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Quellenangabe |
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Vermögen,
Lat. Facultas,
Potentia. Dieses
Wort kommt auch in der
Metaphysick, und zwar in einer
gantz anderen
Bedeutung, vor. Wir
wollen demnach
hier die gemeine Scholastische Lehre von dem Vermögen oder der Potentia
vortragen, damit man die dabey vorkommende Terminos
verstehen lerne. |
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Die
Scholastici machen anfangs einen
Unterscheid unter der verneinenden und
unter der würcklichen Potentia, oder unter dem uneigentlich
also genannten, und unter dem eigentlichen Vermögen. Jenes heist
Potentia
negativa, und wird wieder in Logicam, objectivam, resistivam
eingetheilet, |
siehe
Donat. metaphys. ... |
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Dieses aber ist
Potentia positiva, die man theilet |
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- in die Prädicamentalische, welche eine gewisse
Art von der Qualität in der
Prädicamenten-Lehre sey, und das natürliche Vermögen, so von
Natur komme,
bedeute, daß man keinen Lehrmeister dabey von nöthen habe, wie beym Essen,
Trincken, u.s.w. geschehe;
- und in die Transcendentalische, so die erstere
gleichsam übersteige, und nicht in das Prädicament, sondern zur Metaphysic
gehöre, welche letztere alles Vermögen in sich schliesse, sowohl das natürliche,
als auch das durch allerhand Mühe und Fleiß, auch wohl durch fremde Anleitung
erworbene, wenn wir z.E.
disputiren, singen und andere künstliche Sachen
verfertigen könnten, so bey den Gelehrten auch Habitus genennet wird.
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Diese Potentia transcendentalis wird getheilet, erstlich in
substantialem, wenn das Vermögen auf eine
Substantz
ankomme; und in accidentalem, wenn
dasselbe in einem Accidente beruhe. |
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Vors andere theilet man sie |
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- in Potentiam activam, in das würckende Vermögen, dass etwas thun und
verrichten könne. Z.E.
schreiben ist eine Verrichtung, also wer schreiben könne,
daß er was zu würcken und herfür zu bringen vermöge, wenn er solches gleich
nicht ausübe, der habe das würckende Vermö-
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{Sp. 1327|S. 677} |
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gen, so eben dasjenige ist, was man sonst actum primum in der
Metaphysic nennet; |
- und in passivam, in das
leidende Vermögen, oder in das Vermögen, etwas anzunehmen, wie
z.E. der Töpffer aus Thon Kacheln machen könne, indem der Thon eine
Geschicklichkeit habe, die eingedruckte Figur anzunehmen und zu behalten; wobey
die Metaphysici anmercken, daß dieses Vermögen auf die Vollkommenheit, auf die
Erhaltung und auf die Verderbung einer
Sache gienge. So könne ein Bildschnitzer
das Holtz schöner machen, welches also eine
Geschicklichkeit, etwas vollkommenes
anzunehmen, habe; das Holtz lasse sich durch eine gewisse Anstreichung vor die
Fäulniß bewahren, und sey also geschickt dazu, könne auch im Feuer vergehen,
welches den Steinen und Thon nicht wiederführe, daß also eine gewisse
Geschicklichkeit gegen andere Sachen bey ihm wäre.
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Die potentiam passivam nennet man auch
receptivam, weil dabey die Sache fähig sey, etwas anzunehmen, ingleichen
subjectivam, weil man dabey den
Veränderungen,
Gestalten und
Bildungen unterworffen. |
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Die Potentia activa sey |
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- entweder infinita, unendlich, welche
GOtt
zukomme, und die Allmacht genennet werde;
- oder finita,
die endliche, welche von denen Creaturen zu
sagen.
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Die
Göttliche
Gewalt, oder die Allmacht sey |
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- entweder ordinata
oder die ordentliche, wenn
GOtt nach seiner eingeführten
Ordnung was würcke;
- oder absoluta, da sich GOtt an
die ordentliche Mittel oder Gesetze der Natur nicht binde, wenn er Wunder thue.
