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Zedler: Richter, Lat. Judex HIS-Data
5028-31-1314-5
Titel: Richter, Lat. Judex
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 31 Sp. 1314
Jahr: 1742
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 31 S. 670
Vorheriger Artikel: Richtendes Gewissen
Folgender Artikel: Richter, Judex
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen, Römisches Recht
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage

Stichworte Text Quellenangaben und Anmerkungen
  Richter, Lat. Judex. Frantz. Juge, Ital. Giudice, ist eine solche Person, die da urtheilet und richtet, und darzu verordnet ist, daß er seyn soll ein Vorsteher der Justitz und Gerechtigkeit, der Recht und Billigkeit steiff und fest handhabe, von Person und Ansehen gestrenge und ernsthafft, der sich nicht bestechen und bereden läst, der  
  {Sp. 1315|S. 671}  
  gerade durchgehet, auf Recht und keine Person ansiehet, die Sententz glücklich abfasset und mit Nachdruck exequiret.  
  Oder ein Richter ist ein vernünfftiger, gewissenhaffter und redlicher Mann, der von der hohen Obrigkeit verordnet ist, irrige Sachen zu schlichten und zu entscheiden, oder auch Verbrechen zu bestraffen.  
  Er soll der Rechte kundig, und in dem Rechtsgange wohl geübt, daneben aber auch gewissenhafft seyn.  
  Er führt ein zweyfaches Amt, das eine wird diensthafft (Mercenarium) das andere hochadlich (Nobile) genennet. Jenes verleihet er, wenn er nach Vorschrifft der Rechte mit ordentlichen Klagen angelanget wird; dieses gibt er nach der Billigkeit, auch wo die Rechte keine eigentliche Klage vorschreiben.  
  Das richterliche Amt ist zweyerley, ordentlich, und ausserordentlich. Ordentliche Richter sind, die über alle Sachen, so vor sie gehören, auf Anruffen der Parthey, zu erkennen haben; ausserordentliche, die allein zu einer Sache besonders verordnet werden, und sonst auch ins besondere Commissarien heissen.  
  Ein Richter ist entweder ein Unterrichter, von dem der beschwerte Theil sich auf einen höhern beruffen oder appelliren kan; oder ein Oberrichter, der keine Appellation zuläst, und bey dessen Ausspruch es sein Verbleiben haben muß, wo nicht ein ausserordentliches Rechtsmittel, z.E. die Supplication, Revision u.d.g. ergriffen wird, und aus erheblichen Ursachen statt findet.  
  Ein verdächtiger Richter kan ausgeschlagen werden, wiewohl solches gegen hohe Gerichte, als dass Reichs-Cammer- oder ein Fürstlich Hof-Gericht, nicht angenommen wird. Besold.
  Ein Richter wird klagbar, und macht sich der Sache theilhafftig, wenn er widerrechtlich dem einen zum Vortheil und dem andern zum Schaden, verfährt. Wenn es mit Vorsatz und aus Boßheit, um Gunst, Feindschafft oder Geschencks willen, geschiehet, begehet er ein straffbares Verbrechen, wird seiner Ehren verlustig, und dem beschwerten Theil völlige Erstattung zu thun schuldig. Wenn es aus Unvorsichtigkeit begangen wird; so ist er zwar von der Straffe, jedoch nicht von der Erstattung des verursachten Schadens frey. So er es aber zu Folge eines erhaltenen Rescripts oder einer rechtlichen Belehrung gethan, ist er von aller Schuld befreyet. Hiervon hat Marcus Rhode zu Franckfurt eine Disp. ausgelassen.
  Einem Richter liegt zwar ob, allezeit mehr der Billigkeit, als dem strengen Rechte zu folgen, und wo es die Gesetze zugeben, den gelindesten Weg zu gehen; doch ist er auch schuldig, über dem klaren Buchstaben des Gesetzes genau zu halten, und wo dasselbe dunckel wäre, die Auslegung nicht für sich zu machen, sondern von der hohen Obrigkeit, als dem Gesetzgeber, zu erwarten.  
  In Entscheidung der Sachen soll er lediglich demjenigen, was von den Partheyen beygebracht, und in denen Acten ausgeführt, nicht aber seinem eigenen Gutdüncken folgen, ob gleich dasselbe der Wahrheit ähnlich scheine.  
  Er soll jederman willig und mit Gedult anhören, von Liebe oder Haß, Gunst oder Ungunst, oder einseitigen Vorbericht und Vorurtheil, nicht eingenommen, nicht dem Geitz ergeben, nicht voreilig und unbesonnen seyn, vielweniger thätlich zu-  
  {Sp. 1316}  
  fahren und widerrechtlich handeln, wodurch er sich seines Amts unwerth macht, sondern gedencken, daß er einen Richter über sich habe, der seines Amts schwere Rechenschafft dermahleinst von ihm erfordern wird.
  • Besold.
  • Speid. Contin. Von dem Amt eines Richters handeln ausführlich
  • Caspar Ziegler in Dicastice s. de judicium officio;
  • Matth. Stephani de judice et ejus officio.
  Was in Streitigkeiten, so das gelehrte Wesen betreffen, ein rechtmäßiger Richter seyn möge, hat Galenus zu erst erörtert, und nach ihm Phil. Scherbius in einer langen Rede ausgeführt, und ihm sieben Eigenschafften beygelegt, nehmlich,  
 
