|
Text |
Quellenangaben |
|
Hof, wird
genennet, wo sich der
Fürst
aufhält. |
|
|
Durch sich alleine kan der
Landes-Fürst den
Staats-Cörper nicht bestreiten, er sey auch so
klein als er
wolle. Doch das ist noch nicht genug.
Der Fürst
muß bey Fremden sowohl, als
Einheimischen
Ansehen haben. Fehlet dieses, wer
wird seinen
Befehlen
gehorchen? Wären alle
Unterthanen von der tieffen Einsicht, daß sie den
Fürsten wegen innerlichen
Vorzuges verehrten, so
brauchte es keines äusserlichen Gepränges; so
aber bleibet der gröste
Theil derer gehorchenden
an dem äusserlichen hängen. |
|
|
Ein Fürst bleibet derselbe, er gehe alleine
oder habe einen grossen Comitat bey sich. Gleichwohl
fehlet es nicht an
Exempeln, da der Fürst, wenn er
allein unter seinen Unterthanen herum gegangen,
wenig oder gar kein Ansehen gehabt, da man ihm
hingegen
gantz
anders begegnet, wenn er seinem
Stande gemäß aufgezogen. |
|
|
Dieserhalben ist also
nöthig,
daß der Fürst nicht nur
Bediente habe, die dem
Lande
vorstehen, sondern auch, die ihm zum
äusserlichen
Staate und
eigener Bedienung nöthig
sind. Die letztern sind die eigentlichen sogenannten
Hof-Ämter, und die, so selbige
bedienen, heissen Hof Leute, und machen
zusammen des Fürsten Hof-Staat aus. |
|
|
Dergleichen
Bedienungen anzunehmen, darf
keiner ein Bedencken tragen, wenn er nur
diejenigen
Eigenschafften an sich hat, die
dazu gehören, und er nicht zu etwas andern als
diesem
geschickter. Ein
exeat aula, qui vult esse pius, darf sich niemand davon
abschrecken lassen. Es ist zwar an dem, daß die
Gelegenheit zu
sündigen nirgends leichter als bey
Hofe. Augen-Lust, Fleisches-Lust und hoffärtiges
Leben finden daselbst nach den gemeinen Lauffe
ihre beste Versorgung, und wer dazu nur etwas
Lust
hat, der wird gar leichte dazu Gelegenheit
finden. Doch bilde dir nicht ein, als ob ausser denen Höfen lauter
Gottesfurcht anzutreffen wäre.
Wer sündigen
will, wird auch mitten unter denen
frömmsten an denen heiligsten
Örtern
Gelegenheit darzu finden. |
|
|
Zudem so ist es im
Grunde
falsch,
daß bey allen Höfen obgenennten 3.
schändlichen Götzen gedienet werde. |
|
|
{Sp. 406} |
|
|
GOtt
Lob! das zu unsern
Zeiten es noch
solche Höfe giebet, da
Sünd
und Schande
übel
angesehen sind. Schmeichle dir also nicht
damit, als ob du, indem du nicht am Hofe lebest,
vor jenem, der sich daran befindet, fromm
wärest. Das Hof-Leben an sich macht die
Gottlosigkeit nicht aus, sondern der Fehler liegt
an denen, die sich
fälschlich einbilden, bey Hofe
könne man ungescheut allen
Lüsten des
Fleisches nachgehen. |
|
|
Es lässet sich also überhaupt auf die
Frage,
ob es besser sey, bey Hofe oder ausserhalb
demselben zu leben, nicht sohin antworten.
Deucht dir nach genaurer Prüfung der eine Hof dir
mehr
Gelegenheit zu
sündigen zu geben, so
suche einen andern, und mache da dein
Glücke.
