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Zedler: Sterbender HIS-Data
5028-39-1935-3
Titel: Sterbender
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 39 Sp. 1935
Jahr: 1744
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 39 S. 982
Vorheriger Artikel: Sterben (Vieh-)
Folgender Artikel: Sterben JEsu
Siehe auch:
Hinweise:

  Text   Quellenangaben
  Sterbender, Moriens, Moribundus, heißt derjenige, welcher in seiner Kranckheit so weit gekommen, daß ihn, wie man zu sagen pfleget, der Tod auf der Zunge sitzet, daß er in den letzten Zügen lieget, und jedermann versichert ist, daß er in rechtem Ernst die Zeitlichkeit verlassen wolle, da man denn nichts mehr wünschet, als daß er sanfte sterben möge;  
  Ereignen sich aber vor dem Ende gewaltsame und convulsivische Bewegungen des Leibes, die Brust röchelt heftig, die Glieder werden gezuckt und die Augen, verdrehet, und der Leib wirfft sich hin und her; So siehet es erbärmlich aus: daher der gemeine Mann in solchem elenden Zustande ein Mittel vorzuschlagen weiß, wodurch der Tod erleichtert, beschleuniget und der Quaal ein Ende gemacht wird. Sie ziehen dem Sterbenden die Küssen unter dem Bette hervor, damit derselbe niedriger und mit dem übrigen Cörper in gerader Linie, oder wohl noch tiefer zu liegen komme. Man glaubt und findet, daß hierauf die ängstlichen und fürchterlichen Unruhen nachlassen, und der Tod bald und sanft erfolge.  
  Was nun hievon zu halten, und wie solches zugehet, soll jetzo gezeiget werden. Wir nennen einen Menschen todt, wenn wir nicht die geringste Bewegung an ihm spüren, keinen Puls fühlen und keiner Wärme gewahr werden; gleichwie wir hingegen demjenigen ein Leben zuschreiben, bey welchem wir noch die geringste Bewegung antreffen. Demnach bestehet das Leben in der Ausübung, wohl nicht aller, doch einiger dem Menschen zukommenden Bewegungen; und der Tod in der gäntzlichen Aufhörung aller dem Menschen eigenen Bewegungen.  
  Schwerlich wird solches jemand läugnen, zumahl, da ihn die Sinne dessen auf das nachdrücklichste überzeugen. Wenn also der Tod in einer gäntzlichen Aufhörung aller dem Menschen eigenen Bewegungen bestehet, so wird er leicht von denen Ohnmachten, wenn sie auch noch so starck, und noch so lange anhalten, wohl können unterschieden werden, als bey welchen kein Mensch wird behaupten können, daß alle Bewegungen, und zwar gäntzlich, das ist, so aufhören solten, daß sie gar nicht wieder kämen.  
  Wie gehet es aber zu, daß alle Bewegungen aufhören? Wenn man hierbey abermahls die Anmerckungen, so man durch die äusserlichen Sinne macht, zu Rathe ziehet; so lehren uns dieselben, daß durch die Bewegung des Hertzens und der Pulsadern, welche man in der Artzneywissenschafft ihre Systolen und Diastolen zu nennen pfleget, wird das Blut nebst allen übrigen Säften in dem gantzen Cörper herumgetrieben. Solange dieselbe geschiehet, vermercken wir an den Pulsadern einen Puls, als welcher nichts anders ist, als eine abwechselende Auftreibung und Erweiterung dieser Gefässe von dem aus dem Hertzen durch dessen Zusammenziehung, oder Systolen, hineingetriebenem Blute. So lange dieselbe  
  {Sp. 1936}  
  geschicht, fühlen wir eine Wärme, als welche von der Aneinanderreibung des Blutes, so es durch die fortgehende Bewegung erhält, herrühret. So bald dieselbe aufhöret, stehet das Blut stille; mithin höret die Wärme und der Puls auf, und alle übrige Bewegungen, sie mögen Nahmen haben, sie wollen, haben ein Ende.  
  Wer dieses erweget, wird schwerlich zweifeln, daß nicht der Umlauf des Geblütes eine Ursache aller menschlichen Bewegungen sey: Hat nun solches seine Richtigkeit, so folget, daß alle dem Menschen eigene Bewegungen aufhören, und mithin der Tod erfolget, wenn das Hertz und die Pulsadern aufhören, sich zusammen zu ziehen, und solchergestalt das Blut stille stehet.  
  Woher es aber kommt, daß die zusammenziehende Krafft im Hertzen und Pulsadern aufhöret? Das ist eine wichtige Frage, und müßte man zum Voraus sehr viel beweisen, ehe man selbige zu beantworten im Stande wäre. Daß die Bewegung des Hertzens hauptsächlich durch die Nerven die zu demselben gehen, unterhalten werde, ist eine Sache, welche nur von demjenigen, der würdig ist, einen Sitz im Irrhause zu haben, geläugnet wird; denn wenn man einem lebendigen Thiere diese Nerven abbindet, oder wegschneidet, so stehet das Hertz augenblicklich stille, und der Tod folget in kurtzen.  
  Wie aber die Nerven zur Bewegung des Hertzens etwas beytragen, wird auf mancherley Art beschrieben. Unsere Meynung hiervon ist folgende: Wenn man bey einem lebendigen Thiere den Hirnschedel abnimmt, und macht auf das Gehirne einen Druck, so verfällt das Thier in einen Schlaf, verliehret alle Sinne, wie auch das Vermögen, die äusserlichen Glieder willkührlich zu bewegen, doch wird die Bewegung des Hertzens und das Athemholen ungehindert fortgesetzet. Wenn man aber das Hirnlein, oder so genannte kleine Gehirne drücket, höret die Bewegung des Hertzens und das Athemholen auf einmahl auf. Nebst diesem durch die augenscheinliche Erfahrung bestätigten Versuche, setzen wir zum voraus,  
 
