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Quellenangaben |
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Vorrede, Vorbericht,
Lat.
Praefatio, Prooemium, Praeloquium, ist diejenige schrifftliche Nachricht, welche die
Schrifft-Steller ihren verfertigten
Wercken
aus
unterschiedener Absicht
vorzusetzen pflegen. |
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Man beschreibt sie auch, daß sie eine
Schrifft sey, so einem
Buche
vorgesetzet wird, und |
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Es ist eine Vorrede bey einem Buche eine
nützliche
Sache, und die
Gelehrten
urtheilen nicht
übel, welche
sagen, wenn man ein Buch lesen
wolle; so
müsse man
vor allen
Dingen die Vorrede und das Register desselben ansehen. Denn obgleich
eine Vorrede nicht zu dem
Wesen eines Buches gehöret, und man vor vielen derer
ältesten Bücher dergleichen gar nicht findet; so hat doch der
Vortheil, bey
einem Buche die Absicht und andere
Umstände zu wissen, gar bald gelehret, daß
einige Nachricht voranzusetzen
nöthig sey. |
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{Sp. 1074} |
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Wenn Vorreden an eintzelne
Personen oder
gantze
Gesellschafften gerichtet
werden, so heissen sie eigentlich Dedicationes oder Zuschrifften. |
Von diesen hat der berühmte
Walch
in der Commentatione de Dedicationibus librorum veterum Latinorum, so
er den Epistolis selectioribus Cellarii vorgesetzt,
gelehrt gehandelt. |
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Es wird davon unter dem
Titul
Zuschrifft weitläufftig gehandelt. |
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Es wäre zu wünschen, daß alle Vorreden ein Perspectiv wären, dadurch man
den gantzen Plan und den Werth eines Buches
völlig übersehen und
erkennen
könnte. Denn die Gelehrten wissen gar wohl, daß viele junge Leute darum nicht zu
einer
gründlichen
Gelehrsamkeit gelangen; weil sie nicht über die rechten Bücher
gerathen sind. |
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Die Vorreden, so die Verfasser der Bücher
schreiben, solten die besten seyn,
weil sie
vornehmlich
wissen können, was sie
vorgetragen haben; allein
Bescheidenheit, oder auch auf der andern Seite
Eigen-Liebe und andere
Gemüths-Neigungen
machen, daß dergleichen Vorreden uns nicht allezeit den
richtigsten
Begriff von ihrer
Arbeit machen.
Gelehrte und aufrichtige
Männer
können von einer
Schrifft eines andern, bey dem sie weder
Gunst noch Verdruß
erwarten dürffen, wenn sie dieselbe bedächtig lesen, und geprüffet haben, ein
wahres
Urtheil fällen, Doch hat man ebenfalls die
Umstände dabey wohl zuerwegen. |
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Was ist aber von den Vorreden zu halten, welche
vornehme Gottes-Gelehrte
oder andere berühmte Männer auf Ansuchen der Verfasser oder Übersetzer gemacht
haben. Man verzeihe uns, daß wir deswegen kein Buch hoch schätzen, weil einem
vornehmen Mann eine Vorrede darzu ist abgebettelt worden. Wir verwerffen
dergleichen Vorreden nicht gäntzlich; immassen die Vorredner doch ihrem
Ansehen
nicht den Schand-Fleck anzuhängen verlangen, als wenn sie aus
gewissen
Absichten
eine schlechte Schrifft vor ein Meister-Stück ausgeben
wolten. Allein man
weiß
gar wohl, wie schwer es ist, einen, der
Ehre oder einen
Vortheil und
Gewinst
von seinem Buche ziehen will, in seiner Blösse
vorzustellen, oder die Leute zu
warnen, da man dieselben zur Verwunderung und zum Kaufe mit einer
Lob-Rede zu
locken gleichsam gedinget ist. |
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Es ist bekannt, wie sich viele gelehrte Männer darüber beschweret haben, daß
man von ihnen Vorreden vor eine
Arbeit, von der doch jedermann weiß, daß es ein
elend jämmerlich
Ding, abzufordern sich unterstehet. Doch gantz anders ist die
Sache bewand, wenn
geschickte Leute, die aber entweder wegen ihrer
Tugend, oder
wegen der Misgunst des
Glückes sich noch in keinen Ruhm bey der
gelehrten
Welt
gesetzt, eine
Materie mit
Fleiß ausgearbeitet haben, und sich eine Vorrede von
einem berühmten Manne ihrem Wercke vorsetzen lassen. Alsdenn gilt das
Urtheil
des
Herrn
Buddei [sieben Zeilen Lateinischer Text] |
Praefatio ad T. I. Miscellan. Lips. |
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Doch er- |
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{Sp. 1075|S. 553} |
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innert auch
Buddeus in der Vorrede über
seine Institutiones hermeneuticas. |
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"Wenn anderer Leute Bücher von ihm solten
recommendiret werden; schreibt er daselbst, so
recommendire er dieselben am liebsten,
welche seine Recommendation nicht bedürffen." |
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Vorredner und Leser können in einem Buche
nicht alles loben, auch nicht alles verwerffen.
