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Quellenangaben |
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Kinder-Zucht. |
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Daß es eine
Pflicht derer Eltern sey, ihre
Kinder zu erziehen, daß sie dißfalls ein
Recht
erlangen, welches pattria Potestas
genennet wird;
und wie weit sich solches erstrecke, solches ist
bereits unter dem
Titel:
Eltern
Tom. VIII. p. 936.
seqq. abgehandelt worden. Wenn aber die
Gerechtigkeit etwas setzet, daß es geschehen
soll, so tritt die
Klugheit hinzu, und zeiget die
besten Mittel an, wie dieses zu erlangen sey. Wir
werden also hier |
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{Sp. 655|S. 343} |
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untersuchen, wie die Erziehung derer Kinder
auf eine kluge Art
müsse angestellet werden. |
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Versorgung |
Wir betrachten erstlich die Versorgung derer
Kinder. Es
müssen dieselben so viel
Nahrung und
Kleider haben, als
nöthig ist, daß sie gesunden
Leib und gesunde Gliedmassen erhalten, und
ihrem
Stande gemäß gekleidet werden
mögen.
Sie müssen hierbey weder allzustrenge noch
allzuzärtlich erzogen werden. Eine allzustrenge
Zucht kan der Gesundheit des Leibes Schaden
bringen, und eine allzu grosse Zärtlichkeit ist
gleichfalls dem Leibe nicht dienlich. Uber dieses
macht diese letztere
wollüstige und zur
Arbeit
ungeschickte Leuthe. |
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Die unbesonnene Liebe mancher Eltern,
pfleget denen Kindern den meisten Schaden zu
bringen, wenn sie denenselbigen am meisten zu nützen gedencken. Es ist dem
menschlichen
Gemüthe allemahl erträglicher, wenn es aus
einem schlechtern
Zustand in einen bessern
kommt, als wenn diese
Ordnung verkehrt wird.
Eine durch die schlechten
Umstände ausgehärtete
Tugend kan auch ihr
Glücke ertragen, ob gleich
das Glücke offtermahls Gemüther, die nur die
Tugend aus
Noth, oder vielmehr den Schein
derselben, aus Zwang
erwählet haben, wanckend
zu machen fähig ist. Verzärtelte Kinder müssen
bey der
Veränderung ihres Glückes entweder
unter dessen Last gar unterliegen, oder sie setzen
sich durch ihre wollüstige
Lebens-Art aus den
mittelmäßigen Umstand in den elendesten. |
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Nicht allein zur Erlangung einer guten
Lebens-Art, sondern zur Erhaltung derselben, wird
Arbeit erfordert. Sowohl die Arbeit des Gemüthes
als die des Leibes, erfordert einen gesunden, und
zur Bemühung
gewöhnten Leib. Verzärtelte Kinder
haben diesen nicht, also fehlt ihnen das
Mittel, so
wohl ihr Glücke zu erlangen, als dasselbige zu
erhalten. |
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Nichts ist zu der Gesundheit des Leibes
dienlicher, als eine mäßige
Bewegung. Also
haben die Eltern auch gleichfalls hiervor Sorge zu
tragen. Eine wohlanständige Tragung des Leibes,
und Bewegung derer Glieder, ist gleichfalls,
ungeachtet es nur etwas äusserliches ist, ein
gewisses Mittel, sich bey andern gefällig zu
machen. Doch muß diesen äusserlichen das
innerliche nicht nachgesetzt werden. Eine
Regel-mäßige Einrichtung derer Glieder des Leibes,
welche wir durch das Tantzen und andere Leibes-Ubungen erlangen, ist eine grosse Zierde eines
nach denen Regeln der Tugend eingerichteten
Gemüthes. Fehlt aber dieses letztere, so wird das
erstere zur Eitelkeit. |
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Es ist ein Fehler des
menschlichen
Geschlechtes, daß man nur das äusserliche
betrachtet; und ist dahero auch der
Irrthum bey
denen Eltern eingerissen, daß sie zwar wohl die
äusserliche, aber sehr wenig die innerliche
Beschaffenheit an ihren Kindern in Obacht
nehmen. So sehr eine
geschickte Kleidung zur
Wohlanständigkeit gehöret, so sehr kan auch ein
übermäßiger Pracht in derselben, die Kinder zur
Eitelkeit verführen. Die
Lust, andern zu gefallen,
meldet sich bey denen Kindern zeitig genug.
