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Zedler: Annus HIS-Data
5028-2-410-5
Titel: Annus
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 2 Sp. 410-419
Jahr: 1732
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 2 S. 222-227
Vorheriger Artikel: Annu, eine Wurtzel
Folgender Artikel: Annus actiacus
Siehe auch:
Hinweise:

  Text Quellenangaben
  Annus, das Jahr, ist eine Zeit von gewissen Monathen, Wochen oder Tagen, nach welchen alle morate Völcker die Zeit nach dem Lauff des Gestirns, der Sonnen oder des Monden, abzumessen pflegen.  
  Sonderlich nennet man also die Zeit vom Winters Anfange bis wieder zum künfftigen Winter.  
  Annus, saget Festus, komme her vom Griechischen enos, welches auch ein Jahr heist, und dahero kommt auch trienon, triennium.  
  Annus ist zweyfach, vel magnus, vel parvus. Jenes wurde Solaris, dieses Lunaris genennet; Jenes hieß auch sonst longus, und bestund aus XII. annis Parvis oder Mensibus.  
  Die Poeten pflegen auch wohl den Winter, oder den Frühling, oder auch den Herbst zuweilen insbesondere annum zu nennen.  
  Es haben nicht alle Völcker die Jahre eines wie das andere, sondern manche haben ein halb Jahr vor ein gantzes, manche 3. auch 4. Monathe vor ein Jahr gerechnet; Besonders ist das politische Jahr bey nahe so vielfach, so vielerley Völcker.  
  Das Jahr ist entweder naturalis, natürlich, oder civilis, s. legalis, bürgerlich, i.e. wie es die Gesetze rechnen. Jedes nun wird anders gerechnet, als das andere.  
  Denn das natürliche Jahr wird vom moment bis wieder zum moment gerechnet. l. 132. π. de V.S.
  Dergleichen Ausrechnung des Jahrs ist bey Heyrathen nöthig; Nov. 74. et 100.
  Desgleichen bey Pupillen und minorennen, denn da werden auch die Jahre von dem Augenblick ihrer Geburth an, biß auf eben dieselbige Stunde und Augenblick, da sie mündig oder majorenn werden, gerechnet, und ehe auch dieselbige Minute nicht vorbey, werden sie nicht vor mündig geachtet, l. ult. C. quando tutor.
  Desgleichen in Praescriptionen, Verjährungen derer Actionum temporalium, von welchen siehe unten Temporalis Actio et l. 6. d. Obs. et act. l. 1. C. d. Carb. Edict.  
  Civiliter wird das Jahr gerechnet, nehmlich vom Tage an bis wieder zu denselben Tage, dahero, wenn einer nur den letzten Tag des Jahres erlebet, so hat er schon das Jahr vollendet. l. 134. d. V.S.
  Dergleichen Ausrechnung ist bey Erlangung derer Ehren-Ämter und Stellen etc. bräuchlich. l. 5. d. test.
  und wer darinne den Tag angefangen, wird geachtet, als hätte er ihn schon vollendet.  
  Hingegen bey der natürlichen Ausrechnung muß auch der letzte Augenblick vorbey seyn, ehe das Jahr vollendet wird.  
  Alle 4. Jahre ist ein Schalt-Jahr, welches eben so wohl wiederum civiliter und naturaliter ausgerechnet wird, und wenn einer civiliter, z.E. den letzten Bissex-  
  {Sp. 411|S. 223}  
  to gebohren, und er erlebet im folgenden Jahre nur den ersten Bissextum, so wird schon gehalten, daß er das Jahr vollendet habe: Naturaliter aber nicht, denn da muß auch der letzte Bissextus vollendet seyn.  
  Anni pars major, der gröste Theil des Jahres, wenn nehmlich schon 6. bis 7. Monathe im Jahre würcklich vorbey sind. Jedoch in Interdicto utili wird der gröste Theil nicht nach der Anzahl derer Monathe und Tage des Jahrs gerechnet, sondern nach der Länge der Zeit, die einer besessen hat. Denn wer länger besessen hat, als der Gegentheil, gewinnet, wer weniger Zeit besessen, verliehret. Goed. ad l. 156. …
  Annus continuus, ein Jahr von 365. Tagen, darunter alle Fest-Tage mitgerechnet werden. Mynsing. in Pr. Inst.
  Annus currens, das lauffende Jahr: Also wird offtmahls gesetzet anni currentis; des lauffenden Jahrs.  
  Anni discretionis werden genennet die Jahre, wenn einer zu seinem Verstande kommt.  
  Annus et dies, Jahr und Tag.  
  Annus Imperatoris, das Jahr des regierenden Kaysers, so die Notarii in ihren Instrumenten setzen. Kayser Diocletianus hat durch ein Edict die Jahr-Zahlen nach denen Römischen Consulen zu rechnen verboten, und befohlen, daß man in dem Römis. Gebiete die Jahre von Anfang seiner Regierung an rechnen u. zehlen solte, welches den 29ten August des 254ten Jahres nach Christi Geburt trifft, so auch insgemein bis auf das Jahr 532 geblieben, da man angefangen, von der Geburth Christi an zu zehlen.  
  Annus utilis, ein Jahr von 365. Tagen, darunter die Feyertage nicht mit gerechnet werden; oder ein nützliches oder gerichtliches Jahr, ist, da nicht 365. gemeine, sondern so viel Gerichts-Tage ein Jahr ausmachen. Schneidew. in §. sed et lex Cornelia
  Wer von dem Anno utili und continuo mehr zu wissen begehret, der beliebe nachzuschlagen
  • Gentil. tract. de divers. temp. Appellat. …
  • Gail. lib. 2. …
  • Guilhel Moncian qvaest. Juris
  Annus deservitus, der bereits verdiente Lohn bis auf die Zeit, da die Priester, oder sonst Geistliche oder andere Personen gestorben. Und wie sie es bey ihrem Leben jure perfecto fordern können, also geniessen diese verdiente Besoldung alle rechtmäßige Erben. Wenn derowegen in Sachsen keine besondere Ehe-Beredung vorhanden, so hat die Wittbe, wenn Kinder da seyn, den vierdten, wenn aber selbige mangeln, den dritten Theil darvon zu geniessen. Carpz. Def. 177.
