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Reichs-Stand, Reichs-Stände, Status
Imperii, oder Ordines Imperii,
Solche werden auf
Lateinisch insgemein Status
genennet, entweder a
stando, weil sie Stimme und Stand auf denen
Reichs-Tägen haben, oder, wie
andere
wollen, a statuendo, weil sie das Jus statuendi haben,
von denen
Geschäfften
oder Angelegenheiten, so den
Deutschen
Staat angehen. |
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Es wird aber das
Wort Stände nicht auf einerley Weise genommen, denn
bisweilen wird es überhaupt und im allgemeinen
Verstande, bisweilen in einer
besondern Bedeutung gebrauchet. Im ersten Verstande schlüsset das Wort
Reichs-Stand die Chur-Fürsten mit ein, in dem andern aber, und wenn die Worte
gesetzet: Chur-Fürsten und Stände, so werden unter dem letzten
Wort alle geistliche und
weltliche
Reichs-Fürsten,
Grafen,
Herren und
Städte
begriffen. |
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Wie aber ein Reichs-Stand recht genau zu beschreiben sey, davon sind
unterschiedliche
Meynungen der
Publicisten vorhanden. Es kann aber solcher auf
folgende Art beschrieben werden: Ein Reichs-Stand ist ein
unmittelbares
Glied
des Deutschen Reichs, welches durch Stimme und Sitz auf den
Reichs-Tägen die
Regierung des Reichs mit
verwaltet.
Hierbey ist zu mercken, daß ein Reichs-Stand ein
unmittelbares
Glied des Deutschen Reichs genennet werde, denn daß die
Immedietät so wohl in Ansehung der
Person, als der
Güter, bey einem
Reichs-Stande ordentlicher weise seyn müsse, bezeuget der
R.A. von 1654 §. 197
und
Capit. Josephi art. 43. |
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Es ist aber nicht vonnöthen, daß die
unmittelbare Reichs-Güter
Lehn- sondern
sie können auch Allodial-Güter seyn. Denn weil in den angezogenen und andern
Reichs-Satzungen allein derer unmittelbaren Reichs-Güter gedacht wird,
dergleichen auch die Erb- und Allodial-Herrschafften
seyn können; so ist dahero
leicht zu schlüssen, daß es |
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{Sp. 171|S. 99} |
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zur
Reichs-Standschafft genug sey, wenn einer nur mit unmittelbaren Allodial-Gütern
angesessen ist. Immittelst hindert der Reichs-Standschafft nichts, wenn ein
Reichs-Stand auch mittelbare Lehen-Güter zugleich besitzet. Wodurch |
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1) |
der Unterscheid angedeutet wird unter einem Reichs-Stand und
Reichs-Sassen, der zwar dem Reiche
unmittelbar unterworffen, aber doch nicht
Sitz und Stimme auf den
Reichs-Tägen hat. Ingleichen ist ein grosser
Unterscheid unter einem Stande des Reichs, und unter einem Mitgliede des
Reichs. Denn es sind die Italiänischen
Fürsten, wie auch die
freye
Reichs-Ritterschafft in
Deutschland zwar
unmittelbare
Glieder des Römischen
Reichs, sie sind aber keine Reichs-Stände.
R.A. von 1555 §.
