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Quellenangaben |
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Oesterreich, das Ertz-Hertzogthum Österreich, Lateinisch Austria,
Archiducatus Austriacus, grentzet gegen
Mitternacht an Böhmen und Mähren, gegen
Morgen an Ungarn, gegen
Mittag an die Steyermarck, und gegen
Abend an
Bayern und Saltzburg. |
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Das
gantze
Land, so in der Länge 36 bis 40 Meilen,
und in der Breite 18 bis 20 in sich hält, wird von der
Donau mitten durchflossen, und
durch den kleinen Fluß Ens, welcher sich mit der Donau vermischet, in |
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- Nieder-Österreich, oder das Land unter der Ens,
- und Ober-Österreich, oder das Land ob der
Ens,
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eingetheilet. |
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Nieder-Österreich, Lateinisch Austria inferior, wird von den Erd-Beschreibern abermals in 4
Viertheile abgetheilet, deren 2 unter der Donau, 2 aber über derselben liegen. Jene heißen das Viertheil Ober-Wiener-Wald und das Viertheil Unter-Wiener-Wald, diese aber das Viertheil Ober-Mannhartsberg, und das Viertheil Unter-Mannhartsberg, von denen unter ihren besondern Artickeln
nachzusehen seyn wird. |
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Uberhaupt aber werden in Nieder-Österreich, der gemeinen Rechnung nach, 45 grosse und kleine
Städte, 220 Marckt-Flecken, 44 Klöster, 424 Schlösser, und 3653
Dörffer, die ihre
eigene Pfarren haben,
gezehlet. Vor andern aber sind von
Städten folgende zu mercken: |
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- Wien, die Haupt- und Residentz-Stadt des Römischen Kaysers,
- Crems,
- Neustadt, eine gute
Festung,
- Kloster-Neuburg,
- Laxemburg und Ebersdorff, an welchen beyden Örtern
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{Sp. 775|S. 401} |
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sich der Kayserliche Hof zum offtern zu erlustigen pfleget, |
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- und Baden, so wegen der warmen
Bäder bekannt ist.
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In Ober-Österreich, welches, ungeachtet es nur 15 Meilen ins Gevierdte groß ist, dennoch 7
unmittelbare Landes-Städte, 5 mittelbare Städte, 81 Marckt-Flecken, 30 Klöster, und 217
adeliche Schlösser zehlet, sonsten aber
ebenfalls in 4 Viertheil, nemlich das schwartze und Mühlen-Viertheil über der
Donau, und das Haus-Viertheil,
und Traun-Viertheil unter der Donau abgetheilet wird, ist Lintz die
Haupt-Stadt, die übrigen
merckwürdigen Örter sind Ens, Steyer, Wels, Efferdingen und Gemünd. |
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An Flüssen und Strömen hat dieses
Land, ausser der
Donau und Enß, die Leyta, Steyer,
Traun, Träsen, Aschach, Erlaph und andere, welche das Land sehr fruchtbar machen. |
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Man findet darinnen ausser den schönsten Feld- und Garten-Früchten, sonderlich viel Wein, so daß
man auch
glaubet, es sey in Wien mehr Wein, als
Wasser. Ausserdem aber bringet auch
das Land in grosser Menge Ingwer, Calmus und Saffran, nebst allen andern zur
menschlichen
Nothdurfft gehörigen Stücken. Die
Wälder sind voller Wild, die
Ströme voller Fische und Krebse, die Wiesen und Weyden, auch andere Trifften voller Horn- und
Schaaff-Vieh. |
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Die
Einwohner sind
durchgehends artige, höfliche, gastfreye, und zu allen
Künsten und
Wissenschafften
sehr
geschickte Leute. Man
nennet sie im Schertze Paschaler, und
wenn man nach der
Ursache
fraget, so bekömmt man zur Antwort: Weil
sie immer Ostern, und niemals Fasten hätten. Insgemein werden sie eine Million starck zu seyn
geglaubet, daher man leicht den
Schluß machen kan,
daß Österreich allein im Fall der
Noth 50000 streitbare
Mann ins Feld zu stellen
vermögend ist. Und ob gleich unter dieser starcken Anzahl der Einwohner sich viele
Geistliche befinden, auch der
Adel sehr dicke gesäet ist, so ist es
dennoch kein Geheimniß, daß
jährlich 6 Millionen Reichs-Gulden aus diesem
Lande in die
Kayserliche
Cammer einlauffen. |
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Vormals wurde dieses
