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Zedler: Richter-Amt HIS-Data
5028-31-1397-4
Titel: Richter-Amt
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 31 Sp. 1397
Jahr: 1742
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 31 S. 712
Vorheriger Artikel: Richter der Richter
Folgender Artikel: Richter-Amt (Adeliches)
Siehe auch:
Hinweise:

  Text Quellenangaben und Anmerkungen
  Richter-Amt, Richterliches Amt, Officium Judicis, Partes Judicis, begreiffet überhaupt alles dasjenige unter sich, welches ihm als einen Richter zu thun oblieget.  
  Es wird aber das richterliche Amt in einem sehr weitläufftigen Verstande genommen, so, daß es sich auf alle und jede Handlungen und Geschäffte, worüber nur jemahls einiger Streit entstehen kan, bezühet. L. 1. de Jurisd.
  Und hat solches eigentlich aus der natürlichen Billigkeit seinen Ursprung, ohngeachtet dabey keine Obligation oder Verpflichtung vorhanden ist. Diesemnach ist solches nichts anders, als eine in denen bürgerlichen Gesetzen gegründete Billigkeit. Dannenhero entstehet auch aus der blossen Benennung des richterlichen Amtes (officii Judicis) nicht so gleich eine Actio, wie dieses Gometz ad §. superest. Inst. de Act. gezeiget, weil eines theils das Recht und die Billigkeit von einander unterschieden, andern theils, weil das officium Judicis ein ausserordentliches Rechts-Mittel ist, welches mit einer Action, als einem ordentlichen Rechts-Mittel, nicht concurriren kan, es sey denn im weitläufftigen und ausserordentlichen Verstande.  
  Es ist gesagt worden, daß das richterliche Amt keine Obligation voraus setze, das ist, alles dasjenige, was ein Richter, vermöge seines richterlichen Amts, zu thun pflichtig ist, setze dieses zum Grunde, daß einer dem Rechte nach nicht obligirt sey, L. 49. ...
  z.E. ein Vater wird zwar nicht durch das strenge Recht, (stricto Jure) sondern nur aus einer blossen Billigkeit, (aequitate) das ist, durch das richterliche Amt, (officio Judicis) angehalten, seine Töchter auszustatten,
  • L. 22. ...
  • Lodov. Gometz in §. omnium I. de Act.
  allwo, daß solches nur von denen persönlichen Actionen allein zu verstehen sey, dargethan wird, und zwar hauptsächlich daher, weil derjenige, welcher durch das richterliche Amt (officio Judicis) zu etwas gehalten ist, realiter obligirt ist, massen sich das richterliche Amt in der That nicht anders, als eine dingliche Klage (Actio realis) verhält.  
  Es bestehet aber überhaupt das richterliche Amt so wohl in causae cognitione, das ist, in gehöriger Erkänntniß und Untersuchung, L. 9. C. de Jud.
  als in dijudicatione, oder Entscheidung der Streit-Sache, L. 74. de Judic.
  welches aber alles nach gewissen vorgeschriebenen Gesetzen geschehen muß, Nov. 82. ...
  Ubrigens theilet man das richterliche Amt in  
 
  • das gemeine, da ein Richter so wohl in streitigen, als friedlichen Sachen auf Ersuchen verrichtet, was sein Amt mit sich bringet,
  • und das mildrichterliche, da er auch ohne besonderes Anhalten und, wie man sagt, blos aus richterlichen Amte thun soll, was Recht und Pflicht von ihm erfordern.
 
  Seine und derjenigen Pflichten, die einen Richter zu setzen haben, können am besten aus den entgegen gesetzten Feh-  
  {Sp. 1398}  
  lern verstanden werden, wovon man insgemein folgende anführet:  
 
1) Wenn einer das Richterliche Amt verlanget, der darzu nicht geschickt ist,
 
 
2) sich durch unrechte und ausserordentliche Wege darein dringet,
 
 
3) wenn man wissentlich untüchtige Personen dazu lässet,
 
 
4) dieses Amt aus blosser Ehrgierde, und
 
 
5) nicht zu Gottes Ehren und zum Dienst des gemeinen Wesens,
 
 
6) ehe dergleichen Amt ledig, darnach strebet,
 
 
7) Geschencke und Gabe darum gegeben,
 
 
8) solches Amt erheyrathet,
 
 
9) durch Verleumdung der Competenten erhalten wird,
 
 
10) einer sich dessen eigenmächtiger Weise anmasset,
 
 
11) wenn einer seine Gerichtsbarkeit des andern Nachtheil und Schaden nur erweitern suchet,
 
