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Zedler: Reichs-Stand HIS-Data
5028-31-170-9
Titel: Reichs-Stand
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 31 Sp. 170
Jahr: 1742
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 31 S. 98
Vorheriger Artikel: Reichsstätt
Folgender Artikel: Reichs-Standschafft
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

Stichworte Text Quellenangaben
  Reichs-Stand, Reichs-Stände, Status Imperii, oder Ordines Imperii, Solche werden auf Lateinisch insgemein Status genennet, entweder a stando, weil sie Stimme und Stand auf denen Reichs-Tägen haben, oder, wie andere wollen, a statuendo, weil sie das Jus statuendi haben, von denen Geschäfften oder Angelegenheiten, so den Deutschen Staat angehen.  
  Es wird aber das Wort Stände nicht auf einerley Weise genommen, denn bisweilen wird es überhaupt und im allgemeinen Verstande, bisweilen in einer besondern Bedeutung gebrauchet. Im ersten Verstande schlüsset das Wort Reichs-Stand die Chur-Fürsten mit ein, in dem andern aber, und wenn die Worte gesetzet: Chur-Fürsten und Stände, so werden unter dem letzten Wort alle geistliche und weltliche Reichs-Fürsten, Grafen, Herren und Städte begriffen.  
  Wie aber ein Reichs-Stand recht genau zu beschreiben sey, davon sind unterschiedliche Meynungen der Publicisten vorhanden. Es kann aber solcher auf folgende Art beschrieben werden: Ein Reichs-Stand ist ein unmittelbares Glied des Deutschen Reichs, welches durch Stimme und Sitz auf den Reichs-Tägen die Regierung des Reichs mit verwaltet. Hierbey ist zu mercken, daß ein Reichs-Stand ein unmittelbares Glied des Deutschen Reichs genennet werde, denn daß die Immedietät so wohl in Ansehung der Person, als der Güter, bey einem Reichs-Stande ordentlicher weise seyn müsse, bezeuget der R.A. von 1654 §. 197 und Capit. Josephi art. 43.  
  Es ist aber nicht vonnöthen, daß die unmittelbare Reichs-Güter Lehn- sondern sie können auch Allodial-Güter seyn. Denn weil in den angezogenen und andern Reichs-Satzungen allein derer unmittelbaren Reichs-Güter gedacht wird, dergleichen auch die Erb- und Allodial-Herrschafften seyn können; so ist dahero leicht zu schlüssen, daß es  
  {Sp. 171|S. 99}  
  zur Reichs-Standschafft genug sey, wenn einer nur mit unmittelbaren Allodial-Gütern angesessen ist. Immittelst hindert der Reichs-Standschafft nichts, wenn ein Reichs-Stand auch mittelbare Lehen-Güter zugleich besitzet. Wodurch  
 
1) der Unterscheid angedeutet wird unter einem Reichs-Stand und Reichs-Sassen, der zwar dem Reiche unmittelbar unterworffen, aber doch nicht Sitz und Stimme auf den Reichs-Tägen hat. Ingleichen ist ein grosser Unterscheid unter einem Stande des Reichs, und unter einem Mitgliede des Reichs. Denn es sind die Italiänischen Fürsten, wie auch die freye Reichs-Ritterschafft in Deutschland zwar unmittelbare Glieder des Römischen Reichs, sie sind aber keine Reichs-Stände. R.A. von 1555 §. 19. dieweil aber etc. so dem Reich ohne Mittel unterworffen, und Reichs-Stände seyn.
 
 
2) Wird auch hiermit angezeiget, daß nur ein eintziges wesentliches Stücke der Reichs-Standschafft sey. Zwar sind die heutigen Publicisten hierinn gar nicht einig.
 
 
  Schweder I.J.P. … hält dafür, die wesentliche Eigenschafft eines Reichs-Standes sey der Sitz und Stimme auf Reichs-Tägen, deren nothwendige Folge und Würckung die Lands-Hoheit wäre.
 
 
  Allein Titius hingegen setzet die Lands-Hoheit zum Haupt-Grunde des übrigen.
 
