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Zedler: Sterben HIS-Data
5028-39-1930-5
Titel: Sterben
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 39 Sp. 1930-1935
Jahr: 1744
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 39 S. 979-982
Vorheriger Artikel: Sterbe-Lehn
Folgender Artikel: Sterbe, oder grosses Sterben
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Bibel
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage

Stichworte Text   Quellenangaben
  Sterben, Lat. Mori, heißt insgemein und in natürlicher Betrachtung soviel als aufhören zu leben.  
  Von den Thieren insonderheit wird es gesagt, wenn der Umlauff des Geblütes und der Lebens-Säffte aufhöret: gleichwie der Mensch alsdenn stirbt, wenn sich die Seele vom Leib scheidet.  
  Daß dem Menschen gesetzet, einmahl zu sterben, Hebr. IX, 27.
  kommt von der Sünde her, auf deren Begehung der Tod gesetzet ist.
  • 1 B. Mos. II, 17.
  • Röm. V, 18. 12.
  Es haben zwar schon vorlängst die alten Pelagianer und andere Ketzer sich nicht einbilden können, daß ein eintziger Apffelbiß ein so grosses Unglück in der Welt angerichtet haben solte; daher haben sie dafür gehalten, es sey natürlicherweise nicht anders  
  {Sp. 1931|S. 980}  
  möglich, als daß der Mensch einmahl sterben müsse; da er dem Leibe nach aus einem Erdenklosse gemacht ist, habe es nothwendig heissen müssen: Du bist Erde und solst zu Erden werden, 1 B. Mos. III ,19.
  Allein ob sich gleich GOtt nach dem Sündenfall mit den angezogenen Worten heraus gelassen; so würde dieses doch dem Menschen nicht haben schaden können, daß GOtt seinen Cörper aus einem Erdenklosse gemacht hat, wenn nicht die Sünde darzwischen gekommen wäre. Denn daß auch die Erde sammt dem Himmel endlich vergehen werden, 2 Petr. III, 10.
  das wird eine übernatürliche Würckung GOttes seyn; denn sonst heißt es: Ein Geschlecht vergehet, daß andere kömmt, die Erde aber bleibet ewiglich. Pred. Sal. I, 4.
  So folgte nun aus dem irrdischen Ursprunge des menschl. Cörpers nichts mehr, als daß er nicht dergestalt unsterblich war, wie ein Geist, der gar nicht sterben kan. Alles aber war bey der Zusammensetzung des Menschen in einer vollkommenen Proportion eingerichtet, daß eines mit dem andern vollkommen übereinstimmte, und die Seele war so mit dem Leibe vereiniget, daß sie denselben nimmermehr verlassen haben würde. Aber durch des Teuffels Neid ist der Tod etc. Röm. VI, 23.
  Daß sich aber einige daran stossen: Wie der gerechte GOtt wegen eines Apfelbisses über das gantze menschliche Geschlecht eine so schwere Straffe habe setzen können? Diese wissen nicht, daß es GOtt freylich nicht um den Apffel zu thun gewesen sey, da er dem Menschen die gantze Erde eingegeben, 1 B. Mos. I. 26.
  sondern der Ungehorsam verdiente diese Straffe, welcher eine Zaubereysünde ist. 1 Sam. XV, 23.
  Es heisset aber apokeitai, es ist so gesetzt, daß der Schluß viel fester als vormahls das Gesetz der Meder und Perser bestehet, welches kein Mensch übertreten durffte. Esth. I, 19.
  Es sind zwar Exempel von Menschen vorhanden, welche durch den zeitlichen Tod nicht aufgerieben worden sind, als z.E.  
 
