Titel: |
Furcht |
Quelle: |
Zedler Universal-Lexicon |
Band: |
9 Sp. 2324 |
Jahr: |
1735 |
Originaltext: |
Digitalisat BSB
Bd.
9 S. 1193 |
Vorheriger Artikel: |
Furcht, siehe Entsetzen |
Folgender Artikel: |
Furcht, ist dreyerley |
Siehe auch: |
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Hinweise: |
- Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe
Hauptartikel
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Text |
Quellenangaben |
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Furcht, ist derjenige
Adfect, der durch die
Vorstellung einer
guten aber dabey schwer zu
erhaltenden, oder einer
bösen, aber schwer
abzuwenden
Sache erreget wird. |
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Daß es ein Adfect sey, ist daher zu
beweisen,
weil allezeit bey der Furcht eine
Bewegung in den
Willen vorgehet, die auf ein künfftig anzusehendes
Objectum zielet: obwohl Trier von denen
menschlichen Gemüths-Bewegungen … die Furcht
aus der Reihe derer Adfecten auszumustern
bemühet gewesen. |
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Es stehet derselben die
Hoffnung entgegen,
welche zuweilen in den
menschlichen
Gemüth mit
der Furcht zu streiten scheinet, daß bald die
Hoffnung bald die Furcht in demselben die Ober-
Hand behält, bald beyde sich in gleichen Grade befinden. Denn da die Hoffnung
sich auf eine
Wahrscheinlichkeit
gründet, bey jeder
Wahrscheinlichkeit aber eine entgegen gesetzte
Möglichkeit zu
vermuthen ist, so ist gemeiniglich die
Furcht, als welche auf diese letztere contraire
Möglichkeit siehet, mit der Hoffnung
verbunden. |
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Es ist aber die Furcht entweder
vernünfftig oder
unvernünfftig. Eine unvernünfftige Furcht hee- |
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{Sp. 2325|S. 1194} |
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gen
z.E. die
Geitzigen, die sich immer
Möglichkeiten
vorstellen, die sie doch durch keine
Mittel abwenden können: Denn wenn man dieses
thun
wollte, so müste unser
gantzes
Leben in lauter
Furcht zu gebracht werden, und wir würden keine
ruhige
Stunde auf der
Welt haben. |
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Hingegen ist die Furcht gar vernünfftig, die man
sich über eine Sache machet, die einen grossen
Grad der Wahrscheinlichkeit hat, und die man durch
erlaubte Mittel, die in unserer
Gewalt sind,
abwenden kan. Also wäre es gleichwohl eine
vergebliche Furcht, wenn einer z.E. sich fürchten
wollte, er würde künfftig mehr
Gaben dem
Landes Herren geben
müssen, ob diese Furcht gleich einen
grossen Grad der Wahrscheinlichkeit hätte, denn da
er diese Furcht durch Mittel, die in seiner Gewalt
stehen, abzuwenden nicht
vermögend ist, so thut er
klüger, er schläget sich diese
Gedancken aus den
Sinn, und erwartet die
Zeit, biß diese Möglichkeit in
eine
gewisse
Wahrheit ausschläget. |
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Ubrigens sind die
Würckungen der Furcht von
dem Zwange wohl zu
unterscheiden, daß man nicht
sage, dasjenige, was einer aus Furcht thut, habe er
aus Zwang oder gezwungen gethan. Denn was der
Mensch aus Furcht thut, das thut er aus Uberlegung
der Gefahr, oder eines künfftig bevorstehenden
Ubels, das sich also, weil es künfftig ist, nicht
anders, als durch Uberlegung düncken lässet. Nun
aber thut der Mensch alles, was er aus Uberlegung
thut, aus dem
Grunde derer
Bewegungs-Ursachen:
wo aber diese sind, da ist eine
Wahl: und wo man
wählen kan, da ist eine Freywilligkeit, also thut der
Mensch alles, was er aus Furcht thut,
wahrhafftig
freywillig und willkührlich: Denn er hätte auch die
Mittel, die er ergreiffet, nicht ergreiffen, sondern das
bevorstehende Ubel abwarten können. |
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Also würde eine geschändete
Weibs-Person
vor den
Richter nicht entschuldiget werden, wenn
sie vorgeben wollte, sie hätte aus Furcht sich ihre
Ehre rauben lassen, da sie befürchtet, die Manns-
Person würde Gewalt brauchen: Denn sie hätten
erwarten können und sollen, biß diese erfolget. Ja,
wenn ein Mensch aus Furcht eines Zwanges,
dasjenige thut, worzu er gleich jetzo würde
gezwungen werden, wenn er es unterliesse, so ist
dennoch eine Freywilligkeit dabey, ob schon
dieselbe dem Zwange sehr nahe kommet: Denn er
hat noch unter 2
Dingen die Wahl und also etwas
willkührliches, dahingegen bey dem Zwange gar
nichts willkührliches ist. |
Müllers Natur- und Völcker-
Recht ... |
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Ubrigens giebt es auch eine
moralische Furcht,
welche in allen Menschen gegen
GOtt, und gegen
ihre vorgesetzten, durch die Vorstellung des
Rechts,
welches die
Obern haben, die Untern zu straffen,
erreget wird die bißweilen mit der
Liebe
verknüpffet,
bißweilen auch ohne dieselbe ist. |
Thomasius Fundament. Juris
nat. et gent. l. 2. |
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