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Zedler: Wohnen HIS-Data
5028-58-250-16
Titel: Wohnen
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 58 Sp. 250
Jahr: 1748
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 58 S. 138
Vorheriger Artikel: Wohn (Miedt-)
Folgender Artikel: Wohnen … scheiden
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage
  • : Absatz in der Vorlage vorhanden

  Text Quellenangaben
  Wohnen, Lat. Habitare, heisset eigentlich, sich beständig an einem Orte aufhalten; man mag lediges Standes, oder verheyrathet seyn: Welches letztere doch in Nieder-Sachsen erfordert wird.  
  Daher, wenn man iemanden fraget: wo er wohnet? und man hierdurch bloß seinen Aufenthalt wissen will; er aber noch ledig  
  {Sp. 251|S. 139}  
  ist, so antwortet er: Er sey noch unverheyrathet, halte sich aber da oder dort auf. Bayers Handwercks- Lexicon.  
  Siehe übrigens die Artickel:  
   
  Hier aber müssen wir noch die verschiedenen Sprüche heiliger Schrifft, in welchen des Wohnens gedacht wird, nebst ihren Erklärungen beybringen:  
     
  1) Wehe denen, die auf Erden wohnen, und auf dem Meer. Offenb. Joh. XII, 12.
  Durch die auf Erden wohnende verstehen einige die Irrdischgesinnten. Allein man kann noch viel füglicher alle Menschen auf Erden wohnend verstehen, auch die Gläubigen selbst nicht ausgenommen, denen zwar des Teufels Uberwindung eine grosse Freude verursachet; damit sie sich aber selber nicht etwa zur Sicherheit bringen lassen, so wird ihnen hier verkündiget, daß ihm doch deswegen noch nicht alle Macht und List benommen, sie zu versuchen. Ja eben deswegen, weil er einen solchen Streich und Sturtz bekommen, so werde er sich desto eifriger zu rächen, und sowohl wider sie, als auch in den Welt-Kindern desto hefftiger zu toben trachten.  
  Unter denen, so auf dem Meer wohnen, verstehet Pareus die Schiff-Leute, als die vor andern ein roh und sicher Volck, daher finde der Teuffel vor andern an ihnen Macht, dem aber der gelehrte Marckius widerspricht, denn GOtt so wohl seine Gläubige und Fromme unter den Schiff-Leuten als Erdbewohnern habe.  
  Einige deutens auf die Bösen in dem geistlichen Stande, derer falsche Lehre gleiche der gesaltznen See, oder dem Meer-Wasser, weil dadurch der geistliche Durst nicht gelöschet, sondern vielmehr Unfruchtbarkeit der Gottseligkeit gewürcket, und das Eingeweide des Menschen, das Gewissen dadurch abgefressen werde.  
  Andere deuten die Erde auf die Welt, und das Meer auf die Kirche.  
  Allein am sichersten ist, daß hier alle Einwohner dieser Unterwelt gemeynet sind, sie seyn, wo sie wollen, so sind sie nirgends für dem Satan sicher, der ein Drache, und also ein amphibion, so im Wasser und auf Erden leben kan, und also könne man ihm auch auf der See nicht entlaufen. Haussens Creutz- und Trost- Pred. ...
     
  2) GOtt lasse Japhet wohnen in den Hütten Sems. 1 Buch Mos. XI, 27.
  Diese Worte sind unter den Auslegern sehr streitig, indem sie einer von Sem, der andere von Japhet annimmt; einer sie aufs leibliche, der andere aufs geistliche ziehet etc. Durch die Hütten wird insonderheit in der heil. Schrifft die Kirche oder Gemeinschafft der Heiligen bedeutet, da der rechte Gottesdienst getrieben, und GOtt als gegenwärtig geehret wird, Ps. XV, 1.
  Und in dieser Bedeutung nehmen es unsere Gottesgelehrten und andere Schrifft-verständige an, gleichwie  
 