1) daß man alle Bewegungen des Menschen in willkührliche, oder solche, die nach unserm Willen geschehen, und geändert werden können, und in solche, die auch ohne und wider unsern Willen verrichtet werden, abtheile; davon man die erstern thierische, die letztern aber selbstgängige oder automatische nennet;
 
 
2) daß alle Bewegungen hauptsächlich, vermittelst der Nerven, vollbracht werden;
 
 
3) daß die Nerven ihre Würckungen, vermöge des darinnen enthaltenen Nervensafftes, welchen man auch Lebensgeister zu nennen pfleget, äussern;
 
 
4) daß dieser Nervensaft eigentlich im grossen und kleinen Gehirne, wie auch in dem Rückenmarcke, von dem Blute abgesondert, und von da in alle Nerven, die insgesamt aus einem von diesen Theile entspringen, vertheilet werde;
 
 
5) daß die Nerven, so in die den willkührlichen Bewegungen gewidmete Theile gehen, aus dem Gehirne; diejenigen aber, die in die den selbstgängigen Bewegungen gewidmete Theile, insonderheit in das Hertz, und in die Werckzeuge des Athemholens vertheilet werden, eigentlich aus dem kleinen Gehirne ihren ersten Ursprung nehmen.
 
  Aus diesen Sätzen schliessen wir nun ferner also: Das Hertz bekommt, dem ersten Ursprunge nach, seine Nerven aus dem kleinen Gehirne, und verrichtetet seine zusammenziehende Bewegung so lange, als  
  {Sp. 1937|S. 983}  
  bey unverletzt bleibenden Bau desselben, seine Nerven mit hinlänglichen Nervensaffte angefüllet werden. So bald dieser Einfluß sparsam geschiehet, ist die Bewegung des Hertzens schwach, und hörete gar auf, wenn der Einfluß gantz aufhöret. Dieser Einfluß wird vermindert, oder gar gehemmet, wenn unter andern das kleine Gehirne einen Druck erleidet. Der Druck kan erfolgen, wenn das Blut nicht in der Menge durch die Blutadern des Kopfs zurücke gebracht wird, in welcher es durch die Pulsadern zum Kopfe gekommen, und wenn es sich folglich in den Gefässen des kleinen Gehirns zu starck anhäufet, selbige ausdehnet, und hierdurch die anliegenden nervösen Fäden so zusammen drücket, daß sie vom Nervensaft nicht gnung in sich nehmen können, welches um so viel leichter geschicht, wenn bereits der Cörper geschwächet, und die Menge der Säffte mercklich gemindert worden.  
  Wenn man nun bedencket, daß bey den Kranckheiten, wenn sie eine Zeit lang gewähret,  
 
1) so wohl alle Säffte, als insbesondere der Nervensafft ungemein vermindert, und wegen Mangel desselben auch die festen Theile erschlappet und geschwächet seyn müssen;
 
 
2) Daß aus diesem Grunde die Gefässe, die Krafft auf die Säffte zu würcken, und dieselben fortzutreiben verliehren, und zwar die Blutadern, weil sie schwächer sind, viel eher, als die Pulsadern;
 