  • daß er mit einer natürlichen Vortrefflichkeit des Verstandes und Nachsinnens, der Einsicht und Beurtheilung, begabet,
  • von Jugend auf in allen freyen Künsten unterrichtet;
  • durch verständige Lehrmeister treulich angeführet;
  • in der Erlernung derselben beständig fortgefahren, und vor andern weit gekommen;
  • ein redlicher, allein die Wahrheit liebender Mann;
  • insonderheit in der Sache, welche er zu beurtheilen vornimmt, gründlich und erwiesen und selbst geübet seyn;
  • und endlich vor dem Ausspruch beyderseits vorgetragenen Gründe reifflich erwogen, und ohne Vorurtheil untersuchet haben solle.
 
  Wo findet man aber so begabte Leute? Harsdörffer.
Römisches Recht Nach denen Römischen Rechten heist ein Richter überhaupt ein jedweder, welcher dem Volcke oder denen streitenden Partheyen das Recht spricht und solche durch seinen Ausspruch aus einander zu setzen sucht, er mag übrigens diese Macht und Gewalt, oder die ihm zuständige Gerichtsbarkeit, gleich von sich selber, oder von einem andern, haben. Jedoch mit diesem Unterschiede, daß jener insgemein ein ordentlicher, dieser aber nur ein delegirter oder ausserordentlicher Richter genennet wird. Bisweilen aber wird diese Benennung auch nur in einem uneigentlichen Verstand genommen, als z.E. von denen Schieds-Richtern. l. pen. ff. de arbitr.
  Sonst heissen die Richter auch ein lebendiges Recht (Jus animatum) desgleichen bei denen Griechen Mesodikoi, oder, wie man es auf Lateinisch geben könnte, Medijurii, weil sie nehmlich zwischen denen streitenden Partheyen gleichsam als Diener oder Priester und Vorsteher der Gerechtigkeit, mitten inne stehen. Daher sie denn auch ferner dikaioi, oder gleichsam dichaioi, das ist, zweyschichtige oder auf beyde Seiten getheilte, (bipertiti), desgleichen dikazai, oder gleichsam dichazai, das ist, Bipertinentes, oder, welches gleich viel ist, die einem jenen gleiches Recht wiederfahren lassen, und einem so viel, als dem andern, zueignen. Bellonius in Etymol.
  Uberhaupt aber begreifft das Wort Richter alle u. jede Obrigkeiten oder Magistrats-Personen, die nicht allein zu befehlen, sondern auch vermöge der ihnen zustehenden Gerichtsbarkeit, die unter ihren Untergebenen vorfallenden Streitigkeiten zu schlichten und rechtlich zu entscheiden haben. Dergleichen waren z.E. nach der alten Römischen Staats-Verfassung die Praesides, Proconsules, Rectores Provinciarum, u.s.w. tit. ut omnes justices etc. C. lib. 1.
  Man wählte aber auch ehemahls nicht so leichtlich einen jedweden zu einem Richter, sondern es geschahe viel mehr mit der grösten Be-  
  {Sp. 1317|S. 672}  
  hutsamkeit, so daß man nicht allein auf ihren Stand und Vermögen, sondern auch auf ihr Alter sahe. Jenes betreffend, so konnte vornehmlich nach dem Pompejischen Gesetze niemand zu einem Richter genommen werden, wenn er nicht so wohl aus einer ansehnlichen Familie, als auch bey guten Mitteln war.
  • Asconius,
  • Cicero in Anton.
  • Plinius Lib. 14. in prooem.
  • Seneca.
  In Ansehung des letztern aber muste derselbe wenigstens das 25, und nach der Verordnung des Kaysers Augustus bereits das 30 Jahr seines Alters zurück geleget haben. Svetonius in Aug.
  Sonst aber und ausserdem kan ein jeder das richterliche Amt bekleiden, wenn er anders nur im Stande ist, den wahren Verlauff der Sache zu erforschen und so denn nach Maßgebung derer Rechte förmlich zu entscheiden. Es wäre denn, daß ihm deshalber ein ausdrückliches Verbot entgegen stünde, und er also durch den klaren Inhalt derer Gesetze selbst schon davon ausgeschlossen würde. So können z.E. Rasende, Stumme, Taube, Unmündige, theils in Ansehung ihres natürlichen Fehlers, theils auch ihres schwachen und blöden Verstandes kein Richter-Amt bekleiden;  wie es hingegen  
 
