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Quellenangaben |
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Uibel,
Lat.
Malum, wird alles dasjenige
genennet, was uns und unsern
Zustand
unvollkommen macht. |
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Z. E. Die Unwissenheit macht unsern
Verstand unvollkommen, und also ist sie
böse,
und ein Übel. Die Kranckheit macht unsern
Leib,
und die
Armuth unsern äusserlichen Zustand
unvollkommen, also sind sie gleichfalls Übel. |
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Das Übel pfleget in drey
Arten eingetheilt zu
werden: In das
Metaphysische (Malum
metaphysicum)
Moralische (Malum morale) und
Physicalische (Malum physicum). |
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Was die erstere Art betrifft, so ist bekannt,
daß jedes Geschöpffe an sich einige
Vollkommenheiten hat, und also metaphysisch gut
ist; ob wohl eines immer besser ist, als das
andere. Dieses Gute nun hat bey allen endlichen
Dingen seine Schrancken, und diese
Einschränckung der Dinge nennet man die
Unvollkommenheit oder das metaphysische
Übel. |
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Wenn es sich nun fragt, wo diese Art des
Bösen ihren
Ursprung her habe und ob es
GOtt
erhalte? so dienet zur Antwort, daß es aus der
nothwendigen und wesentlichen Beschaffenheit
der Creaturen seinen Ursprung habe, als welche
durchaus Schrancken haben müssen, und daß es
folglich eben so wenig eines Erhalters bedarf, als
es eines Schöpffers von nöthen gehabt. |
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Dieses mit einem Exempel zu erläutern, so
sehe man nur auf den
menschlichen Verstand.
Daß dieser eine
Krafft sey, sich das mögliche
deutlich vorzustellen, und sich in der
That einiges
so vorstellet, das ist eine wahre Vollkommenheit,
die ihm von GOtt gegeben worden, und von ihm
erhalten wird. Daß er sich aber so wenige Dinge
deutlich vorstellen kan, die meisten aber verwirrt,
dunckel oder gar nicht vorstellet, das machen die
Schrancken seiner Krafft oder seine wesentliche
Unvollkommenheit, die ihn zu einem endlichem
Geiste macht. Diese Schrancken brauchen nun
keiner besondern Erhaltung GOttes. Wenn GOTT
nur seine Vollkommenheit erhält: So sind die
Unvollkommenheiten, als ein metaphysisches
Übel schon von sich selbst da. |
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Die andere Gattung des Übels ist das
Moralische, nehmlich die bösen
Handlungen, die
wieder das Gesetz der Natur lauffen: Und dieses
fliesset aus dem vorhergehenden. Denn daß der
Mensch
Böses thut, kömmt daher, weil er es für
gut ansiehet. Daß er so falsch davon urtheilet, das
kömmt von der schlechten Einsicht in die
Natur
des Guten und Bösen her; da ihm nehmlich ein
undeutliches
Erkänntniß betrügt. Sein
undeutliches Erkänntniß aber entstehet theils aus
den
Sinnen, theils aus dem schwachen
Verstande. Also kömmt das moralische Übel, aus
dem metaphysischem, die Übertretung aus der
Unvollkommenheit des Verstandes her. Hat nun
diese keines Urhebers und Erhalters vonnöthen,
so hat auch das, was darauf folgt, keinen
Schöpffer und Erhalter nöthig; und man kan also
nicht sagen, daß GOtt an den bösen Handlungen
Theil nehme. |
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Aus dem moralischen Übel entspringt das
Physicalische, welches in dem Elend und Leiden
unter den Menschen bestehet. |
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{Sp. 565|S. 296} |
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Es verschwindet aber die Grösse des
metaphysischen Übels unter den Menschen sehr,
wenn man seine
Gedancken auf das unzählige
Gute richtet, was der menschliche
Verstand schon
erdacht und hervorgebracht hat; und davon der
hundert tausenste Theil alles das übertrifft, was
alle andere Thiere zusammen genommen leisten.