An dir selbst aber
must du abnehmen, ob du von
GOtt zum Hof-Leben
beruffen. Prüfe deine
Kräffte,
und findest du dieselben also, daß sie bey Hofe
am
nützlichsten sind, so kanst du in GOttes Namen
dich an Hof begeben, auch fromm und selig
dabey werden, wenn du nur
Herr über deine
Begierden bist. |
|
|
Hast du nun also nach vorhergegangener
unpartheyischer und
vernünfftiger Überlegung den
Entschluß gefasset, dein Glück bey Hofe zu
machen, so wird es erstlich darauf ankommen,
wie du dich bey Hofe wollest bekannt und beliebt
machen. Damit aber wird dir nicht gedienet seyn,
bey Hofe zu weisen, daß du diese oder jene
Geschicklichkeit besitzest. Dein Glück wilt du
damit machen. du
must also vor allen
Dingen so
einen Hof suchen, da deine Geschicklichkeiten
gehen. |
|
|
Hast du selbigen ausfündig gemacht, so
bemühe dich zu
erfahren, ob der
Fürst selbst
unmittelbar
oder seine Ministri in seinem
Namen dieses oder jenes
Amt besetzen. Dein
erstes wird also seyn, dieses oder jenes, denn es
kommet auf eines heraus, Gnade und
Gunst zu
erhalten. Kanst du nicht gleich vor die rechte
Schmiede gehen, so steig durch die
vorhergehenden Stuffen hin in deines Beförderers
vortheilhaffte Bekanntschafft. Dieselbe wird am
besten seyn, wenn du deinem Beförderer,
so viel die
Regeln der
Gerechtigkeit erlauben,
gleich wirst. Denn dieses ist das festeste
Band der
Freundschafft. |
|
|
Bey dem allen aber
must
du
wissen[1], da der
Hof so mancherley Leute voll, zu wem du dich zu
halten. Es giebt Leute |
[1] |
HIS-Data: korrigiert aus: weisen |
|
|
1) |
die ihre hohe
Geburt
erhaben, als des
regierenden
Herrn Geschwister,
Anverwandte, Printzen von Geblüte. Diese
dürffen sich, wo der Herr mißtrauisch, in die
Regierung nicht mischen, wo sie nicht in den
Verdacht kommen
wollen, als ob sie eben
deswegen diese oder jene Stelle mit ihren
Creaturen besetzen wollten, damit sie sich bey
gelegener
Zeit vielleicht selbst auf den Thron
schwingen, und den regierenden Herrn
verdringen
möchten. So hoch also diese
Beförderer in Ansehung ihres
Standes wären, so
wenig Krafft haben sie, unser
Glück zu machen,
daß uns ihre Gnade und vertrauter
Umgang mit
uns vielmehr schadet. |
|
|
|
2) |
Giebet es Leute, die in
gantz
besondern Gnaden bey dem Fürsten stehen,
gleichwohl uns mit ihrer grossen Gnade nichts
helffen können. Ihrer
eigenen
Gunst, so sie von
ihrem Herrn genüssen,
Grund ist nicht tüchtig. Der
Herr braucht sie lediglich zu seiner Ergötzung.
Da will er nun frey von
Regiments-Sorgen seyn;
also kan ihm
ordentlich nichts anders als
verdrüßlich
seyn, wenn ihm da Bitt-Sachen
vorgetragen
werden. Solche
Art Leute haben auch nicht
einmahl
Zeit, sich ihrer Clienten anzunehmen. Sie
müssen allezeit auf ihres Fürsten Winck bereit |
|
|
|
{Sp. 407|S. 217} |
|
|
|
seyn, mehr als andere,
welchen andere
Verrichtungen angewiesen sind,
diese aber, wie schon gedacht, eintzig zu des
HErrn Ergötzung, so zu sagen beruffen sind, ja
auch wohl
Exempel nicht
mangeln, da der Fürst
selbst solchen Leuten schlechtweg untersaget,
sich in Regierungs-Sachen nicht zu mengen. |
|
|
|
|
Nicht zu gedencken, das
gemeiniglich dergleichen Hof-Leute vor sich
genug zu
thun haben, ihres
Herrn
Gunst zu
erhalten, daß sie also sich in acht zu nehmen,
damit sie nicht, indem sie andern zu etwas
besonders in verdrüßlichen Sachen behülfflich
seyn
wollen, sich selbst um ihr
Glück bringen.