  Es muß aber dieselbe ihr Einbringen lassen, oder in gemeine Erbschafft einwerffen. Carpz. …
  Es ist auch unstreitig, daß, gleichwie die Erben aus der übrigen Verlassenschafft, also absonderlich aus der rückständigen Besoldung des Verstorbene Schulden bezahlen, auch das freywillig geschwächte Inventarium ergäntzen müssen. Carpz. …
  Nur ist man nicht einig, welche Besoldung vor verdienet geachtet werden solle. Die allermeisten meynen, daß nach dem Römischen Rechte das gantze Jahr vor verdienet zu achten sey wenn einer, der mit dem Kopff arbeitet, auch in dessen Anfange verstürbe, und suchen es zu beweisen aus dem L. 4. d. Offic. Assess. …  
  Aber aus diesen allen läst sichs gar nicht schliessen. Denn was daselbst verordnet ist, daß das nur ange-  
  {Sp. 412}  
  fangene Jahr für verdienet zu achten sey, machet keine Regel, sondern gehöret zu denen Exceptionibus, indem solches entweder aus besondern Gnaden der hohen Obrigkeit, oder wegen sonderlicher Abrede derer Contrahenten in gewissen Fällen ist eingeführet worden. Zu geschweigen, daß sie mehrentheils von denen Advocatis Fisci reden, die ohne dem in unterschiedenen Dingen gantz besondere Privilegia gehabt haben.  
  Die Besoldung des verstorbenen Pfarr-Herrn ist wohl am gewissesten so weit vor verdienet zu achten, so lange er gedienet hat. Denn dieses hat eine natürliche Ursache, indem, wenn iemand wegen zu leistender Dienste Sold empfänget, die natürliche Erklährung ist, daß man ihm nur so lange die Besoldung verspreche, als er die Dienste würcklich leistet. Denn alles beydes wird unter dieser Bedingung versprochen, wenn also eines mangelt, so fället auch das andere weg. Es stimmet auch darmit das Römische Recht überein. L. 14. L. 16. §. 6. C. d. erogat. milit. ann.
  und mangelt es nicht an Auctoritaet derer Rechts-Gelehrten selbsten.
  • Andr. Alciatus in Comment. …
  • Bachov. ad Treutler. …
  • Groenevvegen ad L. 15. …
  • Christianaeus Vol. V. …
  • Carpz. P. II.
  • und Titius in der Probe des geistlichen Kirchen-Rechts 2. B. Hauptst. §. 14. …
  Dieweil aber in unsern Kirchen die Besoldungen alle Quartal gezahlet werden, so wird dasselbe vor erfüllet und verdient geachtet, wenn gleich etliche Wochen daran mangeln. Werden die Besoldungen alle Monathe ausgezahlet, so ist es billig, daß alle angefangene vor verdient gehalten werden, weil es eine kurtze Zeit ist. Und da die Einkünffte derer Prediger von unterschiedener Art seyn, so muß auch vor allen Dingen auf die Natur dererselben gesehen werden.  
  Gleichwie man aber in Austheilung der Besoldung auf die Zeit, wenn einer das geistliche Amt angetreten hat, sehen muß, also ist die Gewohnheit eines jeden Orts darinnen unterschieden. Bey denen Parochial-Kirchen ist es gemeiniglich in denen Kirchen-Ordnungen ausgemacht. Also in Chur-Sachsen werden die Früchte pro rata temporis getheilet. Nur ist dieses besonders, daß daselbst der Anfang des Jahrs nicht von der Zeit, da einer das Amt angetreten, sondern von Michaelis angerechnet wird. Also saget Carpz. …  
  Auf denen Dörffern und auch in denen Städten, da die Pfarrer und Diaconi ihre Besoldung nicht am Gelde und Quartals-Weise, sondern Decem, Ackerbau und Haußhaltung haben, wird es also gehalten, daß des gantzen Jahrs Einkommen und Verdienst von Michaelis an, bis wieder auf Michaelis, und was von Decem an Getreydig, oder auch Geld-Zinsen zum Einkommen gehören, werden gerechnet, daß sie Michaelis verdienet seyn, ob sie schon erst um Martini, Weyhnachten oder Fastnacht fällig.  
  Eben so wird es auch gehalten nach der Magdeb. K.O. ... Und soll die Computation iedesmahl von Michaelis bis Michaelis angeleget werden, dergestalt, daß alle Ein- und Aufkünffte von solcher Zeit bis dahin in eine Massam geschlagen und die Partheyen darnach entschieden werden.  
  Da nun ein Pfarrer um Michaelis mit Tode abgehet, so geniessen dessen Wittbe und Kinder alles dasjenige, was der Vater bey seinem Leben verdienet, aufs gantze Jahr. Ingleichen, wenn ein Pfarrer 6. Wochen  
  {Sp. 413|S. 224}  
  nach Michaelis, Weyhnachten, Ostern oder Johannis verstirbt, soll dessen Wittbe und Erben das halbe Jahr die Besoldung geniessen. Wenn aber der Fall im Ausgang des Quartals geschiehet, alsdenn haben die verstorbenen Wittbe und Erben dasselbe Quartal mit dem halben Gnaden-Jahr zu geniessen.  
  An welchen Orten aber der Pfarrer keine Decem noch Haußhaltung oder Ackerbau hat, sondern die Besoldung an Gelde von Quartalen entrichtet wird, sollen des verstorbenen Pfarrers oder Diaconi Wittbe und Erben die Besoldung des Quartals, darinnen der Fall geschiehet, weiter nicht, pro rata temporis, haben, es wäre denn, daß die meiste Zeit des Jahres, bis auf einen Monath zur Zeit des Absterbens, abgelauffen, auf solchen Fall verbleibet des verstorbenen Erben das Salarium nebst denen Accidentien völlig. Und so wird es auch an vielen andern Orten gehalten.  
  Aus dem bißhero angeführten folget also, daß  
 
