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Zedler: Geist HIS-Data
5028-10-659-2
Titel: Geist
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 10 Sp. 659
Jahr: 1735
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 10 S. 343
Vorheriger Artikel: Geiß-Raute
Folgender Artikel: Geist, Spiritus
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

Stichworte Text   Quellenangaben
  Geist, ist ein uncörperliches Wesen, so das Leben und die Krafft zu leben in sich hat.  
  Die Geister sind ausser GOTT, dem selbstständigen Geiste und Schöpffer derer Geister, alle erschaffen, und sind entweder in Cörper eingeschlossen oder nicht.  
in Körper eingeschlossene Diese theilen sich wiederum ein, in solche die eine Krafft zu dencken haben oder nicht. Jene sind die Thiere, animalia, unter welchen der Mensch auch mit begriffen, dieses die andern belebten Substantien, als Pflantzen, Bäume, u.d.m.  
  Daß die Thiere eine Krafft zu dencken wollen, ja eine Krafft sich etwas zu erinnern haben, giebt die Erfahrung, in dem sie ja die ihnen vorkommende Objecte empfinden, und die erfundenen auch in der Abwesenheit dererselben sich vorstellen. Ob nun zwar der Mensch in diesem Stück mit denen Thieren eine Gleichheit hat, so ist doch die Seele oder der Geist des Menschen mit dem thierischen nicht einerley. Die Thiere empfinden, dencken und würcken nach der in denen Objecten empfundenen Annehmlichkeit oder Unannehmlichkeit. Dieses kan der Mensch auch, er empfindet, er macht sich durch das Gedächtniß, von denen Individuis, dadurch er afficiret worden, Einbildungen. Noch mehr, er kan auch vermittelst der Empfindung seiner innerlichen Ideen, sich von diesen wiederum Ideen machen, und von particularen oder individuellen Notionen sich generale Begriffe machen, als wo jenes das Ingenium, dieses das Judicium ist.  
  Wie die Thiere bloß dencken, so kan die menschliche Seele nachdencken, das ist, sich und ihr Wesen selbst betrachten. Jene Krafft der Thiere ist bloß sich und ihr Wesen zu erhalten, was dem Leibe dienet, zu kennen, und was ihm schädlich und diesem Zwecke zuwider ist, hinweg zu räumen. Der Mensch kan mehr, denn wo er nicht mehr können solte, wäre ihm die Krafft nachzudencken, nichts nütze, da er durch die blosse Krafft zu dencken diesen Zweck erhalten könte. Ist also die menschliche Seele nicht ihres Leibes wegen, wie derer Thiere, sondern ihrer selbst wegen geschaffen.  
  Die andere Art von denen Geistern so in Cörper eingeschlossen, sind die vegetabilischen. Zwar die neuen Philosophen sind mit denen alten hierinne nicht eins. Sintemahl jene diese vegetabilischen Cörper vor leblose, jene aber vor belebt halten.  
  Aristoteles de anima l. 5. giebt folgende Ursache an, weil das Principium, so in denenselben ist, indem es seinen Cörper mit Organis ausrüstet, und ihn hiedurch nehret, nach einem gewissen Zwecke, und folglich nach Ideen würcket. Daß Organa in solchen Cörpern seyn, die durch einen geschickten Zusammenhang und künstlichen Bau die Nahrung befördern, haben die Physici und Anatomici dargethan. Weil man nun siehet, daß die Substantien, darinnen  
  {Sp. 660}  
  keine Organa sind, durch ein Saltz oder Schwefel vermittelst derer Elemente, ohne eine gewisse Ordnung zusammen hängen, hingegen durch die blossen Elemente keine so künstlich abgerichtete Ordnung kan hervor gebracht werden, vielmehr der Effect auf einen Zweck abgerichtet ist, so muß die Caussa, so die Organa so genau zusammen füget, auf einen gewissen Zweck hinaus lauffen. Ist dieses, so folget, daß eine gewisse geistige Krafft denen Vegetabilibus zuzuschreiben, weil die blossen Elemente, aus denen die Cörper entstehen, nimmermehr können solche angezeigte Würckungen hervor bringen.  
nicht in Körper eingeschlossene Nun ist noch eine Art übrig, Geister die nicht in Cörper eingeschlossen, welches GOtt und die Engel seyn. Davon hernach.  
komplette und inkomplette  Andere theilen diese Abhandlung anders ein, und sprechen, die Geister seyn entweder complet oder incomplet.  
