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Zedler: Schuldig HIS-Data
5028-35-1447-13
Titel: Schuldig
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 35 Sp. 1447
Jahr: 1743
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 35 S. 738
Vorheriger Artikel: Schul-Diener
Folgender Artikel: Schuldige Freundschafft
Siehe auch:
Hinweise:

  Text Quellenangaben
  Schuldig, oder Schuldiger, bedeutet in denen Rechten  
 
  • entweder einen Schuldmann oder Schuldner, wovon im nachstehenden ein besonderer Artickel folget,
  • oder dagegen ein Beschuldigter oder Beklagter, Lat. Reus, wovon wir gegenwärtig handeln wollen.
 
  Ein solcher Beschuldigter oder Beklagter heißt demnach überhaupt ein jedweder, , welcher entweder wegen einer würcklich begangenen Missethat in Anspruch genommen, oder derselben nur aus Neid und andern Affecten zur Ungebühr beschuldiget und deßhalber zur Veranwortung gezogen wird.  
  Nach Beschaffenheit der Umstände aber bekommt derselbe gleichwohl verschiedene Namen. So heißt derselbe z.E.  
 
  • in blossen Rüge-Sachen Denunciat,
  • in andern peinlichen Fällen aber Delinquent, Inquisit, Peinlich-Angeklagter, u.s.w.
  • und in bürgerlichen oder Parthey-Sachen nur schlechthin ein Beklagter, oder die Gegen-Part.
 
  Und in diesem letztern Verstande werden zu Anstellung eines ordentlichen Processes vornehmlich drey unterschiedene Personen erfordert, als nehmlich ein Kläger, ein Beklagter, und der Richter.  
  Ein Kläger ist derjenige, so in Gerichten von einem andern begehret und fordert, daß er ihm etwas ausantworte und abtrete, oder was verrichte, zahle und abstatte, und zu dem Ende ihn vorzuladen bittet.  
  Der Beklagte ist, wider welchen eine Klage in Gerichten angestellet wird.  
  Und der Richter, welcher beyde streitende Partheyen entweder durch den Versuch der Güte, oder durch einen Gesetz-mäßigen Ausspruch aus einander zu setzen, und die zwischen beyden entstandene Miß-  
  {Sp. 1448}  
  helligkeiten abzuthun, bemühet ist.  
  In welcher Absicht auch die bekannte Rechts-Regel Statt hat: Wo kein Kläger ist, da ist auch kein Richter, das heißt, wenn sich nicht erst jemand findet, der einen andern in rechtlichen Anspruch nimmt, und bey dem Richter, denselben vorzuladen und zu verurtheilen, bittet; so wird auch in dergleichen Fällen von dem Richter niemahls ein Proceß erhoben und erkannt.  
  Indessen ob auch sonst gleich, gestalten Sachen nach, einem jeden frey stehet, ob er klagen wolle oder nicht; so sind dennoch heutiges Tages gewisse Fälle, da einer sogar vom Beklagten selbst zum Klagen mag heraus gefordert werden.  
  Nehmlich erstlich, wenn jemand einen diffamiret, oder etwas beschuldiget, oder ihm etwas beymisset, so diesem nicht zu leiden stehet, oder, an ihn und seine Güter Anspruch zu machen, drohet, und der Diffamirte davon loß seyn oder es erwiesen haben will.  
  Ingleichen zum andern, wenn einer sich befahret, es möchte jemand einen Anspruch oder Klage, eines Dinges oder Forderung halber, wider ihn vornehmen, und er doch mit einer oder andern Exception oder Schutz-Wehre gefasset zu seyn sich getrauet, dadurch er den vermeynten Anspruch bey Zeiten gründlich ablehnen könne, welche Gegen-Nothdurfft ihm mit der Zeit entstehen möchte; so mag er gleichfalls bey der Obrigkeit ansuchen, daß demjenigen, von welchem er einer Prätension sich besorget, auferleget werde, seine Klage anzubringen, oder gewärtig zu seyn, daß ihm ein ewiges Stillschweigen auferleget werde. Von welchen beyden Rechts-Mitteln ein mehrers beym Carpzov Lib. II. ... wie nicht weniger beym Berger in El. Process provocatorii, desgleichen in der Chursächs. Erläuterten Proceß-Ordnung ... nachgelesen werden kan.
  Besiehe hierbey die Artickel  
 
  • Proceß (Diffamations-) im XXIX Bande, p. 676.
  • desgleichen Provocatio ex L. Diffamari, ebend. p. 1011. u.ff.
  • wie auch Provocatio ex L. Si Contendat p. 1014. u.ff.
 