Indessen ist es nicht wegzuwerffen, wenn du des
Herrn seines Mignons Gnade überkommen kanst. Ist gleich auf
dessen Hülffe nicht viel
Staat zu machen, so hat
er doch
Gelegenheit, deiner bey seinem Herrn,
und vielleicht, weil er es am besten
weiß, zu
gelegener
Stunde zu gedencken, und zwar, wenn
er
Verstand hat, so, als ob man keine Absichten
darunter hege, sondern gleich als ob es
unversehens ihm so eingefallen. |
|
|
|
3) |
Sind am Hofe
Männer, die
grosses Ansehen
haben, und bey dem Fürsten ein
Wort
reden können, die aber, weil sie sich dem
Herrn in einem und dem andern zuweilen
widersetzen, oder auch der Herr vor ihrer
anwachsenden Macht sich
fürchtet, in keinen
besondern Gnaden bey demselben stehen. Auch
diese, wenn sie gleich unsere hochgünstige
Patroni sind, können nicht allezeit unser Glück
machen. Aus Liebe wird der
Landes-Herr
ihre Leute nicht befördern, weil sie selbst keine genüssen. Vor ihrer Macht
fürchtet er sich auch, die dadurch nur besorglicher wird, wenn die
Ämter mit ihren Creaturen besetzt sind. |
|
|
|
|
Wenn du also nicht
unentberlich, so wird dieses deines Patroni Vorbitte bey dem Fürsten
dir wenig
Nutzen schaffen,
auch wird jener sich nicht einmahl deiner
annehmen, wenn du dich ihm nicht so gezeiget,
daß du durch deine
eigene
Geschicklichkeit seine
Recommendation unterstützen, auch in dem überkommenen Amte
dich so verhalten werdest, daß niemahls was
ungerechtes auf dich könne gebracht
werden. |
|
|
|
4) |
Giebt es auch Leute, die
beydes Ansehen und Liebe bey dem Fürsten
haben. Durch diese lässet sich am
zuverläßlichsten sein Glück machen. ihr Ansehen
machet, daß sie bey dem Fürsten ein Wort reden
können, und weil dieser sie seiner Gnade
genüssen lässet, so will er auch ihnen das, was
sie
wollen, zu Gefallen
thun. Kanst du dich also
bey so einem Manne in
Gunst setzen, so wird dieselbe den Abgang deiner Geschicklichkeit
reichlich ersetzen. |
|
|
|
Wilt du dich nun bey der
erlangten Stelle erhalten, so betrachte überhaupt
das, wodurch du zu derselben gelanget.