  • Henoch,
  • 1 B. M. V, 24.
  • Ebr. XI, 5
 
  • Elias,
2 B. Kön. II, 11.
  Allein dieses sind solche Exempel, welche GOtt seiner Macht vorbehalten hat; Apostolg. I, 7.
  und es ist auch höchstwahrscheinlich, daß alle beyde etwas dem Tode ähnliches werden empfunden haben; gleichwie diejenigen empfinden werden, welche der jüngste Tag lebendig antreffen wird. 1. Cor. XV, 53.
  Weil aber diesen künfftigen Zustand der Menschen der Apostel selbst für ein Geheimniß hält: so müssen wir es bey desselben Worten bleiben lassen, wenn er sagt: Die den jüngsten Tag erleben, die werden zwar nicht gleich andern, die schon etliche 1000 Jahr geschlaffen haben, in das allgemeine Ruhe-Kämmerlein eingeschlossen werden; jedoch müssen sie von der Sünde gerechtfertiget werden. Denn nichts gemeines kan in das himmlische Jerusalem eingehen. Offenb. XXI, 26.
  Nun heißt es aber: Der gestorben ist, der ist gerechtfertiget von der Sünde; Röm. VI, 7.
  Darum scheint es wohl, es würden auch die Auserwehlten, welche zur Zeit der letzten Posaune annoch leben werden, einigen obgleich kurtzen Todesschlaf empfinden, in welchem die Verwandlung und Rechtfertigung von den Sünden vollbracht seyn wird. Bey denen nun aber, die die Zeit der letzten Posaune nicht erleben, hat das Sterben seine Zeit.  
Sterbens-Stunde unveränderlich? Man wirfft von der Sterbens-Stunde die Frage auf: Ob sie denn schlechterdings unveränderlich? Doch die Frage  
  {Sp. 1932}  
  muß recht eingerichtet werden, und zwar entweder also: Ob GOtt nach einem unbedingten und alle andere und unter ihm stehende Ursachen ausschliessenden Rathschluß jedweden Menschen ein solch Lebens-Ziel gesetzet, welches er, er möge leben, oder sich halten, wie er wolle, unmöglich zu überschreiten, zu verkürtzen oder zu verlängern vermöge? oder auf folgende Weise: Ob GOtt bey Setzung und Verordnung der Todes- Stunde eines Menschen, auf den gemeinen Lauff der Natur, auf andere würckende natürliche Ursachen und sonderlich auf des Menschen Temperament, Verhalten, und auf andre Umstände gesehen, und also nach deren Beschaffenheit, so er vorher gewust, ordentlich das Lebens-Ziel gesetzet?  
  Auf das erste antwortet man billig mit Nein: massen dergleichen schlechterdings unveränderliche Stunde schnur stracks läuffet wieder göttl. Drohungen und Verheissungen, wider das von GOtt selbst gebotene Gebet der Frommen, wider allen Gebrauch der Artzney und anderer Mittel, und aus derselben Bejahung unzählich viel sündliche und ungereimte Dinge folgen.  
  Die andre hingegen bejahen wir, und sagen, daß zwar auf Seiten GOttes, als dessen Allwissenheit unbetrüglich, die Todes-Stunde auch unbetrüglich sey, allein auf Seiten des Menschen nicht so beschaffen, daß er sein Leben weder durch seine eigne Schuld und übeles Verhalten verkürtzen, noch dessen Verlängerung durch ein gläubig Gebet von GOtt erhalten könne. GOtt hat allerdings bey dieser Verordnung eine Absicht auf menschliche Leibes-Constitution, und auf andre Umstände und Mittel gehabt, und daher ist es eine ausgemachte Sache, daß der Mensch sein Leben durch Unmäßigkeit, Uppigkeit, und auf andre sündliche Weise verkürtzen könne.  
  Wir setzen: der allwissende GOtt habe von Ewigkeit her gesehen, daß dieser oder jener Mensch nach seiner Leibes-Constitution und ordentlichen Lebens-Kräfften das 80ste Jahr erreichen könne, und ihm also dieses zu seinem Termin angesetzet: so hat er doch auch gesehen, wie eben dieser oder jener Mensch seine gute Natur werde durch Fressen und Sauffen und unordentlich Leben u. Wesen verderben, oder wohl gar durch schädliche Übelthaten sich das Schwerdt über den Halß ziehen, und deswegen im 30 Jahre sterben; und hat ihm bey solcher Bewandniß diesen Lebens-Termin verordnet.  
  So stirbet dann freylich der Mensch, wenn GOtt will, doch kan er zu zeitiger Beendigung seines Lebens viel beytragen. Es muß demnach niemand den Ausspruch Salomonis in seinem Prediger: das Sterben hat seine Zeit, zu sündlicher Sicherheit oder verwognen Wercken mißbrauchen; wohl aber sich seiner Sterblichkeit jederzeit gebührend erinnern. Dieses scheinen diejenigen insonderheit zu beobachten, die den Tag ihres Todes vorhergesaget haben. Denn daß man Exempel von solchen Personen habe, ist ausser allen Streit, so soll der heil. Franciscus seinen Sterbe-Tag vorher verkündiget haben: Wie davon in den Unsch. Nachr. auf das Jahr 1718 … nachzusehen ist; was aber hiervon zu halten sey, wenn solches auch eingetroffen, ist eine andere Frage.  
  Joh. Praetorius, Professor zu Altdorff, verwirfft in einem Lateinischen Brief billigt die Vorherverkündigung desselben, und führt die zwey Exempel von D. Dudi-  
  {Sp. 1933|S. 981}  
  tio und D. Wolffen.  
  Die alten Christen nenneten den Sterbe-Tag der Frommen, Natalem Martyrum, ihren Geburts-Tag, weil sie an demselben der Seelen nach würcklich zum ewigen Leben eingegangen. Ein mehrers hiervon und was überhaupt von dem Sterben gesagt werden kan, siehe in dem Artickel: Tod.  
Bibel Hier müssen wir doch noch einiger Redens-Arten Meldung thun, die in der heiligen Schrifft vorkommen. Dergleichen sind  
 