  Die incompleten, unvollkommenen Geister, wären diejenigen, so nur organische Cörper belebten, und zwar entweder solche die keine Krafft hätten sich von einem Ort zum andern zu bewegen, das wären die Vegetabilia, oder solche, die würckliche Krafft hätten, ihre Nahrung hier und da zu suchen, welches die Bestien seyn.  
  Die completen Geister hingegen, würckten nach dem Zweck ihres eigenen Wesens, und müssen also ihren eigenen Gedancken nachdencken können, und hätten entweder die Fähigkeit mit Cörpern vereinigt zu seyn oder nicht, da jenes die Menschen, dieses die Engel wären.  
ein oder zwei Geister Ubrigens, weil man gesehen, daß bey Menschen und Thieren sich zwey Kräffte, so zu leben und sich zu nehren, als zu dencken, finden, ist ein Streit unter denen Welt-Weisen entstanden, ob diese zwey besondere Kräfften, die von einander nicht zu dependiren scheinen, in einem Geist zu suchen, oder ob jede besonders sey, und also zwey Geister in einem Cörper wohnten, welches einige behaupten, einige bestreiten, und dem erstern beyfallen, andere aber im Zweiffel lassen.  
Wirkung des Geistes in den Körper Noch eine grössere Streit-Frage ist gewesen, ob ein Geist in einem Cörper würcken könne. Die Alten vor Cartesio wusten von dieser Frage nicht, und zweifelten gar, daß der Geist in einem Cörper würcken könne. Cartesius nehmlich, weil er statuirte, die gantze Natur würde mechanisch von der Bewegung aller Dinge in einander regieret und erhalten, so musten sie auch leugnen, daß die Seele in dem Cörper, und der Cörper in die Seele agiren könte, weil es unmöglich, daß die uncörperliche Seele einen cörperlichen Stoß und Druck bekommen oder geben kan. Sonst hätten sie die Unrichtigkeit ihrer Mechanic zustehen müssen.  
  Sie nahmen daher ihre Zuflucht zu GOtt, als wenn der caussa occasionalis sey, der die Bewegungen des Leibes mit denen Ideen der Seele harmoniren machte. Weil es aber dahin abzulauffen schien, daß man GOtt zu einem Urheber des Bösen machte, so erdachte Leibnitz sein Systema Harmoniae praestabilitae, da er vorgab, die Seele und der Leib wären zwey unterschiedene Dinge, aber von GOtt also geordnet, daß sie, wie sie anfangs eingerichtet, in einer beständigen Daurung ein jedes nach seinem Principio fortgienge, wie etwann ein Uhrmacher zwey Uhren machte, die richtig giengen, sie zugleich auf eine Art einrichtete, daß die Uhren nicht in einander würckten, doch beständig harmonirten.  
  Viele haben vieles darwider einzuwenden gefunden, und gezeigt, wie es falsch sey, wie aber der Geist  
  {Sp. 661|S. 344}  
  in dem Leibe operire, wie er mit einem Cörper vereinigt sey, wie er dencke, wie er empfinde, wie er lebe, solches ist noch nicht klar, und rechnet man es unter die Geheimnisse, die GOtt dem menschlichen Verstande nicht hat offenbahren wollen. Soviel siehet man, daß die Geister unverweßlich seyn, weil sie von keiner auflößlichen Materie zusammen gesetzet seyn, daß aber einige daher ihre Unsterblichkeit herführen wollen, folget nicht. Denn die Unverweßlichkeit ist denen Thieren auch gemein, nicht aber die Unsterblichkeit, die dem menschlichen Geiste alleine zukommet, und ist die Unverweßlichkeit der Seele derer Thiere an die Dauer der Welt, die Unsterblichkeit aber an die Ewigkeit gebunden.  