  • Minderjährigen, und vornehmlich solchen, die noch nicht 18 Jahr sind,
l. 57. ff. de Re judic.
  l. 12. ...
  ausdrücklich untersaget wird.  
  Wiewohl dennoch heut zu Tage eine Weibs-Person, welche die Patrimonial- oder Erb-Gerichte besitzet, gar wohl das Richter-Amt versehen kan. Stryck in us. Mod. ...
  Nur daß solche selbiges mehrentheils durch Manns-Personen verwalten lassen. Engelbrecht ad ff. tit. eod. th. 8.
  Wiewohl auch dieses wiederum nicht eben schlechterdings von nöthen ist; sondern es kan nach Gelegenheit eine Adeliche Dame, vermöge der ihr zustehenden Erb-Gerichte, die davon abhangende Gerichtsbarkeit ausüben. Nur daß sie solchen Falls entweder gantzer Juristen-Facultäten und Schöppen-Stühle, oder anderer verständiger und erfahrner Rechtsgelehrten Rath pfleget. Wie insonderheit Schöpffer in Synopsi ... von der Juristen-Facultät zu Rostock bezeuget, daß solche gar öffters die im Namen dergleichen adelicher Damen zu fällenden Urtheile abgefasset und ausgesprochen.  
  So viel nun die einem Richter, krafft seines auffhabenden richterlichen Amtes zustehende Macht und Gewalt, oder die sonst so genannte Jurisdiction oder Gerichtsbarkeit anbelanget; so kan hiervon unter dem Artickel Jurisdictio, im XIV Bande, p. 1672 u.ff. ein mehrers nachgesehen werden.  
neues Recht Indessen können wir nicht umhin, hierbey noch eines und das andere aus denen neuern Rechten anzumercken, was desfalls zu wissen unumgänglich nöthig ist.  
  Es ist demnach vornehmlich heut zu Tage die Jurisdiction oder Gerichtsbarkeit eine Gewalt, so der Obrigkeit zustehet, und vermöge der sie in bürgerlichen oder peinlichen Sachen, was Recht ist, verordnen kan. Es stehet aber diese Gewalt eigentlich nur bey der hohen Landes-Obrigkeit, welche solche durch ihre Regierung, oder auch, was die erste Instantz betrifft, durch die von derselben bestellte mittelbare Obrigkeit auszuüben pfleget. Gro-
  {Sp. 1318}  
    tius lib. II. ...
  Im Römischen Reiche wird dieselbe, so viel das gesammte Reich betrifft, Namens Kayserlicher Majestät und des Reichs, durch den Reichs-Hof-Rath und die Kayserliche Cammer, welche ordentlicher Weise concurrirende Jurisdiction haben, verwaltet.  
  In denen Landen derer Reichs-Stände, stehet diese Gewalt der Landes-Obrigkeit zu, welche, ausser ihren Regierungen, auch noch andere Richter und mittelbare Obrigkeiten zu denen Gerichten, entweder in ihren Ämtern zu bestellen, oder die Gerichtsbarkeit denen von Adel mit ihren Gütern zu Lehen, oder auch wohl jure allodii als ein Erbe zu reichen, ingleichen denen Städten, nicht weniger bürgerlichen Standes-Personen, anzuvertrauen pfleget.  
  Es kan auch die Gerichtsbarkeit durch eine Verjährung, und zwar wider die Landes-Obrigkeit, vermittelst undencklicher Zeit, erlanget werden. Carpzov Lib. II. ...
  Dieses ist zu wissen, daß, wenn die hohe Obrigkeit jemanden die Gerichte ohne weitere Erklär- und Benennung übergiebet, nur die Nieder-Gerichte, keines weges die Ober-Gerichte übergeben zu seyn, davor gehalten wird: ingleichen, daß die Landes-Obrigkeit, dessen ungeachtet, die Ober-Auffsicht über die Adeliche, oder Stadt-Gerichte behalte, auch bey verwegerter oder verzögerter Justitz die Sachen avociren, oder was sonsten zu Beförderung dererselben dienlich ist, verfügen könne. Bechmann de Avoc. Causar. Jen. 1675.
geistliche Jurisdiktion Anlangend die geistliche Jurisdiction, solche wird von denen Evangelischen Ständen (dann bey denen Päbstlern wird solche dem geistlichen Stande überlassen) durch ihre Consistorien u. darzu verordnete so wohl geist- als weltliche Räthe verwaltet. Es wird aber dieselbe oder die sonst so genannten Consistorial-Sachen keinem von Adel und Unterthanen überlassen. Frantzkius Lib. I. Resol. 18.
  Ausser daß die Landes-Städte, zumahlen wenn sie in der Religion mit dem Lands-Herrn nicht überein kommen, ein oder ander Consistorial-Recht, als in Bestellung derer Prediger, in Ausübung der geistlichen Gewalt, in Ehe- und Kirchen- auch sonsten in geistlichen Sachen, vermöge getroffenen Vertrags, zu Zeiten zu haben pflegen. Struv in Synt. ...
weltliche Jurisdiktion Die weltliche Jurisdiction hergegen, (davon hier zu handeln) wird insgemein in die Erb- oder Nieder-Gerichte, und in die Ober-Gerichte, oder Hals- und peinliche Gerichte unterschieden.  
Erb- oder Nieder-Gerichte Zu denen Erb- oder Nieder-Gerichten gehören die Klagen, so wegen dinglicher Rechte und Gerechtigkeiten, wie auch, welche wegen Schulden angebracht werden, es mögen dieselbe sich so hoch belauffen, als sie wollen.  
  Ingleichen gehören darzu die Pfändungen und Bestraffung derer geringen Verbrechen, als,  
 