 
  Spec. J.P.L. … thut noch das dritte Erforderniß dazu, daß er dem Reiche sein Contingent zu geben verbunden sey, dem auch Brunnemann beypflichtet.
J.P. …
 
  Allein, da der Herr Baron von Lincker in Dissert. … und der Herr von Zech im Europ. Herold … unterschiedliche Exempel der Reichs-Stände angeführet, welche nicht die Lands-Hoheit haben, als unter andern das Exempel der Herren von Schönburg, welche unstreitig Reichs-Stände seyn, und dennoch nicht die Lands-Hoheit haben; so folget von sich selbst, daß solches kein wesentliches Stücke eines Reichs-Standes sey.
 
  Aus den Collecten, die unmittelbar bey dem Reiche abgetragen werden, kan man auch nicht schlüssen, daß jemand ein Reichs-Stand sey, weil sonst die freye Reichs-Ritterschafft auch zu den Ständen gehörete; ein Ertz-Hertzog von Österreich hingegen, welcher von allen Auflagen exempt und frey ist, davon auszuschlüssen wäre.  
  Gleichwie nun dieser neuern Publicisten Meynung nicht von allen angenommen wird; also wird noch vielmehr der alten Publicisten Meynung gäntzlich verworffen, die da lehren, daß zu einem Reichs-Stande ausser diesen noch vier andere Eigenschafften erfordert werden:  
 
1) Die Immedietät,
 
 
2) daß er in der Matricul mit seinem Namen und einem gewissen Anschlage zu finden sey,
 
 
3) daß man ihn auf Reichs-Täge beruffe, und
 
 
4) daß er unter einen gewissen Kreyß des Reichs gehöre.
 
  Allein hierauf ist leicht zu antworten; Denn was  
 
1) die Immedietät anlanget; so ist allerdings falsch, daß aus der Reichs-Immedietät das Recht, ein
 
  {Sp. 172}  
 
  Reichs-Stand zu seyn, nothwendig folge und herflüsse. Denn obwohl niemand ohne die Reichs-Immedietät ein Reichs-Stand seyn kan; so ist dennoch selbige kein wesentliches Stücke eines Reichs-Standes.
 
 
2) Kan auch die Reichs-Matricul unmöglich vor ein unfehlbares Kennzeichen der Reichs-Standschaffts-Qualität geachtet werden, weil die Reichs-Matriculn sehr unrichtig und unvollkommen seyn, allermassen die Publicisten angemercket, daß offtmahls derjenige, welcher in der einen exprimiret und genennet ist, in einer andern ausgelassen worden, ja wohl gar einige in die Reichs-Matricul gesetzet worden, welche ohnstreitig keine Reichs-Stände seyn. Zu geschweigen, daß keine Reichs-Matricul zu dem Ende verfertiget worden, die Reichs-Standschafft daraus zu beweisen, wie Titius Spec. … erwiesen, und also daraus nichts mehr zu schlüssen, als daß der immatriculirte Herr oder Stadt hiebevor zur Reichs-Hülffe etwas beygetragen habe. Was
 
 
3) die Citation zur Reichs-Versammlung anlanget, so ist dieses keine richtige Folge: dieser oder jener wird auf den Reichs-Tag citiret, derohalben ist er ein Reichs-Stand: denn man hat Exempel, daß wohl eine Privat-Person gewisser Ursachen halber, ja auch unterschiedliche Örter aus Irrthum zur Reichs-Versammlung eingeladen worden, daraus aber folget gar nicht, daß sie deswegen zu denen Reichs-Ständen gehören. So ist
 
 
4) nicht von nöthen, daß ein Reichs-Stand zu einem gewissen Kreyse gehöre: Denn wer weiß nicht, daß der Hertzog von Savoyen ein Reichs-Stand ist, ob er gleich zu keinem Kreyse gehöret?
 
Einteilung Es werden aber die Reichs-Stände von denen Publicisten auf mancherley Weise eingetheilet,  
 
1)
  • in die Chur-Fürsten, die entweder Geistliche oder Weltliche sind:
  • und in die Stände, so nicht Chur-Fürsten sind. Diese werden wiederum eingetheilet in
 
 
 
 
2) In Ansehung der Reichs-Täge werden die Reichs-Stände in drey Collegia oder Räthe,
 
  • den Chur-Fürsten
  • Fürsten- und
  • Städte-Rath
  getheilet.
 