Land von den Vandalern bewohnet, die
aber nachgehends von den Wenden sind ausgetrieben worden. Vor Julio Cäsare haben die Bojen den
Theil dieser Lande, welcher gegen Mähren
gräntzet, inne gehabt,
musten aber selbige den Marcomannen
räumen. Der gröste Theil dieses Landes, sonderlich was zur Rechten der
Donau liegt, ist von
Kayser Augusten noch vor Christi
Geburt unter die Römische
Bothmässigkeit gebracht worden. |
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Kayser Tiberius
soll dieser östlichen
Provintz besondere
Freyheiten ertheilet haben,
welche auch 1637 bey dem damaligen
Churfürstlichen Collegial-Tage
publicirt und communicirt
worden. Man rechnet, daß 6 Land-Pfleger aus diesen Landen zu der höchsten
Würde des Kayserthums
gekommen sind. |
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Um die
Zeit der
Regierung Kaysers
Diocletiani haben sich die
alten Vandalen wiederum in dem
Lande eingefunden, denen es zur Zeit des Kaysers Decii die Gothen abgenommen hatten. Ihnen wurde
es durch die
Francken entrissen und dem
Hertzog Dieten aus
Bayern als ein |
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{Sp. 776} |
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Erb-Lehn gegeben. Zu den Zeiten Kaysers Carl des Grossen bewohneten die Hunnen dieses
Land, welche herauf biß an den Enß-Fluß stunden, der diese Barbaren von den Bayern scheidete. Mit
diesen Hunnen verfiel Carl der grosse in Krieg, und jagete sie nicht allein über den Raab-Fluß,
sondern setzete auch in das Land, zwischen der Ens und dem Raab einen
Marggrafen, wodurch denn
diese Provintz zu einer Marggrafschafft gemachet, und in Ansehung des Hertzogthums Bayern, dem sie
gegen Morgen lieget, die Orientalische Marck und Osterryck
genennet wurde; wiewol sie dennoch
auch noch lange hernach den Namen Chunnia, und die Chunnische Marck bey den
Scribenten behalten hat. |
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Nach dem Abgange der Carolingischen Kayser hat Kayser Heinrich der I. dieses Marggrafthum des
enthaupteten Graf Albrechts von Babenberg
Söhnen, Albrechten und
Luitpolden oder Leopolden, wiewol nur auf Lebenslang verliehen. Kayser Otto /. aber hat Albrechts
Sohn, Leopolden, damit erblich beliehen. Dessen Vor-Enckel Ernst, wurde von dem Kayser
Heinrichen IV. Sac. Romani Imperii Prior tituliret, wodurch der
Grund der Ertz-Fürstlichen
Würde gelegt worden. Dieser
Kayser
verordnete auch in dem
1058 ertheilten Gnaden- Briefe, daß die von den
Heydnischen Kaysern dem Ost-Lande ertheilte
Rechte eben solche
Krafft haben
solten, als wären sie von
Christlichen Kaysern verliehen; ferner,
daß Ernst und seine Nachkommen Advocaten der Bisthümer Juvavia und Lorch seyn solten; ingleichen,
daß er bey allen Reichs-Versammlungen und in der
gantzen
Welt sein Pannier und
Schwerdt sich vortragen lassen dürffte. |
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Ernsts Enckel, Leopold der IV. wurde wegen seiner Frömmigkeit von dem Pabst Innocentio dem
VIII. 1493 canonisiret. Dessen Sohn Heinrich der II. wurde von dem Kayser Friedrichen dem I. im Jahr 1156 zu einem
Hertzoge gemacht, und mit
vielen
ansehnlichen
Freyheiten begnadiget.
Denn es wurde das neue Hertzogthum das Schild und das Hertz des H. R. Reichs genennet, und der
Böhmischen Lehen, dahin es sonst gehen müssen, befreyet, auch zur Nachfolge aller
Kinder ohne
Unterscheid des
Geschlechts beruffen, auch
gedachtes Hertzogthum von aller Reichs-Hülffe und Diensten befreyet, wenn nur unter eignem Solde 12
gewaffnete Männer einen
Monat lang in Ungarn unterhalten würden;
ingleichen, |
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- daß ein Hertzog nicht
verbunden seyn solte, zu
Empfahung der Reiches-Lehen ausserhalb seines
Landes zu
reisen, und daß ihm frey
verbleiben solte, die Reichs-Versammlungen zu besuchen, oder nicht;
- daß das Reich in den Österreichischen Landen keine
Lehnschafften besitzen solte;
- daß ein Hertzog vor dem Reich in keinerley Anspruch oder Klage zu
stehen gezwungen, sondern vor seinen Vasallen und eignem Hof-Gerichte Recht geben und nehmen
könte;
- daß er zu keinem Zwey-Kampff ausgefordert werden, oder allenfalls durch einen Vorfechter zu
stehen berechtiget seyn möchte.
