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Zedler: Vermögen, Lat. Facultas HIS-Data
5028-47-1326-2
Titel: Vermögen, Lat. Facultas
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 47 Sp. 1326
Jahr: 1746
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 47 S. 676
Vorheriger Artikel: Vermögen, heisset auch bißweilen
Folgender Artikel: Vermögen, bey den Ärtzten
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text Quellenangabe
  Vermögen, Lat. Facultas, Potentia. Dieses Wort kommt auch in der Metaphysick, und zwar in einer gantz anderen Bedeutung, vor. Wir wollen demnach hier die gemeine Scholastische Lehre von dem Vermögen oder der Potentia vortragen, damit man die dabey vorkommende Terminos verstehen lerne.  
  Die Scholastici machen anfangs einen Unterscheid unter der verneinenden und unter der würcklichen Potentia, oder unter dem uneigentlich also genannten, und unter dem eigentlichen Vermögen. Jenes heist Potentia negativa, und wird wieder in Logicam, objectivam, resistivam eingetheilet, siehe Donat. metaphys. ...
  Dieses aber ist Potentia positiva, die man theilet  
 
  • in die Prädicamentalische, welche eine gewisse Art von der Qualität in der Prädicamenten-Lehre sey, und das natürliche Vermögen, so von Natur komme, bedeute, daß man keinen Lehrmeister dabey von nöthen habe, wie beym Essen, Trincken, u.s.w. geschehe;
  • und in die Transcendentalische, so die erstere gleichsam übersteige, und nicht in das Prädicament, sondern zur Metaphysic gehöre, welche letztere alles Vermögen in sich schliesse, sowohl das natürliche, als auch das durch allerhand Mühe und Fleiß, auch wohl durch fremde Anleitung erworbene, wenn wir z.E. disputiren, singen und andere künstliche Sachen verfertigen könnten, so bey den Gelehrten auch Habitus genennet wird.
 
  Diese Potentia transcendentalis wird getheilet, erstlich in substantialem, wenn das Vermögen auf eine Substantz ankomme; und in accidentalem, wenn dasselbe in einem Accidente beruhe.  
   Vors andere theilet man sie  
 
  • in Potentiam activam, in das würckende Vermögen, dass etwas thun und verrichten könne. Z.E. schreiben ist eine Verrichtung, also wer schreiben könne, daß er was zu würcken und herfür zu bringen vermöge, wenn er solches gleich nicht ausübe, der habe das würckende Vermö-
 
  {Sp. 1327|S. 677}  
 
  gen, so eben dasjenige ist, was man sonst actum primum in der Metaphysic nennet;
  • und in passivam, in das leidende Vermögen, oder in das Vermögen, etwas anzunehmen, wie z.E. der Töpffer aus Thon Kacheln machen könne, indem der Thon eine Geschicklichkeit habe, die eingedruckte Figur anzunehmen und zu behalten; wobey die Metaphysici anmercken, daß dieses Vermögen auf die Vollkommenheit, auf die Erhaltung und auf die Verderbung einer Sache gienge. So könne ein Bildschnitzer das Holtz schöner machen, welches also eine Geschicklichkeit, etwas vollkommenes anzunehmen, habe; das Holtz lasse sich durch eine gewisse Anstreichung vor die Fäulniß bewahren, und sey also geschickt dazu, könne auch im Feuer vergehen, welches den Steinen und Thon nicht wiederführe, daß also eine gewisse Geschicklichkeit gegen andere Sachen bey ihm wäre.
 
  Die potentiam passivam nennet man auch receptivam, weil dabey die Sache fähig sey, etwas anzunehmen, ingleichen subjectivam, weil man dabey den Veränderungen, Gestalten und Bildungen unterworffen.  
  Die Potentia activa sey  
 
  • entweder infinita, unendlich, welche GOtt zukomme, und die Allmacht genennet werde;
  • oder finita, die endliche, welche von denen Creaturen zu sagen.
 
  Die Göttliche Gewalt, oder die Allmacht sey  
 
  • entweder ordinata oder die ordentliche, wenn GOtt nach seiner eingeführten Ordnung was würcke;
  • oder absoluta, da sich GOtt an die ordentliche Mittel oder Gesetze der Natur nicht binde, wenn er Wunder thue.
 
