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Zedler: Jungfer HIS-Data
5028-14-1608-1
Titel: Jungfer
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 14 Sp. 1608
Jahr: 1735
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 14 S. 837
Vorheriger Artikel: Jungermann, (Ludov.)
Folgender Artikel: Jungfer, ein himmlisches Gestirne
Siehe auch:
Hinweise:

  Text   Quellenangaben und Anmerkungen
  Jungfer oder Jungfrau, Lat. Virgo, Frantzösisch Vierge, ist, im natürlichen Verstande, eine Weibes-Person, die von einem Manne noch nicht berühret worden.  
  Bey denen meisten ältesten Völckern wurden die Jungfrauen sehr strenge gehalten, und in die innersten Gemächer des Hauses verschlossen. Daher auch eine Jungfrau in der Ebräischen Sprache Almah heisset, von [ein Wort Hebräisch] alam, abscondidit. Die Mütter hatten sie des Nachts bey sich in der Cammer, und liessen solche so wohl innwendig als auswendig zuschliessen, damit Niemand ihrer Keuschheit nachstellen sollte. Dantz Diss. de Partu Virg. mirac. §. 41.
  Sie behielten auch ihre Ammen und die sie als Kinder gewartet hatten, bey sich, welche die Jungfrauen, bis sie verehelichet worden, bewachten.
  • Gen. 24, 59.
  • Almeloveen Antiq. Sacris prof. p. 65.
  Wie Gerson. I. Talmud 18. berichtet, so durfften sie bey denen Juden weder in Tempel noch Schulen kommen, ausser am Neu-Jahrs- und Versöhnungs-Tage. An dem letztern giengen sie Schneeweiß, welches auch zur Zeit der Wein-Erndte, welches der 15de Tage des Monaths Ab war, geschahe, da sie in die Weinberge giengen, und tantzten.
  • Carpzov Not. ad Schickard de Jure Ebr. regio 5. theor. 17.
  • Schindler Lex. Pentagloss. voc. …
  • Navarin Sched. III. 25.
  • Lundius Jüd. Heiligth. …
  Im Orient war derer Jungfrauen Verrichtung unter andern auch, daß sie das Wasser aus denen Brunnen hohlten. Wie aus
  • Gen. 24, 11.
  • Exod. 2, 16.
  • 1. Sam. 9. 11.
 zu sehen.
  Die Ursache dessen war:   
 
1) die Brunnen lagen mehrentheils an abgelegenen Örtern.
 
 
2) Sie hatten ihre gewisse Zeit, und giengen mehrentheils mit einander; daher, wer sich ein Frauenzimmer aussuchen wollte, muste zu denen Brunnen gehen, wie aus der Historie von Abrahams Knechte zu sehen.
 
  {Sp. 1609|S. 838}  
 
3) Weil die Brunnen eben nicht häuffig waren, so konnten doch dieses die Jungfrauen verrichten, welches sonst denen Manns-Personen viele Zeit weggenommen hätte.
 