Da |
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{Sp. 656} |
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sie nun noch nichts haben, wodurch sie sich
gefallen könnten, als ihren Putz und Kleidung, so
werden sie
gantz leichte dadurch verführet, auf
nichts mehr, als auf dieselben zu dencken. |
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Wir
wollen die Fehler derer Eltern, wodurch
sie die Kinder zur
Wollust und Hochmuth
anreitzen, nicht weiter ausführen. Die zu zeitig an
ihre Degen gebundene, und durch ihren Poudre
fast eine Theurung in dem Getraide
verursachende
Söhne, benebst denen mit ihren
weiten Röcken, und durch das Rasseln ihrer
seydenen Kleider, denen tieffsinnig
vorbeygehenden, beschwehrlich fallende
Töchter,
sind uns leider!
tägliche Beyspiele dieser Unart,
und diese Blätter sind zu weit wichtigern
Dingen
gewidmet, als daß wir sie mit Erzählung dieser
Thorheiten anfüllen
sollten. |
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Unterweisung |
Zweytens ist die
Unterweisung, was wir ferner
in Betrachtung zu ziehen haben. Soll ein
Mensch
glücklich werden, so muß sein
Verstand
mit
guten
Begriffen erfüllet, und die sonst verkehrten
Neigungen
des
Willens, verbessert werden. Die
Verbesserung des Willens hat sowohl bey denen
Söhnen als Töchtern statt. Bey der Unterweisung
des Verstandes muß aber dieselbige in eine
beyden
Arten der Kinder gemeine, und besondere
eingetheilet werden. |
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allgemeine |
Das erste, was Kinder zu erlernen haben, ist
das
Christenthum. Es ist dieses das
wahre Mittel
zu unserer
Glückseeligkeit, und also allen
Menschen
nöthig. Man setzt hierbey gemeiniglich
aus denen Augen, daß unser GOttes-Dienst ein
vernünfftiger GOttes-Dienst seyn müsse, das ist,
daß wir nicht nur die Glaubens-Regeln auswendig
lernen, sondern auch nach ihren guten
Grunde
erkennen sollen. Kaum
wissen unsere Kinder die
Catechißmus-Fragen hurtig hintereinander herzu
beten, kaum haben sie die Evangelia, den Psalter,
und andere sonst gute Sprüche ins
Gedächtniß
gefasset, so ist bereits der
Unterricht in ihrem
Christenthum zu Ende gebracht worden. Was sie
reden, wissen sie selber nicht, und worzu sie es
gebrauchen sollen, ist ihnen eine gantz
unbekannte
Sache. |
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Man muß ihnen ferner die Regeln des
Gerechten und des
Klugen beybringen,
sie dörffen eben deswegen nicht
gantze Systemata derer
Weltweisen erlernen, es ist genug, wenn ihnen
andere gute Sätze und Lebens-Regeln, auch ohne
einen
ordentlichen Zusammenhang, doch so, daß
sie dieselbigen
verstehen, beygebracht werden.
Einen guten Geschmack von
Sachen, oder eine
Richtigkeit in denen
Gedancken, kan ihnen auch
mehr durch eine
fleißige Ubung, als durch einen
sich zu diesem Alter nicht schickenden
tieffsinnigen Unterrichte, beygebracht
werden. |
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Gemeiniglich belästigen wir das Gedächtniß
unserer Kinder mit solchen Begriffen, die sie doch
nur mit der
Zeit
vergessen. Ein Knabe, der viele
lateinische
Vocabula und andere herrliche,
wiewohl nur ins Gedächtniß gefatzte Sententzien,
herzubeten
weiß, ist ein Kind von der grösten
Hoffnung. Ein Kind aber von guten Einfällen, wird
wilde oder nasenweise, und ein Knabe, |
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{Sp. 657|S. 344} |
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der nichts lernen kan, als was er
verstehet,
wird unfleißig und tumm
genennet. Freilich wird
ein Kind die tieffsinnigen
Beweise des
Herrn
Leibnitzes nicht einsehen; und muß derjenige, der
die ersten
Gründe von einer Sache legen will,
freylich sich die Begriffe erst in das Gedächtniß
fassen. Deswegen muß man die Beurtheilung
nicht gantz und gar bey Seite setzen, und ist es
gantz etwas anders, eine Sache aus denen ersten
Anfangs-Gründen der
Erkänntniß herzuleiten, und
etwas aus denen nächsten Gründen herzuführen.