1) nicht auf die Zeit der Erndte, da die Früchte eingesammlet, könne gesehen werden.
 
 
2) Alle die Accidentien, so ein Geistlicher aus dem Beicht-Stuhl, Tauffe, Trauung etc. bekommet, können die Erben nicht geniessen. Die übrigen aber, welche er jährlich zu geniessen hat, haben die Erben des Verstorbenen allerdings zu fordern.
 
  Diese sind entweder ordentliche, oder ausserordentliche: jene, die er alle Jahr zu gewissen Zeiten einzunehmen hat; Diese aber, so zwar nicht alle Jahr sich ereignen, doch aber unter die Parochial-Einkünffte müssen gezehlet werden, z.E.  
 
1) das Jus patronatus, so an etlichen Orten der Pfarr-Herr hat, und wovor eben das Laudemium muß gegeben werden.
c. 7. X. d. Jur. patron.
 
2) Das Recht des Dominii directi in Emphyteusi.
 
 
3) Gewisse Zehenden, als Fohlen- und Vieh-Zehende. Doch werden diese nach der Meynung des Carpzovsgetheilet. Wiewohl das Gegentheil behauptet Finckelthaus d. jur. patron. ….
 
 
4) Das Haupt-Recht oder Haupt-Fall.
 
 
5) die Straff-Gelder u.a.m.
 