1) Mit Christo Sterben,
 
 
solches ist, wenn es im geistlichen Verstande genommen wird, dreyfach.
 
 
  • Das erste mögen wir nennen ein Sterben, in Ansehung der Erwerbung;
  • Das andere ein Sterben, in Ansehung der Zueignung;
  • und das dritte ein Sterben, in Ansehung der Gleichförmigkeit.
 
 
Das Sterben mit Christo in Ansehung der Erwerbung findet sich bey allen Menschen. Denn weil Christus für alle Menschen gestorben ist, und ihnen durch seinen Tod das Heyl erworben hat; so ist seyn Tod in dem Gerichte GOttes dergestalt angenommen, als ob alle Menschen selbst gestorben wären. Dahin gehören die güldenen Worte des heiligen Paulus in der 2 Ep. Cor. V, 14.
 
 
Wir halten, daß, so einer für alle gestorben ist, und ihnen durch seinen Tod das Heyl erworben hat, so sind sie alle gestorben. Dieses Sterben nun mit Christo in Ansehung der Erwerbung ist zwar der Grund des Übrigen, und wo dieser Grund fehlete, so könnten wir sonst auf keine Art mehr mit Christo sterben.
 
 
Allein wir müssen es hierbey nicht bewenden lassen, daß wir mit Christo gestorben sind, da er für uns alle gestorben ist; sondern es auch das Sterben mit Christo nach der Zueignung und Gleichförmigkeit hinzukommen.
 
 
Was das Sterben mit Christo in Ansehung der Zueignung anlanget, so geschiehet solches durch den Glauben, und man wird dessen in der Rechtfertigung versichert. Denn durch den Glauben eignet sich der Mensch den Tod Christi zu; und wenn er denn durch den Glauben von GOtt gerechtfertiget wird, so wird ihm der Tod Christi also von GOtt zugerechnet, und zu eigen geschencket, als wäre er selbst gestorben, und als hätte er ihm selber alle Gnade GOttes und alle Seeligkeit verdienet und erworben. Und das heißt denn: der gläubige und gerechtfertigte Mensch ist mit Christo gestorben.
 
 
Darzu muß aber auch kommen das Sterben mit Christo in Ansehung der Gleichförmigkeit. Und dieses muß sich in der täglichen Erneuerung zeigen, wo der Mensch im Glauben an Jesum und in der Krafft des Todes JEsu täglich der Sünde sterben, und der Sünde absterben muß. Und wie Christus den Creutzestod erlitten hat; also muß der alte Mensch oder die sündliche Unart in uns sammt Christo gekreutziget, und dermassen geschwächet und entkräfftet werden, daß sie nicht mehr in uns herrsche, sondern gleichsam tod in uns sey.
 
 
2) In dem Herrn sterben,
Offenbar. Joh. XIV, 13.
 
Das Griechische Wort wird so wohl vom natürlichen, als gewaltsamen Tode gebrauchet, ja auch wohl gar von der Verwandelung oder Verwesung des Weitzenkorns in der Erden,
Joh. XII, 24.
 
als auch, wenn sich die unvernünfftigen Säue ins Meer stürtzeten, und darinnen ersoffen,
Matth. VIII, 32.
 