  • des Diebstahls unter drey Schillinge,
  • Haarrauffens,
  • Stossens,
  • Werffens,
  • Maulschellen,
  • Braun und Blauschlagen,
  • Blutrünsten und Verletzungen, daraus keine Gefährlichkeit des Todes kommet,
  • fleisch- und kampffbare Wunden,
  • Lügen straffen,
  • schlechte Schmäh-Worte, die nicht an freyen Orten[1] oder hohen Personen geschehen, und peinlich nicht geklaget werden;
  • wie nicht weniger derer, so gegen die Gerichte sich Ungehorsam erwei-

    {Sp. 1319|S. 673}

    sen;
  • ferner derer, so verbotene Waaren feil haben, verbotene Messer und Waffen tragen, und dergleichen.
Carpzov in Pract. Crim. ...
[1] HIS-Data: siehe Gefreyte Örter
Ober- und Hals-Gerichte Zu denen Ober- und Hals-Gerichten gehören alle grosse Verbrechen und Laster, als  
 
  • Zauberey,
  • Kirchen-Raub,
  • Diebstahl über drey Schillinge werth,
  • Diebe hausen und beherbergen, verhärten oder sonsten ihnen helffen rauben,
  • Mord und Todschlag,
  • Wege-Lagerung,
  • Mord-Brenner,
  • Meineyd,
  • Aufruhr,
  • die Verwundungen, so groß und gefährlich,
  • Haus-Friedbruch,
  • Schmähungen, deßhalber peinlich geklaget wird, oder so derer Umstände halber, von der Obrigkeit, Amts wegen, hart bestraffet werden,
  • Pasquille und Schmäh-Schrifften,
  • falsche Müntze, oder auch Müntz-beschneiden,
  • falsche Gewicht und Maaß,
  • falsche Briefe machen, oder gebrauchen,
  • und andere Falschheit verüben,
  • Jungfrauen- oder Weiber-Entführung,
  • Verlobung oder Verheyrathung mit zween Personen,
  • Nothzucht,
  • Blut-Schande,
  • einfacher und doppelter Ehebruch,
  • und andere Laster mehr.
Besiehe Carpzov cit. ...
  Anlangend die Bestraffung der Unzucht und Hurerey, so von ledigen Personen begangen, oder wann Braut und Bräutigam vor der priesterlichen Copulation sich zusammenfinden, wird von etlichen davor gehalten, daß solche dem Erb-Richter zustehen; andere aber zählen dieselbe unter die Ober-Gerichts-Fälle, worinnen, wie auch sonsten, jedes Orts Landes-Ordnungen und Herkommen, wie auch die Lehn-Briefe in Acht zu nehmen.  
  Was aber, gemeiniglich nach Sächsischen Rechten, in diesem oder jenem Fall, statt habe, solches ist beym Carpzov l.c. zu befinden.  
  Es ist auch allhier noch zu gedencken, daß die Verweisung oder Verbietung derer Gerichte, Städte oder Dörffer, ingleichen die Verdammungen zum ewigen Gefängniß, dem Ober-Richter zukommen. Wann an einem Orte, da einer nur die Unter-Gerichte hat, ein Fall, so in die Ober-Gerichte gehörig, sich zutrüge, der Unter-Richter aber sich des Thäters zu bemächtigen eher Gelegenheit hätte; so ist dieser wohl befugt, ja schuldig, den Ubelthäter zu dem Ende gefänglich zu setzen und zu behalten, auf daß er ihn demjenigen, welchen das Ober-Hals-Gerichte zuständig, überantworten möge.  
streitige und willkürliche Gerichtsbarkeit Dieses ist zu wissen, daß die Gerechtigkeit auch pflege unterschieden zu werden in  
 
  • contentiosam oder diejenige, so unter streitigen Partheyen auszuüben ist,
  • und voluntariam, oder die willkührliche, darbey kein Streit vorgehet, sondern, da auf blosses gebührendes Ansuchen die Obrigkeit dasjenige, so gebeten wird, ertheilet, als,
    • die Bestätigung einer Donation oder Geschencke,
    • Aufnahm eines letzten Willens,
    • die Confirmation oder Bestätigung einer Hypothec oder Pfand-Verschreibung,
    • die Confirmation eines Vormundes oder Curators und dergleichen,
     
 
  darbey aber doch die Obrigkeit sich wohl in Acht zu nehmen hat, daß alles, was sich zu Recht gebühret, wohl beobachtet und nichts versehen, auch nach Befinden derer Umstände, denen Parteyen gewillfahret, oder ihnen ihr Begehren verwegert werde. Lyncker in Anal. ...
  Es ist auch sonsten die Gerichtsbarkeit eines Richters, entweder  
 
  • eine ordentliche, welchen einem durch ordentliches Recht, oder

     {Sp. 1320}

    Erlaubniß der obern Herrschafft zustehet,
  • oder eine ausserordentliche, wenn nehmlich der ordentliche Richter einem andern sein Amt aufträget und Commißion ertheilet, die Sache in seinem Namen auszumachen.
 