  Ferner fliesset daraus, daß vor allen Dingen die Unkosten, ehe die Theilung geschiehet, müssen abgezogen werden. Carpz. l.c.
  Bey denen Stifftern pflegen etliche aus denen Einkünfften, so nach dem Tode des Canonici seine Erben zu geniessen haben, dreyerley Arten zu machen.  
 
1) Die eigentliche von denen Verstorbenen verdiente Besoldung,
2) die Nach-Jahre, welche denen Erben zukommen, und
3) das Gnaden-Jahr, welches der Wittwe und denen Kindern gegeben wird:
 
  Was die ersten anbelanget, so ist man Catholischer Seits nicht einig gewesen, in dem viele in den Gedancken gestanden, daß die Geistlichen nicht Herren derer Einkünffte wären, und also können sie auch dieselbe von dem letzten Jahre ihren Erben nicht assigniren. Ziegl. d. dot. Eccl.
  Welchen Zweiffel aber man sich heutiges Tages nicht mehr machet.  
  Ferner ist in dem c. 8. d. testam. verordnet, daß kein Geistlicher von denen Einkünfften aus denen geistlichen Beneficien ein Testament machen könne, sondern daß die Kirche darinnen succedire. Aber auch dieses ist heutiges Tages gehoben, indem durch die Dispensation des Pabsts und hergebrachte Gewohnheit die Erben zu der Verlassenschafft derer Geistlichen gelangen können. Espen. P. 2. …
  Und dieses alles gehet die Protestanten gar nichts an.  
  Nach diesem ist die Frage? wie die Früchte getheilet werden müssen? Etliche meynen, es müsse geschehen, wie in dem Nießbrauch, also, daß  
  {Sp. 414}  
  die percipirten denen Erben des Verstorbenen; die pendentes aber dem Successori gehörten. Welches auch etliche derer Protestantischen Scribenten vertheidigen.
  • Carpz. L. II. …
  • Schilt. I.I.C.
  aber dieses ist falsch.  
  Denn die Einkünffte oder die Besoldung geniesset ein Geistlicher nicht umsonst, sondern wegen seines Amts und derer Dienste, so er der Kirche davor zu leisten schuldig ist.  
  Andere machen einen Unterscheid unter Beneficiis simplicibus et non simplicibus. Jene bestehen darinnen, daß einer die horas Canonicas abwartet, die Messe lieset, u.d.g. Diese aber sind, wenn iemand eine gewisse Gemeine zu versorgen hat, und als ein geistlicher Hirte derselben vorstehen muß. In diesen will man die Erben zur Geniessung derer Einkünffte des letzten Jahres lassen, nicht aber in jenen. Aber auch dieses findet keinen Grund. Denn ein Canonicus geniesset sowohl seine Besoldung, oder Einkünffte, wegen seines geistlichen Amtes, als ein anderer Geistlicher.  
  Es giebet aber bey denen Stifftern sogenannte Gnaden-Jahre, welche mehr mit dem anno deservito übereinkommen. Denn es ist in etlichen Stifftern die Gewohnheit, daß, wann das Prob-Jahre vorbey ist, man dennoch binnen einem, zwey, oder auch wohl drey Jahren, von denen Einkünfften nichts zu geniessen hat, und dennoch alle diejenigen Officia abwarten muß, welche denen Canonicis, so würcklich die Hebung haben, obliegen, und die auch deswegen die Carentz-Jahre genennet werden. Wenn also ein Canonicus stirbet, so haben deswegen dessen Erben die Einkünffte der Praebende ein oder etliche Jahre zu geniessen.  
  Es sind dieselbe zu Zeiten in denen Statutis determiniret, zu Zeiten aber werden sie durch einen Vergleich, so zwischen dem Stifft und dem neuen Canonico aufgerichtet wird, ausgemacht. Man nennet sie auch generaliter Nach-Jahre. Man muß dieses deswegen beobachten.  
 
1) wegen der Frage: Ob diese Nach-Jahre nur die Wittwen und Kinder, oder auch alle Erben zu geniessen haben? Denn wenn sie als eine verdiente Besoldung betrachtet werden, so gehören sie allen Erben. Sind es aber würckliche Gnaden-Jahre, so werden nur die Wittwen und Kinder darzu gelassen, die übrigen Erben aber ausgeschlossen. Es müste denn in denen Statutis ausdrücklich ein anders ausgemacht seyn.
 