 
3) Daß sich daher das Blut in den Blutadern am ersten anhäufe, und zwar so wohl im gantzen Cörper, als auch insbesondere in dem Gehirne, als woselbst die Gefässe nur in weichen Theilen liegen, und von denenselben diejenigen Hülffe, die sie von fleischichten Theilen in Forttreibung des Blutes erlangen, nicht bekommen können;
 
  so wird man die Ursache einsehen können, wie der natürliche Tod bey den meisten Kranckheiten erfolge. Wir sagen bey den meisten, denn es giebet einige, da es anders zugehet, wenn der Patiente stirbt.  
  Wenn man nun machen kan, daß die Anhäufung des Blutes in den Blutadern des kleinen Gehirns in kurtzer Zeit so starck geschiehet, daß das aus den Pulsadern nachschüssende nicht mehr vermögend ist, es fortzutreiben, und daß vom Nervensaffte gar nichts mehr abgesondert wird; so höret die Bewegung des Hertzens auf einmahl auf, und man kan den Tod befördern oder beschleunigen.  
  Nun ist die Frage: ob solches geschiechet, wenn man einem Sterbenden das Küssen unter dem Kopfe wegziehet? Unter einem Sterbenden muß man sich die Person vorstellen, bey welcher sich das Blut in den Blutadern des Gehirns schon würcklich angehäufet hat, doch so, daß der Nervensafft noch einiger massen abgesondert werden kan, und mithin noch einige Bewegung des Hertzens fortdauret. Allerdings kan man durch erwähntes Mittel den Tod befördern und erleichtern, wenn er auf obbeschriebene Art geschicht. Denn wenn ein Mensch aufgerichtet sitzet, oder nur mit dem Kopfe hoch lieget, so muß das Blut aus dem Hertzen durch die Pulsadern nach dem Kopfe zu aufwärts steigen, und das aus dem Kopfe herunter kommende fället durch die Blutadern gerade, und fast schnurgleich herunter; folglich geschicht in beschriebener Stellung der Antrieb des Blutes zu dem Kopfe beschwerlicher,  
  {Sp. 1938}  
  und der Rückweg desselben aus dem Kopfe in das Hertze leichter und häufiger.  
  Wenn demnach bey einem Sterbenden diese Stellung beybehalten wird, muß der Tod nothwendig etwas aufgehalten werden: indem das Blut leichter zum Hertzen einschüssen, mithin dessen Anhäufung im Gehirne so starck nicht gleich erfolgen kan, daß es die gäntzliche Absonderung des Nervensafftes unterbrechen solte. Eben dieser häufige Einfluß des Geblütes in das Hertze, welcher bey aufgerichteter Stellung am stärcksten geschicht, ist die Ursache der Ohnmachten, welche die mit bösartigen Fiebern, als Fleckfiebern, und dem kalten Brande behaftete Personen bisweilen erleiden, und zwar nur alsdenn, wenn sie sich aufrichten oder mit dem Kopfe sehr hoch liegen: weil das bey ihnen geschwächte und matte Hertze nicht im Stande ist, bey empfangener zu starcken Menge Blutes sich zusammen zu ziehen, und solches fort zu treiben.  
  Daher kömmt es auch, daß man den denenjenigen, die bey der Aderlaß oder anderer Gelegenheit ohnmächtig werden, anrathet, daß sie sich auf das Bette legen, mithin die aufgerichtete Stellung verändern, und den häufigen Zuschuß des Blutes in das Hertze etwas vermindern. Hingegen, wenn der Kopf mit dem übrigen Leibe in gleicher Linie, oder noch tiefer liegt, dergleichen Lage durch Hinwegziehung des Küssens verursachet wird; so kan das Blut durch die Pulsadern leichter und häufiger zum Kopfe kommen, weil es nicht gerade in die Höhe steigen darf, sondern in gleicher oder horizontaler, und mehr abfallende Linie dahin gebracht wird.  
  Aus dem Kopfe aber kan es alsdenn weit beschwerlicher und langsamer zurückkommen: denn es fällt nicht mehr herunter, sondern muß in gleicher oder horizontaler und mehr aufwärts gehender Linie gleichsam in die Höhe steigen. Da es also in dieser Stellung häufiger zum Kopfe schüßt, sparsamer aber zurücke kömmt, muß es sich nothwendig in kurtzer Zeit stärcker anhäufen, das Gehirne stärcker drücken, und den Tod auf solche Weise befördern.  
  Ein Exempel von einem Sterbenden, der sich wieder erholet, hat Schaarschmidt im 1 Jahrgange seiner medicinischen und chirurgischen Nachrichten, … und ein anderes, da der Sterbende durch einen schrecklichen Pulverschlag zu sich selbst gekommen, und wieder gesund worden, lesen wir in den Breßlauer Naturgeschichten  
  Wir kommen nun auf die verschiedenen Gebräuche, welche unterschiedene Nationen bey ihren sterbenden Personen zu beobachten pflegen.  
  Was die Juden anbetrifft; so gebiethet der Thalmud Schabbat …, daß ein krancker Jude sich zum Tode bereiten soll, weil geschrieben stehet: Laß deine Kleider immer weiß seyn, und laß deinem Haupte kein Öl mangeln.
Pred. Sal. IX, 8.
[1] HIS-Data: korrigiert aus: Thal-und
  Er lehret ferner in Rosch Haschana … es wären vier Mittel, dadurch der beschlossene Rath GOttes zurück getrieben werden könne;  
 