Man lasse nur die Kinder über ihre
eigene
Verrichtungen
urtheilen, so wird man sehen, daß
dieses nicht gar sehr schwehr fallen, und die
Scharffsinnigkeit derer Kinder mehr und mehr
zunehmen wird. Es erfordert freylich mehrere
Mühe derer Lehrmeister, wenn sie die Sachen
erklären
sollen, als wenn sie die Kinder, nach der
gewöhnlichen
Art zu reden, nur einmahl
überhören dörffen. |
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Woher entstehet aber dieses
Ubel?
Unmittelbar von denen
Lehrmeistern, an denen
man sonst nicht mercken könnte, daß sie dieses
Amt
verwalteten, wenn sie nicht die Ruthe, oder
den Stecken des Treibers in ihren
ehrwürdigen
Händen führeten. Was einer nicht hat, das kan er
dem andern nicht geben. Ein Lehrmeister, der
selber nicht richtig denckt, Aberglauben vor
Gottesfurcht, vorgefaßte
Meynungen vor
Wahrheiten, und seine
Begierden vor Lebens-Regeln hält, kan
unmöglich den
Verstand und
Willen
verbessern. Wir
thun hierunter getreuen
und
geschickten Lehrmeistern keinen Eintrag, es
heißt hier nur a plucibus fit denominatio. |
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Woher kommt aber dieses? Niemand, als den
die liebe
Noth darzu zwinget, unternimmet sich
der Sorge des Lehr-Amtes. Die
Obrigkeit sorget
zwar wohl,
öffentliche
Schul-Ämter mit
geschickten und tüchtigen Leuten zu besetzen,
allein die öffentlichen
Schulen sind bald zu
schlecht, bald hat man andere Einwendungen
darwider, und suchen die vor ihre Kinder sehr
besorgte Eltern eine
Ehre darinnen, wenn sie
ihren
Ehe-Pflantzen einen besondern Wärter
halten können. Den
Lohn, welchen derselbe vor
seine Mühe und
Arbeit bekommt, hat man
gemeiniglich schon so eingerichtet, als wenn man
zugleich vor den Lehrmeister sorgen wollen, daß
ihn die Lüste des Fleisches nicht anfechten
sollten. |
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Uber dieses, behält man auch noch die
Oberherrschaft über den Lehrmeister selber, und
die Dünste, welche aus denen Thränen derer mit
Recht bestrafften aber doch dabey unartigen
Kinder empor steigen, erregen in denen
Gemüthern derer Eltern bey ihrer Hitze ein
heftiges Donner-Wetter, welches den Lehrmeister
eben so, wie der Donner die
Erde, erschüttern
soll, daß er desto fruchtbarer werden. |
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Die
Tugend derer Kinder wird allemahl ihrem
guten Gemüthe zugeschrieben, oder man
nennet
derer Hervorbringung nur eine verfluchte
Schuldigkeit des Lehrmeisters. An ihren
Untugenden aber hat weder die Erb-Sünde, noch
die Verzärtelung derer Eltern jemahls
Schuld,
sondern der gute Praeceptor, welcher kaum etwas
bes- |
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{Sp. 658} |
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ser als ein
Bedienter des Hauses angesehen
wird, muß, als ein Sünden-Bock, alles dieses
ertragen. Es verabscheuet also ein jedweder
diesen
Stand, wer nur durch die
Freyheit
des
Gemüthes zu höhern Dingen angetrieben wird,
und sich auf eine anderweitige Art und Weise zu
helffen vermag. Wären die Umstände besser
dabey beschaffen, so würden sich auch
geschicktere
Köpffe finden, welche dieses
wichtige Amt in dem
gemeinen Wesen auf sich
nehmen. |
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Wenn die Eltern dasjenige
Geld, welches sie
unnützer Weise bey dem Wochen-Bette, denen so
genannten Heil. Christ-Geschencken, und denen
Geburts- und Namens-Tägen derer Kinder
verschwenden, denen Lehrmeistern zulegten; wenn
es beynahe nicht ein Schimpff wäre, ausser Tisch
und Stube, dem Informatori noch 500 Thlr. zu
geben, man auch nicht lieber ein unnützes
Jungfer-Mägdgen und einen überflüßigen
Bedienten vor die
Frau
Gemahlin, als einen
geschickten
Menschen, der die Kinder
unterrichtet, unterhalten wollte: so würde die
Kinder-Zucht weit besser, als sie ist, beschaffen
seyn. Sed surdis narratur fabula. Diejenigen die
das neue sonst so sehr lieben, wollen in diesem
Stücke keine
Veränderung treffen. |
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besondere Unterweisung |
Nach der gemeinen Unterweisung, müssen
wir auch die besondere Art derselben betrachten.