 
2) Geniessen die Erben im ersten Fall die Einkünffte derer Nach-Jahre, wenn sie die Erbschafft antreten, sonst aber nicht. Gehören sie aber zum Gnaden-Jahre, so haben die Wittwe und Kinder dieselben zu fordern, wenn sie gleich der Verlassenschafft ihres Vaters renunciiret haben.
  • Stryk. cit. diss. …
  • Brunnem. L. 2. …
  • Carpz. L. 1. … und Schilter. I.I.C.
  Und zwar siehet man bey denen Stifftern nicht allein auf die Zeit, wenn einer das geistliche Amt angetreten hat, sondern es muß auch ein Canonicus seine Residentz angefangen, und wenigstens einige Zeit darvon zugebracht haben. Denn diese muß er halten wegen des ihm obliegenden geistlichen Amtes, und wegen diesen empfängt er die Revenüen. Wenn also ein Canonicus binnen der Residentz-Zeit stirbet, so bekommen dessen Erben dieselben, pro rata residentiae anni. Hat er die Residentz gantz absolviret, so gehören auch seinen Erben die Einkünffte des gantzen letzten Jahres. Denn er hat sein geistliches Amt ver-  
  {Sp. 415|S. 225}  
  richtet, weswegen er gemeldte Einkünffte zu geniessen hat. Welches alles auch statt findet, wenn er resigniret, es müste denn in denen Statutis ein anders enthalten seyn.  
  Ausser der verdienten Besoldung haben des verstorbenen Pfarr-Herrns Wittwe und Kinder noch das Gnaden-Jahr. Es wird durch dasselbe nicht die Zeit selbsten, sondern das Einkommen einer gewissen Zeit, und denn das Recht, selbiges zu geniessen, verstanden. Stryk. d. anno grat. 1.
  Man hat dieses in Protestantischen Ländern der Wittwe und denen Kindern zu dem Ende gegeben, weil mehrentheils die Einkünffte schlecht sind, und also von einem Prediger nicht viel nach seinem Tode kan verlassen werden. Es kommet aber denenselben bloß aus sonderbarer Gnade der hohen Obrigkeit zu. So lange also dieses dauret, wird die Kirche durch die benachbarte, oder in einer Stadt durch die übrigen Prediger versehen.  
  Was die Personen, so dasselbe zu geniessen haben, betrifft, so ist schon gezeiget, daß es ein sonderliches Privilegium sey, welches von der Gnade der Landes-Obrigkeit herrühret. Derowegen, wenn sich iemand dessen anmassen will, muß er solches beweisen, es wäre denn unläugbar und notorisch. Stryk. c.l.
  Es geniessen also dieses die Wittwe und Kinder derer Pfarr-Herren, und wenn jene nicht vorhanden, so haben es diese alleine. Zu welchen die Enckel, Uhr-Enckel und Nach-Enckel, u.d.g. gerechnet werden. Wenn Kinder erster, oder folgender Ehe, mit der letzten Frauen, als Stieff- Mutter, vorhanden sind, so werden sie gleicher Gestallt zum Gnaden-Jahre gelassen. Stryk. …
  Es ist auch nichts daran gelegen, ob sie noch unerzogen, und in des Vaters Hause, oder ob sie allbereit erwachsen und versorget sind. Angenommene Kinder, oder die durch eine gäntzliche Abtheilung von dem väterlichen Guth abgesondert sind, haben sich dieser Gnade nicht zu erfreuen. Die aber durch die folgende Heyrath ehrlich gemachet, und auch diejenigen, so durch Fürstlichen Befehl in solchen Stand gesetzet, wenn sie nehmlich zur Erb-Folge zugleich sind geschickt gemachet worden, haben derselben zu geniessen. Stryk. …
  Die Wittwe geniesset dieses Gnaden-Jahr, wenn sie schon ihr Einbringen wieder nimmt. Sie kan auch nebst demselben die statuarische Portion fordern. Es gebühret auch dieselbe denen Kindern, wenn sie gleich die väterliche Erbschafft nicht annehmen, oder, wenn sie rechtmäßig enterbet wären. Sie sind auch nicht schuldig, des Verstorbenen Schulden vom Gnaden-Jahr zu bezahlen, man kan auch dieses nicht mit Arrest belegen, denn es kommt nicht von dem Verstorbenen her, sondern aus Gnaden der hohen Landes-Obrigkeit. Stryk. …
  Wenn keine Wittwe oder Kinder da seyn, so haben die übrigen Anverwandten des verstorbenen Pfarr-Herrns das Gnaden-Jahr nicht zu geniessen, wenn es gleich Eltern, Brüder, oder andere nahe Anverwandten seyn. Es können auch die Testamentlichen Erben dasselbe nicht praetendiren, indem die Privilegia nur von der Wittwe und Kindern reden. Man pfleget also in solchen Fällen dasselbe zu einem andern Gebrauch anzuwenden. Stryk. …