  Ferner folgt aus dem Satze der Unsterblichkeit, daß die Seele auch eben diejenige sey, die sie in der Welt gewesen, sich ihrer Handlungen erinnern könne, und ihre völlige Moralität behalte, auch daher in einem moralischen Zustande der Freude oder Traurigkeit sich befinde. Spinoza hatte zum Grund-Satz seiner Meynung, es gebe in der Welt nicht mehr als eine eintzige Substantz, weil nun die Geister nicht cörperlich seyn, muste er die eine Substantz leugnen, wenn er die andere behaupten wolte. Bayle zwar suchet darzuthun, daß das Spinozische Systema ohne der Lehre von den Geistern nicht bestehen, auch die Lehre von dem ewigen Leben, oder Hölle, daraus könne gezeiget werden. Doch streiten Spinozä Worte selbst dawider, wie es am Tage lieget. Hobbesius, ein Engländer, Leviathan. c. 4. leugnet auch die Geister, und scheinet Balthasar Becker in der bezauberten Welt gleiches Gelichters zu seyn. Thomasius in denen Lehr-Sätzen von dem Laster der Zauberey. §. 8. p. 15.
  Doch kan man unläugbar aus der Würckung auf die Ursache schliessen.  
  Noch andere sind die, wenn sie ja das Wesen der Seele zu geben, doch nur ein cörperliches, nicht geistliches zu geben. Dergleichen Meynung waren die alten Heyden, welche unter ihren Geniis die Geister oder Seelen verstunden. Sie bildeten sich nehmlich ein, die Welt würde in drey Theile, in Cörper, Genios, Daemones oder Heroes, und Menschen eingetheilet, davon die ersten einen subtilen ätherischen oder feurigen, die andern einen zarten aerischen Lufft-Cörper, so zwischen GOtt und dem Menschen mitten inne stünde, haben solten. Und diesen ist Tertullianus in seinem Buch de anima nachgefolget, da er gleichfalls denen Seelen einen Leib zuschreibet.  
  Die Scholastici, weil sie viel von denen Heydnischen Philosophen und Patribus annahmen und mit der Schrifft vereinigen wolten, brachten viel thörichte und unnütze Meynungen an den Tag. Die neuern haben die Sache deutlicher zu untersuchen sich bemühet.  
  Rüdiger Physic. Divin. I. 4. Sect. 4. §. 35. setzet die Eigenschafft der Seele oder des Geistes, so Ideen annimmt, darinn, daß er verstehe, daß er allein verstehe, und sagt, daß dieses Vermögen alle Eigenschafften eines Geistes in sich begreiffe. Den Geist theilet er in mentem und animam ein. Jene, so dem intellectui beykömmt, soll sich würckend verhalten, die bekommenen Ideen zusammen setzen von einander theilen, diese, so dem Voluntati gleichet, sich leidend verhalten, und nach denen Ideen ihre Organa einrichten. Dieser animae schreibt er das Vermögen zu, mit zugeschlossenen Augen wie  
  {Sp. 662}  
  die Mondsüchtigen auf- und abwärts, auf denen Häusern hin und her zu steigen, gegenwärtige, so itzo in der Abwesenheit geschehen, zu weissagen, als wenn eine Mutter eben den Tag und die Stunde den Tod ihres Sohnes empfindet.  
