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Quellenangaben |
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Substantz, ein vor sich bestehendes
Ding
oder
Wesen,
Lat.
Substantia. |
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Es ist schon eine alte Klage, welche die
Philosophen
wegen des duncklen
Begriffs von der Substantz geführet, daß man nicht so wohl
wissen könnte, was sie sey?; als vielmehr, daß sie sey. Poiret in den
cogitat.
de Deo, anima et mal. lib. 2. cap. 3. §. 2. p. 170. hat sich zwar bereden
wollen, daß man die Substantz einer
Sache
an sich selbst mit
menschlicher
Vernunfft leichter als die Accidentien begreiffen könne. Der Herr
Thomasius aber
hat in den Monats-Gesprächen 1688. p. 334. dabey
erinnert, daß man so wohl
wieder ihn, als die Anti-Cartesianer gar leicht
darthun könne, daß kein
Philosophie iemahls eine deutliche und
ordentliche
Idee von einiger Substantz und
Wesen ohne den Accidentien gehabt, und daß die gemeine Beschreibung der
Substantz, wie man solche in den
Schulen erlerne, eine sichere Retirade der
Unwissenheit wäre. |
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Dem ohngeachtet haben die
Philosophen
Versuche gethan, verschiedene Vorstellungen von der Substantz zu machen.
Aristoteles machte hier das Griechische Wort
ousia, welches sonst eine
Krafft,
oder das
Vermögen
bedeutet, zu einem Philosophischen Kunst-Worte, und satzte
de categor. cap. 5. [ein Satz griechisch] |
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{Sp. 1584} |
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[Fortsetzung des griechischen Satzes], es sey eine solche
Sache,
die weder von einem Subject
gesaget
werde, noch in einem Subject behalten würde, welche Beschreibung weder
hinlänglich, noch deutlich, auch unrichtig ist, angesehen er eigentlich nicht
saget, was die Substantz sey, sich auch unter derselben und dem Subject einen
wunderlichen Unterscheid vorstellet. Doch nimmt er das Wort
ousia nicht allezeit in einem Sinne, und
verstehet
darunter bisweilen auch das
Wesen
der
Dinge. |
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Gleichwie er aber so wohl die leiblichen, als geistlichen Dinge darunter
faßte; Also gieng hingegen Plato darinnen ab, daß er darunter
nur die geistlichen und immateriellen
Sachen
verstand, |
S. Eckhard in technic. sacris cap.
1. §. 10. 15. |
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Der Herr Thomasius in dialog. de definition.
substantiae, so sich bey den institution. jurisprud. divin.
befindet und in cautel. circa praecognit. jurisprud. cap. 10. §. 26.
meynet, daß bey den Alten kein Unterscheid zwischen der Substantz und der
Essentz gewesen sey. |
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Die Scholastici haben die Lehre von der Substantz verworren vorgetragen:
Erstlich disputirten sie grammatisch von dem
Ursprunge dieses
Worts,
ob solches von substando herkäme? wie Zabarella und
Fonseca glaubten, weil die
Substantz ihre Vollkommenheit vor sich hätte, und der
Grund der Accidentien
wäre, dahin auch die Definition: Substantia est res, in qua illa, cujus ideam
habemus, perfectio existit, abzielte. Andere wolten die
Sache besser treffen,
und
sagten, das Wort Substantz habe seinen
Ursprung von
subsistere, daher sie
selbige ens per se subsistens nennten; dafür noch andere lieber ens in se
existens haben wolten, und etliche blieben bey des Aristotelis Worten, daß die
Substantz ein Ens sey,
quod non existit in alio, tanquam in subiecto, welches denn so viel
hiesse, die Substantz sey kein Accidens, |
S. Chauvin in Lexic. Philos. p. 637.
ed. 2. und Hebenstreit in philos. prim. p. 228. |
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Hernach machten sie allerhand Eintheilungen der Substantz, wie sie nehmlich
sey |
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1) |
entweder Spiritualis, welche den
Geistern
zukomme; oder corporalis, nehmlich die Substantz der
Cörper; wiewohl
etliche so anfiengen, daß sie die Substantzen in die unerschaffene
(increatam) so
GOtt, und in die erschaffene (creatam) theilten, dabey
aber der Streit entstund: Ob GOtt mit den Creaturen ein
Genus haben
könnte, und ob er in ein Prädicament solte eingeschlossen werden? |
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2) |
entweder prima, so die Substantz eines
Individui sey; oder secunda, welches die Substantz in abstracto
betrachtet, daß wenn ich von der Substantz des grossen Alexanders
redete,
so hiessen sie prima, betrachtete ich aber die
Substantz eines
Menschen
überhaupt, so wäre sie secunda, daher sie auch universalis genennet
wird, |
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3) |
entweder completa, die ihr
Wesen
an und vor sich habe; oder incompleta, die zur Ergäntzung einer
andern
Sache
gehöre, wie die
Seele
in Ansehung eines
Menschen,
daß wenn die Substantz eines Menschen ihr völliges Wesen haben soll, so
muß sie erst mit dem
Leibe
verknüpfft werden, |
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anderer Eintheilungen zu geschweigen. |
S.
- Scheibler in
oper. logic. introd. cap.
5. p. 122.
- Keckermann in Systemat. logic. maj.
lib. I. cap. 7. p. 103.
-
Donati metaphys.
usual. p. 237.