Besonders trotze nicht auf deine erhaltene
Macht. Dieselbe mag so
groß seyn, als sie will, so wird
sie dich doch vor dem Fall nicht bewahren
können. Der Weg ist bey Hofe zu schlüpffrich. Wenn
es am meisten um einen gläntzet, so gleitet man,
oder fällt wohl gar, so, daß man nicht wieder
aufzustehen vermag. Bey Hofe hat man zu viel
Aufseher. Vielleicht ist iemand da, der sich über
unsere Leiche den Weg in des Fürsten Gnade
bahnen will. |
|
|
Sich also in dem erlangten Posten bey Hofe zu mainteniren,
will weit mehr
Klugheit erfordern, als selbigen zu
erhalten. Da du ihn gesuchet, hat man dir
vielleicht das
Glücke nicht zugetrauet, daß du in
deinem Suchen nicht reussiren werdest. Nun da du denselben
bestiegen, so suchet dieser und jener Neider dich
zu unterminiren. Ste- |
|
|
{Sp. 408} |
|
|
he also wohl auf deiner Hut, beobachte die
Pflicht, die dir in deinem angewiesenen Hof-Amte
vorgeschrieben, aufs genaueste, so wird deinen
Neidern der
Beweiß fehlen, wenn sie auch was
ungeziemendes von dir vorgegeben. |
|
|
Ubrigens schicke dich in die
Zeit, und
meyne
nicht, weil du
gerechte Sache habest, du
müstest
durchdringen, die
Sache scheine auch
so
unmöglich, als sie wolle. Allezeit lässet sichs nicht
thun, und öffters hat man an einer
guten
Sache mehr dadurch geschadet, daß man mit
Gewalt und zur Unzeit durch gewollt. Leute,
welche die
Welt noch nicht kennen, dencken, es
müsse so gehen, wie sie es ausgerechnet, ein
Welt-kluger Hof-Mann hingegen hat ein anders
erfahren. Er machts wie ein kluger Steuer-Mann. Ist der Wind nicht
favorabel, so läuffet er aus dem
Hafen nicht aus oder laviret, und damit kommet er
weiter, als wenn er dem Winde mit Anwendung
aller Kräffte entgegen rudert. Er
befiehlt
GOtt die Sache, der alsdenn, wenn es nach seiner
unerforschlichen Weißheit Zeit ist, es so wunderbarlich
schicken wird, daß mit leichter
Mühe das sich
thun
lassen wird, worüber der
Unvernünfftige zur
Unzeit alles unnützer Weise zusetzet. |
|
|
Meide die Fall-Stricke, die dir deine
Widersacher legen. Sey in deinen
Rathschlägen
behutsam, damit, wenn sie etwa
übel
ausschlagen
sollten, die nicht die
Schuld
beygemessen werde. Deine Absichten verbirg, und sey
verschwiegen in Vollziehung dererselben. Sey
vernünfftig, mißtrauisch gegen andere, und laß
dich durch ihre glatten
Worte nicht einschläffern,
vielmehr sey gegen jedermann höflich, denn
darinnen
soll sich besonders ein kluger Hof-Mann
schon dem
Namen nach vor aller andern
Art
Leute distinguiren. Denn gesetzet, daß du nach
gewisser und obhabender
Pflicht genöthiget
würdest, einem und dem andern zunahe zu
treten, so wird man gegenseitigen
Theils sich
doch auch in acht nehmen
müssen, damit man
nicht beschuldiget werden, als ob man des
andern Höflichkeit mit Grobheit begegne. Würde
dir also dein Feind gleich gerne
schaden, so wird
er sich doch davor hüten müssen, damit er nicht
weit mehrern Haß vieler andern auf sich lade,
die alle überzeiget seyn, daß du wegen dieser
gewöhnlichen Höflichkeit niemanden ohne
äusserst-dringender
Noth was zuwider thun
werdest. |
|
|
Es ist also am besten, nach äussersten
Kräfften sich angelegen seyn lassen, keinen Feind
zu haben. Dencke nicht, der
Mensch sey so
ohnmächtig, daß er dir nichts schaden werde
können. Schon dieses sich zu überreden, ist
höchst schädlich. Man hat genugsame
Exempel,
daß Leute, wo nicht durch
Verdienste, doch durch
wunderliches Spiel des
Glückes, zu grosser
Macht
und
Hoheit gediehen. Hast du einen solchen
beleidiget, so wird er dich um so vielmehr seine
schwere Hand fühlen lassen, je weher es ihm
damahls, als du ihm zuwider gewesen, gethan,
daß er sich nicht gleich rächen können. Je länger
er nun seine Rache hat aufschieben müssen, je
nachdrücklicher wird sie seyn,
vornemlich,
damit du an dir selbst seine erlangte Macht fühlen
und empfinden mögest. Er wird auch solches
desto begieriger und daher auch desto ungeziemender thun, je ungewohnter er nach der vermeynten
Süßigkeit der Selbst-Rache ist. |
|
|
Am wenigsten verlaß dich auf deine
Geschicklichkeit. Denn wie wenige deiner
Neben-Menschen verstehen sich auf derselben
Werth, wie vielmehr aber dagegen sind |
|
|
{Sp. 409|S. 218} |
|
|
die aus andern
Bewegungs-Gründen
agiren. |
|
|
Am gefährlichsten ist es, wo mehr als eine
Partey, wie doch gemeiniglich, an einem Hofe ist.