Diese gründet sich auf die zukünfftige
Lebens-Art,
welche ein Kind ergreiffen
soll. |
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Söhne |
Was die
Söhne anbelanget, so
müssen
dieselben eine gewisse
Profession ergreiffen. Sie
können entweder zum
Studiren angeführet, oder
auf eine ungelehrte
Lebens-Art gewiesen werden.
Die Erwählung des Standes muß sich auf die
Fähigkeit,
Neigung, und
Glücks-Umstände derer
Kinder, richten. Die Fähigkeit ist hierbey das
allervornehmste. Diese muß denen andern allen
vorgezogen werden. Sind Eltern nicht
vermögend,
dergleichen selbst einzusehen, so müssen sie
andere Leuthe zu
Rathe ziehen, die solches
verstehen. |
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Die Neigung ist zwar auch nicht aus denen
Augen zu setzen; was mit
Verdruß geschiehet, hat
keinen glücklichen Fortgang; doch muß man die
eitle Einbildung derer Kinder nicht vor
wahre
Neigung ansehen. Die äusserlichen Umstände
bey einem Stande, fallen denen Kindern in die
Augen. Sie ergreiffen nur das
annehmliche, das
innerliche aber, und das mit demselben
verknüpffte beschwerliche sind sie nicht
vermögend, zu
beurtheilen. Will man also die
Neigungen derer Kinder
untersuchen, so muß
man ihnen ihren Stand auf allen Seiten
vorstellen,
und dabey bemercken, ob sie hierüber stutzig
werden, oder ob sie noch dabey zu bleiben willens
sind. |
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Da
verschiedene Stände viele Unkosten
erfordern, wenn man in demselben etwas rechtes
vorzunehmen gesinnet ist, so muß man zugleich
mit auf die Glücks-Umstände sehen. Wer in dem
Studiren es hoch bringen
will, und sich sonderlich
auf die theoretische
Studia leget, wird, wenn er
keine Mittel hat, viele Schwierigkeiten finden. Es
ist fast einem
Armen
nicht anzurathen, sich in die
gelehrte
Welt zu begeben. Wer nicht durch seine
Vielwisserey seinen Wind zu machen
weiß, wird
fast für gar keinen
Gelehrten gehalten. Diese aber
zu erlangen, wird ein starcker
Bücher-Vorrath
erfordert. Doch |
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{Sp. 659|S. 345} |
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weil die Fähigkeit bey einem
Menschen, wie
wir auch an
täglichen
Exempeln sehen, alle
Beschwerlichkeiten zu überwinden vermag: so
muß diese, als ein Haupt-Umstand, das Glücke
aber nur als ein Neben-Umstand betrachtet
werden, und muß also nur derjenige Sohn, der zu
vielen Dingen gleich geschickt ist, dasjenige
ergreiffe, wobey er die meisten
Glücks-Vortheile
vor sich siehet. |
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An statt dieser Betrachtung pflegen die Eltern
gemeiniglich entweder ihrer
närrischen Liebe
gegen die Kinder, oder ihrem Hochmuthe zu
folgen, doch ist fast nichts thörichter, als ein Kind
allbereit zu einem gewissen Stande zu
bestimmen, ehe dasselbe
gebohren wird; siehe
den Titel
Beruff.
Tom. III. p. 1449. seqq. |
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Haben die Kinder einen Stand ergriffen, so
müssen die Eltern keine Kosten erspahren, durch
welche sie sich zu diesem können geschickt
machen. Es ist besser denen Kindern ein geringes
Vermögen zu hinterlassen, als ihnen die
Gelegenheit benehmen, ihre Fähigkeiten
vollkommen auszuarbeiten. Die äusserlichen
Güter werden Glücks-Güter
genennet, welches
anzeiget, daß sie dem Glücke noch unterworffen
sind. Die innerlichen
Geschicklichkeiten
aber hat der in seiner
eigenen
Macht, welcher sie
besitzet. |
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Töchter |
Was die
Töchter anlanget, so ist ihr
allgemeiner
Stand, daß sie mit der
Zeit die
Haußhaltung ihrer
Männer wohl
verwalten, und
ihnen in der Kinder-Zucht beystehen sollen.