  Die Gewalt, welche den Geschöpffen zukomme, sey erstlich entweder naturalis, natürlich, wenn etwas seine Würckung nach dem Vermögen thue, wie es von Natur eingepflantzet sey, wenn z.E. ein Hund belle, ein Baum im Garten Früchte trage, Eisen zu Grunde falle; oder obedientialis, da eine andere Krafft dazu komme, und da sich das Geschöpffe nur als ein Werckzeug gebrauchen liesse, wenn z.E. Bileams Eselin rede, da das Geschöpffe selbst nicht würcke; sondern gleichsam nur gehorsam sey, und eine höhere Krafft in sich würcken lasse. Andere machen diese beyden Arten zu gewissen Gattungen der potentiae passivae.  
  Die potentia naturalis wird wieder in das Vermögen der Geister, (in potentiam incorpoream) und der Cörper (corpoream) getheilet; jenes bestehe in Ansehung des Verstandes in der Krafft zu gedencken, und in Ansehung des Willens in dem Wollen und Nichtwollen; diese aber könnte auf unterschiedene Weise betrachtet werden.  
  Zum anderen sey die endliche Krafft  
 
  • entweder necessaria, die nothwendige, welche sonst auch die natürliche genennet wird, da die Würckung nothwendig erfolgen müsse, wenn alles, was dazu erfordert wird, vorhanden sey, z.E. wenn Feuer und Stroh zusammen kämen, so brennt es, wenn guter Saamen in gut Erdreich käme, und gut Wetter habe, so müsse er nothwendig keimen;
  • oder libera, die freye, da man, wenn alles nöthige zur Würckung vorhanden, selbige vornehmen und unterlassen könne, z.E. ein Mensch sähe den Wein vor sich stehen, er werde auch zum Truncke genöthiget, da könne er trin-
 
  {Sp. 1328}  
 
  cken, er könne es aber auch bleiben lassen, daß er nicht trincke: Ingleichen könne der Mensch auf- und niederwärts steigern, er könne reden und schreiben, Lateinisch und Deutsch, zierlich und gemein.
 
  Die erste Art der Freyheit, da man etwas thun und nicht thun kan; heist bey den Metaphysicis libertas exercitii, oder contradictionis; und die andere, da man dieses und jenes, auf diese und jener Art würcken kan, libertas specificationis, oder contrarietatis.  
  Ferner sey die endliche Krafft  
 
  • entweder naturalis, natürlich, wenn nach den Kräfften, so man entweder von Natur habe, oder durch eigenen Fleiß erworben, etwas gewürcket werde;
  • oder supernaturalis, übernatürliche, da man über das natürliche Vermögen aus einer besondern Göttlichen Gnade habe, z.E. das Vermögen zu weissagen bey den Propheten.
 
  Diese Eintheilung ist einerley mit der erstern; da die potentia in naturalem und obedientialem eingetheilet wird, nur sehen einige selbige als eine Eintheilung von der potentia passiva an, wie schon erinnert worden.  
  Vors dritte theilet man die potentiam  
 
  • entweder in proximam, in das nahe Vermögen, wenn z.E. aus Leinwand Papier werde, so sähe man in der Papier-Mühle, wie nahe die Geschicklichkeit mit der Leinwand verbunden sey;
  • und in remotam, in das entfernte Vermögen, welches wieder seine Grade habe,
wovon Scheiblers opus ... Velthems institut. ... Chauvins lexic. ... Buddei philos. ... nebst den andern Metaphysischen Büchern zu lesen.
  Die Scholastici sind hierbey auf viele unnöthige Fragen, die nichts auf sich haben, verfallen, siehe Clercs ontolog. c. 15.
  Wolff macht in den Gedancken von GOTT, der Welt und Seele des Menschen p. 115 u.ff. unter der Krafft und dem Vermögen einen Unterscheid. Die Quelle, sagt er, der Veränderung nennet man eine Krafft, und solcher gestalt finde sich in einem jeden vor sich bestehenden Dinge eine Krafft, dergleichen in denen durch andere bestehenden Dingen nicht anzutreffen; ingleichen: Es muß die Krafft nicht mit einem blossen Vermögen vermenget werden. Denn das Vermögen ist nur eine Möglichkeit etwas zu thun, hingegen da die Krafft eine Quelle der Veränderungen ist, muß bey ihr eine Bemühung etwas zu thun anzutreffen seyn.  
  Wir haben oben in dem Artickel von der Macht, im XIX Bande, p. 86 u.f. die Sache kurtz zusammen gefasset, und die vornehmsten Arten derselbigen angezeiget. Walchs Philosoph. Lexicon.
     

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Stand: 6. Januar 2013 © Hans-Walter Pries