Kommissionen Heutiges Tages ist der Nieder-Obrigkeit, zumahl denen Beamten, nicht vergönnet, die Jurisdiction, auch in bürgerlichen Sachen, ausser der höchsten Noth, ohne Vorwissen der hohen Landes-Obrigkeit, iemanden aufzutragen. Und woferne es ja geschicht, wird solche gemeiniglich einer andern ebenfalls schon in einem öffentlichen Amte stehenden Personen, wann es möglich ist, committiret.  
  Jedoch kan und wird auch bisweilen ein und ander Actus, als eine Besichtigung, eine gütliche oder Zeugen-Verhör, Immißion, und dergleichen, auch von denen Beamten einem Notario oder Amts-Actuario öffters aufgetragen.  
  Mit dieser aufgetragenen Jurisdiction haben die heutiges Tages sehr gewöhnliche Commißionen eine nahe Verwandtschafft, welche, so wohl von Kayserl. Majestät, als auch von denen Ständen des Reichs, zuweilen auch wohl von denen Regierungen und Hof-Gerichten angeordnet werden. Wiewohl die beyden letztern gemeiniglich nur einen oder den andern gerichtlichen Actum, als eine Besichtigung, Recognition derer Documenten, Zeugen-Verhör etc. zu committiren pflegen.  
  Es können aber die Commissarien, ohne absonderlich hierzu ertheilte Gewalt, einen anderen ferner nicht subdelegiren oder die Commißion auftragen, weil auf ihre Geschicklichkeit Absicht gemacht, und sie zu Untersuchung der Sachen vom Obern erwählet worden. Wiewohl, wann von der Römischen Kayserl. Majestät, denen Ständen des Reichs, eine oder andere Sache committiret wird, diese dero Bedienten oder anderen qualificirten Leuten die Sache auftragen können, immassen auch eine Reichs- oder Landes-Stadt, wenn von hoher Obrigkeit denenselben eine Sache committiret ist, dergleichen befuget ist. Zumahlen, wann in der Commißion diese Formul: durch etliche euers Mittels, zu befinden ist.  
  Was nun die eigentliche Macht und Gewalt eines Commissarii anbelanget, so ist solche aus dem Commißions-Schreiben, dessen Copie denen Parteyen mit der Citation muß überschicket, das Original aber in dem eingesetzten Termine ihnen publiciret und vorgeleget werden muß, abzunehmen.  
  Es sind aber die Commißionen stricte und genau zu verstehen, und in zweiffelhafften Fällen nicht zu extendiren. Wiewohl das sicherste ist, eine Erklärung, und ob dieses oder jenes, worüber Zweiffel vorfället, ihnen committiret sey, vom Principal sich geben zu lassen, gestalt sonst alles und jedes, was wider oder ausser der ertheilten Commißion von denen Commissarien geschicht oder angeordnet wird, null und nichtig ist.  
