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|  | Mittag, Meridies, Midi. |  | 
|  | Mittag heisset |  | 
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| 1) | in der Astronomie der 
Punct, wo die Sonne 
				täglich am höchsten stehet, 
oder den Mittags- |  |  | 
|  | {Sp. 557|S. 296} |  | 
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|  | Circkel berührt, und 
fangen die Astronomi von dieser 				
				Zeit den 
				Tag 
an; |  |  | 
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| 2) | in der Zeit-Rechnung das 
Mittel zwischen dem Morgen und 
	Abend; und |  |  | 
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| 3) | in der Cosmographie die 
Gegend, wo die Sonne des Mittags um 12 Uhr 
stehet. |  |  | 
|  | Es wird der Mittag durch den Schatten 
gefunden, den der Sonnen-Zeiger auf die Mittags-Linie wirfft, und wird absonderlich gebrauchet, die 
Uhren richtig zu stellen, wie aus dem zur Gnüge 
wird abzunehmen seyn, was in dem 
				Artickel: 
Mittags-Linie ist angeführet worden. |  | 
|  | Sonst wird in der 
				Heil. Schrifft der Mittag offt 
Gleichnißweise gebraucht gefunden. |  | 
|  | So spricht David: der HErr wird deine 
Gerechtigkeit herfür bringen, wie das Licht, und 
dein Recht wie den Mittag, | Ps. XXXVII, 6, | 
|  | da denn die Gerechtigkeit ist die gute und 
gerechte 
				Sache der Unschuldigen, die von den
			Kindern der				
				Welt in Winckel verstecket worden; 
das 
	Recht aber ist die Rache, das 				
			Urtheil und die 
				Straffe, die gewiß folgen wird ihren Feinden, | Bes. Geiers Comment. h.l. 
… | 
|  | jene wird 
				
