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Schwester, Soror, ist eigentlich eine
Weibsperson, welche nebst andern von einem
Vater oder von einer
Mutter
gezeuget
worden, und wird so wohl in denen
alten
Römischen Rechten, als auch bey andern
Lateinischen
Schrifft-Stellern daher Soror
genennet, weil sie
nicht allein
gantz besonders (seorsum)
gebohren, sondern auch bey ihrer Verehlichung von
dem
Hause, darinnen sie gebohren, abgesondert und in eine andere Familie versetzet wird.
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- L. mulieres
C.
de incol. ...
- Bartolus in L. fin. …
- Gellius Noct. Attic. …
- Spiegel.
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Sonst aber theilet man dieselben nach der unterschiedlichen Beschaffenheit ihrer Eltern
in vollbürtige leibliche, Halb und Stief-Schwestern. Die vollbürtigen, leiblichen, rechten, oder
von beyden Banden, (Sorores germanae) sind, welche einen
Vater und eine
Mutter haben.
Halb-Schwestern vom Vater her (Sorores consanguineae) sind diejenigen, welche zwar
einen Vater, aber verschiedene Mütter, und Halb-Schwestern von der Mutter her, (Sorores
uterinae) welche zwar eine Mutter, aber verschiedene Väter, Stief-Schwestern (Sorores
comprivignae) aber, welche so wohl unterschiedene Väter, als Mütter, haben. |
- L. pen. u. ult.
C. de legit. haered.
- Brissonius.
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Siehe Nächste Anverwandten, im XXIII
Bande,
pag. 364. u.ff. desgleichen Nahe
Anverwandtschafft, ebend. p. 449. u.ff. |
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Die
Heilige Schrifft nimmt das
Wort: Schwester, manchmahl in einem weitläufftigern
Verstande, daß es nicht nur eine
Person andeutet, die mit andern von einem
Vater und einer
Mutter erzeuget und gebohren worden, sondern weitläufftiger verwandt ist, z.E. Geschwister-
Kind, u.s.w. |
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Merckwürdig ist es weiter, daß der Schwester-Nahme mit unter die
Liebes-Titul gehöret,
dadurch Mannspersonen ihre sonderbahre zarte Neigung gegen Leute des
weiblichen Geschlechtes auszudrücken den Brauch gehabt, der aber offt zum Mißbrauch unreiner Liebe
ausgeschlagen, und also das
Wort Schwester eine Benennung der Buhlerey geworden ist,
welches auch das Wort Bruder, Freund und Freundin
erfahren müssen. |
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Deshalben hat doch die
Schrifft kein Bedencken getragen, den Schwester-Nahmen in
heilig-reinem Gebrauch zu belieben, und nennet der himmlische
Bräutigam JEsus in dem
hohen Liede Salomonis Cap. IV, 12. seine auserwehlte
Braut seine Schwester, sagende:
Meine Schwester, liebe Braut, du bist ein verschlossener Garten, etc. |
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Die Christen nannten sich aus tiefferen
Grunde einer Wiedergeburth zur Erneuerung
göttlichen Ebenbildes im
Heiligen
Geiste Brüder und Schwestern, |
Röm. XIV, 1. |
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und
schreibet z.E. Paulus
1 Corinth. IX, 5: Er habe Macht, wie Petrus und andere
Apostel, eine Schwester, das ist, eine Christin, zum Weibe bey sich zu haben, sich mit
dergleichen zu verehelichen. |
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{Sp. 481|S. 254} |
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Es wird gefraget, was doch durch solche gynaika adelphēn, Schwester und
Weib,
verstanden werde? ob eine
Ehefrau oder sonst Christliche Matronen? Viele der alten
Lehrer,
die dem
Ehestand nicht allzu günstig gewesen, als
Tertullianus, Hieronymus, Clemens
Alexandrinus, Theodoretus, Oecumenius, Theophylactus und andere mehr,
verstehen
dadurch nicht gametēn, eine Ehefrau, sondern mulierem opulentam,
eine
reiche,
vermögliche Frau, die dem Apostel Handreichung gethan, wie etwan
Luc. VIII, 2. 3. etliche
gottselige Frauen Christo und seinen Jüngern Handreichung thaten von ihrer Haabe; wie
solcher
Meinung auch Marc. Anton. de Dominis beyfällt, wenn er
schreibet: |
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„Ich nehme an, und lasse mir wohlgefallen die gemeine Auslegung der heiligen Väter, die
dafür halten, Paulus rede von gottseligen Weibern, dergleichen Christo und seinen Jüngern
aus Galiläa nachgefolget, und ihnen von ihrer Haabe Handreichung gethan haben;„ |
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wiewohl er aber auch nicht in Abrede stehet, es könten solche
Worte Pauli von einer
Ehefrau verstanden werden; dergleichen auch andere Apostel mit sich herum geführet
haben. |
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Und dieser
Meinung seyn auch unsere und die Lehrer der Reformirten Kirchen; denn es
wäre den Aposteln eine schlechte
Ehre gewesen, und hätte sie in grossen Verdacht
gebracht, wenn sie ihre eigene
Eheweiber, als z. Exempel Petrus gehabt, hätten zu Hause
gelassen, und wären also mit fremden herum gezogen: So redet auch der Apostel nicht im
plurali, wie oben Lucas, als wenn jedem Apostel mehr
Weiber, wie Christo, wären
nachgefolget, sondern
sagt: eine Schwester zum Weibe: Nun würde es aber einer
Weibsperson allein, sonderlich die von ihren
Gütern gezogen, zu schwer gefallen seyn, eine
so lange Zeit Paulum auf so schweren und weiten Reisen zu unterhalten: überdas ist das
beygefügte gynaika stracks zuwider der Päbstlichen Glosse, denn das hätte der Apostel
nicht darzu setzen dürffen, wenn er kein Eheweib, sondern schlechterdings eine Weibs-
Person verstanden hätte, weil man wohl weiß, daß kein
Mann eine Schwester seyn kan.
