Titel: |
Kind |
Quelle: |
Zedler Universal-Lexicon |
Band: |
15 Sp. 640 |
Jahr: |
1737 |
Originaltext: |
Digitalisat BSB
Bd. 15 S. 335 |
Vorheriger Artikel: |
Kinckius (Jo.) |
Folgender Artikel: |
Kind, wird Christus genennet |
Siehe auch: |
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Hinweise: |
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Text |
Quellenangaben und Anmerkungen |
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Kind hat
verschiedene
Bedeutung. Bald wird es gegen die
Eltern
gehalten, von denen, weil es
gezeuget worden, ihr Kind
genennet wird, das ist,
ihr Sohn oder
Tochter, so gar, daß man den vorigen Zeiten nicht nur ungezogene,
sondern schon erwachsene, wie
gesagt, in Absicht auf ihre Eltern, mit diesem
Namen
belegte. |
Schellhorn Amoenit. Litter. … |
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Bald aber
verstehet man darunter einen
Menschen
von solchem
Alter,
in welchem er den
vollkommenen
Gebrauch derer
Kräffte
Leibes so wohl als der
Seelen
nicht hat. Dahero kommen die
Redens-Arten:
das ist kindisch, er
thut kindisch, er wird kindisch, er wird zum Kinde,
anzuzeigen, daß es eine
Handlung sey, die nicht nach dem vollständigen Gebrauch
der gesunden
Vernunfft eingerichtet ist. |
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Bey folgender Abhandlung nehmen wir das
Wort
Kind von den ersten
Lebens-Jahren eines
Menschen,
in welchem der Gebrauch
Leibes und der
Seele
noch schwach und unvermögend sind, deswegen es die
Lateiner durch infans geben, welches so viel ist als nicht
reden
können |
l. 1. … |
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Nicht als wenn es gar noch nicht reden könnte, sondern weil es zu dem
Verstande
noch nicht kommen ist, daß es
klug und mit
gutem Bedachte etwas vorbringen
solte. Denn es kan von niemanden
gesagt werden, daß er reden könte, der nicht
verstehet, und vorher bey sich überleget, was er saget. Gestalt denn darum von
einen Unsinnigen gesaget wird, daß er nicht reden könte. |
L. 7 pr.
C.
ad Set. Trebell. |
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Und zwischen einem Kinde und einem Unsinnigen ist ein schlechter
Unterschied, so gar, daß es einem Unsinnigen am nähesten kommt. Und derowegen
kan man mit einem Kinde selbsten
gantz und gar nicht
contrahiren daß es
zu
Recht
bestehen solte, obgleich des Vormunds Bewilligung und Autorität dazu
käme. Denn eines solchen Kin- |
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{Sp. 641|S. 336} |
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|
des Thun
und
Wille ist noch nicht von solcher Gültigkeit, daß es nach den
Rechten beständig wäre, wenn des Vormunds Autorität es bekräfftigte;
sondern der Vormund muß selbsten im
Namen
des Kindes Contracte machen und
schlüßen, |
L. 8. §. 3.
C.
de Jur. Delib. |
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Die
Römischen Rechte
setzen, um eine
gewiße
Regel
zu haben, das Alter eines Kindes bis in das siebende Jahr, weil man gemeiniglich
um diese Zeit einen stärckern Gebrauch
Leibes und der
Seelen
an demselben bemercket. Nach dem
Natur
Rechte gehen die
Grentzen eines Kindes so weit, so lange es noch nicht den
Gebrauch seiner Leibs- und
Gemüths-Kräffte
hat. Hieraus folgt von selbst, daß es vor sich nicht handeln, am wenigsten in
öffentliche Handlung einen Einfluß haben könne, weil der Gebrauch des Leibes
oder Gemüthes dazu gehöret, welcher ihm doch noch
mangelt. Demnach
muß es von
andern
regirt, auch, damit ist auch dereinst zum Gebrauch seiner Kräffte
gelangen möge, erzogen werden, wie davon in der
Kinder-Zucht
gehandelt worden. |
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Weiter kan Kindern nichts imputiret werden, was über das Maas ihrer
Kräffte steiget.
Deswegen werden sie bey vorgefallenen Verbrechen nicht mit ordentlicher Straffe
angesehen, ja
Straffe
und Belohnung werden gegen sie nur als sinnliche
Erinnerungen, weil ihr
Verstand
es noch nicht begreiffen kan, gebrauchet. |
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Ob es im übrigen ehrliche, das ist, aus einem richtigen Ehe-Bette
gezeugte,
oder unehrliche Kinder, das ist, ausser demselben
gebohrne sind, thut in
gegenwärtiger Abhandlung nichts zur
Sache. |
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Und diß alles beträfe denn die Kinder dem
Alter nach betrachtet. Ist aber
nun auch solches Alter vorbey, sind so zu reden die Kinder-Schuh auch nun
ausgetretten, ist man so weit gebracht, daß man seinen
Leib
und
Seele
nun selbst gebrauchen kan, so bleibt man doch noch Fleisch und Bein seiner
Eltern,
ist ihnen auch nach der Erhaltungs- und
Erziehungs-Last wegen Ehrerbietung,
Gehorsam
und Danck
schuldig, dahero die Eltern immer noch, wenn auch gleich die ihrigen
schon zu einem namhafften Alter gekommen, sagen, das ist mein Kind, nehmlich die
Verhältniß zwischen beyden
Theilen anzuzeigen, wie davon schon etwas beym
Eingange dieser Betrachtung erinnert worden. Die Folgerungen daher haben also
auch nichts anders als diese Verhältniße zum Ziele.
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[1] |
HIS-Data: vergl.
Haus-Wirth |
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Bey einigen derer alten
Völcker,
besonders denen Griechen und Römern, hatte man in
Gebrauch die neugebohrnen
Kinder auf die
Erde
zu legen, und zum
Zeichen, daß man sie
erziehen
wolte, wieder von der Erde
aufzuheben. Sie pflegten aber auch wohl gar die Kinder, die sie entweder nicht
ernehren konten, oder nicht wolten, wegzusetzen. Dann wann ein Kind gebohren
war, kamen die ältesten in einer Familie zusammen, und berathschlagten sich, ob
sie das Kind wegsetzen, oder behalten wolten. Sie setzten es aber gemeiniglich
an die öffentliche Land-Straßen, da viel Leute giengen, daß es jemand aufnehmen
solte, wo nicht, so nahmen sie es wieder zu sich. In Rom geschahe es bey |
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{Sp. 642} |
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dem Lacu Velabrensi oder Columna lactaria. Man legte
gemeiniglich einige Crepundia dazu, woran man die Kinder hernach, wenn
sie groß geworden waren, kennen konte. Es ist aber endlich diese
Gewohnheit
abgekommen, indem sie die
Kayser,
Valentinianus, Valens und Gratianus in einem
absonderlichen
Gesetz
gantz aufgehoben haben. |
- Ger. Noodt in Julio Paullo,
- Frauendorff
Diss. de iniqua Liberorum Expositione.
Leipz. 1692.
- Jer. Zangius Diss. de expositione
infantum Gießen 1713.
- Gottl. Fr. Gude de Ritu Lieros recens natos in
terram sistendi et de terra levandi. Zittau 1727.
in 8.
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