Zweyen
Herren zu
dienen ist
unmöglich, und
sich zu keinem schlagen ist auch gefährlich, weil
wir alsdenn von keiner Seite Hülffe zu erwarten
haben, ja zu besorgen, es
möchte uns wie denen
Landen ergehen, welche zu
Kriegs-Zeiten
zwischen denen, so mit einander im
Krieg
verwickelt sind, innen liegen, und die Neutralität
ergreiffen, da sie denn gemeiniglich von beyden
mitgenommen werden, da sie sonst, wenn sie sich
zu der einen Partey geschlagen, nur von der
widrigen dergleichen zu besorgen gehabt. |
|
|
Kanst du also die Partey ergreiffen, welche
die Oberhand dereinst behält, so ist es freylich
am besten; weil du aber davon niemahls versichert
seyn kannst, so gehest du am sichersten, wenn du
der Gegen-Partey, da sie einander noch die
Waage gehalten, nicht
unnöthigen Widerstand
gethan, so wirst du dir von derselben noch eher,
wenn sie ja gewinnen, und die deinige
unterliegen
solte,
Pardon versprechen können.
Man wird
sagen, es habe seine
Pflicht so mitgebracht; er sey einmahl bey jener Partey
gewesen, und da habe er nicht anders, als uns
zuwider seyn können. Ist man aber über seine
Schuldigkeit gegangen, so siehet es die andere
Partey als einen Haß an, den jener besonders
wider sie gehabt, und ist also auch auf
besondere Rache bedacht. Schläget es nun also, wie wir gedacht, um, daß
wider unser
Vermuthen die widriggesinnte
Partey die Oberhand behält, die Aspecten auch so
beschaffen sind, daß die gefallenen so tieff liegen,
daß an kein Aufstehen wieder zu gedencken, so
wird freylich dein erstes seyn
müssen, die
Zeit
recht abzupassen, daß du mit dem geringsten
Verluste zu jener übertritst. |
|
|
Uberlege aber wohl, wenn du vor dir hast. |
|
|
Ist dein Uberwinder ein
Wollüstiger, so wird ein gutes Wort, wehmütige
Stellung, und aufs höchste etliche vergossene
Thränen alles
gut machen, und das geschehene
gantz und gar vergessen seyn. |
|
|
Der Ehrgeitzige wird auch nicht unversöhnlich
seyn. Wenn man ihm das begangene so abbittet,
daß er daher
glaubet, man
erkenne, wie er
vollkommen im
Stande, uns seine Rache fühlen
zu lassen, so erhält er eben, was er
will. Wir
haben nun seinen
Vorzug und
Macht und
dagegen unserer Ohnmacht
erkennen
sollen.