Hierbey wird nur die
Frage erörtert: Ob ein
Frauenzimmer könne
gelehrt seyn oder nicht?
Gemeiniglich wird bey denenjenigen, die hierüber
streiten, allzuweit gegangen. Einige
wollen sie
gantz tumm haben, und andere
meynen, ein
fähiges Frauenzimmer habe mehr
Verstand, als
die
Männer, und die
Gelehrsamkeit seye bey
ihnen gedoppelt schön.
Seckendorff in seinem
Christen-Staate … beklagt sich, daß keine
Schulen vor das Frauenzimmer aufgerichtet
wären. Die Gelehrten haben sich
Mühe gegeben
das Frauenzimmer, welches durch die
Gelehrsamkeit
bekannt worden, aufzuzeichnen. |
Wie dergleichen
Schrifften in
Struvens
Introductione ad nobitiam rei litterariae … und in
Eberts
Vorrede zu dem eröffneten Cabinett des
gelehrten Frauenzimmers zu finden sind. |
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Balzac
hingegen will lieber eine
Frau mit dem Barte, als
eine gelehrte haben. |
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Es kan freylich einem Frauenzimmer nichts
schaden, wenn
ihr Verstand durch die
nöthigen
Wissenschafften
verbessert ist, ja es ist
dasselbige nöthig. Sie sind Mitbürgerinnen in der
menschlichen
Gesellschafft, sie sollen in der
Oeconomie ihre
Klugheit
beweisen,
ja sie sollen Kinder erziehen, bey welchen allen eine
gute
Moral sehr nöthig ist. Man kan über dieses auch
noch zu ihrem Vergnügen ihnen eine Art des
Studirens zugeben, sie mögen Pörtinen seyn, sie
können moralisiren, sie dürffen sich der Botanic befleißigen,
nur muß dieses alles zur
Lust
geschehen, und sie müssen nicht ein Haupt-Werck daraus machen. |
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Es ist ein
Unterschied zu machen, wenn man
die Gelehrsamkeit als ein Neben-Werck, und
wenn man sie als ein Haupt-Werck ansiehet. Das
erste stehet allen Menschen frey: Das letztere
gehöret nur vor eine
gewisse
Art derer Männer.
Das gute Frauen- |
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{Sp. 660} |
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zimmer hat genug zu
thun, wenn es
diejenigen
Tugenden ausüben will, welche ihnen
eigen sind. Warum will man, wir wollen nicht
sagen die Ordnung der Natur, sondern nur die
Ordnung des
gemeinen Wesens durch die
Gelehrsamkeit des Frauenzimmers verkehren?
Warum tadelt man an einem Schuster, wenn er
will
Lateinisch mit uns
reden? Warum verachtet
man einen Schneider, der sich einer
Erfahrung in
der Mathesi
rühmt? und will doch ein
Frauenzimmer erheben, welches sich in fremde
Händel mischt, worinnen sie doch meistentheils
nichts als blose Pfuscher sind. Wir wollen des
Hochmuths dieses
Geschlechts nicht einmahl
gedencken, welcher nur dadurch vermehret
wird. |
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Unser
Satz ist also dieser: Ein Frauenzimmer muß erstlich
hauswirthlich, und darnach
klug
seyn. Ist sie dieses, so kan sie gelehrt werden, nur
muß sie es nicht seyn wollen, und kan derjenigen
Hand, welche die Nadel und Kochlöffel wohl
führet, die Feder nicht versagt werden, nur
müssen die erstern der letztern vorgezogen
werden. Doch hoffen wir hierbey, daß diejenige
Frau,
welche ihren
eigenen
Pflichten wohl
vorstehet, an die Eitelkeiten, die von denen
Schmeicheleyen theils
eigennutziger, theils in sie
vergaffter Manns-Personen herrühren, nicht
gedencken wird. |
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Regierung des Tun und Lassen |
Die Erziehung derer Kinder ist die
Regierung
ihres
Thuns und Lassens. Man muß hierbey den
Unterschied machen, ob die Kinder noch in ihren
ersten
Jahren sind, oder ob sie allbereit einigen
Verstand erlangt haben. In denen ersten Jahren
sind sie bloß durch
sinnliche Dinge zu
regiren, der Trieb zum
guten
muß durch die
Liebe, welche sie
gegen ihre
Eltern und Vorgesetzten haben, befördert werden, und der Abscheu vor
dem
bösen durch die sinnlichen
Straffen. |
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Es ist ein Vorurtheil, welches aus der
närrischen Lieb derer Eltern
entspringet, daß man kleine Kinder nicht schlagen müsse. Man hat gemeiniglich
die Ausrede, sie wüsten nicht, warum sie geschlagen würden. Die
