Titel: |
Erinnerung |
Quelle: |
Zedler Universal-Lexicon |
Band: |
8 Sp. 1660 |
Jahr: |
1734 |
Originaltext: |
Digitalisat BSB
Bd. 8 S. 861 |
Vorheriger Artikel: |
Erinnern nach toder Hand |
Folgender Artikel: |
Erinnyes |
Siehe auch: |
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Hinweise: |
- Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe
Hauptartikel
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Text |
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Erinnerung, ist die
Würckung des
Gedächtnisses, |
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{Sp. 1661|S. 862} |
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da man sich in dem
Verstande wieder etwas
vorstellet. Es geschiehet dieses auf zweyerley Art:
Einmahl
erinnert man sich dererjenigen
Dinge, die
man gegenwärtig findet; das andre mahl bringet
man die
Ideen wieder hervor, deren
Empfindung
allbereit vergangen ist, und welche das
Gedächtniß gleichsam verwahret. |
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Nach der erstern Art entstehen alle
Begriffe.
Man erinnert sich dessen, was man empfunden,
und gehet die
Leidenschafft in dem Verstande
vorher, und die Würckung des Verstandes folget
alsdenn darauf. Es ist dieses eine Haupt-Wahrheit, worauf sich die andre
gründet, daß alle
Ideen von der Empfindung herrühren; wodurch die
Welt-Weisen diejenigen, welche die
Ideam
innatam behaupten
wollen, zu wiederlegen
pflegen. |
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Doch ist dieses
Wort mehrentheils von der
andern Art gebräuchlich, und
verstehet man nur
darunter, wenn man sich auf längst vergangene
Dinge besinnen kan.
GOTT hat uns den Verstand
gegeben, damit wir nach denen
Vorstellungen, die
wir durch denselben bekommen, unsre
Handlungen einrichten
mögen. Die
wahren
Begriffe würden uns sehr wenig helffen, wenn wir
uns dererselben nicht wieder erinnern könnten.
Unsre
Gedancken gehen nicht nur auf unsre
gegenwärtige Handlungen, sondern sie sind auch
die
Regeln unsers zukünftigen und noch nicht
vorhergesehenen
Lebens. |
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Dieser herrliche
Nutzen aber entstehet daher,
weil wir uns der vorher überlegten Gedancken
erinnern können. Ja unsere
Beurtheilungs-Krafft
würde nicht einmahl das wahre von dem falschen
unterscheiden können, wenn wir uns nicht derer
Ideen erinnern könnten, indem alle Wahrheit aus
der Zusammenhaltung und
Zusammenhang vieler
vorher gehender Gedancken muß
erkennet
werden. So einen herrlichen Nutzen hat also die
Erinnerung in dem Gedächtniß, und haben wir sie
vor eine besondere Wohlthat GOttes zu
erkennen. |
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Es ist eine zweyfache Art dererjenigen
Ideen,
derer wir uns erinnern: Einige sind dem
Gedächtnisse gantz feste eingepräget, und fallen
uns dieselbigen gantz leichte ein; andre hingegen
kommen nicht so leicht wieder zurücke, und sind
durch die Vergessenheit fast gäntzlich
ausgelöschet worden. Dieses hat einigen Gelegenheit gegeben,
dem Gedächtniß eine dreyfache
Würckung
zuzuschreiben, als nemlich |
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- das Behalten, welches auch ins besondere
die Memorie heisset;
- zum andern die Erinnerung
oder Recordationem, wenn man sich eine
Sache
leichte wieder
vorstellen kan;
- und drittens
Reminiscentiam, wenn man sich schwer auf eine
Sache besinnet.
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Die Recordatio wird das Erinnern, die
Reminiscentia das Besinnen genennet. |
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Einige gebrauchen diese
Wörter in dem
angeführten
verschiedenen
Verstande; andere
hingegen gebrauchen das Wort Erinnerung von
allen beyden
Arten. |
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Was ferner hierbey zu erwägen, wird unter
dem
Titel,
Gedächtniß, als dem Haupt-Sitz dieser
Materie, weitläuftiger ausgeführet werden. |
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