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Text |
Quellenangaben |
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Lust. |
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Die Lust gehöret unter diejenigen
Dinge, die
sich wohl deutlich empfinden, aber nicht
verständig erklären lassen, eben deswegen, weil
sie eine angenehme
Empfindung ist. Wir müssen
daher bey solchen Umständen bleiben, die sich
erklären lassen, darunter das vornehmste ist:
woher die Lust entstehe? oder was der
Grund sey,
warum der Mensch eine angenehme Empfindung
oder Lust habe? |
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Alle Lust setzet ein gewisses Gut voraus,
welches das Mittel zu dem
Endzweck der
Begierden |
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{Sp. 1244} |
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in der
Seelen ist, daß wenn selbige gestillet
werden, so entstehet darauf die Lust, folglich kan
man sagen: Die Lust entstehet, wenn die
Begierden der Seelen gestillet werden; mithin
entspringet die Unlust wenn sie nicht gestillet
werden. |
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Wenn wir aber die Sache etwas genauer
erwägen wollen, so haben wir auf zwey special
Idéen zu sehen; auf die Beruhigung oder Stillung
der Begierden, und auf die Begierden selbst. Die
Begierden werden auf zweyfache Art gestillet;
einmahl, wenn wir den
Zweck derselbigen, oder
was wir gewolt, würcklich erlangen; oder wenn wir
zur Erhaltung desselbigen
Hoffnung haben, und
daher macht sowohl die Erlangung als die
Hoffnung des Zwecks unserer Begierden in der
Seelen Lust, und die Begierden müssen vor der
Empfindung der Lust hergehen, deren
unterschiedene Beschaffenheit eben der Grund,
warum bisweilen Lust, zuweilen Unlust
entstehet. |
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Denn es ist aus der
Erfahrung bekannt, wie
bisweilen einerley Sache bey dem einen Lust
machet; bey dem andern aber keine, oder wohl
Unlust, z.E. wenn in einer
Gesellschafft eine
Music gemacht wird, so hat der eine seine Lust
daran; der andere macht sich nichts daraus, und
dem dritten ist es wohl zuwieder. Ja man weiß,
daß eine Sache, die einem vorher Lust erwecket,
nachgehends entweder als indifferent; oder wohl
gar verdrießlich vorkommt, z.E. mancher hat in
seiner Jugend zu den Spielen grosse Lust gehabt;
kommt er aber zu
Jahren, so achtet er es nicht
mehr, und ist ihm wohl verdrießlich, wenn er
spielen soll. |
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Aus diesem erhellet, daß man den Grund der
Lust keineswegen in der Vortrefflichkeit der Sache
selbst und deren
Erkänntniß zu suchen, indem
sonst folgen müste, daß alle, die gleiche
Erkänntniß von einer Sache haben, auch gleiche
Lust darüber empfinden müsten, welches wieder
die Erfahrung, z.E. eine
Frau hat ein Vergnügen
über ein schön Spinn-Rad, das ich hingegen nicht
habe, wenn ich gleich weiß, was zu einem
vollkommenen schönen Spinn-Rad gehöret;
hingegen werde ich ihr keine Lust beybringen,
wenn ich gleich noch so deutlich darthäte, was zu
einem vollkommenen Feder-Messer gehöret. |
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Dieses ist wieder die
Philosophie des
Herrn Wolffens zu mercken, der in den Gedancken von
GOtt, der Welt und der Seele des Menschen …
eine gantz besondere Vorstellung von der Lust
gemacht. Denn wenn er erklären will, was Lust
sey, so sagt er: Indem wir die Vollkommenheit
anschauen, entstehet bey uns die Lust, daß
demnach die Lust nichts anders ist, als ein
Anschauen der Vollkommenheit. Er will dieses mit
verschiedenen Exempeln erläutern, z.E. wenn ich
ein Gemählde sehe, das der Sache, die es
vorstellen soll, ähnlich sey, und betrachte seine
Ähnlichkeit, so hätte ich Lust daran. Gleicher
Gestalt wenn ein Baumeister ein
Gebäude
betrachtet, das nach den
Regeln der Bau-Kunst
aufgeführet sey, so erkenne er daraus seine
Vollkommenheit; da er nun alsdenn Lust daran
habe, so erhelle abermahls, daß die Lust im
Anschauen der Vollkommenheit bestehe. |
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In diesem Vortrag finden wir einen
zweyfachen Fehler. Der eine ist, daß er die Sache
selbst mit dem Grund derselben vermischet,
indem er erklären will, was die Lust |
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{Sp. 1245|S. 640} |
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sey, und doch nur saget, daß sie ein
Anschauen der Vollkommenheit wäre. Denn wenn
auch dieses richtig sey, so kan man doch weiter
nicht sagen, als daß die Lust aus dem Anschauen
der Vollkommenheit entstehe; das Anschauen
aber an sich mache noch keine Lust aus, wie
denn auch daraus folgen müste, daß die Lust
nicht zum
Willen, sondern zum
Verstand
gehöre. |