Erfahrung aber
weist es anders. Die Kinder
wissen gar wohl, warum sie die
Straffe
leiden, wenn nur die Straffe alsbald auf die böse
Handlung folget. Freilich wenn
man das Kind alsdenn straffen will, wenn die Handlung einen halben
Tag vorüber
ist, und man ihm noch so sehr dabey zuredet, so hat es keine
Würckung
in dem schwachen Verstande derer zarten Kinder. Wenn sie aber ihr Verbrechen
annoch vor Augen sehen, so bemercken sie gar wohl das
Übel, das darauf erfolget,
und wenn sie die Handlung zum andern mahl vornehmen wollen, so stellet sich auch
der
Begriff
von dem Übel gleich mit ein, welches sie davon abhält. |
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Doch muß man in denen Kindern nicht eine
allzugrose Furcht zu erregen suchen. Es hat
dieses einen allzustarcken Eindruck in die
Gemüther, so, daß manche dergleichen Dinge in ihrem
gantzen
Leben nicht loß werden können.
Dahin gehören die albernen Possen von den
Knecht Ruprecht, Gespenstern und dergleichen
mehr, welche offtermahls eine
Ursach einer,
grossen erwachsenen Leuten immer anklebenden
Furcht seyn. Die Furcht vor der Ruthe
verliert sich,
wenn dieselbe wegkommt, |
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{Sp. 661|S. 346} |
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die
Begriffe aber von diesen Narrens-Possen
bleiben beständig bey ihm. |
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Ferner müssen solche Kinder durch gute
Exempel regiert werden. Wer nicht
vermögend ist,
eine
Sache nach seinem eigenen
Grunde zu
erkennen, der kann doch etwas vor
gut halten,
weil er es bey solchen Menschen sieht die er doch
vor verständig hält. Die Kinder können noch nichts
beurtheilen, deswegen folgen sie dem Exempel
andrer. Was vor gutes durch gute, und was vor
böses durch böse Exempel könne
gewürcket
werden, siehe unter dem Titel
Exempel.
Tom. VIII.
p. 2330. |
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Sind die Kinder zu
Verstande gekommen, so
ist es am allerbesten, sie durch gute
Vorstellungen
zum guten zu bringen, und von bösen abzuleiten.
Die Eltern müssen zwar jederzeit suchen, von
ihren Kindern geliebet zu werden, aber nunmehro
auf eine
vernünfftige Weise. Der
Sohn muß den
Vater, nicht weil er Vater ist, sondern weil er ihm
so viele Wohlthaten erzeiget hat, verehren. Bey
der vorigen Zucht war die Liebe und Exempel
derer Eltern nur ein bloses Praejudicium
autoritatis. Solche Vorurtheile aber müssen nur in
Subsidium gebraucht werden, wenn man keine
andere Vorstellungen thun kan. Sobald als sich
aber die Vernunfft einfindet, müssen diese
weichen. |
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Die sinnlichen Straffen müssen gleichfalls
aufhören. Sie erwecken nur eine
knechtische,
nicht aber eine kindliche
Furcht, das ist, die Furcht
währet nur so lange, als man der
Straffe nicht
auszuweichen vermeynet, sie ist also nur eine
Abhaltung von dem
öffentlichen, nicht aber von
dem geheimen
Bösen. |
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Doch müssen bey allen diesen die Eltern den
Verstand ihrer Kinder nicht nach denen Jahren,
sondern nach der wahrhafften Beschaffenheit
beurtheilen. |
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Die Eltern haben noch zwey Abwege
überhaupt bey der Kinderzucht zu vermeiden. Der
eine ist die Familiarität, in welche die
Mütter
gemeiniglich zu verfallen pflegen, und die
despotische Regierung, welches gemeiniglich ein
Fehler derer Väter ist. Jenes hebt alle Furcht,
dieses aber alle
Liebe auf. Da dieses aber
Mittel
bey der Kinderzucht sind, so kan man leicht
erachten, was durch deren Hintansetzung vor
Schaden entstehen könne. |
|
Literatur |
Die
Auctores, welche von dieser
Materie
geschrieben, sind nachfolgende: |
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|
Einige handeln überhaupt in denen
Schrifften
der
Klugheit davon, als |
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-
Thomasius in dem Entwurff der Politischen
Klugheit …
-
Wolff in denen Gedancken vom
gesellschaftlichen Leben derer Menschen 3.