Dieses bekennen wir durch unsere Abbitte,
folglich achtet er seine
Ehre, die er durch unsere
Widerspenstigkeit vor verletzet geachtet, wieder
hergestellet. Treibt er es aufs höchste, so wird er,
eher wir die gesuchte Begnadigung erhalten,
Rache haben wollen, und da ist es am besten,
solche ie eher ie lieber über sich ergehen zu
lassen, auch selbst
Gelegenheit dazu zu geben,
damit er desto mehr überzeuget werde, daß wir
seine Macht erkennen und verehren. |
|
|
Mit dem
Geitzigen lässet es sich am
übelsten zurechte kommen. Vorhin angeführtes
beweget ihn
nicht; sein mißtrauischer Sinn macht folgends,
daß er unsere Demüthigung nicht vor aufrichtig
erkennet: aller Feind ist er auch; folglich will ihm
das
Glücke wohl, so kan und will er uns stürtzen,
und da siehet es übel mit uns aus. Deine
Liebe
gegen den Nächsten ist da, folglich hat er keinen
Zaum, der ihn in seiner Rache zurück halte und
mäßige, und hat er also Macht, so wird er nicht
eher ruhen, als bis er seinen
Beleidiger in eine
andere
Welt geschicket, und auch dessen
Hinterlas- |
|
|
{Sp. 410} |
|
|
senen das Geschehene auf das
unbarmhertzigste geahndet, zumahl da er hierdurch
sich am besten gesichert zu seyn achtet, weil, wie
er keine Treu und Glauben hält, ein gleiches
auch von andern vermuthet, und also, wenn wir
gleich allen ersinnlichen
Gehorsam und
Liebe
versprochen, solches nicht vor aufrichtig hält. |
|
|
Weiter solt du
wissen, wo du bey Hofe
nicht
unglücklich seyn wilt, daß der Neid
nirgends mehr als bey Hofe herrsche. Es ist da der Zusammenfluß von so mancherley
Vergnügungen dieses
Lebens, genüsset nun
da der eine, wie es denn nicht anders seyn kan,
ein mehrers als der andere, so siehet solches
sein Nachbar mit scheelen Augen an. |
|
|
Dabey hüte dich ja, daß du dich so erhaben
achtest, daß du über den Neid seyst. Das ist
schon der Anfang zum Falle. Denn bist du der
Meynung, so wirst du dich nicht vorsehen,
sondern blindlings in dein Verderben rennen. Erbarmung als Neid zu haben, ist allezeit besser.
Bey dem ersten finden sich noch einige, die uns
aufhelffen wollen, bey dem andern aber streitet
alles wieder uns, ja wir selbst wollen da keinen
Beystand haben, als die wir uns schon so feste
stehend einbilden, daß wir nicht fallen
können. |
|
|
Einigermassen versehen es hierinnen die
Wollüstigen, die machen sich theils aus nichts
was, theils, weil sie aller Leute Freund, so
können sie sich nicht einbilden, daß jemand so
liebloß, der sich stürtzen wolle, und da
fragen sie
nichts darnach, wenn sie gleich den Neide immer
mehrere
Nahrung geben. |
|
|
Am meisten lieget der
Ehrgeitzige an nur
gedachtem Vorurtheile kranck. Entweder er bildet
sich ein, daß er so grosse
Eigenschafften
besitze, die ihn vor aller Stürtzung sattsam
sicherten, oder, er will auch deswegen gar gerne
Neider haben, damit destomehr an
Tag komme,
wie hoch ihn seine
Verdienste über andere
erhoben. Geringe Leute beneidet man nicht,
dahero wünschet er sich wohl Neider zu haben,
als ein Zeugniß, daß er vor andern
glücklich.
Aber eben dieses fället ihn. |
|
|
Fehlet es wohl in
alten und neuen
Zeiten an
Exempeln,
da die grösten Ministri und
liebsten
Schooß-Kinder derer Fürsten gewaltig gestürtzet
worden? da es nun aber gleichwohl bey Hofe
ohne Neid zu seyn fast
unmöglich, so
weiset sich
doch dadurch ein
kluger Hof-Mann, daß er an
seinem
Theile alles
beyträget, damit der Neid an
ihm keinen Bestand habe. Dabey ist nun nichts
bessers, als das uralte
Gesetze derer Abderiten und Ephesier: Nemo
nostrum melior sit altero, zu beobachten.