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Die Cartesianer stimmen darinne mit einander überein, daß die Substantz ein |
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{Sp. 1585|S. 806} |
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selbstständiges
Wesen
wäre, so für sich bestehe, und in welchen viele Accidentien vereiniget
anzutreffen. Nur nennen sie die Substantz eine
Sache,
das Accidens einen Modum, und thun noch das dritte hinzu, nehmlich die rem
modificatam, nach dem Exempel des
Cörpers, der Rundheit und des cörperlichen Wesens, |
S. Clauberg in Ontosophia §. 44.
sqq. |
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Spinoza, indem er in dem ersten Theile seiner Ethic de
Deo in den Operibus posthum. die gemeine Definition der Substantz
mißbrauchet, daß sie ein ens per se subsistens sey, schliesset daraus,
daß nur eine Substantz sey, welches der
Grund
seiner irrigen und gefährlichen Lehrsätze ist. Denn diese seine einige Substantz
ist
GOttt: Sein Gott aber ist nichts anders, als die Creaturen
insgesammt. Die Substantz aber beschreibt er also: Substantia est id, quod
in se est, et per se concipitur, hoc est, id, cujus conceptus non indiget
conceptu alterius rei, a quo formari debeat. Wovon der Artickel
Spinozismus zu lesen ist. |
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Was der Herr von Leibnitz vor
Gedancken
von der Substantz gehabt, solches findet man in den Actis Erud. 1694.
pag. 110, 111, dawider Andala in pentad.
dissertation. philosophic. so zu Franckfurt 1712 heraus kommen, und zwar
Disp. 1. disputiret; auch eben daselbst pag. 133 sqq.
und pag. 146 von der Substantz handelt. Er theilet die Hypothesin des
Leibnitzens in zwey Sätze, und fraget erstlich: Ob biß anhero
die Bedeutung des Worts Substantz sey unbekannt gewesen, und ob derselben
Eigenschafft
in vi activa, welche ein stetswährendes Bestreben nach der
Würckung
in sich halte, bestehe? Hernach: Ob einem
Cörper nothwendig und allezeit eine vis activa und
Bestrebung zu zueignen seyn, obgleich die Würckung selbst bisweilen verhindert
werde? Welches beydes er leugnet. |
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Wenn man sich einen richtigen
Begriff
von der Substantz machen will, muß man wohl vorher einen Unterscheid unter der
metaphysischen, physischen und
moralischen Substantz setzen, indem dieselbe
entweder als ein subjectum simplex, oder als ein subjectum
compositum kan betrachtet werden. In jener Absicht, welche in die
Metaphysic gehöret, ist die Substantz ein Subjectum, sofern man solches in
Ansehung seines
Vermögens
etwas zu würcken, und in Ansehung seiner
Würckungen selbst
betrachtet. |
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Zur deutlicheren
Erkenntniß
dieser angegebenen Definition muß man die drey darinne fürkommenden
Ideen,
als die Idee des Subjecti, des
Vermögens
und der
Würckungen
aus einander setzen. Das Subjectum ist die
Sache
selbst, so ferne sie in einer Vereinigung mit etwas anders sich befindet,
gleichwie alles dasjenige, so mit dem Subjecto vereiniget ist, Adjunctum
genennet wird. Dieses Subjectum oder
Ens hat ein
Vermögen, gewisse Würckungen herfür zu bringen, welche Würckungen Accidentien
heissen, die wir
unmittelbar
empfinden, da wir hingegen die Idee von der
Substantz nur mittelbar, das ist, vermittelst der Accidentien bekommen, welches
eben die
Ursache,
warum die Ideen von den Substantzen so dunckel sind, weil wir solche vermittelst
der Würckungen, oder Accidentien haben. |
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Diese metaphys. |
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{Sp. 1586} |
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Substantz ist entweder
Gott, oder die
Natur.
Gott ist das allmächtige Wesen, so alle
Dinge
in der
Welt
gewürcket; die Natur aber bestehet aus den erschaffenen Dingen, so ferne sie
nach den von Gott ihnen mitgetheilten
Kräften,
welche er auch noch erhält, würcken und etwas herfür bringen; welche Natur
entweder auf das Element, oder auf den
Geist ankommt, da denn die
unterschiedenen
Arten der Elemente und ihrer Vermischungen unterschiedene
Würckungen verursachen, welche gewisse Kräfte zu würcken voraussetzen, folglich
gewisse und besondere Substantzen ausmachen. |
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Die physische Substantz ist ein zusammengesetztes Subjectum, wie sich
solches bey den eintzeln natürl.
Cörper befindet, welche aus unterschiedenen Elementen
bestehen, und daher verschiedene
Würckungen
an den Tag geben, daß man sagen kan, sie sey diejenige
Ursache,
welche die in die
Sinne
unmittelbar fallenden
Würckungen,
oder Accidentien der natürl.
Dinge
darstelle; sich aber selbst nicht unmittelbar, sondern mittelbar zu
erkennen
giebt. |
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Endlich die
moralische Substantz anlangend, so hat selbige die physische zum
Grunde,
so ferne das Subjectum einer moralischen
Eigenschafft
fähig ist, daß nehmlich dasselbige moralische
Würckungen,
das ist solche menschliche Verrichtungen, die aus einer
Verbindlichkeit entstehen, und auf die menschl. Glückseeligkeit abzielen,
hervorbringt, wie z.E. eine menschl.
Gesellschafft. |
Man lese nach
-
Rüdiger
de sensu veri et
falsi lib. 1. c. 5. und c. 8. nebst dessen instit.
erudit. p. 382.
-
Walchs philos. Lexic.
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