Owenus
schreibt Epigramat. ... an den Leser gar recht: |
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[zwei Zeilen Lateinische Verse] |
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Was die Vorreden, so die
Buchführer
zuweilen vorsetzen, betrifft; so findet man selten
darinnen etwas
gründliches und das Urtheil stehet
mehrentheils auf einem schwachen Fusse. Die
Würckung derselben ist insgemein nicht groß;
daher erscheinen dieselben nicht öffters als die
sichtbaren Mond-Finsternisse. |
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Wenn uns jemand
fragte, was man von den
Sammlungen der Vorreden hielte; so würden wir
sagen, wie ein grosser Theologus in
Gewohnheit
zusagen gehabt: Blut wing. Der schlechte
Abgang solcher Sammlungen hat auch verhindert,
daß dergleichen nicht gar viel ans Licht getreten
sind. Wenn man die Vorreden bereits vor den
Büchern, die nicht rar sind, findet, oder wenn sie
auch von keiner Wichtigkeit sind; so wird nicht viel
Nutzen daraus zu erwarten seyn. Sind aber
wichtige
Materien abgehandelt; so ist der
besondere Abdruck derselben zu loben. |
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Allzulange Vorreden sind gemeiniglich
beschwerlich, wo sie nicht
gantz besondere
Sachen
vortragen. Wir
wollen Crenii langen Vorreden kein
kürtzer
Lob
beylegen, als ihnen gebühret; es ist aber nicht unbekannt, daß manchen Leuten
bey Durchlesung derselben die
Zeit hat lang werden wollen. |
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Die Kürtze ist also bey den Vorreden eine
Tugend. Sie sind wie ein Vorgemach; wenn man
in demselben allzulange aufgehalten wird; so wird
uns die Zeit und die
Lust
benommen, daß wir uns in den innern Zimmer wenig umsehen können, oder auch desto
weniger Vergnügung finden. In
den Vorreden werden uns gleichsam die Speisen
vorgesetzet, und gewiesen, was wir geniessen
sollen. Der Aufsatz selbst muß einen Hunger in
uns erwecken. |
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Wir halten aber diese vor eine
gute Vorrede,
wenn das Absehen bey einer
nützlichen
Schrifft,
und der Innhalt kürtzlich und deutlich
vorgestellet
wird, und wenn man also daraus
erkennen kan,
was man darinnen suchen, und was vor einen
Nutzen man aus der Lesung schöpffen
könne. |
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Vor die besten Vorreden werden insgemein
gehalten. |
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1. |
Calvini Vorrede über die Institutiones
Religionis. |
2. |
Casauboni über den Polybium und |
3. |
Thuani, so er seinen
Historischen
Büchern
vorgesetzt hat. |
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Schlechte Vorreden
mögen diejenigen mit
Recht
genennet werden, in welchen man nichts
thut als auf den
Momum und Zoilum loßzihet, und wieder die Verächter
und Tadler Legionen ins Feld zustellen drohet.