  Wenn zu Athen eine Jungfrau arm war, und keine Ausstattung hatte, dergleichen man thēttas hieß, so waren die nächsten Anverwandten gehalten, sie auszustatten. Die Reichsten, welche man Pentacosiomedimnos nennete, musten 500 Drachmas, oder 5. Minas: die Equites 300. Drachmas, oder 3. Minas: die zygitai aber 150. Drachmas, oder 1 ½ Minam geben. Meursius Art. Lect. V. 1.
  Bey denen Lacedaemoniern musten sich die Jungfrauen zugleich im Ringen, Lauffen, und dergleichen Exercitiis üben, welches ihnen aber von andern Nationen sehr verdacht worden: wie man denn dieselben deswegen zum Schimpf [ein Wort griechisch] d.i. solche, die ihre Hüfften sehen liessen, genennet hat. Stuckius Ant. Conviv. II. 1.
  Bey denen Griechen trugen die mannbaren Jungfrauen Gürtel, die jungen aber nicht, und wurden diese deswegen [ein Wort griechisch] genennet.
  • Barth. Adv. V. 9.
  • Spanhem. ad Callimach. Hymn. Dianae 13.
  Bey denen Römern musten sie bey Tische aufwarten, auch wohl bisweilen nackend, wobey sie sich auch im singen hören liessen. Dergleichen auch die alten Babylonier in Gewohnheit gehabt haben.
  • Suetionius Tib. …
  • Curtius …
  • Bulenger de Imperat. Rom. …
  • Ciacconius de Triclin. …
  • Tomasius de Tessara Hospit. 18.
  • Colvius in Appulejum.
  • Cerda in Virgilium.
  • Lazius Comm. Reip. Rom. …
  • Caroli Antiq. Rom.
  • Salmuth in Paciroll. de Rep. deperd. …
  Die Zeichen der Jungferschafft werden von denen Naturkündigern ungleich angegeben, daher auch der Beweiß darüber zu führen schwer ist, wovon Zacchius Quaest. Medic. Leg. alib. und Severin. Pinaeus de Notis Virginit. nachzuschlagen.
  Bey denen Persianern mag ein Bräutigam, der solchen Beweiß bey seiner Braut nicht findet, dieselbe nicht nur verstossen, sondern ihr gar die Nase abschneiden, wie Olearius berichtet. In dem Königreiche Pegu sollen, wie Linschott aufgezeichnet, die Mägdgen geringet werden, ihre Jungferschafft zu erhalten.  
  Nach unserem Recht mag einer sein Weib, die er als Jungfrau genommen, wenn er sie also nicht befindet, oder nach der Zeit erfähret, daß sie sich vor der Verheyrathung mit einem andern vergangen, verstossen, und sich von ihr scheiden lassen.  
  Die verlohrne Jungferschafft wieder zu bringen, werden mancherley Mittel und Künste angegeben, die aber dergleichen brauchen, werden nach denen Rechten als Betrügerinnen gestraffet.  
  In Schottland haben vor alten Zeiten die Herren das Recht gehabt, daß, wenn ihre Unterthanen sich verheyrathet, sie die erste Nacht der Braut beywohnen mögen, welches König Milcolumbus III. gegen Erlegung eines gewissen Löse-Geldes abgeschaffet, wie Buchanan aufgezeichnet. Ein gleiches berichtet Choppin ad. LL. Andegav. von denen Dom-Herren und Grafen zu Lion, daß sie solches gegen ihre Lehn-Leute befugt gewesen.  
  In Indien auf der Malabarischen Cüste zu Calicut u. Rochin, den werden von den Braminen auf Malacca, Tarnasar und Pegu reisende Fremdlinge, sonderlich Europäer, erkauffet, solchen Dienst denen Bräuten zu erweisen. Wie  
  {Sp. 1610}  
  Lud. de Bartema bezeuget; u. um Goa, wie Linschott berichtet, wird die Jungfrauschafft der Braut einen gewissen Götzen auf eine ärgerliche Weise öffentlich geopffert.  
  Der Jungfräuliche Stand ist freylich viel geschickter als der ehliche, die Andacht und Übungen der Gottseligkeit abzuwarten, weil er nicht so vielen Hinderungen und Zerstreuungen unterworffen. Darum er auch von denen alten Kirchen-Vätern so hoch gerühmet worden, welches mit der Zeit zu denen Closter-Gelübden Anlaß gegeben. Ob solche Gelübde zuläßig, möglich oder nöthig zu halten, darüber wird nach dem Unterschiede derer Haupt-Neigungen in der Christenheit hefftig gestritten: es würde sich aber solches bald stillen, wenn es möglich wäre den guten Gebrauch von dem schädlichen Mißbrauche abzusondern.  
  In der Bilder-Kunst wird die Jungfrauschafft vorgestellet durch ein junges u. schönes Weibes-Bild, in einem weissen Kleide, mit einem weissen Gürtel umgürtet, und einer Crone von Smaragden auf dem Haupte. Der Smaragd ist ein Sinn-Bild der Keuschheit. Oder sie wird vorgebildet durch ein Mägdlein, das mit einem Einhorn spielet, weil, wie man sagt, dieses Thier sich anders nicht als von einer reinen Jungfrau zähmen lässet.  
  In uneigentlichen Verstande wird dieses Wort nicht allein von Manns-Personen, die in dem Venus-Kriege noch nicht gedienet, sondern auch von leblosen Dingen, die nach ihrer Art eine besondere Reinigkeit behalten, und unvermischt geblieben, gebrauchet. Also heisset  
 
  • Jungfer-Erde, Terra Virgo, die aus der Tieffe eines Brunnens gehohlet worden, und nie an der Lufft gewesen:
  • Saliva Virgo, nüchterner Speigel,
  • und Rosae virgines, die erst aufgebrochene Rosen.
 
  Im bürgerlichen Verstande heisset Jungfer eine Person, die noch nicht verheyrathet ist. Eine solche fragen: ob sie noch Jungfer sey? ist eine Beschimpffung, und kan darüber Injurien-Klage geführet werden, so wohl als über schandbare Worte, in Gegenwart einer Jungfer geredet worden.  
  Die mit Gewalt um ihre Jungfrauschafft gekommen[1], darff sich nicht mehr als Jungfer aufführen, sondern muß sich denen Verehlichten gleich tragen.
[1] HIS-Data: siehe Jungferschafft benehmen, die
     

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Stand: 24. August 2016 © Hans-Walter Pries