abgelassen, und Speners
Orthodoxie in dem Artickel von Christo niemand
leicht im Verdacht zuziehen sich unterstanden,
zumahl da so viele andere Proben davon am Tage
liegen. Er bekennet in dem berührten Anhange,
daß Christus alle verdammte und verlohrne
Menschen erlöset, und daß die Krafft sei- |
|
|
{Sp. 346} |
|
|
nes Verdienstes und blutigen Opffers auch die
Menschen des Alten Testaments angegangen, und
er zur Zeit Alten und Neuen Testaments der
gemeine Welt Heyland sey. Da nun dieses sein
Glaube und seine Lehre von Jugend auf gewesen,
so sey es eine offenbahre
Falschheit, deren man
sich vor
GOtt und Christlichen Hertzen
billig
schämen
solte, wenn man ihm einen doppelten
Wiederspruch wider diese
Wahrheit beymessen
wolte; worauf er zeigt, wie man seine
Worte
boshafftig, nur zerstümmelt angeführet und
verkehrt, damit man nur mit
Gewalt eine
irrige
Consequenz daraus erzwingen können.¶ |
|
|
Wir wollen zur
Sache selbst nunmehro
fortgehen und einige wichtige Wahrheiten
abhandeln, die auf die Lehre vom Verdienste JEsu
beruhen. |
|
|
Erstlich setzen wir die Wahrheit: Christus habe
uns ein Verdienst, das ewig gilt, erworben, als
ein
Principium voraus, daraus man die
Unendlichkeit der Höllen-Straffen beweisen kan. Wir
müssen als ausgemacht annehmen, daß zwischen
dem Verdienste, so Christus erworben, und den
Straffen, so die Menschen wegen ihrer
Sünden
hätten ausstehen sollen, eine Proportion und
Gleichheit seyn müsse. Denn wenn das Verdienst
die Straffe überträffe, so hätte Christus mehr
bezahlt, als
nöthig gewesen wäre, welches aber
nicht hat angehen können, weil es der
Gerechtigkeit
und Liebe seines himmlischen
Vaters entgegen
gewesen wäre. Der Gerechtigkeit hätte dieses
entgegengestanden, weil er eine grössere
Bezahlung hätte angenommen, als sich die
Schuld
belauffen, welches als etwas
ungerechtes
anzusehen gewesen wäre. Wider die Liebe wäre
solches gewesen, weil er seinen eingebohrnen und
allerliebsten
Sohn grössere Marter hätte ausstehen
lassen, als nöthig gewesen wäre. |
|
|
So konte das Verdienst nicht grösser seyn, als
die Straffe. Doch konnte es auch nicht geringer
seyn. Denn in diesem Fall wäre wohl in etwas, aber
nicht
völlig der göttlichen Gerechtigkeit Gnüge
geschehen. Es wäre noch etwas zurücke geblieben,
so GOtt und die Menschen noch immer von
einander
unterschieden, und da hätte die Straffe
nicht können aufgehoben werden. |
|
|
Ist dieses richtig, daß zwischen dem Verdienst
und der Straffe eine Proportion seyn muß, so
schliessen wir daraus, daß wenn Christi Verdienst
von einer unendlichen Gültigkeit, auch der Sünden
unendliche Straffe müsse verdienet haben.
Gewiß
die Endlichkeit der Straffe, stimmet mit dem
unendlichen Werthe des Verdienstes Christi nicht
zusammen. Hätte GOttes Zorn durch unendliche
Straffen können befriediget werden, was wäre
nöthig gewesen, daß GOtt eine unendliche
Genugthuung gefodert; daß sich Christus selbst zu
einem Opffer, von einer unendlichen Gültigkeit hätte
aufopffern lassen? Man siehet daher, daß, wenn
man behauptet, die Sünde hätte nur eine endliche
Straffe nach sich gezogen, dabey die
Nothwendigkeit der Genugthuung Christi nicht
bestehen könne. Ist aber die Straffe unendlich, und den Verdammten, wenn sie in
der Hölle sitzen, kan sodann Christi Verdienst nicht zu statten kommen, so sehen
wir nicht, wie sie daraus mögen befreyet werden. ¶ |
|
|
Es redet die
Schrifft
von dem Verdienste Christi auf solche Art, daß man ebenfalls daraus
schliessen
kan, es sey keine Erlösung aus der Hölle zu er- |
|
|
{Sp. 317|S. 187} |
|
|
warten, man mag die Sache auf Seiten der
Teuffel, oder auf Seiten der verdammten Menschen
ansehen. |
|
|
Wir haben nur jetzt aus dem unendlichen
Verdienste Christi erwiesen, daß die
Straffe der
Sünder an sich unendlich sey, und dieselben ihrer
Sünde wegen unendlich leiden müssen. Wir wollen
dieses weitläufftiger ausführen, und wider die
Einwürffe retten, weil dieser
Beweiß unter dem
Artickel von den Höllen-Straffen, im XL
Bande,
p.