- Heumann in politischer Philosoh. 5.
- Rohr in der
Klugheit zu leben 15.
|
|
|
Andre haben hiervon besondere Schrifften
verfertiget, als Fenelon l'Education des Filles Paris
1687.1697. in 12. Francke hat dieses ins
Teutsche übersetzt,
Halle
1698. in 12. Es ist
auch nebst Loks
Büchern von Erziehung derer
Kinder zu
Leipzig 1708.
in 8. heraus
gekommen. |
|
|
Locke hat l'Education des Enfans in
Englischer Sprache
geschrieben, welches Peter
Coste ins
Frantzösisch übersetzet Amuer 1696.
und 1708 in 8. |
|
|
Crousac gab nouvelles maximes sur
l'Education des enfans 1718.
heraus.
Er hat darinnen die Fehler, die bey der Kinderzucht vorzugehen pflegen,
vorgestellet, und ehe man seinen
Vortrag a con- |
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{Sp. 662} |
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|
trario verstunde, machte dieses
Werck viel
Aufsehens. |
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|
Von denen Frantzosen haben wir noch diese
Wercke: |
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|
- les Regles de l'Education des Enfans …
Paris. 1687.
- Entretiens sur ce, qui forme l'honne
Homme … par Mr. de Lelevel Paris 1690. in 12.
- Maximes pour l'Education d'un jeune Seigneur …
Paris 1690. in 12.
- Maximes et Reflexions sur
l'Education de la Jeunesse … Paris 1690. in 12.
- La belle Education par Mr. Bordelon. Paris 1693.
in 12.
- de l'Obligation, que les Peres et Meres ont,
d'instruire eux mesmes leurs Enfans.
- Fr. Baratier
merckwürdige Nachricht von einem sehr
frühzeitigen gelehrten Kinde und 14. jährigen
Magistro nebst vielen zur Kinder-Zucht gehörigen
nützlichen Anmerckungen. Stet. und Leipz. 1735.
in 4.
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|
|
Diejenigen, welche von der Erziehung
fürstlicher Printzen insbesondere geschrieben,
findet man in Arndii Bibliotheca Politico-Heraldica … |
|
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Unter denen ältern ist Conradi Heresbachii
Comment. de Institutione Principis 1570. 4. zu
mercken, welchen
Hertzog Friedrich Wilhelm zu
Altenburg
Administrator der
Chur-Sachsen, so
hoch hielte, daß er solches dem Chursächsischen,
und damahls noch unmündigen, Printzen unter
folgenden
Titel
drucken ließ: Heresbachii J.C. de
educandis … Lib. 2. Torgau 1589. zu welchem noch
andere Wercke von dieser Materie als Pontani,
Sturmii, Petrarchae, Erasmi gekommen sind. |
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Von denen neuern ist Wagenseils
Tractat von
Erziehung eines Printzens bekannt, welches von
keinen besondern Werth ist, und
A. 1719. kam
eines ungenannten Durchlauchtige Kinder Zucht
heraus. |
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Des Claudii Quillets Callipaedia oder Lehr-Gedichte, wie man schöne und gute Kinder
erziehen solle, welches zu
Leipzig 1709. wieder
aufgeleget worden, gehöret eigentlich nicht hieher.
Denn er zeiget nur, wie die Eltern bey dem
Beyschlaffe müssen beschaffen seyn, wenn sie
schöne Kinder
zeugen
wollen. Baillet in seinem
Jugemens des Sçavans …
urtheilet nicht
unrecht,
Quillet habe in diesem Stücke mehr
Erfahrung
gezeiget, als sich vor einen
Abt schicke. |
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Die besondere Arten Kinder zu erziehen, hier
nach der Reihe zu erzehlen, würde zu weitläufftig
fallen; wer also die beyden besonders
merckwürdige Arten der Kinder Zucht wissen will,
schlage in unsern Wercke da nach, wo wir von
denselbigen
Volck und
Lande handeln. |
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