19. dieweil aber etc. so dem
Reich ohne Mittel
unterworffen, und Reichs-Stände seyn. |
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2) |
Wird auch hiermit angezeiget, daß nur ein eintziges wesentliches Stücke
der Reichs-Standschafft sey. Zwar sind die heutigen
Publicisten hierinn gar
nicht einig. |
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Schweder I.J.P. … hält dafür, die
wesentliche
Eigenschafft eines Reichs-Standes sey der Sitz und Stimme auf
Reichs-Tägen, deren nothwendige Folge und
Würckung die
Lands-Hoheit
wäre. |
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Allein Titius hingegen setzet die
Lands-Hoheit zum
Haupt-Grunde des übrigen. |
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Spec. J.P.L. …
thut noch das dritte Erforderniß dazu, daß er dem Reiche sein Contingent zu
geben
verbunden sey, dem auch Brunnemann beypflichtet. |
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J.P. … |
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Allein, da der Herr Baron von Lincker in
Dissert. … und der Herr von
Zech im Europ. Herold …
unterschiedliche Exempel der Reichs-Stände angeführet, welche nicht die
Lands-Hoheit haben, als unter andern das Exempel der
Herren von Schönburg,
welche unstreitig Reichs-Stände seyn, und dennoch nicht die Lands-Hoheit
haben; so folget von sich selbst, daß solches kein wesentliches Stücke eines
Reichs-Standes sey. |
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Aus den
Collecten, die
unmittelbar bey dem Reiche abgetragen werden, kan man
auch nicht schlüssen, daß jemand ein Reichs-Stand sey, weil sonst die
freye
Reichs-Ritterschafft auch zu den Ständen gehörete; ein Ertz-Hertzog von
Österreich hingegen, welcher von allen
Auflagen exempt und frey ist, davon
auszuschlüssen wäre. |
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Gleichwie nun dieser neuern
Publicisten
Meynung nicht von allen angenommen
wird; also wird noch vielmehr der alten Publicisten Meynung gäntzlich
verworffen, die da lehren, daß zu einem Reichs-Stande ausser diesen noch vier
andere
Eigenschafften erfordert werden: |
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2) |
daß er in der Matricul mit seinem
Namen und einem gewissen Anschlage zu
finden sey, |
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3) |
daß man ihn auf Reichs-Täge beruffe, und |
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4) |
daß er unter einen gewissen
Kreyß des Reichs gehöre. |
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Allein hierauf ist leicht zu antworten; Denn was |
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1) |
die Immedietät anlanget; so ist allerdings falsch, daß aus der
Reichs-Immedietät das
Recht, ein |
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{Sp. 172} |
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Reichs-Stand zu seyn, nothwendig folge und herflüsse. Denn obwohl niemand
ohne die Reichs-Immedietät ein Reichs-Stand seyn kan; so ist dennoch selbige
kein wesentliches Stücke eines Reichs-Standes. |
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2) |
Kan auch die Reichs-Matricul unmöglich vor ein unfehlbares Kennzeichen
der Reichs-Standschaffts-Qualität geachtet werden, weil die Reichs-Matriculn
sehr unrichtig und unvollkommen seyn, allermassen die
Publicisten
angemercket, daß offtmahls derjenige, welcher in der einen exprimiret und
genennet ist, in einer andern ausgelassen worden, ja wohl gar einige in die
Reichs-Matricul gesetzet worden, welche ohnstreitig keine Reichs-Stände
seyn. Zu geschweigen, daß keine Reichs-Matricul zu dem Ende verfertiget
worden, die Reichs-Standschafft daraus zu
beweisen, wie
Titius
Spec. … erwiesen, und also daraus nichts mehr zu schlüssen, als daß
der immatriculirte
Herr oder
Stadt hiebevor zur Reichs-Hülffe etwas
beygetragen habe. Was |
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3) |
die Citation zur
Reichs-Versammlung anlanget, so ist dieses keine
richtige Folge: dieser oder jener wird auf den Reichs-Tag citiret,
derohalben ist er ein Reichs-Stand: denn man hat Exempel, daß wohl eine
Privat-Person gewisser
Ursachen halber, ja auch unterschiedliche
Örter aus
Irrthum zur Reichs-Versammlung eingeladen worden, daraus aber folget gar
nicht, daß sie deswegen zu denen Reichs-Ständen gehören. So ist |
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4) |
nicht von nöthen, daß ein Reichs-Stand zu einem gewissen
Kreyse gehöre:
Denn wer weiß nicht, daß der
Hertzog von Savoyen ein Reichs-Stand ist, ob er
gleich zu keinem Kreyse gehöret? |
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Einteilung |
Es werden aber die Reichs-Stände von denen
Publicisten
auf mancherley Weise
eingetheilet, |
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1) |
- in die
Chur-Fürsten,
die entweder
Geistliche oder Weltliche sind:
- und in die Stände, so nicht Chur-Fürsten sind. Diese werden
wiederum eingetheilet in
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- die
Fürsten, und die, so die
Fürstliche Würde haben, deren
- theils
Geistliche sind, als
- die Ertz-Bischöffe,
Bischöffe, Gefürstete
Äbte;
- der
Deutschmeister und Oberste Meister des Deutschen Johanniter-Ordens;
- theils
Weltliche, als da sind
- und die nicht Fürsten sind, als da sind
- unter den geistlichen
Reichs-Ständen die
- unter den Weltlichen die
- und endlich die Städte.
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2) |
In Ansehung der Reichs-Täge
werden die Reichs-Stände in drey
Collegia oder Räthe, |
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- den Chur-Fürsten
-
Fürsten-
und
- Städte-Rath
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getheilet. |
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3) |
In Betrachtung der Religion in der |
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- Römisch-Catholischen und
-
protestirenden
Stände, welche auch Augspurgische Confeßions-Verwandte
genennet werden. Und diese sind entweder Lutheraner,
oder Reformirte, welche alsdenn, wenn sie mit denen
Catholischen zu thun haben, sich mit einander
vereinigen, und zugleich agiren,
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Art. 7.