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Es wurde auch zugleich das Recht der Erst-Geburt eingeführet und |
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{Sp. 777|S. 402} |
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verordnet, daß bey der Lehns-Empfahung der Hertzog zu Pferde sitzen, auch einen Fürsten-Mantel,
auf dem Hute aber eine Spitze oder eine flammichte Crone, und in der Hand einen Stab tragen möchte.
Bey Reichs-Versammlungen solte er als Pfaltz-Ertz-Hertzog gehalten, und ihm zur rechten Seite des
Reichs die erste Stätte im Sitz und Gange nach den
Churfürsten gegeben werden,
dahero auch einige
schliessen
wollen, ob sey der
Titul eines Ertz-
Hertzogs schon damals mit gegeben worden, ungeachtet erst Kayser Friedrich der IV. und Maximilian
der /. selbigen eingeführt haben. Es wurde auch einem Hertzoge anheim gestellt, auf den Fall des
Abgangs der
Familie die Lande an jemand
anders nach eignem Gefallen zu verwenden. Diese Freyheiten insgesamt solten sich auch auf alle
Lande erstrecken, die künfftig zu dem
Hertzogthum gebracht
würden. |
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Kayser Heinrich der V. nennte Hertzog Leopolden den VII. in einem Diplomate magnificum et
summum nostrum Principem, schenckte ihm auch das
Königliche Cron-Diadema auf
seinen Fürsten-Hut. Hertzog Friedrich der streitbare bekam von dem Kayser Friedrich den II. die
Königliche Würde von Österreich, mit der Freyheit, daß er Crain zu einem Hertzogthum aufrichten, auch
auf seinem Hertzogs-Hut das güldene Cräntzlein des Königlichen Diadems über dem Königlichen Bogen
führen möchte. Dieser wurde 1246 in einem Treffen wider die Ungarn erschlagen, worauf die
Österreichischen Lande an seines Bruders Heinrichs des III.
Tochter Gertrud gefallen. Ihr
mit
Marggraf Hermannen zu
Baden erzeugter Sohn, Friedrich, zog mit dem Könige Conradino nach Italien, hatte aber das
Unglück, daß er 1269 zu Neapolis
enthauptet wurde. |
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Hierdurch nun verlohr das Land seinen
Regenten, weswegen die ge-
samten Stände selbiges dem Marggrafen zu
Meissen zuzuwenden suchten.
Allein ihre Gesandten wurden unterweges von dem Könige Ottocaro in Böhmen angehalten, da
derselbe immittelst des vorgedachten Friedrichs des streitbaren
Schwester, Margarethen,
ungeachtet sie eine verlobte Dame war, sich beylegte, um sich dadurch der erledigten Lande zu
versichern. |
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Zwar hatte Marggraf Heinrich in
Meissen, welcher die
älteste Schwester Constantiam zur
Gemahlin hatte, grösser
Recht darzu; allein er
muste bey dem dam ligen grossen
Interregno und verwirrten
Zustande nur stille dabey sitzen.