Wenn man sich beschweret, daß man von
gelehrten Männern, guten Freunden,
Buchhändlern
u.s.w. wäre ermahnet, ge- |
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{Sp. 1076} |
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nöthiget, ja wohl gar gezwungen worden
seine
Arbeit an das Licht zu geben. |
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Es ist gar eine
alte
Gewohnheit
Schrifften
gelehrten
Männern zuzuschicken, von denselben
ein
Urtheil, ja was noch mehr ist, eine
Ausbesserung sich auszubitten. Allein insgemein
will man sich nicht leicht etwas aussetzen lassen;
sondern verlanget nichts als
Lob und bildet sich
ein, ein höfliches Compliment in einem Hand-Briefgen eines gelehrten Mannes sey
ein Urtheil, daß man bald der
gantzen
Welt vor Augen legen
müsse. |
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Wie es eine Verwegenheit ist, wenn sich ein
Schrifft-Verfasser einbildet, er könne allen
Gelehrten ihre Fehler aufdecken und alle
Wissenschafften reformiren; so klingt es
abentheuerlich, wenn einer
meynt, er werde mit
seinen Künsten die halbe Welt in den Harnisch
bringen. Henr. Conr. Agrippa von Nettesheim
seuffzet in der Vorrede seines
Buches de Incertitudine et vanitate omnium scientiarum also: [sechs Zeilen Lateinischer Text] |
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Es ist eine Eitelkeit, wenn in den Vorredenalzuviel versprochen wird; besonders scheinet es
unnöthig zu seyn, die Leser von dem
Nutzen
eines
Buches eydlich zu versichern, wie
Gottschalck
thut, wenn er in der Vorrede über die
Observationes Lat. Sermonis also schreibt: [drei Zeilen
Lateinischer Text]. |
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Noch
ungereimter ist es, wenn man die Leute
gar einer
Sünde beschuldigen
will, wenn sie ein
Buch, das doch noch nicht canonisiret ist, zu lesen
unterlassen würden; wie Samuel Hartlibius in der Vorrede
vor Comenii Pansophiae Prodromo dergleichen Gefahr
vorstellet, und warnet. |
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Manchmal will man in einer Vorrede die
Fehler eines Buches anzeigen, und hält sich bey
Kleinigkeiten auf, da man doch wichtigerer
anzuführen
unterlässet. Vorreden sollen auch
darzu gut seyn, wenn man etwan in dem Buche
etwas anstößiges vorgetragen, daß man sich
darinnen vor die Folgen die daher entstehen
möchten, verwahre. Doch
urtheilet
De Praux davon, daß es nicht viel heisse: |
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[zwei Zeilen Französische Verse] |
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Man mercket über dieses noch von Vorreden
an, daß sie jederzeit die Jahr-Zahl beygesetzt
haben
sollen.
Baylens
Worte davon sind sehr artig,
ärgert sich nehmlich darüber, daß Sturmius in seinen
Vorreden für die
Wercker des
Ciceronis das
Jahr
dabey nicht beniehmt habe. |
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"Ich habe es mehr als einmahl gesagt, spricht
er, daß es ein Fehler sey, wenn man unter die
Zuschrifften und Vorreden keine Jahr-Zahl setzet;
und ich befestige mich in diesen Gedancken, da
ich diese Stelle des Sturmius abschreibe. = = = Ich habe
also, um mich vor diesen Irrthümern zuverwahren
die wahre Jahr-Zahl der ersten Ausgabe von
Ciceronis Reden, die von Sturmius besorgt worden,
suchen müssen, und ich habe gefunden daß
sie |
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{Sp. 1077|S. 554} |
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von 1540. ist. Ist es nicht ärgerlich, daß man
wegen fremder Nachläßigkeit so viel Zeit
verderben muß? Ist es wohl billig, daß die
Auslassung einer Sache, die nur einen Zug mit
der Feder gekostet hätte (nehmlich die Jahr-Zahl
eines Briefs) vielen Lesern eine so verdrießliche
Beschwerung machen.„ |
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Im Jahr 1716 wurde in den Unschuldigen
Nachrichten bekannt gemacht, daß sich jemand
finde, der fast alle Vorreden der Biblischen
Editionen, so von einiger Wichtigkeit sind,
gesammlet, und also gesonnen sey, solche in
etlichen
Theilen herauszugeben. Doch wolte er
dabey diese
Ordnung beobachten, daß was in
einer enthalten, er in denen folgenden nebst
einigen unnöthigen Ausschweiffungen weglasse.
Es sollen auch die
Lateinischen und
Deutschen
allein; die
Frantzösischen, Englischen, Welschen
und Spanischen aber übersetzt darzu kommen, und die gantze Sammlung mit einem
guten Real- und Verbal-Indice beschlossen werden. |
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