  • die Hütten Juda,
Zach. XII, 7,
 
  • die Hütten Jacobs,
Mal. II, 12,
  die wahre Israelitische Kirche anzeiget.  
  Denn Noah, sagen sie, habe gleichsam im Geiste gesehen, wie ein Zwiespalt zwischen Sem und Japhet seyn würde, das ist, wie sich die Heyden, so von Japhet herkommen,  
  {Sp. 252}  
  von den Juden oder des Sems Geschlechte, und deren Gottesdienst absondern, und solcher Zwiespalt viel hundert Jahre bis auf Christum währen würde, daher wünsche hier Noah, und mit seinem Wunsche prophezeye er zugleich, daß es GOtt ändern, und den Japhet, oder die Heyden auch zum Erkänntniß des Heyls bringen wolle, als die vorhin in keinen Hütten gewohnet, auch kein Erbtheil in Jacob gehabt, sondern bis dahin ohne Christo fremde gewesen, und außer der Bürgerschafft Israelis.  
  Nunmehr aber als die weit entfernte, durchs Blut Christi nahe herbey kommen: Also, daß der Glaube an Christum alsofort mit der Apostel-Zeit unter den Heyden angefangen zu wachsen, beydes in Europa und Asia, als den Erbtheilen Japhets und seiner Nachkommen. Daher in diesen Hütten niemand anders wohnen solle, als die Nachkommen Japhets.  
  Zwar Onkelos, Theodoretus, Tossatus, Lyranus, Mercerus, und andere wollen dieses nicht zugeben, sondern ziehen das Grundwort Wohnen, auf GOtt, und übersetzen es also: Deus habitet in tabernaculis Sem, GOtt wohne in den Hütten Sems, welcher Meynung auch Fullerus beypflichtet, darum ziehet er auch hieher, was Joh. I, 14 gesaget wird: Das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns.  
  Solchergestalt wäre in diesen Worten eine schöne Prophezeyung von der Menschwerdung Christi enthalten; und diese Meynung hätte einen guten Verstand, wenn sie nur mit denen Umständen genau überein käme: allein, da diese derselben entgegen stehen, läßt sie sich nicht füglich behaupten. Also halten wir es lieber mit unsern Gottesgelehrten.  
  Durch die Wohnung verstehen viele nur eine leibliche, und meynen Japhets Nachkommen würden die Gräntzen Sems, oder die Länder der Jüden einnehmen, und sodann in ihren Häusern und Hütten wohnen, sonderlich würden die Griechen u. Römer unter Japhets Nachkommen in Judäam einfallen, und alles unter ihre Bothmäßigkeit bringen; auch die Christen und Türcken, so gleichfalls Japhiten sind, würden sich ins Gelobte Land machen, und es mit Gewalt wegnehmen etc. Und das sey nicht nur hier von Noah, sondern auch nachgehends von Bileam prophezeyet worden, 4 B. Mos. XXIV, 23. besiehe auch Es. XXIII, 12. Ezech. XXVII, 6. Jer. II, 10.
  Allein wir halten mit unsern Gottesgelehrten nicht davor, daß Noah auf dergleichen leibliche Wohnung gesehen, sondern vielmehr auf den Beruf der Heyden oder Japhiten zur wahren Kirche, die in Sems Geschlechte erhalten wurde. Denn er hatte allbereit von der leiblichen Ausbreitung Japhets in den ersten Worten dieses Verses geredet und gewünschet: GOtt breite Japhet aus; drum fähret er nun fort, und will auch das Geistliche dem Japhet ausbitten: Und laß ihn wohnen in den Hütten Sems, welche nichts anders als den Zustand der Kirche bedeuten, wie wir oben aus Zach. XII, 7. Mal. II, 12 erwiesen haben.  
  Davon finden sich auch viel herrliche Weissagungen der Propheten, als  
 
  • Zeph. II, 11.
  • Amos IX, 11, 12
  • etc.
 