				GOtt herfür bringen wie das Licht, 
diese wie den Mittag; worüber Augustinus diese 
				Gedancken hat, daß es GOtt wolle herfür bringen, 
nicht wie die Morgen-Röthe, denn dieselbige sey 
noch in etwas mit Dunckelheit umgeben; und 
würden also ihre Feinde noch einwenden können, 
ihre Sache, die sie so gut machen, sey etwas 
dunckels, ob sie gleich einen Schein des Rechts 
habe; sondern wie den Mittag, der gantz hell und 
klar sey, da keine Finsterniß und Dunckelheit 
mehr vorhanden, also soll auch die gute Sache so 
hell und klar denen Feinden unter die Augen 
leuchten, und vor männiglich offenbahr werden, 
daß jedermann bekennen werde, als sey jenen 
unrecht geschehen, und werden sie die Rache an 
ihren Feinden sehen, denn ihre Gerechtigkeit soll 
aufgehen wie ein Glantz, und ihr Heil entbrennen 
wie eine Fackel, | Es. LXII, 1. | 
|  | Selneccer h.l. … 
			sagt hier also; deine gute 
Sache wird nicht in finstern bleiben, sie muß 
herfür, und jedermann bekannt werden, daß alle 
zu schanden werden, die dir sind zuwider 
gewesen, und deine Sachen haben wollen 
unterdrücken. | Weihenmeyers ABC 
Sprüche, Th. I, … | 
|  | Im Prediger Salomo lesen wir Cap. XI, 3, 
wenn der Baum fället, er falle gegen Mittag oder 
Mitternacht, auf welchen 
				Ort er fällt, da wird er 
liegen; der Baum ist nicht allein ein natürlicher 
Baum, der aus der 
				Erden herfür wächset von sich 
selbst, oder daß ihnen 
Menschen-Hände setzen; 
sondern auch ein jeglicher lebendiger Mensch, der 
mit dem Baume gantz füglich mag verglichen 
werden, in Ansehung des 				
				Ursprungs aus der 
Erde, | 1 B. Mose I, 11, Cap. II, 
7, | 
|  | und der Beschaffenheit, da die Bäume gute 
und faule, das ist, fruchtbare und 
unfruchtbare, | Matth. VII, 17 u.ff. | 
|  | von ieglichen Baume insgemein heisset es, 
der Baum fället; auch die viel hundert Jahre 
lebende Patriarchen haben endlich 
sterben 
müssen. |  | 
|  | Denn so redet Salomo hier nicht von dem 
Sünden-Falle, wofür
Paulus warnet: wer stehet, 
mag wohl zusehen, daß er nicht falle, | 1 Cor. X, 12; | 
|  | auch nicht vom Unglücks-Falle im 
				Leben, 
davon es sonst heist, der Gerechte fället sieben 
mahl | Ps. XXXVII, 24, | 
|  | sondern von dem 
			Todes-Falle; nach solchem 
Falle |  | 
|  | {Sp. 558} |  | 
|  | des Baums ist sein				
				Zustand |  | 
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| 1) | gemein: er bleibt liegen; 
es kommt kein Leben wieder in ihm. Und ob zwar 
der Zustand der verstorbenen 
				Leiber verändert 
wird am jüngsten Tage, |  | 1 Cor. XV, 54, | 
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|  | der Baum auch nicht ewig 
also liegen bleibet, daß er nicht sollte können 
wieder aufgerichtet oder der Leib wieder 
auferwecket werden: so bleibet doch der 
				Seelen-Zustand ewig und unverändert, entweder an dem 
Ort der Freude, oder in ewiger Quaal; und also 
ist |  |  | 
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| 2) | der Zustand des Baumes 
nach dem Falle gedoppelt, erstlich der Mittag, 
darnach die Mitternacht; wobey Gregorius Magnus 
sagt: der Mittag bedeutet wegen der Wärme einen 
guten 
			Stand; von Mitternacht aber kommt alles 
Unglück. Und Bernhardus: durch den Südwind, 
welcher warm ist, wird verstanden die Ruhe des 
Paradieses; durch den Nordwind hingegen, 
welcher kalt ist, die Straffe der Höllen. |  |  | 
|  | Wir können sagen: die Mittags-Seite sey die 
rechte Seite des Himmels: denn wenn man gegen 
Morgen siehet, hat man den Mittag zur rechten 
Hand: die Mitternacht-Seite aber stehet zur 
Lincken, und die Gottlosen werden flugs nach 
dem 
			Todte, auch öffentlich am jüngsten Tage zur 
lincken gestellet werden, als stinckende Böcke; da 
die Schäflein Christi sollen zu seiner Rechten 
seyn, | Matth. XXV, 33, | 
|  | gegen Mitternacht ist die äuserste Finsterniß 
und Kälte; und der 
				Fürs der Finsterniß hat sein 
				Werck in den 
			Kindern der Finsterniß, | 
	Ephes. V, 11, Coloss. I, 13, | 
|  | also werden die Verdammten bey ihrem 
eigenen Feuer dennoch seyn in der äusersten 
Finsterniß und Kälte, | Matth. XXII, 13; | 
|  | gegen Mittag aber ist Licht und Wärme, und 
da kan man die Sonne in ihrem vollen Lichte 
schauen: also gehet denen Auserwehlten das 
Licht auf in Finsterniß, | Ps. CXII, 4, | 
|  | wenn ihre Augen im Tode verdunckeln; und 
Freude den frommen Hertzen etc. | Ermisch Blumen-Lese, Th. V, 
… | 
|  | Bey dem Propheten Amos drohet GOtt dem 
				Volck Israel, er wolle die Sonne im Mittage 
untergehen lassen, | Amos VIII, 9; | 
|  | welche 				
				Worte verblümter Weise zu verstehen 
sind wie in der Heil. Schrifft gar gebräuchlich ist, 
daß sie das, was dem 
Menschen nützlich und 
erfreulich ist, ein Licht zu nennen pfleget; 
hingegen wenn sie vom Creutz, Elend und 
Widerwärtigkeit redet, so pfleget sie es durch das 
Wort Finsterniß auszudrucken. |  | 
|  | In welchem 				
				
				Verstande wir auch hier die Worte 
Amos verstehen müssen, denn wenn er saget: 
daß die Sonne im Mittage, da sie am höchsten 
stehet, und am hellesten leuchtet, soll untergehen, 
und das Land am hellen Tage finster werden, so 
wird hiermit so viel angezeiget: wenn das 
Jüdische 
				Reich in dem besten Flor und Blüte 
seiner höchsten Herrlichkeit werde stehen, wenn 
iedermann werde frölich und dabey sicher seyn, 
wenn sie werden von keinem Unglück wissen, 
sondern vermeinen, sie seyen die 
Allerglückseligsten, da werden die Straffen Gottes 
plötzlich kommen, und das 
				Gerichte Gottes so 
starck wider sie ergehen, daß auch der helle 
Mittag, der doch sonst frölich machet, ihnen 
betrübt seyn wird. |  | 
|  | Welche figürliche 
				
				Reden auch also erkläret 
Lutherus über diese Worte, und Jerem. XV, 9, da 
sie gleichergestalt gelesen werden, auch diesen 
Verstand haben. Ja, |  | 
|  | {Sp. 559|S. 297} |  | 
|  | wie bey entstehender schrecklichen 
Finsterniß die Menschen mit 
Furcht, Schrecken 
und Angst pflegen befallen zu werden, immassen 
an den Egyptiern bey der dreytägigen Finsterniß 
zu sehen, | 2 B. Mose X. 22,B. 
der Weißh. XVII, 2;
 | 
|  | also will der Prophet zugleich mit diesen 
Worten anzeigen, daß die Israeliten bey dem 
hereinbrechenden Unglück solche 
Furcht und 
Angst werde überfallen, daß sie auch dafür an 
keinem Orte werden bleiben können, | Loßii Erkl. Amos 
… | 
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