Es findet sich aber auch
 
 
 
 
 
  {Sp. 1934}  
 
auch zuletzt starb;
 
 
  • von Christo selbst,
Marc. XV, 44. …
 
Wenn nun hier von Todten die Rede ist, so sind das nicht insgemein Sterbende, da sich Leib und Seele, entweder auf dem Siechbette, oder wegen gewaltsamer Mittel und Ursachen anderswo trennen müssen, wie dergleichen hin und wieder alle Stunden abfahren; sondern im Herrn Sterbende. Sonsten saget die Schrifft:
 
 
  • in Sünden sterben,
Joh. VIII, 21. 24.
 
  • im Adam sterben,
1 Cor. XV.
 
  • auf dem Herrn sterben,
Röm. XIV, 8.
 
Hier aber stehet: in dem Herrn, da denn etliche meynen, es heisse von wegen; die um des Herrn willen als Blutszeugen oder Märtyrer, sterben; wie Matth. V, 11. um meinetwillen schmähen etc. oder wie, nach etlicher Meynung Röm. XVI, 2. nehmet die Phöben auf in dem Herrn, so viel seyn soll, als um Christi willen, dem sie dienet und angehöret. Allein wir dürffen solcher Umschweiffe nicht, sondern verstehen durch diß im Herrn sterben, daß man an seinem letzten Abdrücken standhafft verbleibe in der Erkänntnis, Glaube, Anruffung und Bekänntnis JEsu, der allein der Weg etc.
Joh. XVI, 6.
 
daß man auch nebst dem Vater auch den erkenne, welchen er gesandt hat
Joh. XVII, 4.
 
als den eintzigen Mittler etc.
1 Tim II, 5.
 
3) Sterben wie ein Reicher, solches stehet von Christo,
Jes. LIII, 9.
 
Gerhard, Weller, Glaßius, Walther u.a. berühmte Theologi mehr, erklären es also: Christus sey gestorben wie ein Reicher; nicht in leiblichen und irrdischen Reichthum, sondern in geistlichen, den er uns in seinem Tod hinterlassen. Denn wenn einer stirbet als ein Reicher, so haben es seine Erben wohl zu geniessen, sie haben alle Theil an seinem Reichthum, ein jedes trägt etwas davon nach Hause; so hat Christus uns durch seinen Tod grossen geistl. Reichthum hinterlassen, daran alle Gläubigen sollen Theil haben, reiche Gnade GOttes, Vergebung der Sünden, Gerechtigkeit und Seeligkeit des ewigen Lebens.
 
 
Aus seinem Reichthum und Fülle sollen wir nehmen Gnade um Gnade.
Joh. I.
 
Die Erlösung durch sein Blut, nehmlich die Vergebung der Sünden, nach dem Reichthum seiner Gnade.
Eph. I, 7.
 
den Reichthum seines herrl. Erbes,
v. 18.
 
4) In Sünden sterben,
Joh. VIII, 21.
 
Das ist, ihr werdet in Gottes Ungnade und Zorn, ausser der Gemeinschafft JEsu, ohne einigen Trost des h. Geistes, ohne einige Hofnung der Erlösung dahin gehen, u. von der Höllen verschlungen werden. Was ist wohl schrecklicher als das? und ist alles zu schlecht, daß man beybringet, diß schreckliche Wort zu erklären, weil dessen Innhalt keine menschl. Zunge oder Feder recht ausdrücken kan.
 
 
In Sünden fallen, in Sünden leben, in Sünden sicher seyn, in Sünden Lust suchen und finden, in Sünden zu Bette gehen und einschlaffen, sind erschreckliche Dinge, dafür eine gottesfürchtige Seele billig erschrickt; aber in Sünden sterben, ist über alles, bald hernach nichts mehr zu hoffen, als ewig das Feuer leiden, daß nimmer verlöschen, und den Wurm, der nimmer sterben wird.
 
Recht Endlich so bemercken wir noch, daß nach der gemeinen Meynung der Rechtsgelehrten so wohl ein Bischoff, als auch überhaupt ein jedweder anderer, der in einer öffentlichen Bedienung steht, und schon bey Lebzeiten seinen gewissen Nachfolger hat, nicht stirbt, weil alsdenn nur die Personen, so ein solches Amt bekleiden, nur verändert werden, das Amt aber, nebst denen  
  {Sp. 1935|S. 982}  
  davon abhängenden Verrichtungen, nach wie vor verwaltet wird. Wehner in Obs. Pract. v. Bischoff.
     

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Stand: 2. April 2014 © Hans-Walter Pries