  Wir sehen auch, wie dieses alles an denen Heyden und Japhiten erfüllet worden,
  • Eph. II, 19. coll.
  • Röm. XI, 11-22,
  {Sp. 253|S. 140}  
  ja uns allen, die wir von Japhet zur letzen Zeit überblieben, ist, sammt allen Europäern, das Glück worden, in den Hütten Sems, d.i. in dem Lichte des Evangelii zu wohnen. Wolte man aber hierwider einwenden, daß gleichwohl nicht alle Nachkommen Japhets, als die Türcken, Tartarn Scythen und dergleichen, so ihren Ursprung von Magog, Japhets Sohne haben, in den Hütten Sems wohnen, oder zur Christlichen Kirche kommen; so benimmt es doch Noäh Seegen, dem Japhet gegeben, nichts, weil unter vielen Kindern selten alle einerley gutes Wesens seyn.  
  So hinderts auch nicht, daß man weiter einwendet, aus Chams Nachkommen wären ebenfalls etliche in Sems Hütten, oder zur wahren Kirche kommen; denn obgleich diese leiblicher Weise verflucht waren so wird ihnen doch der Weg nicht verschlossen zur Christlichen Kirche, wie an der Cananittin und andern zu sehen. Indessen bleibt es gewiß, daß diese des Noäh Prophezeyung, vornehmlich an Japhets Nachkommen erfüllet worden, und daß die Europäer vor andern den wahren Gottesdienst angenommen haben. Acerra Bibl. Cent. V. …
     
  3) HERR, wer wird wohnen in deiner Hütten? Psal. XV, 1.
  Nach den Hebr. heißt es: HErr, wer wird ein Wall-Bruder, ein Pilgrim, ein Fremdling seyn in deiner Hütten? Die Griechische Bibel hat: [Drei Wörter Griechisch]; HErr, wer wird ein Häußler, ein Hintersasser seyn, in deiner Hütten? Aqvila, ein bekehrter Jude hats verdolmetschet: [Drei Wörter Griechisch], wer wird ein Proselytus, ein Judengenoß seyn in deiner Hütten? Da er denn durch die Hütten verstehet die Kirche hier auf Erden, deren ein Fürbild gewesen die Stiffts-Hütte zu denen Zeiten Davids: Durch das Wohnen in der Hütten wird also angedeutet: Die kurtze und vergängliche Pilgrimschafft der Christen allhier auf Erden, als in einem fremden Lande.  
     
  4) GOtt du bist heilig, der du wohnest unter dem Lob Israel, Psal. XXII, 4.  
  Von diesen Worten haben die Ausleger der h. Schrifft allerley Gedancken; die einfältigste Meynung aber hiervon ist diese: Du GOtt wohnest in deiner Kirche, die dich allezeit lobet, du bist mit ihrem Lob und Preiß allenthalben umringet, und sie wird in Ewigkeit nichts anders können, als dich lieben und loben. Wie GOttes Güte und Wohlthaten uns Menschen allenthalben umgeben, daß man mit Recht von uns sagen kan, daß wir darinnen wohnen; so soll auch unser vielfältiges Lob an allen Orten erschallen, daß GOtt darinnen wohnen möge; denn GOtt wohnet nicht nur unter dem Lobe seiner Gläubigen, sondern auch aller Engel, ja aller Creaturen. Scriv. Bibl. Parv. …
     
  5) Herr Zebaoth! wohl denen, die in deinem Hause wohnen. Ps. LXXXIV, 5.  
  Das Grund-Wort im Hebr. heisset nach dem Gebrauch der heil. Schrifft eine Beständigkeit, und da eine Sache nicht leicht geändert wird; wie es zu finden  
 
  • von dem Berge Zion, der ewiglich
 
  {Sp. 254}  
 
  bleibet,
Ps. CXXV, 1.  
 
  • ja von GOtt selbst,
  • Ps. IX, 8. Ps. XIX, 10.
  Ps III, 9.
 
  • von dem Sitzen, da man mit halb gebogenem Leibe einige Ruhe genießet, wie Abraham an der Thür seiner Hütten im Hayn Mamre saß,
1 B. Mos. XVIII, 1.
 