 
12) in seiner eigenen oder der Seinigen Sachen Richter seyn will,
 
 
13) sich verdächtig machet und
 
 
14) nachdem solchen Verdachts halber wider ihn excipiret worden, dennoch in der Sache fortfähret,
 
 
15) Fremden nicht eben so wohl als Einheimischen die Justitz administrirt und Recht spricht,
 
 
16) ohne Religion und Gewissen sein Amt antritt,
 
 
17) vorgefaßte Meynungen heget, und sich davon nicht abbringen lassen will,
 
 
18) Privat-Schreiben mehr als den öffentlichen Acten Glauben beymisset,
 
 
19) in einerley Sachen zugleich Advocat und Richter ist,
 
 
20) Geschencke nimmet,
 
 
21) trunckener Weise Recht spricht,
 
 
22) nicht zuvor die Güte versuchet,
 
 
23) sich nicht finden lässet, oder gar Recht verweigert,
 
 
24) die Sache auf die lange Banck schiebet,
 
 
25) sein Amt nachläßig verrichtet,
 
 
26) zu sehr eilet, und die Sache nicht wohl erweget,
 
 
27) bey Erörterung der Sache etwas nöthiges vorbey lässet,
 
 
28) bey Verstattung der Fristen allzuwillig oder allzu hart ist,
 
 
29) des Beklagten Bekänntniß unter dem Versprechen einer Erlassung heraus locket,
 
 
30) einen ohne rechtmäßige und redliche Anzeigungen martern lässet,
 
 
31) in peinlichen Sachen einen Beklagten nicht zur Defension lässet,
 
 
32) sich durch Drohungen oder Thränen bewegen und durch Furcht vor Mächtigern oder das Flehen der Klagenden von dem rechten Wege der Gerechtigkeit abschrecken und lencken lässet,
 
 
33) was er weiß, zur Unzeit ausschwatzet,
 
 
34) ausser den Acten etwas in facto suppliret;
 
 
35) nach den Acten und dem Beweise einen verurtheilet, von dessen Unschuld er doch sonst versichert ist,
 
 
36) anders als nach den Gesetzen und Gewohnheit richtet,
 
 
37) den Worten des Gesetzes allein anhanget, und auf des Gesetzgebers Meynung nicht acht hat,
 
 
38) das Gesetz auf einen andern von des Gesetzgebers Meynung entfernten Sinn und Verstand zühet und verdrehet,
 
 
39) ohne Ursache von der gemeinen Meynung abweichet,
 
 
40) einer wahrscheinlichen Meynung folget, und eine wahrscheinlichere fahren lässet,
 
 
41) einem ein Freundstücke erweiset, und ihm zu Gefallen zwischen zwo einander zuwiderlauffenden Meynungen, nach Gefallen eine zu erwählen, sich anmasset,
 
 
42) wenn er Beysitzer hat, die Sache nicht nach den meisten Stimmen, sondern nach seiner, und seiner Anhänger Meynung, entscheidet,
 
 
43) wenn ein Beysitzer sein Votum nicht frey und aufrichtig von sich giebet, sondern seinen Vorgängern blindlings folget, und von ihrer Meynung abzugehen sich scheuet,
 
 
44) wenn ein Richter sein Urthel nicht
 
  {Sp. 1399|S. 713}  
 
  der Klage gemäß, noch über die gantze Sache fället,
 
 
45) ein ungerechtes Urthel spricht,
 
 
46) auch ein billiges und gerechtes Urthel aus bösem Gemüthe fället,
 
 
47) den Missethäter ungestrafft hingehen lässet,
 
 
48) selbst sündiget, und wegen gleichmäßigen Verbrechens einen andern verurtheilet,
 
 
49) den ohne Ursach streitenden nicht in die Unkosten verurtheilet,
 
 
50) das zwischen den Partheyen gesprochene Urthel widerrufet, oder ändert,
 
 
51) wenn ein Unterrichter die eingewandte Appellation verwirfft oder den Appellanten deshalber Ungemach zufüget,
 
 
52) ein Ober-Richter ohne Unterscheid alle Appellationen annimmet.
 
  Von dem richterlichen Amte wird das Oberkeitliche unterschieden, vor welches letztere die Belehnung mit Allodial-Gütern zu Erlangung des Eigenthums, Dec. 61.
  ingleichen die Ertheilung des Consenses in die Verpfändung der Grundstücke geschehen muß, C. 23. p. 2. Process-Ordnung ...
  Welche letztere auch bey Ceßion einer Hypotheck erfordert wird. E.P.O. ...
  Eine mehrers siehe unter dem Artickel Richter.  
     

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Stand: 28. März 2013 © Hans-Walter Pries