I. |
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{Sp.
173|S. 100} |
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P.O. |
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4) |
Werden sie eingetheilet in |
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- höhere, mit welchem
Namen die
Chur- und
Fürsten
bezeichnet, und
- geringere, dadurch die andern Stände angedeutet
werden,
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Schweder J.P. … |
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5) |
In die ältere und neuere Reichs-Stände. |
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6) |
In grössere oder mächtige, und kleinere oder schwache, dergestalt, daß
zu der ersten Classe gerechnet werden die
Chur-Fürsten und diejenigen
Fürsten, welche ein grosses
Land haben, und capable sind, eine Armee zu
unterhalten, und mit Alliantzen, Gesandschafften und andern dergleichen
Geschäfften viel zur
Europäischen Hoheit beytragen, und Potentaten genennet
werden. Unter die kleinern aber gehören, die solches nicht prästiren können,
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Lyncker in Dissert. de Potentatu. |
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Die Eintheilung in gewisse Quaterniones oder Quaternionate, als ob
alle Stände so getheilet, oder von jeder Classe viere heraus genommen worden,
und also z.E. vier
Hertzoge, vier
Marggrafen, vier
Landgrafen, vier
Burggrafen,
vier
Grafen, vier
Freyherren, vier
Ritter, vier
Städte, vier
Flecken, vier
Bauern, gewesen, wird wegen einiger daher geleiteten Titulaturen berührt und
voraus gesetzt. |
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Erwerb |
Weltliche Reichs-Stände erlangen ihr
Recht durch Erbfolge; Geistliche aber
durch des Capituls Wahl, und des Pabstes Bestätigung, worauf bey beyden die
Kayserliche
Belehnung folget. |
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Ende |
Ein Reichs-Stand höret auf ein solcher zu seyn, wenn er von einem andern
ausgezogen wird, welches |
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1) |
entweder gantz, oder zum Theil geschicht. Jenes, wenn er durch Krieg,
oder freywillige Ceßion vom
Reiche abgerissen wird, und nichts mehr
contribuiret; dieses, wenn er |
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a) |
Sitz und Stimme mit des
Kaysers oder des gantzen Reichs Bewilligung
freywillig fahren lässet, |
b) |
von einem stärckern Reichs-Stande um die Reichs-Standschafft
gebracht wird, |
c) |
mit solchem Auszühen zufrieden ist, |
d) |
in die
Acht erkläret wird. |
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2) |
Geschicht die
Exemption entweder sine onere. nachdem der
Ausgezogene entweder von dem Auszühenden in dem Reichs-Anschlag vertreten,
und die Reichs-Onera vor ihn erleget, oder er schlechterdings zum
Land-Stand gemacht wird. |
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Heut zu Tage wird von einem, der würcklich ein Reichs-Stand seyn will,
erfordert, daß er mit Standesmäßigen
unmittelbaren Reichs-Gütern versehen sey,
und einen geziemenden Reichs-Anschlag zu den
Reichs-Anlagen übernehme. |
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Einen zum Reichs-Stande zu machen, stehet allein dem
Kayser zu, wenn er aber
in den Fürsten-Rath gehöret, wird er mit Einwilligung der
Chur- und
Fürsten
durch einen Commissarium von dem Reichs-Erb-Marschall daselbst eingeführet, und
in den völligen Besitz seiner
Würde gesetzet. |
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Es kan auch kein Reichs-Stand anders nicht, als mit dergleichen
Einwilligung, seines
Rechts von dem
Kayser entsetzet werden. |
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Sie werden auf gewisse Masse
Unterthanen genennet, weil sie des Kaysers und
des
Reichs höchste Obrigkeit
erkennen: hingegen haben sie hinwieder die
Landes-
Fürst- oder Herrliche Hoheit über ihre Unterthanen, und nach dem gemeinen
Lauff-Spruche gleiche
Gewalt in ihren |
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{Sp. 174} |
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Landen, wie der Kayser in dem gantzen
Reiche. |
Ein mehrers hiervon kan in Schmaussens Corp. Jur. Publ.
Acad. und denen mehresten
Publicisten
nachgelesen werden. |
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Im übrigen besiehe den
Artickel
Reichs-Tag. |
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