1) Durch Allmosen, weil geschrieben stehet: Gerechtigkeit errettet vom Tode.
Sprüchwört. Sal. X, 2.
 
2) Durch Beten, denn es heisse: Und sie riefen zum Herrn, und er half ihnen aus ihren Nöthen.
Ps. CVII, 13.
 
3) Durch Änderung der Wercke; weil geschrieben ist: Da aber GOtt
 
  {Sp. 1939|S. 984}  
 
  sahe ihre Wercke daß sie sich bekehreten.
Jon. III, 10.
 
4) Durch Änderung des Nahmens; weil GOtt zu Sarai, nachdem er sie Sara genennet hatte, sprach: Ich will sie seegnen.
1 B. Mos. XVII, 16.
  Darum muß der Krancke allen Menschen verzeihen und vergeben, und wenn er es im Vermögen hat, so muß er auch Allmosen geben. Endlich muß er auch in einem kurtzen Gebete, nicht mehr denn einmahl, GOtt in Hebräischer Sprache bitten, daß er ihn wieder gesund machen wolle; wo aber nicht, daß doch der zeitliche Tod eine Versöhnung aller seiner Sünden, Missethaten und Übertretungen seyn möge. Und wenn die Kranckheit zunimmt, geben sie dem Patienten auch einen andern Nahmen, und warten auch seiner fleißig mit Essen, Trincken und andern Stärckungen des Cörpers, wenn es auch der allerärmste unter ihnen wäre; allein es wird ferner weder gebetet noch gesungen, der Krancke wird um keinen Glaubens Artickel gefragt, weder zur Beständigkeit vermahnet, noch in Anfechtungen getröstet.  
  Daher schreibet, R. Gedalia Schalscheleth ... Wenn des Menschen Zeit kommen ist, daß er aus dieser Welt scheiden soll; so stellet sich der Engel des Todes, welcher voller Augen, und dessen Kleid nichts als Feuer ist, zu es Krancken Füsse, und trägt ein blosses scharfes Schwerd in seiner Hand. Dieses alles siehet der Krancke, erschrickt, und wollte sich gerne vertheidigen oder entfliehen; allein er kan nicht. Desgleichen siehet er auch den ersten Menschen Adam vor sich stehen; bey dessen Anblick er erzürnt wird, und spricht: Wehe mir, daß ich deinethalben sterben muß! Adam aber antwortet ihm und spricht: Ich habe nur eine Sünde begangen, du aber hast sehr viel gesündiget. Alsdenn läuft sein Geist in alle seine Glieder, und nimmt dermassen Urlaub von ihnen, daß ihnen der Angstschweiß ausbricht; alsdenn siehet er den Engel des Todes wieder an, und giebt sich mit Leib und Seele in seine Gewalt, weil kein Trost mehr übrig ist.  
  Der Thalmud Babba Bathra schreibt: Der Engel des Todes sey niemand als der Teufel; und R. Jacob Caphthorsagt: Der schwartze Teufel ist der Engel des Todes, welcher den Leuten die Angesichter verderbet, und sie zu Sünden reitzet. Wenn nun der Teufel die Seele hinweg hat; sagt der Thalmud Berachoth … so nimmt er sein Würge- Schwerd in die Hand, und folgt auch dem Leibe zum Grabe nach, er geht harte vor dem Frauenzimmer her, und hat Macht zu tödten, wen er will. Aber ehe man den Leib zu Grabe trägt, waschen sie ihn mit warmen Wasser, und ziehen ihn weisse Kleider an, auf das er rein, ohne allen Unflat vor Gottes Angesicht treten möge. Der Thalmud schreibet Schabbath … Als R. Jannai sterben wollte, befahl er seinen Kindern; sie solten ihn nicht in schwartzer Kleidung vergraben, auf daß er, wenn er in das Paradieß käme, nicht als ein Trauriger unter den Hochzeits-Gästen aussähe; sondern sie solten ihn in rothen Kleidern begraben.  
  Hat sich aber jemand bey seinem Leben nicht mit dem Verstorbenen versöhnet, und fürchtet sich, er werde von ihm vor Gottes Angesicht angeklaget werden,  