  Versterben die Wittwe oder Kinder nach dem Tode des Pfarr-Herrns, so versenden sie ihr Recht zum Gnaden-Jahr auf alle ihre Erben. Stryk. …
  Wie aber das Gnaden-Jahr unter die Wittwe und  
  {Sp. 416}  
  Kinder, oder diese alleine zu theilen sey, ist man nicht einig. Denn bey der Wittwe und Kindern hat man dreyerley Meynungen. Etliche halten davor, daß die Wittwe den halben, und die sämtlichen Kinder den andern halben Theil bekämen.
  • Fickelth. de Iur. Patronat. …
  • und Stryk. …
  Andere meynen, Wittwe und Kinder theilten nach denen Häuptern oder Personen. Carpz. L. XI.
  Andere aber sprechen nach denen Land-üblichen Gesetzen und Gewohnheiten. Carpz. L. 1. …
  Welche Meynung auch die allerwahrscheinlichste ist; denn wenn gleich Carpz. … einwendet, es werde im Gnaden-Jahr nicht durch Erb-Recht gefolget, und könne man also von diesem auf jenes nicht schliessen, so kan aber doch wohl die Theilungs-Art, so bey dem Erb-Recht statt findet, auf dasselbe gezogen werden. Es thut auch nichts zur Sache, wenn man gleich sagen wolte, daß solchergestalt auch Eltern, Brüder, und andere nahe Anverwandten im Gnaden-Jahr zugelassen werden müsten. Denn die Erbgangs-Ordnung wird in so weit angenommen, in so weit ein anders nicht verordnet ist. Nun aber sind die übrigen Anverwandten des Verstorbenen deutlich gnug vom Gnaden-Jahre ausgeschlossen, also, daß sie die Erb-Rechts-Ordnung vor sich nicht anführen können. Eben daraus folget, daß auch sonderliche Ehe-Stifftungen auf das Gnaden-Jahr nicht können gezogen werden.  
  Weil aber alle diese Dinge bloß alleine auf Muthmassungen ankommen, so hat man, allen Streit zu heben, in Sachsen die mittlere Meynung angenommen; daß nehmlich Wittwe und Kinder nach denen Häuptern theilen sollen.
  Wenn die Kinder alleine, und alle im ersten Grad sind, z.E. Söhne und Töchter, so theilen sie insgemein nach denen Häuptern; sind aber nebst denen Söhnen Enckel, oder diese alleine, so geschiehet die Theilung, was die Enckel betrifft, nach denen Stämmen.
  • Carpz. …
  • Berger. in supplem. ad process. matrim.
  Wie wohl nicht alle dieser Meynung beypflichten. Stryk. …
  Wie lange das Gnaden-Jahre dauern solle, das setzet die hohe Landes-Obrigkeit. An etlichen Orten ist es ein gantzes Jahr, aber an andern nur ein halbes; deswegen wird es auch insgemein das halbe Gnaden-Jahr genennet, Stryk. …
  Dasselbe fänget gleich nach dem anno deservito an zu lauffen, denn durch den Tod höret der Verdienst auf, es kan auch ordentlicher Weise weder verlängert noch verkürtzert werden, Carpz. …
  ausgenommen im Noth-Fall, wie Stryk. … davor hält.  
  Es begreiffet das halbe Gnaden-Jahr die Helffte von allen Einkünfften, so der Prediger, wenn er am Leben geblieben, bekommen hätte. Also gehöret hieher die Wohnung, der Beicht-Pfennig, das Leichen-Geld, und andere Accidentien, was die Filial-Leute zu geben schuldig sind, das Lehen-Geld, u.d.g.  
  Nur ist die Frage, wie Wittwe und Kinder mit dem Nachfolger theilen müssen, in dem die Theilung nicht alleine beym halben, sondern auch bey dem gantzen Gnaden-Jahr statt hat. Stryk. …
  Man pfleget das Jahr von Michaelis an bis wieder zu Michaelis zu rechnen, dieweil ohngefehr um solche Zeit die Früchte eines Jahres eingesammlet, auch der Acker von dar an auf das folgende Jahr bestellet wird. Wenn also gleich an Früchten, Decem, u.d.g. nach  
  {Sp. 417|S. 226}  
  Michaelis, zu Martini, Weyhnachten und Fastnachten etwas zu entrichten, so wird es doch zu dem auf Michaelis geendigten Jahr gerechnet. Carpz. …
  Es muß aber ein Unterscheid unter der Besoldung und denen Accidentien gemachet werden. Diese werden eintzeln nach der Zeit getheilet, was also nach Absterben des Pfarr-Herrns und dem verdienten Quartal im nächstfolgenden Jahre einläufft, das gehöret der Wittwe und Kindern, das folgende halbe Jahr dem Nachfolger.  
  Was aber die Besoldung anbelanget, so macht dieselbe ein gewisses Quantum. Um also den halben Theil auszufinden, nimmt man das Einkommen des gantzen Jahres zusammen. Die Zinsen, Decem, Lehen-Geld, und andere dergleichen Leistungen, rechnet man nicht zu denen Accidentien, sondern zur Besoldung, dahero werden sie nach dem gantzen Jahre unter die Wittwe, Kinder, und dem Nachfolger getheilet. Carpz. …