Aber eben damit, wie auch mit dem periagein, umherführen, deutet er an, daß er vom
Eheweibe rede: Denn über fremde Weibs-Personen hätten die Apostel dergleichen
Gewalt,
sie in aller
Welt umher zu führen, nicht gehabt. Die frommen Matronen sind Christo im engen
Bezirck des Jüdischen Landes freywillig nachgefolget; er hat sie nicht mit sich
umhergeführet, aber die Apostel haben ihre Weiber ex maritali potestate selbst in allen
Landen umher geführet. |
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Endlich gehet Pauli
Zweck dahin, daß er sich seines
Rechtes freywillig begeben, unter
andern auch in dem, daß er kein
Eheweib umhergeführet: woher aber solte wohl das Recht
kommen, fremde
Weiber
eine so lange Zeit umher zu führen? Er redet demnach von rechten Eheweibern,
welche er um des Christlichen Glaubens willen Schwestern, das ist, Christinnen
nennet, wie auch Tobias sein Eheweib also
tituliret; heydnische Weiber, oder
verstockte Jüdinnen, wären ihnen nicht nachgefolget. |
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Aus welchem denn erhellet, daß Lehrer und Prediger auch im N. Testament die
Macht
und Freyheit
haben, |
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{Sp. 482} |
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Weiber
zu nehmen, weil der Apostel sich solche
Macht selber zuschreibet. |
Weihenm. Hochz. Ehe-Tisch-Tag-
und Bet. Spr. … |
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Die der Zeit in aller Leichtfertigkeit lebende und das
Reine verunreinigende Heyden nahmen daher Anlaß, die
Christen
unzüchtigen
Umgangs unter und mit einander zu
beschuldigen, meinende, sie müsten die an sich gute
Worte so schändlich mißbrauchen, wie sie; ja sie giengen
in lästerlicher Verläumdung so weit, daß sie daher denen
Christen Blutschande vorwurffen, darbey es Brüder und
Schwestern unehrlich mit einander zu thun hätten. |
- Lipsius Variarum lectionum.
II. 1.
- Dousa Praecidaneorum ad Petronium …
- Martialis Epigrammat. …
- Kortholt in Pagano et Obtrectatore
…
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Hingegen hiessen ehemahls die etwas rohen und
ausgelassenen
Geistlichen diejenigen
Weibs-Personen,
welche sie zu Büssung ihrer Wollust und andern
unanständigen
Dingen unterhielten und bey sich hatten,
Schwestern. Dergleichen Unwesen aber ihnen bereits so
wohl von dem Justinian, als andern Christlichen
Kaysern,
nachdrücklich untersaget worden. |
- l. eum qui.
C. de episc. et
cler.
- Hotomann,
- Pratejus,
- Cujacius …
- u.a.
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Sowie etwan heut zu Tage viele ledige
Manns-Personen die unzüchtigen und verdächtigen
Weibsbilder,
so dieselben im Hause oder auf der Stube bey sich
haben, vor ihre Muhmen ausgeben. Siehe Muhme im XXII
Bande,
p. 31. |
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Schwestern werden auch die Gottlosen unter
einander genennet, |
Ezech. XVI, 49. |
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weil sie von einem
Vater herrühren, nehmlich dem
Satan, |
1 Joh. III, 10. |
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weil sie einerley gesinnet sind, nehmlich
Böses zu
thun, |
Buch der Weißh.
II, 6. |
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und weil sie auch endlich einerley Erbe zu gewarten
haben, nehmlich das höllische Feuer. |
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