  {Sp. 1940}  
  derselbe greifet ihm an eine grosse Zehe, und bittet ihn um Verzeihung. Denn es schreibet der Thalmud, und bezeugt es auch mit vielen Geschichten, daß die Todten nicht alleine reden, und grosse Wunderthaten ausrichten können, sondern sie sehen, hören und wissen auch alles, was die Lebendigen sehen und hören. Gersons Jüdischer Talmud.
  Die Sabeer geben vor: Wenn eines in den letzten Zügen läge, käme eine Anzahl Teuffel mit ihrem Fürsten und Hauptmann herbey, darunter 360 der Vornehmsten wären, die nebst dem Tode aufwarteten. So bald die Seele ausführe, würde sie an Örter geführet, da viel Schlangen, Hunde, Löwen, Tiger und Teuffel sich auf hielten. Wäre sie von einem gottlosen Menschen, der in Sünden gestorben, so fahre sie über diese Thiere hin, und gelang bey Gott an, allda wohneten zwey Engel, die jeder Seele ihre Wercken abwögen, sey sie der ewigen Glorie würdig, so erlange sich auch dieselbe von Stund an.  
  Die Javaner, wenn der Tag, an welchem sich dieselben vorgesetzt zu sterben, erscheinet, versammlen ihre Freunde zu sich, thun den letzten Valet- und Liebes-Trunck mit ihnen, steigen darauf in das zugerüstete Schiff, und nehmen eine grosse Sense oder Sichel mit sich, das Graß auf dem Wege zum Paradieß abzumachen. So bald sie auf das Meer kommen, ziehen sie ihren Todten-Habit an, füllen die Ermel und Kleider mit Steinen, hängen auch einen grossen Stein mit einem Strick an den Halß, damit sie desto hurtiger zum Paradieß gelangen mögen, denn sie stehen in der Meynung, das Paradieß sey im Meer. Nach ihrem Tode wird ihnen als den treflichsten Verächtern der Eitelkeit, grosse Ehre angethan.  
  Wir tragen Bedencken, mehrere dergleichen wunderliche Meynungen und Gebräuche anzuführen. Vielmehr wollen wir, obwohl nur mit wenigen berühren, was das heisse: Leben als die Sterbenden, wenn 2 Corinth. VI, 9, Paulus schreibt: Als die Sterbenden, und siehe wir leben. Paulus und die andern Apostel nebst allen damahligen Christen waren nehmlich denen Sterbenden gleich, da sie wegen der Verfolgungen in beständiger Todesgefahr schwebeten; 1 Cor. IV, 6.
  Sonderlich hat sich Paulus vielmahls in solchen Umständen befunden, daß er seinen Tod für sehr nahe halten mußte. Dieses hat auch ietzo bey allen wahren Christen statt, welche der Sünde nach, den äusseren Menschen beständig absterben müssen, durch die Krafft aber der Gnade Gottes lebendig wiedrum gemacht werden.  
  In denen Rechten wird ein Sterbender ebenfalls derjenige genennet, welcher auf dem Tod-Bette und in den letzten Zügen liegt, oder mit dem Tode ringt, oder aber sonst sich alle Augenblicke seines Lebens verzeihen muß, als z.E. ein Soldate währender Schlacht, ein Delinquent auf dem Richt-Platze, u.s.w. Ein mehrers siehe Tod-Bette, und Todt, wie auch Soldaten-Testament im XXXVIII Bande, p. 505 u.ff.  
  Wie es aber insbesondere mit einem entweder vor dem Hochnotpeinlichen Hals-Gerichte, oder auch wohl gar schon auf dem öffentlichen Richt-Platze befindlichen, und die ihm Schuld gegebene That immer noch abläugnenden, oder aber sein deshalber vorher schon gethanes Bekänntniß wiederrufenden Delinquenten zu halten, siehe unter dem Artickel Wiederruff.  
     

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Stand: 29. März 2013 © Hans-Walter Pries