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Jedoch wenn man auch das Anschauen der
Vollkommenheit nur als einen Grund der
Vollkommenheit betrachten wolte, so könnte
solches doch nicht den wahren und eigentlichen
Grund abgeben, indem wir schon oben aus der
Erfahrung das Gegentheil angemercket und
gewiesen, daß die blosse Erkänntniß, oder das
Anschauen einer Vollkommenheit an sich noch
keine Lust machet, weil man vielmahls eine Sache
nach ihrer Vollkommenheit anschauet, ohne
darüber eine Lust zu empfinden, welches eben
daher kommt, daß eine solche vollkommene
Sache keine Connexion mit unsern Begierden
hat. |
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Es ist wahr, daß ein Baumeister ein
Vergnügen an dem Gebäude hat, wenn solches
nach den Regeln der Bau-Kunst aufgeführet ist,
welches aber nicht daher kommt, daß er die
Vollkommenheit des Gebäudes erkennet, welches
auch andere thun können, ohne ein Vergnügen
darüber zu haben; sondern weil der Zweck der
Begierden, daß nemlich das Gebäude wohl
gerathen möge, erreichet ist. |
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Es kan die Erkänntniß der Sache bey einer
Lust nicht ausgeschlossen werden, weil die
Begierden, welche von den
Gedancken
dependiren, durch selbige müssen erreget
werden; sie wird aber dadurch nicht der nächste
Grund der Lust, und denn werden manche
Begierden, wenns natürliche und habituelle
Neigungen sind, gestillet, daß daraus eine Lust
entstehet, ohne daß man sich vorher die Sachen
als vollkommen fürgestellet, und auch wenn eine
Vorstellung geschiehet, so wird selbige vielmahls
nach der Beschaffenheit der herrschenden
Neigungen eingerichtet, welches alles so viel
erweiset, daß das Haupt-Werck bey der Lust auf
die Begierden ankommet.¶ |
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Alle Lust, die sich die Menschen machen, ist
entweder eine
Leibes- oder Seelen-Lust. Jene ist,
welche über den Zweck der Begierden, so zur
Versorgung des Leibes gehören, entstehet, als
aus Essen, Trincken, Schlaffen, frischer und
warmer Lufft, Spatzieren-Fahren,
angenehmen
Geruch, u.d.g. indem dieses alles Dinge sind, die
nach Beschaffenheit der Umstände zur
Versorgung des Leibes gehören; Die Seelen-Lust
hingegen ist, welche über den Zweck der
Begierden, so zu ihrer Versorgung abzielen,
entspringet, und auf den Verstand so wohl als
Willen gehet. Auf Seiten des Verstandes
empfindet man die Seelen-Lust aus dem
Begriff
und Erfindung der
Wahrheit; auf Seiten des
Willens aber aus der Hoffnung der Glückseligkeit,
man suche sie nun wo und worinnen man
wolle. |
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Diese letztere kan eine wahre und falsche
Seelen-Lust seyn. Denn die Menschen halten
vielmahls etwas vor gut, und meynen dadurch
ihren Zweck der Glückseligkeit zu erlangen, den
sie doch nicht erhalten können, und sich dadurch
vielmehr unglücklich machen. Vergnügt man sich
nun über solche Sachen, so ist das eine falsche
Seelen-Lust, als wenn einer seine Glückseligkeit
in der Kützelung seiner äusserlichen
Sinnen; der
an- |
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{Sp. 1246} |
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dere in dem
Reichthum, und der dritte in dem
Vorzug vor andere suchet. Werden die Begierden,
die zu solchen Zweck zielen, gestillet, und man
hat darüber eine Lust, in Hoffnung nunmehro
glückselig zu seyn, so ist es eine falsche Seelen-Lust. Denn solche Sachen können einen
Menschen in der That nicht glückselig
mache. |
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Man hat daher eine dreyfache falsche
Seelen-Lust, des Ehrgeitzes, Geldgeitzes und der
Wollust, deren
Eigenschafft ist der Mangel der
Ruhe, oder die unendliche Sehnsucht, und die
beständige
Veränderung, so wohl in der
Qualität,
als Quantität. Die Veränderung der Qualität, oder
der
Art nach, äussert sich in der Wollust, daß man
sich bald auf diese, bald auf jene Art ein
Vergnügen machen will; die Veränderung der
Quantität, oder der Grösse nach, zeiget sich in
dem Ehrgeitz, und Geldgeitz, indem man hier bey
einerley Objecto verbleibet, man will aber mehr
haben, als man bisher erlanget. |
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Aus diesem ist leicht zu ersehen, daß die
wahre Seelen-Lust sey, welche die Ruhe des
Gemüths bey sich hat und beständig ist, mithin muß sie über solche Sachen entstehen, die an
sich wahrhafftig die Glückseligkeit der Menschen
befördern. |
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Es hat diese
Materie
Rüdiger in der
Anweisung zu der Zufriedenheit der menschlichen
Seele … weitläufftig und
gründlich
ausgeführet. |
Walchs philosophisches
Lexicon. |
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