Den geringsten
Vorzug, den man sich vor andern
machet, siehet der andere als eine
Geringschätzung seiner an. Sollte man aber nun
deswegen gute Thaten, welche den kenntlichsten
Unterscheid machen,
unterlassen? das sey
ferne. |
|
|
Vor allen
Dingen prüfe, ob die
Thaten, die
du vor
gut hältest, auch
würcklich so sind, oder ob
du sie nur aus
Eigenliebe davor ansiehest. Bey
letztern Verdruß zu haben, wäre höchst
unrecht,
da auf beyden
Theilen kein
Vortheil daraus
erwächset. Im ersten Falle aber so führe zwar
deine
gerechte Absichten aus, doch so, daß du dir
keinen Neid zuziehest. Das wird aber sich,
wenn du nur
Meister über dich, besonders über
deinen Ehr-Geitz, bist, gar leichte
thun
lassen. |
|
|
Mache von deinen
Thaten nicht nur kein
Wesen, sondern achte sie selbst noch dabey
geringe, und, wenn die
Umstände es leiden, so
schreib deine Thaten andern zu. Hierdurch
verlieret der Neid seine
Krafft an |
|
|
{Sp. 411|S. 219} |
|
|
dir, und du wirst dadurch in
Stand gesetzet,
weit mehr
gutes zu vollbringen, woran dich sonst
der Neider würde gestöret haben, dessen Haupt-Bemühung eben ist, wie du, wenn du am rechten
Orte angepacket würdest, ohne
Krafft seyst. Denn
dem Neider wird es an mancherley Räncken nicht
fehlen, dich vielleicht unter einem guten Scheine
vom Hofe und zugleich mit aus deines Fürsten
Gunst zu bringen. |
|
|
Laß dich nicht blenden, daß du eine höhere
und einträglichere
Charge bekommest, bist du nicht
beständig um den Herrn, so machst du
Gelegenheit, daß einer in deine
Stelle einrücke.
Der Fürst vergisset deiner nach und nach, zumahl
wenn sich jemand findet, der ihm in denen
Verrichtungen, die du bisher besorget, Genüge
thut, und du also nicht vermisset werdest. |
|
|
Hat es auch nicht diese Beschaffenheit, so machest du doch
wenigstens deinen Verleumdern Gelegenheit,
dich bey deinem Fürsten anzuschwärtzen.
Wärest du zugegen, so könntest du dich
verantworten, so aber erfährest du wohl kaum, was
vor Verbrechen dir zugemuthet werden, und da ist
es, als ob dir
würcklich recht
Schuld gegeben
werde, weil es durch keine Verantwortung
gehoben wird. Viele auch, die sonst auf deiner
Seite stunden, da du zugegen warest, hängen den
Mantel nach dem Winde, und schlagen sich zu
deinem Feinde. Dadurch wirst du nun schwächer,
und deine Gegner stärcker. |
|
|
Grobe Calumnien darff man sich bey Hof so leichte nicht
besorgen. Man lebet daselbst polit.
Äusserlich hat alles den Schein einer besondern
Höflichkeit. Aber eben dieses macht die
Verleumdung desto
wahrscheinlicher. Der dritte
Mann kan sich nicht einbilden, daß unter solcher
Decke der Höfligkeit, Dienstfertigkeit,
Liebe und
Freundschafft einige Feindschafft und Verfolgung
verborgen seyn
solte. Ein unwissender Hof-Mann
wird bey solchen Fällen aus einer Grube in die
andere verfallen. Stehe also auf deiner Hut, und
lasse dich durch die glatten
Worte des andern
nicht einschläffern, vertraue ihm nicht dein Hertze,
sondern verfahre in allen deinem
Thun und
Reden
klüglich. |
|
|
Bedencke, daß zwischen dir und deinem
Fürsten eine grosse Klufft befestiget. Gieb ihm den
Vorzug, den
GOtt und die
Natur ihm vor dir weit
gegeben. Ja selbst dein
eigen
Glück
wird dadurch gegründeter seyn. Eines Freundes, der gar
zu vertrauet bey uns ist, wird man leichtlich
überdrüßig. Man
weiß
ihn nicht recht zu schützen,
weil es immer so ist. Sich also zuweilen rar
machen, erwecket nur destomehr den Appetit
nach einem andern, denen es nicht so
gut wird,
sehen dazu scheel, daß wir bey dem Fürsten sowohl gelitten. Sie wünschen sich solche
Gnade.