549 u.ff. nicht mit angeführt worden ist. |
|
|
Die Gegner wenden hier ein, die Sünder und
Verdammten würden zwar unendlich leiden
müssen, wenn Christi Verdienst nicht vorhanden, es
werde aber auch solches den Verdammten zu
statten kommen, daß sie an Christum glauben, und
dadurch ihre Befreyung erlangen würden. Auf
solche Weise ist nun nöthig in der Sache
weiterzugehen, und
darzuthun, wie durch Christi
Verdienst keine Erlösung aus der Hölle zu erwarten,
ja selbiges in H. Schrifft vielmehr so vorgestellet
werde, daß man daher noch deutlicher die
Unendlichkeit der Höllen-Straffen
erkennen
könne. |
|
|
Ausser diesem ist kein eintzig
Mittel vor die
Verdammten übrig. Entweder sie müssen die Straffe
unendlich leiden, oder durch Christum davon
befreyet werden. Das letztere gehet nicht an und
also muß das erstere geschehen, weil der
Göttlichen Gerechtigkeit darunter nichts abgehen
kan. Daß ihnen Christi Verdienst nicht könne
zugerechnet werden, erhellet wieder daher, indem
selbiges die Teuffel an sich nicht angehet; was aber
die verdammten Menschen betrifft, so ist er zwar
auch vor dieselben gestorben, nachdem sie aber in
diesem Leben die erworbene
Gnade GOttes
beständig von sich gestossen, so wird ihnen selbige
in jenem
Leben nicht weiter angeboten. |
|
|
Und das ist es, was mir nunmehro mit
Unterscheid sowohl auf Seiten der Teuffel als der
verdammten Menschen erweisen wollen. Es ist kein
Grund vorhanden, wie die Teuffel aus der Hölle
könnten befreyet werden. Die Befreyung muß eine
Aussöhnung mit
GOtt voraussetzen. Zu dieser kan
man durch keinen andern Weg als durch Christum
kommen. Aber nun ist zu mercken, daß Christus mit
seinem Verdienste die gefallenen Engel oder die
Teuffel gar nichts angehe, er ist nicht ihr Heyland, er
ist nicht für sie gestorben, er hat nicht für ihre
Sünden gebüsset, er hat nicht sein Blut für sie
vergossen, er hat sie nicht mit GOtt
ausgesöhnet. |
|
|
Dieses ist ein wichtiger
Umstand bey dieser
Sache mit. Wir treffen auch davon die Zeugnisse in
heiliger Schrifft auf das allerdeutlichste an. Sie
lehret uns dieses auf
unterschiedene Art. Denn es
heist |
|
|
1) in der Epistel an die Hebräer II, 16. er nimmt
nirgend die Engel an sich, sondern den Saamen
Abrahä nimmt er an sich: so machen wir daraus den
Schluß, daß Christus nicht vor die Engel gelitten
und
gestorben, deswegen, weil er ihre
Natur nicht
an sich genommen. Dieser Schluß gründet sich
denn darauf, daß zwischen dem Mittler-Amte
Christi, und der angenommenen Natur eine solche
Verwandtschafft, daß selbiges nur diejenigen
angehet, deren Natur er angenommen. Er ist nicht
vor sich, sondern vor andere gestorben, und zwar
vor diejenigen, deren Natur er angenommen. Er ist
nicht vor sich, sondern vor andere gestorben, und
zwar vor diejenigen, deren Natur er
theilhafftigg |
|
|
{Sp. 348} |
|
|
worden; |
|
|
2) bezeugt die Schrifft, daß Christi Verdienst
die Teuffel nichts angehe, damit, daß sie einen
solchen
Endzweck seiner Menschwerdung angiebt,
der nicht vor, sondern wider den Teuffel war; |
|
|
3) heist es: Christus sey ein Mittler zwischen
GOtt und den Menschen, der sich selbst gegeben
hat für alle zur Erlösung, |
1 Timoth. II, 5 u.f. |
|
Was die
Krafft des Verdienstes Christi in
Absicht auf die verdammten Menschen betrifft, so
kan man davon den Artickel: Verdammten,
nachsehen. |
|
|
Desgleichen kan man die Lehre von dem
Verdienste Christi, in so ferne es die äusserliche
antreibende Haupt-Ursache unserer Rechtfertigung
ist, den Artickel: Rechtfertigung, im XXX Bande, p.
1383 u.ff. nachschlagen. |
-
Walchs Religions-
Streitigkeiten in der Evangelischen Kirche ...
- Ebendeß. Religions-Streit. ausser der Evangel.
Kirche ...
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- Cyprian vom Ursprunge des
Pabstthums ...
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Historisch Theolog. Systema, I und II Th. …
- Pantoppidani Annales Ecclesiae Danicae, II Th. …
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