  Dem Menti theilet er das Gedächtniß zu, daß sich sowohl bey Menschen als Thieren findet, und theilet selbige Mentem in eine viehische oder vernünfftige ein, welche letztere die drey Kräffte sich zu erinnern, zusammen zu reimen und zu urtheilen haben soll. Dieses appliciret er von der empfindlichen und sinnlichen Natur, a natura sensibili auf die intelligibilem, so man nicht siehet, sondern sich nur in denen Gedancken begreiffen muß. Den Menschen-Verstand oder die Kräffte desselben eignet er denen guten und bösen Engeln zu. Den Vieh-Verstand aber denen Daemonibus oder so genannten Berg-Männergen, welches weder gute noch böse Engel seyn sollen, weil sie niemand zu einem Bösen anführen, noch auch einen Menschen Schaden thun sollen.  
  Thomasius im Versuch vom Wesen des Geistes, beschreibet den Geist, das er sey eine Krafft oder ein Ding, welches ohne Zuthuung der Materie bestehen kan, alle materialische Dinge bewege, ausspanne, zertheile, vereinige, zusammendrücke, anziehe, durchdringe, in sie würcke, und ihr die gehörige Gestalt gebe. Diesen theilt er in einen und einen dienstbaren Geist ein. Jene ist ein thuendes Wesen, so unbeweglich ist, und doch alles beweget, und so gar die subtilesten Geister durchdringet, ein Licht, das alles erleuchte, eine Wärme, die alles erwärmet. Diese ist eine Krafft, so von dem Berg-Geist ihre Krafft, Seyn und Wesen bekomme, und seinen Willen thue.  
  Dieser sey ein wiederum männlicher, der erwärme, so Licht bey ihn ist, und ein weiblicher der erkälte, so bey ihn Lufft heisset. Durch das Licht verstehet er dasjenige, was zwar in der Materie, als z.E. in der Sonne die Strahlen, doch nicht selbst Materie seyn. Lufft ist diejenige Lufft bey ihm, so ohne einige Vermischung irrdischer wässerichter oder feurigter Dünste in höchster Reinigkeit ist. Die beyden, Licht und Lufft, machet er zu Geistern, und spricht, daß das menschliche Wesen, so viel uns bekannt, aus diesen drey Principiis, Licht, Lufft und Materie oder Erde bestehen, führet auch den Comenium in Physica p. 23. an, daß er auch schon vor ihm solche Meynung geheget.  
  Als dieses Buch heraus kam, setzte sich ein Prediger zu Leipzig, Albrecht Christian Rotthe, in Atheisticis Thomasianis e Scriptis Thomasianis, ihm entgegen, dem aber Andreas Stubel in extremo labore circa Rotthi Anti-Thomasiana extrema, geantwortet. Ferner Elias Camerarius in kurtzen Anmerckungen über Thomasii Versuch, Tübingen 1701. 8vo. Gabriel Wagner oder Realis de Vienna in der Prüfung des Versuchs, 1707. 8vo, den aber ein anderer Jucundus de Laboribus in freyen Gedancken von Realis de Vienna Prüfung, trefflich herum genommen.  
  Von der Historie der Geister, was sonderlich von denen etwas ältern Zeiten anbelanget, sind folgende zu mercken:  
 
  • Eugubinus Steuchus de perenni Philosophia. l. VIII.
  • Cherbury de religione gentilium. p. 223.
  • Mourgues plan Theologice de Pythagorisme.
  • Balthasar Becker in der bezauberten Welt. I. 2.
  • Buddeus Thesib. de Atheismo et su-

    {Sp. 663|S. 345}

    perstit. c. 3 §. 3.
  • Huetius in quaestion. Alnetan.
  • Syrbius Philosophia P. II. c. 1. 2.
  • Breithaupt. Dissert. histor. philosoph. metaphysic. de Daemonibus.
 
  Die Lehre derer Heyden von denen Geniis, und die davon geschrieben, siehe unter Genius.  
     

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Stand: 18. August 2013 © Hans-Walter Pries