Daher wird es ihnen nicht schwer, ein
Mittel
ausfündig zu machen, wodurch dieser vertrauteste
Minister um seines Herrn Gnade gebracht
wird. |
|
|
Von deinem Fürsten
rede behutsam, wie dir
denn als dessen
Bedienten überhaupt nicht
geziemet, ein
Urtheil über dessen
Handlungen zu
fällen. Es könnte dir leichtlich ein Wort entfahren,
welches vor eine
Beleidigung deines Herrn
mögte genommen werden, und da
kämest du in
das gröste
Unglück. |
|
|
Nimm dich aber nicht allein bey Hofe vor
deiner Widersacher Verleumdung in acht, sondern
auch vor ihrem
Lob. Denn auch hierdurch kan
einer gefället werden, und zwar desto unvermerckter, je weniger dieses Bezeigen jemanden
verdächtig scheinet. Am besten ist dabey, seinen
Widerwillen über solche |
|
|
{Sp. 412} |
|
|
Lobes-Erhebungen mit Worten sowohl, als in
der
That, zu bezeigen. Am allermeisten aber wird
uns das Lob zum Stricke und Falle, wenn es eine
Sache betrifft, daran der Fürst selbst, oder einer
seiner grösten Minister
Theil nimmt. Was brachte
den König Saul gegen David am meisten auf?
Nicht
wahr, daß die ihm entgegenziehenden
Weiber in ihren Triumph-Liedern einflüssen
lassen: Saul habe tausend, und David zehen tausend geschlagen. Da
ergrimmete,
heist es 1. Sam. 18, 8.9. Saul sehr,
und gefiel ihm das Wort übel und sprach: Sie
haben David zehen tausend gegeben, und mir tausend, das Königreich
will noch sein werden. Und Saul sahe David
sauer an von dem Tage, und fortan. |
|
|
Tacitus Vit. Agricol. 41.
beweiset solches durch das
Exempel
seines Schwieger-Vaters des Agricolae. Nicht die Beleidigung
anderer, sondern infensus virtutibus princeps et gloria Agricolae et genus
inimicorum pessimum laudantes, machten seinen Fall. |
|
|
Gewissermassen haben diejenigen nicht
unklüglich
gethan, welche, um solchen
verderblichen Lobes überhoben zu seyn, Fehler
begangen, damit man sie vor schwach ansehen,
und also weniger lobenswürdiges an ihnen finden
sollen. Doch wenn anders dieses zu einer
Regel
werden soll, so hat sich freylich ein
kluger Hof-Mann wohl in acht zu nehmen, daß er nicht in
Sachen von Wichtigkeit gedachte Fehler mit unterlauffen lasse, weil er sowohl selbst zur
Rechenschafft gefordert, als auch das
gemeine Wesen unersetzlichen
Schaden darunter leiden
möge. |
|
|
Zudem so ist noch ein
Mittel übrig, sich
gegen solches schädliches Lob in Sicherheit zu
setzen. Man schreibe seine lobenswürdige
Thaten nicht sich, sondern dem Fürsten, oder
dem, unter dessen Direction man stehet, zu, so
wird man seines Orts in Ruhe seyn können, und
dem andern schadet es nichts. |
|
|
Überhaupt, wer nicht wohl gesattelt ist,
kömmt bey Hofe nicht fort. |
- Guevara de Vit. Aulic. Molest.
- Daniel Eremita de Aulica
Vita et Ciuili.
- Wartenberg väterliche Instruction
an seine Kinder mit Bessers
Vorrede.
-
Ridiger in der
Klugheit zu Leben und zu herrschen ...
-
Müller Polit. ...
|
|
|
|
|