  Wenn nun folgende Formul: Die Parteyen zu vernehmen, gütliche Handlungen zwischen ihnen zu versuchen, und die Sache beyzulegen, oder in entstandener Güte zu verabschieden, und darinnen Weisung zu thun, auch da nöthig, die Urtheil durch gewöhnliche Zwangs-Mittel zu vollstrecken, in der Commißion zu befinden, in solchem Fall hat der Commissarius Macht, in der Sache einen Ausspruch zuthun.  
  Eine andere Bewandniß aber hat es mit der Formul: Die Partheyen zu vernehmen, und dieselben güt-  
  {Sp. 1321|S. 674}  
  lich zu vergleichen, oder, in Entstehung gütlichen Vergleichs, hinwieder zu berichten.  
  Dieses ist zu erinnern, daß die Commissarien zu Vollstreckung des Urtheils (ad exequendum) zwar befugt seyn, des beklagten Ausreden, so viel die Execution betrifft, als die vorgeschützten Exceptionen competentiae, u.d.g. jedoch ohne Nachtheil der Sententz zu untersuchen, und darüber zu erkennen; diejenigen Exceptionen aber, welche die Haupt-Sache und das Urtheil betreffen, kan er wohl anhören, und wenn er solche erheblich zu seyn befindet, an den Obern davon Nachricht abstatten, mittlerweile auch der Execution Anstand geben. Im übrigen aber und wenn solche unerheblich sind, lässet er die Execution ergehen.
  • von Lyncker in Comment. ...
  • Ruland. in tract. de Commissariis.
  • Bes. auch die Neu-Erl.Chur-Sächs.Proc.Ordn.tit. I. §. 9.
  Nach Römischem Rechte war denen Partheyen vergönnet, sich, oder ihre Sache, fremder Jurisdiction zu unterwerffen, welche Prorogatio jurisdictionis, entweder de persona ad personam, oder de re ad rem geschahe. Struv. in Synt. ...
  Heutiges Tages aber wird denen streitenden Partheyen nicht verstattet, vor fremden Gerichten, wovor der Proceß, weder wegen der Person, noch von wegen der Sache gehöret, die Streit-Sachen anhängig zu machen; sondern es werden dieselbe, obschon in der Sache bis zum Beschluß verfahren wäre, vermittelst ausgefertigter Pönal-Mandate avociret, und an ihre ordentliche Obrigkeit gewiesen, weil die Gerichte theils unter die Patrimonial-Güter gerechnet werden, theils auch, weil der Richter wegen seiner Sporteln und Gebühren etc. dabey intereßiret ist.  
  Während aber beyde Richter von einem Landes-Fürsten und Herrn geordnet, so möchte allenfalls noch jetzo die Prorogation, zumahl wenn in der Sache würcklich verfahren, statt finden. Lyncker in Comm.
Schiedsmann Endlich hat auch ein Schieds-Mann eine Verwandniß mit dem Richter, als welcher, mit gesammten Willen zweyer streitenden Theile, darzu erwählet wird, daß er ihre Irrungen durch einen rechtlichen Ausspruch beylege. Es werden aber dergleichen Schiedsmänner auf zweyerley Art erwählet,  
 