  Wegen derer Früchte muß man die Sterb-Fälle unterscheiden, nehmlich, wenn der Pfarr-Herr um, oder kurtz vor oder nach Michaelis stirbet, so wird das angehende, und bis künfftigen Michaelis lauffende Jahr unter die Wittwe und den Nachfolger gleich getheilet: Wenn der Prediger um, kurtz vor, oder nach Weyhnachten stirbet, so ist das erste halbe Jahr verdienet, und das folgende halbe Gnaden-Jahr. Stirbt er um Johannis, oder ein wenig zuvor, als um Pfingsten, oder hernach, so sind drey Viertel-Jahr verdienet. Das übrige Quartal, und denn das erste aus dem folgenden Jahr, machen das halbe Gnaden-Jahr. Stirbt der Prediger in der Helffte gemeldter Termine, z.E. zu Martini, Fastnachten, Himmelfahrth und Laurentii, so wird von dar an, nach voriger Masse, das Gnaden-Jahr gerechnet. Wenn aber kurtz vor, oder nach denen angeführten Haupt-Terminen, der Todes-Fall sich ereignet, so macht man von dar an kein neues Ziel, sondern man urtheilet das Gnaden-Jahr nach itztgemeldten Haupt-Terminen. Carpz. …
  Es müssen aber auch die Wittwe und Kinder die Unkosten, so auf Bestellung derer Äcker und sonsten sind angewendet worden, nach ihrem Antheil tragen. Machen sie auch sonsten nöthige Unkosten, so können sie dieselbe wieder fordern. Stryk. …
  Nach geendigter Gnaden-Zeit müssen sie die Pfarr-Stücke räumen, und absonderlich das empfangene Inventarium lassen. Ist also der Prediger um Ostern gestorben, so lassen sie das völlige Inventarium an Vieh, Stroh, Heu und Getreyde, theils in der Scheune oder Boden, theils in denen über Winter bestellten Äckern. Wann der Pfarr-Herr um Johannis stirbet, so wird auch die Winter-Frucht in den Acker gebracht, die übrigen Inventarien-Stücke werden nach Weyhnachten dem Nachfolger übergeben. Stirbet er um Michaelis oder Weyhnachten, so ist die Wittwe schuldig, auch die Sommer-Frucht unter Acker zu bringen, weil die Bestell-Zeit in das halbe Gnaden-Jahr einfället, oder wenn die Äcker brach liegen, die Inventarien-Frucht in Körnern zu lassen.  
  Hat die Wittwe das Inventarium selbsten verringert, so muß sie es aus dem halben Gnaden-Jahr ersetzen. Hat aber der Mann nach seinem Tode einen Concurs gelassen, und sich auch die Kirche unter den Gläubigern wegen des Inventarii angegeben, so nimmt diese die noch würcklich vorhandene Sachen, krafft des Eigenthums, vor allen andern Gläubigern weg. Was aber die consumirten anbetrifft, so hat sie nach  
  {Sp. 418}  
  Sächsischem Recht ein stillschweigendes Unterpfand. O.P.S. …
  doch aber nach der neu-verbesserten Proceß-Ordnung ohne Vorzugs-Recht.  
  Ist das Vermögen des Mannes nicht zureichend, so ist die Wittwe das Inventarium von dem halben Gnaden-Jahr zu ersetzen nicht schuldig. Füget sichs, daß der Nachfolger wegen derer mangelnden Stücke sich mit der Wittwe und Kindern vergleichet, so muß er nichts destoweniger seinem Nachfolger das gantze Inventarium lassen; denn diesem hat er durch seinen Vergleich nicht schaden können. Hat er aber dasselbe aus Unwissenheit angenommen, so darff er nicht mehr wieder geben, als er bekommen.  
  Wittwe und Kinder derer Küster, Schulmeister, Organisten, und dergleichen, haben das Gnaden-Jahr gar nicht zu geniessen, es wäre denn ein anders an einem Ort hergebracht. Es hat auch nicht statt, wenn ein Pfarr-Herr von einer Pfarr zur andern befördert wird. Stryk. …
  Bekommt ein Pfarr-Herr einen Adjunctum, so, daß jener das Salarium behält, so hat auch nach jenes Tode das Gnaden-Jahr statt. Bekommt aber der Substitut die Besoldung, der Pfarr-Herr aber nur eine Provision, so sind die Juristen nicht einig, ob auch in dieser das Gnaden-Jahr statt habe. Carpzov. suchet es zu bejahen. Stryk. aber … verneinet es. Es wird aber am besten seyn, daß man auf die Verordnung eines jeden Ortes siehet.  
  Es stehet auch einem frey, dem Gnaden- Jahre zu renunciiren. Stryk. …
  Sonsten höret auch dasselbe auf,  
 