  • 2 Buch Mos. XI, 5.
  • Buch der Richter V, 10.
  • 1 B. Kön. I, 13. 17.
  Es heißt eine Zeitlang an einem Orte bleiben, wie Loth auf dem Berge, 1 Buch Mos. XIX, 30.
  Es heißt auch in seinem eignen Hause wohnen, und mit der Familie eine gewisse bleibende Stäte sich erwehlen, wie denen Israeliten verheissen wird, sie solten im Lande Canaan schöne Häuser bauen und darinnen wohnen, 5 Buch Mos. VIII, 12.
  Diejenigen, so die obigen Worte auf die triumphirende Kirche ziehen, sagen: das Wohnen bedeute, daß die Auserwehlten würden daselbst als Kinder und Erben GOttes in ihrem Eigenthum bleiben.  
  Eigentlich werden die Priester, Leviten, Nethinim, die Holtz-Hauer, Wasser-Träger und Thorhüter verstanden, die wohneten des Tages in der Hütten des Stiffts und im Tempel, sie hatten 24 Ordnungen unter sich: sie hatten ihre ephēmerias, ihre gewisse Tage Aufwartung. Siehe
  • Chemnit. Harmon. …
  • Lundii Jüdische Heiligth. …
  des Nachts blieb keiner im Tempel, wohl aber GOtt wohnte drinnen, davon der Tempel hieß: Das Lager der Majestät GOttes. Lundii Jüd. Heiligth. …
  Davon nicht ausschlossen werden andere fromme Personen, welche mit denen Priestern gleiche Andacht daselbst verrichteten. Wenn nun David von ihnen rühmet, daß sie in GOttes Hause gewohnet, so deutet er an, daß sie nicht als Gäste und Fremdlinge die schönen Gottesdienste des HErrn oben hin anschauen, sondern den Tempel GOttes fleißig besuchen, ja als Bürger und GOttes Haus-Genossen dem Haus-HErrn wohl bekannt wären. Adami Del. Dict. …
     
  6) Ihr Männer wohnet bey euren Weibern mit Vernunfft, 1 Petr. III, 7.
  Dieses zu verstehen, müssen wir wissen, was das Beywohnen, und denn, was die Vernunfft sey? Die Beywohnung darf man nicht blos auf das Ehe-Bette deuten, denn ob es wohl nicht ohne, daß das Griechische Wort in solchem Verstande gefunden wird,
  • 5 Buch Mos. XXII, 13. C. XXIV, 1.
  • Judith XII, 11.
  Doch geben es alle Umstände des Textes, daß hier das gantze Haus-Wesen darunter begriffen sey, so daß das Beywohnen eine genaue Verbindniß der Leiber und Gemüther, welche durch nichts, als durch den Todt getrennet werden soll, anzeiget.  
  Dem Beywohnen stehen entgegen Ehebruch, eigenmächtige Scheidung, boshaffte und muthwillige Verlassung, nicht weniger eine getheilte Haushaltung, da zwar Mann und Weib in einem Hause beysammen wohnen, aber iedwedes seinen Tisch und Wesen vor sich allein hat.  
  Das Beywohnen beziehet sich auch vornehmlich auf die Regierung, wie des Weibes, so des gantzen Hauses, welches beydes dem Mann zukommt. Es erstrecket sich auch auf die  
  {Sp. 255|S. 141}  
  Verpflegung, Schutz und Vertheidigung, so der Mann der Frau zu leisten schuldig ist.  
  Endlich werden alle Rechte, so der Mann im Hause hat, unter dem Beywohnen beschlossen.  
  Und das soll nun mit Vernunfft geschehen; nach dem Griechischen mit Wissen oder Verstand. Der Mann soll nicht nur aus dem Lichte der gesunden Vernunfft und Sitten-Lehre, sondern auch aus GOttes Wort wissen, wie er sich als ein Mann aufführen und als ein Christ bezeigen soll. Er wendet seine Vernunfft wohl an, wenn er zuförderst im Christenthum an seinem Weibe bauet, daß sie sich mit wahrer Gottseligkeit schmücke, und aller Tugenden sich befleißige.  
  Die Befehle, und Anordnungen in seinem Haus-Wesen sollen mit allem Glimpfe geschehen. Die Fehler seines Weibes soll er durch liebreiches Erinnern und Zureden abstellen, ihr Creutz mit Gedult ertragen, nicht aber durch Ungedult sie noch mehr bekümmern. Er hat auch seine Vernunfft zu gebrauchen, damit er dem Weibe aus ungemäßigter Liebe nicht zu viel einräume, wenn sie ihn durch Liebkosen zu Sachen bereden wolte, so wider GOtt, und das Gewissen laufen.  
  Aber auch dieses ist ein vernünfftiges Beywohnen, wenn der Mann seiner vernünfftigen Frau in billigen und heilsamen Dingen folget, und sich ihres Beyrathes bedienet, wodurch seiner Herrschafft nichts abgehet. Neumeister h. Wochen-Arbeit ...
     

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Stand: 18. August 2013 © Hans-Walter Pries