 
3) In Betrachtung der Religion in der
 
  • Römisch-Catholischen und
  • protestirenden Stände, welche auch Augspurgische Confeßions-Verwandte genennet werden. Und diese sind entweder Lutheraner, oder Reformirte, welche alsdenn, wenn sie mit denen Catholischen zu thun haben, sich mit einander vereinigen, und zugleich agiren,
Art. 7. I.
  {Sp. 173|S. 100}  
 
   
P.O.
 
4) Werden sie eingetheilet in
 
  • höhere, mit welchem Namen die Chur- und Fürsten bezeichnet, und
  • geringere, dadurch die andern Stände angedeutet werden,
Schweder J.P. …
 
5) In die ältere und neuere Reichs-Stände.
 
 
6) In grössere oder mächtige, und kleinere oder schwache, dergestalt, daß zu der ersten Classe gerechnet werden die Chur-Fürsten und diejenigen Fürsten, welche ein grosses Land haben, und capable sind, eine Armee zu unterhalten, und mit Alliantzen, Gesandschafften und andern dergleichen Geschäfften viel zur Europäischen Hoheit beytragen, und Potentaten genennet werden. Unter die kleinern aber gehören, die solches nicht prästiren können,
Lyncker in Dissert. de Potentatu.
  Die Eintheilung in gewisse Quaterniones oder Quaternionate, als ob alle Stände so getheilet, oder von jeder Classe viere heraus genommen worden, und also z.E. vier Hertzoge, vier Marggrafen, vier Landgrafen, vier Burggrafen, vier Grafen, vier Freyherren, vier Ritter, vier Städte, vier Flecken, vier Bauern, gewesen, wird wegen einiger daher geleiteten Titulaturen berührt und voraus gesetzt.  
Erwerb Weltliche Reichs-Stände erlangen ihr Recht durch Erbfolge; Geistliche aber durch des Capituls Wahl, und des Pabstes Bestätigung, worauf bey beyden die Kayserliche Belehnung folget.  
Ende Ein Reichs-Stand höret auf ein solcher zu seyn, wenn er von einem andern ausgezogen wird, welches  
 
1) entweder gantz, oder zum Theil geschicht. Jenes, wenn er durch Krieg, oder freywillige Ceßion vom Reiche abgerissen wird, und nichts mehr contribuiret; dieses, wenn er
 
 
 
a) Sitz und Stimme mit des Kaysers oder des gantzen Reichs Bewilligung freywillig fahren lässet,
b) von einem stärckern Reichs-Stande um die Reichs-Standschafft gebracht wird,
c) mit solchem Auszühen zufrieden ist,
d) in die Acht erkläret wird.
 
 
2) Geschicht die Exemption entweder sine onere. nachdem der Ausgezogene entweder von dem Auszühenden in dem Reichs-Anschlag vertreten, und die Reichs-Onera vor ihn erleget, oder er schlechterdings zum Land-Stand gemacht wird.
 
  Heut zu Tage wird von einem, der würcklich ein Reichs-Stand seyn will, erfordert, daß er mit Standesmäßigen unmittelbaren Reichs-Gütern versehen sey, und einen geziemenden Reichs-Anschlag zu den Reichs-Anlagen übernehme.  
  Einen zum Reichs-Stande zu machen, stehet allein dem Kayser zu, wenn er aber in den Fürsten-Rath gehöret, wird er mit Einwilligung der Chur- und Fürsten durch einen Commissarium von dem Reichs-Erb-Marschall daselbst eingeführet, und in den völligen Besitz seiner Würde gesetzet.  
  Es kan auch kein Reichs-Stand anders nicht, als mit dergleichen Einwilligung, seines Rechts von dem Kayser entsetzet werden.  
  Sie werden auf gewisse Masse Unterthanen genennet, weil sie des Kaysers und des Reichs höchste Obrigkeit erkennen: hingegen haben sie hinwieder die Landes- Fürst- oder Herrliche Hoheit über ihre Unterthanen, und nach dem gemeinen Lauff-Spruche gleiche Gewalt in ihren  
  {Sp. 174}  
  Landen, wie der Kayser in dem gantzen Reiche. Ein mehrers hiervon kan in Schmaussens Corp. Jur. Publ. Acad. und denen mehresten Publicisten nachgelesen werden.
  Im übrigen besiehe den Artickel Reichs-Tag.  
     

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Stand: 28. Dezember 2012 © Hans-Walter Pries