  Dieses aber indessen bey Seite gesetzt; so wird überhaupt, bey Anstellung eines jeden Processes, sowol in Ansehung des Klägers, als Beklagtens, erfordert, daß die Person geschickt und tüchtig sey, vor Gerichte zu stehen. Daher denn auch die Unmündigen oder Minderjährigen, sie seyn gleich Kläger, oder Beklagte, anderer Gestalt nicht, als durch ihre Vormünder und Curatoren, und mit deren Vollwort, im Gerichte erscheinen, und ihre rechtliche Nothdurfft an- und vorbringen können.  
  Ingleichen mag, nach Sachsen-Recht, keine Weibes-Person, da sie gleich mündig, ohne kriegischen Vormund, in Gerichten etwas vornehmen; widrigenfalls ist Gegentheil nicht schuldig, sich mit ihnen einzulassen. Chur-Sächsis. Proceß-Ordn. tit. 8.
  Ferner ist zu wissen, daß ordentlicher Weise kein Mann vor seine Frau, und keine Frau vor ihren Mann, wie auch kein Sohn vor seinen Vater, und kein  
  {Sp. 1449|S. 739}  
  Vater vor seinen Sohn belanget werden. tit. C. Ne ux. pro marit. und Ne pater pro filio.
  Jedoch sind an etlichen Orten Statuten, daß eine Frau, zumahl in Kauffmanns-Handlungen, vor ihren Mann zu zahlen schuldig sey.  
  Ausserdem sind auch noch gewisse andere Fälle ausgenommen, da ein Vater, wegen seines Sohnes, Abtrag zu thun verbunden ist. Z.E. wenn einer zu des Sohnes nothdürfftigen Unterhalt und zu seinem Besten was vorgeschossen hat.  
  Endlich ist zu erinnern, daß Städte oder andere Communen, nicht anders, als durch einen, oder mehr, gewisse und richtig bestellte Syndicos, in Gerichten klagen, oder, als Beklagte ihre Nothdurfft vor- und einbringen mögen; widrigenfalls, und wenn in der Vollmacht oder dem Syndicat eines Anwalds oder eines Procurators gedacht wird, ist das Syndicat oder die Bestellung eines solchen Syndici ungültig, unerachtet sonsten nichts daran auszusetzen seyn möchte.
  • Erl. Proc. Ordn. ...
  • Carpzov P. I. ...
  • Mevius ...
  Es ist aber ein Syndicus nichts anders, als ein Gevollmächtigter, so von einer Stadt, Gemeine, oder wenn sie ihre ordentliche Regenten und Vorsteher, als Bürgermeister und Rath, hat, selbigen darzu bestellen. Ob aber der Syndicus aus der Gemeinde genommen, oder die Vollmacht einem Auswärtigen aufgetragen werde, daran ist nichts gelegen. Struve in Synt. Civ. ...
  Andere eintzele Personen, die in Gerichten zu thun haben, mögen auch ihre Gevollmächtigte schicken, und einen Anwald bestellen, welches eine solche Person ist, die eines andern Nothdurfft, auf dessen Befehl, verhandelt und in Acht nimmet. Dergleichen Anwald nun wird erstlich entweder zu gerichtlichen, oder zu andern Geschäfften ausser Gerichten bestellet. Auch ist zum andern ein Unterscheid zwischen einem Principal-Anwalde und einem Affter-Anwalde, so nemlich von dem Principal-Gevollmächtigten in der Sache nachgesetzet worden, dergleichen Substitution doch zu machen, dem Principal-Gevollmächtigten, ohne sonderlich gegebene Erlaubniß, nicht zustehet. Carpzov in Proc. ...
  Drittens, ist ein Unterscheid unter einem General-Anwalde, und unter demjenigen, welcher zu einer gewissen Handlung oder Sache bevollmächtiget ist.  
  So ist auch viertens ein anders der Anwald, dessen Vollmacht die Clausul: Cum libera, einverleibet, und ein anders, der nur auf gemeine Weise bevollmächtiget ist. Denn jener kan alles und jedes verrichten, auch dasjenige, worzu sonst eine absonderliche Vollmacht erfordert wird. Wiewohl das sicherste ist, daß dergleichen Fälle ausdrücklich der Vollmacht einverleibet werden; weil einige davor halten, daß, zu solchen Fällen, ein sonst so genanntes Mandatum cum libera nicht hinlänglich sey.
  • Erl. Proc. Ordn. ...
  • Lyncker in Anal. ad tit. mand.
  Damit man nun gewiß sey, daß einer zum Gevollmächtigten bestellet sey; so muß er seine Vollmacht in Gerichten vorzeigen; widrigen Falls wird er abgewiesen. Es werden aber gewisse Personen, auch ohne schrifftliche Vollmacht, zugelassen, nemlich Eltern für ihre Kinder,  
  {Sp. 1450}  
  und Kinder für ihre Eltern; ingleichen Bluts-Verwandte und Beschwägerte für einander. Und zwar Bluts-Verwandte werden bis in den vierten Grad zugelassen; Die Verschwiegerten aber müssen in und auf- oder absteigender Linie, oder als Bruder und Schwester, bis auf den andern Grad der Anverwandniß seyn. Struv. in Synt. Jur. Civ. ...
  Nicht weniger kan auch ein Mann vor sein Weib; und sodenn die Litis Consorten, oder diejenigen, so mit einander eine Sache insgemein in Gerichten führen, und darzu mit gehören, ohne besondere Vollmacht vor Gerichte erscheinen, und dieselben vertreten. Erl. Proc. Ordn. ...
  Wofern aber bey der Vollmacht sich ein Mangel erzeiget; so kan der Gevollmächtigte solchen, durch Angelobung, daß sein Principal, was gehandelt wird, vor genehm halten werde, ersetzen, wofern es nur nicht ein solcher Punct ist, worzu, nach Verordnung derer Rechte, eine absonderliche Vollmacht erfordert wird. Dergleichen Puncte denn alle diejenigen sind, woraus demjenigen, der die Vollmacht gegeben hat, ein allzugrosser Nachtheil und Schaden entstehen kan. Struv. in Synt. Jur. Civ. ...
  Es kann aber niemand einen Anwald bestellen, als nur derjenige, der über die Sache selbst Herr ist. Dannenhero denn auch Unmündige und Minderjährige, ohne ihrer Vormündere Einwilligung, solches nicht thun dürffen. Auch können die Vormünder selbst keinen Anwald bestellen, sondern nur einen Actorem, wie auch die Weibes-Personen, nach Sachsen-Recht, deren Curatores aber können auch ohne ihre Curandinnen Unterschrifft einen Actorem bestellen. Struv. in Synt. Jur. Civ. ... und Erl. Proc. Ordn. ...
     

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Stand: 10. Mai 2024 © Hans-Walter Pries