  • erstlich als Schieds-Richter, Veranlaß-Richter, (Arbitri)
  • zum andern als Schieds-Männer, (Arbitratores).
 
  Von denen ersten wird die Sache, wie sonsten, vor Gerichten, nach Anweisung des Processus, tractiret und abgehandelt. Frantzkius ad ff. ...
  Die letzteren aber werden, entweder zu Beylegung einer Streit-Sache, jedoch ohne alle Beobachtung derer gewöhnlichen Processualien, oder aber zu Benennung des Kauff- oder Pacht-Geldes, oder andere Actus zu determiniren, gewählet und angenommen. Carpzov. in Proc. ...
  Ob aber dem beleidigten Theile vom Laudo (so nennet man eines  
  {Sp. 1322}  
  Schied-Richters Ausspruch) zu appelliren, oder andere Rechts-Mittel zu ergreiffen vergönnet sey? hierinn sind die Rechts-Lehrer nicht einig. Struv in Synt. ...
  Indessen halten einige davor, daß nicht allein wegen eines dabey vorgegangenen Betrugs, sondern auch der übermäßigen Verkürtzung halber, bey der ordentlichen Obrigkeit, der verkürtzte Theil binnen dreyßig Jahren sich beschweren und eine Änderung des Ausspruchs bitten, auch erhalten könne. Lyncker in Anal. ...
  Es haben sonst dergleichen Arbitria noch heutiges Tages statt, und kan die ordentliche Obrigkeit, wenn die Partheyen mit gutem Willen solche wählen, auch so gar in Lehn-Sachen, es nicht verwehren. Struv. in Synt. ...
  Es werden aber wichtige Sachen, als Criminal- Pupillen- Ehe- geistliche, Consistorial- und dergleichen Sachen, ausgenommen, worüber die Compromisse nicht verstattet werden.
  • Grollmann de officio et potestate arbitratorum, Marburg. 1689.
  • Stryck de arbitrio feudali, Halle 1694.
  • Frommann de norma judicis arbitrii, Tübingen 1681.
  • Struv in Synt. ...
  Siehe übrigens Arbiter, im II Bande p. 1154. u.ff.  
     

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Stand: 24. August 2016 © Hans-Walter Pries