1) durch Verfliessung der Zeit,
2) durch Absterben der begnadigten Person und Mangel ihrer Erben,
3) durch die neue Heyrath der Wittwen. Jedoch schadet dieses denen Kindern nichts, sondern es wächset ihnen jener Theile zu.
 
  Annus novitiatus, das Prob-Jahr oder Closter-Jahr, kommet von der Einrichtung des Chrodogangi her, welcher nach der Lebens-Art derer Mönche seine Clerisey dahin brachte, daß sie in einer Societaet zusammen, und zwar in einem Closter oder Hause, leben musten. Weil sie nun sehr strenge lebten, so führte man, wie bey denen Mönchen, das Prob-Jahr, oder annum novitiatus ein, damit man nicht nur sehen könte, wie sie sich anliessen, sondern ob sie auch ein dergleichen Leben könnten gewohnt werden. Binnen dieser Zeit musten sie viele Drangsalen ausstehen, sie wurden von allen andern verspottet, musten denen übrigen aufwarten, u.d.g. Und scheinet, daß eben daher nachgehends der Penalismus auf Universitaeten seinen ersten Ursprung genommen.  
  Wann dieses vorbey war, und einer als Canonicus recipiret werden solte, so muste er ein Zeugniß geben, daß er das Prob-Jahr wohl ausgehalten habe. Und dieses ist der Ursprung des noch heutigen Closter-Jahres, ob man gleich sonst in denen Stifften die alte Lebens-Art gantz und gar verlassen hat.  
  Und muß man heutiges Tages auf die Statuta eines jedweden Stiffts sehen; Also ist in denen Halberstädtischen Collegiat-Kirchen verordnet, daß ein ieder Novitius nach beschehener Introduction sein Closter-Jahr auf 26. Wochen und 3. Tage dergestalt erhalten solle, daß er ohne ausdrücklichen Consens derer Capitulorum, oder wegen Leibes-Unpäßlichkeit, keine Nacht ausser der Stadt seyn dürffe, oder, wo er darinnen verfehlte, müste er von neuen anfangen, und demjenigen, der nach ihm kommt, und solches Jahr eher absolviret hat, für sich den Rang und das Senium lassen.
  {Sp. 419|S. 227}  
   
  und Horn. …
  Wenn das Closter-Jahr angefangen werden müsse, kan man aus der Gewohnheit eines iedweden Stifftes erlernen. Wann der neue Canonicus, dasselbe anzutreten, von dem Capitul die Erlaubniß erhalten, so fänget er dasselbe gemeiniglich mit einer Mahlzeit an, welches schon von alten Zeiten ist gebräuchlich gewesen, und dahero mag auch wohl die Gewohnheit seyn, daß er denen übrigen Canonicis den Admissions-Wein geben muß.  
  Nachgehends muß er die erste und letzte Nacht des Closter-Jahrs praecise um 8. Uhr in der Capitul-Stube, um 11. im Schlaff-Saal, und früh und 4. Uhr im hohen Chor in seiner Stelle seyn, und die Horas Canonicas abwarten, weswegen er einen Schein von dem Cämmerer und dem Aedituo bekommet. In dem Schlaff-Saal muß er gantz alleine schlaffen, also, daß niemand bey ihm bleiben darff. c. 7. et 15. X. d. Cleric. non resident. etc.
  Heutiges Tages muß man auf die Gewohnheit eines ieden Stiffts sehen.  
     

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Stand: 25. Oktober 2022 © Hans-Walter Pries