Doch blieb Ottocar auch nicht beständig in dem Besitz, sondern, nachdem er in einer Schlacht wider
den Kayser Rudolphen den I. das
Leben
verlohren, brachte es gedachter Kayser
dahin, daß sein ältester Sohn Albrecht mit dem Hertzogthum Österreich samt der Steyermarck und
Kärnthen, gleichwie der andere Sohn, Hertzog Rudolph, mit dem Hertzogthum
Schwaben, belehnet
wurde. Hierdurch kam Österreich an das Haus der Grafen von Habspurg, so es noch heut zu
Tage in unverändertem Flor besitzet, wie
aus dessen Genealogie mit mehrerm |
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{Sp. 778} |
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erhellet. |
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Was die übrigen Präeminentzien des Ertz-Hertzoglichen Hauses anlanget, so ist aus Kayser Carls
V. Bulle, von Dato Augspurg den 8
September 1530 anzuführen, daß das
Land Österreich ein ewig
Lehn in absteigender Linie ihres
Geschlechts Nachkommen
sey, und kein Römischer Kayser darüber einige
Obrigkeit oder
Gewalt setze; daß der
Ertz-Hertzog der allergeheimste Rath des Römischen Kaysers sey, und keine
Sache, die in Ewigkeit
reicht, ohne sein Vorwissen beschlossen werden oder geschehen
solle. Ihm ist auch verliehen die
Freyheit von allen Zinsen,
Diensten und
Auflagen ; desgleichen
die
Exemtion von der
Jurisdiction der hohen Reichs-Gerichte,
und dem Beytrage zu des
Cammer-Gerichts Unterhaltung. Auf
Reichs-Versammlungen hat das Ertz-Hertzogliche Haus nicht
nöthig, wie andere
Stände zu erscheinen, wenn es sich aber
bey einem
Reichs-Convent einstellet,
hat es in dem
Fürsten-Rathe salva alternatione wegen
des Saltzburgischen Condirectorii als ein Pfaltz-Ertz-Hertzog den Vorsitz, und bringet bey iedem
Reichs-Tage die erste
Materien in
Vortrag, gleichwie
Dero Gesandter im Fürsten-Rath andern
Fürsten in
Person vorsitzet und
vorgehet. |
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Ausserdem aber wird den Ertz-Hertzogen von Österreich auch von den
Deutschen
Churfürsten fast gleicher
Rang, als andern Churfürsten
gegeben. Nur wird darinnen ein kleiner
Unterscheid gesuchet, daß ein
Churfürst sich etwas eher bedecken
will, als ein
Hertzog, worinnen doch zu
Zeiten auch eine Gleichheit
beobachtet wird. Am dritten
Ort aber wenn ein
Hertzog mit einem Churfürsten zusammen kömmt, so hat der Churfürst die Ober-Stelle und den Vorrang
vor dem Ertz-Hertzoge. |
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Das Österreichische
Lehn ist an sich selbst bey dem
gantzen
Geschlecht
unveränderlich und ewig, also,
daß, im Fall der
männliche
Stamm ausstirbt, die
Printzeßinnen Lehns-würdig sind. |
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In seinen Ländern kan Österreich nach Belieben neue Zölle aufrichten, und ein Ertz-Hertzog den
Grafen-
Freyherrn-
Ritter- und
Adel-
Stand verleihen. |
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Es
soll auch dieses Ertz-Haus von
Natur dergestalt gesegnet
seyn, daß ein Ertz-Hertzog durch seinen Kuß einem
übel redenden eine deutliche und
vernehmliche
Sprache soll zuwege
bringen, wie auch vermittelst eines Trancks die Kröpffe heilen können. |
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Zum Beschluß dieses
Artickels ist noch
etwas von dem Österreichischem Wapen zu gedencken. Es ist aber selbiges im rothen Felde ein
silberner Queer-Balcken, welcher der gemeinen Erzehlung nach seinen
Ursprung daher haben soll, weil
Hertzog Leopold VII. aus dem ehemaligen Österreichischem Hause bey Eroberung der
Stadt Ptolomais sich so tapffer
gehalten haben soll, daß sein gantzes, vorhin weisses Kleid, über und über bis auf diejenige Stelle noch,
so mit dem Degen-Gehencke bedecket gewesen, sowol von seinem
eigenem, als seiner Feinde Blut
besprützet, und gefärbet gewesen, von welcher
Zeit an er dieses neue Wapen zu
führen soll angefangen haben, da vorhin Österreich fünff güldene Vögel in einem Schilde zum Wapen
gehabt haben soll, die von einigen für Lerchen, von an- |
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{Sp. 779|S. 403} |
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dern aber für Nachtigallen, und von den dritten gar für Adler haben
wollen angesehen werden.
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- Golstad. de constit. imp.
- Lundorp. in Act. publ.
- Cuspinian. in descr.
Austr.
- von Roo annal. Austr.
- Fugger in dem Spiegel der Ehren des Ertz-Hauses Österreich etc.
- Limnäus in jure publ. l. 5. c. 2.
- Zeiller in
topogr. Austr.
- Europ. Herold P. I.
- Stievens Europ-Hof-Ceremon. Th. II. Cap. 7. p. 180.
- Spener Op. Herald. Tom. I. Lib. I. c. 9. §
32. und 33.
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