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Die
Gewalt, welche den Geschöpffen zukomme, sey erstlich entweder
naturalis, natürlich, wenn etwas
seine Würckung nach dem Vermögen thue, wie es von
Natur eingepflantzet sey, wenn
z.E. ein Hund belle, ein Baum im Garten Früchte trage, Eisen zu
Grunde falle;
oder obedientialis, da eine andere
Krafft dazu
komme, und da sich das Geschöpffe nur als ein Werckzeug gebrauchen liesse, wenn
z.E. Bileams Eselin
rede, da das Geschöpffe selbst nicht würcke; sondern
gleichsam nur
gehorsam sey, und eine höhere Krafft in sich würcken lasse. Andere
machen diese beyden
Arten zu gewissen Gattungen der potentiae passivae. |
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Die potentia naturalis wird wieder in das Vermögen der
Geister, (in potentiam incorpoream)
und der
Cörper (corpoream)
getheilet; jenes bestehe in Ansehung des
Verstandes in der
Krafft zu gedencken,
und in Ansehung des
Willens in dem
Wollen und Nichtwollen; diese aber könnte auf
unterschiedene Weise betrachtet werden. |
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Zum anderen sey die endliche
Krafft |
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- entweder necessaria,
die nothwendige, welche sonst auch die natürliche
genennet wird, da die
Würckung nothwendig erfolgen müsse, wenn alles, was dazu
erfordert wird, vorhanden sey, z.E. wenn Feuer und Stroh zusammen kämen, so
brennt es, wenn guter Saamen in gut
Erdreich käme, und gut Wetter habe, so müsse
er nothwendig keimen;
- oder libera, die freye, da man, wenn alles nöthige zur Würckung vorhanden, selbige
vornehmen und unterlassen könne, z.E. ein
Mensch sähe den Wein vor sich stehen,
er werde auch zum Truncke genöthiget, da könne er trin-
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{Sp. 1328} |
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cken, er könne es aber auch bleiben lassen, daß er nicht trincke: Ingleichen
könne der Mensch auf- und niederwärts steigern, er könne
reden und
schreiben,
Lateinisch und Deutsch, zierlich und gemein. |
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Die erste
Art der
Freyheit, da man etwas thun und nicht thun kan; heist bey
den Metaphysicis libertas exercitii, oder contradictionis; und
die andere, da man dieses und jenes, auf diese und jener Art würcken kan,
libertas specificationis, oder contrarietatis. |
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Ferner sey die endliche Krafft |
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- entweder naturalis, natürlich, wenn nach den
Kräfften, so man entweder von
Natur habe, oder
durch eigenen Fleiß erworben, etwas gewürcket werde;
- oder supernaturalis, übernatürliche, da man über das
natürliche Vermögen aus einer besondern
Göttlichen Gnade habe, z.E. das Vermögen
zu weissagen bey den Propheten.
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Diese Eintheilung ist einerley mit der erstern; da die potentia in
naturalem und obedientialem eingetheilet wird, nur sehen einige
selbige als eine Eintheilung von der potentia passiva an, wie schon
erinnert worden. |
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Vors dritte theilet man die potentiam |
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- entweder in
proximam, in das nahe Vermögen,
wenn z.E. aus Leinwand Papier werde, so sähe man in der Papier-Mühle, wie nahe
die Geschicklichkeit mit der Leinwand verbunden sey;
- und in
remotam, in das entfernte Vermögen,
welches wieder seine Grade habe,
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wovon Scheiblers opus ... Velthems
institut. ... Chauvins lexic. ...
Buddei
philos. ... nebst den andern Metaphysischen
Büchern
zu lesen. |
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Die Scholastici sind hierbey auf viele unnöthige Fragen, die nichts auf sich
haben, verfallen, |
siehe
Clercs ontolog. c. 15. |
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Wolff macht in den Gedancken von GOTT, der Welt und Seele
des Menschen p. 115 u.ff. unter der
Krafft und dem Vermögen einen
Unterscheid. Die Quelle,
sagt er, der
Veränderung nennet man eine Krafft, und
solcher gestalt finde sich in einem jeden vor sich bestehenden
Dinge eine
Krafft, dergleichen in denen durch andere bestehenden Dingen nicht anzutreffen;
ingleichen: Es muß die Krafft nicht mit einem blossen Vermögen vermenget werden.
Denn das Vermögen ist nur eine Möglichkeit etwas zu thun, hingegen da die Krafft
eine Quelle der Veränderungen ist, muß bey ihr eine Bemühung etwas zu thun
anzutreffen seyn. |
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Wir haben oben in dem
Artickel von der
Macht,
im XIX
Bande, p. 86 u.f. die
Sache
kurtz zusammen gefasset, und die
vornehmsten
Arten derselbigen angezeiget. |
Walchs Philosoph. Lexicon. |
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