Der Mensch erforschet ja Himmel und
Erde; er
bauet und schiffet auf erstaunende Weise; er
bezwinget die stärcksten, listigsten und
geschwindesten Thiere, kurtz er unterwirfft sich
die gantze Natur. Denn er brauchet Lufft und
Wasser,
Erde, und Feuer, Metall, und Felsen,
Pflantzen und Thiere, ja die Sterne selbst zu
seinen Absichten. Ist nun ein Thier, so zu allen
diesen Stücken geschickt ist, ein vollkommenes
oder unvollkommenes Thier zu nennen?¶ |
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Das moralische Übel ist nur eine nothwendige
Folgerung des vorigen, aber ebenfalls so groß
nicht, als es die scharffen Moralisten abzubilden
pflegen. Sind nun gleich sehr wenige Menschen
recht tugendhafft; so sind auch eben so wenige
recht im höchsten Grade boshafft. Die meisten
Menschen halten ein gewisses Mittel im
Bösen
und Guten, und sündigen mehr aus Versehen und
Unverstand, als aus Bosheit. Die
Vernunfft aber
hat, durch Einführung der
Gesetze und
Obrigkeiten, die Ausübung des Bösen so zu
hemmen gewußt, daß man gantz ruhig und
friedlich in der
Welt leben kan. |
Siehe George Heinrich
Borzens Dissertation de magnitudine ac gravitate
mali moralis in genere considerati, Leipzig
1743.¶ |
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Was endlich noch das physicalische Übel,
oder das Elend und Leiden unter den Menschen
anlangt: so ist selbiges gleichfalls so groß nicht,
als man vielmahls vorgiebt. Es giebt überhaupt
mehr Gesunde als Krancke, mehr Wohlversorgte
als Bettler, mehr vergnügte als
verdrüßliche
Stunden in der Welt. Das Gute hat also
augenscheinlich die Oberhand: Das Böse aber ist
offtmahls eine natürliche
Straffe böser
Handlungen und begegnet uns also mehrentheils
durch unsere eigne Schuld. Oft ist es ein Mittel zu
einer grössern Vollkommenheit, wie z.E. eine
saure
Arbeit
reich, geehrt und glücklich machen,
oder manche Kranckheit, zu desto besserer
Gesundheit gereichen kan. Oft ist es auch bey
weitem so groß nicht, als man sich es aus übriger
Zärtlichkeit einbildet. Endlich sind die hefftigsten
Schmertzen gemeiniglich von sehr kurtzer Dauer,
die langwierigen aber nicht sehr hefftig.¶ |
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Ausser diesen drey
Arten des Übels giebt es
noch einige andere die wir kurtz anführen
wollen. |
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Hieher gehöret erstlich das Schein-Uibel, oder das vermeinte Uibel,
malum apparens, welches eine Unlust bringet, die sich endlich in
eine
Lust verkehrt. Z.E. der Fleiß eines Anfängers
hat nur den Schein eines Übels: Denn ob er gleich
anfangs viele Unlust machet, so wird doch diese
endlich in eine Lust verkehrt, wenn der Anfänger
durch den Fleiß seinen
Zweck erreicht. Also hat
ein vermeintes Übel keine wahre
Unvollkommenheit oder auch wohl eine
Unvollkommenheit zum
Grunde, die mit |
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{Sp. 566} |
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zur Vollkommenheit des Gantzen etwas
beyträgt. Z.E. der Fleiß des Anfängers befördert
seine Vollkommenheit, obgleich mit ihm viel
beschwerliches verbunden ist. |
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Das wahre Uibel, malum verum, bringet eine
unveränderliche Unlust. Z.E. ungesunde Speise
ist ein wahres Übel: Denn aus ihr kommt
Kranckheit, die nichts als Unlust gewähren kan.
Ein wahres Übel ist also in einer wahren
Unvollkommenheit gegründet. Als ungesunde
Speise macht unsern
Leib in der
That
unvollkommen. |
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Das Uibel des
Gemüths, Malum animi, ist
dasjenige, wodurch der Zustand unserer
Seelen
unvollkommener wird, z.E. Unwissenheit. |
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Das Uibel des Leibes, ist dasjenige, wodurch
der Zustand unseres
Leibes und vollkommener
wird, z.E. Kranckheit. |
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Das Uibel des Unglücks oder schlechterdings
Unglück, wodurch unser äusserlichen Zustand
unvollkommener wird, z.E.
Armuth. |
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Das höchste Uibel oder die Unseligkeit des
Menschen bestehet in einem stetem Fortgang zu
grössern Unvollkommenheiten. |
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Und endlich das natürliche Übel ist, wenn
bisweilen einige ausserordentliche
Dinge in der
Welt erfolgen, die von dem, was ordentlich
geschiehet, abweichen. Man kan auch hiervon
den
Artickel
Natürliches Uibel im XXIII
Bande,
p.
1031. nachschlagen. |
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Das übrige welches hieher gehöret und von
dem Übel gesaget werden könnte, ist unter den
Artickeln
Böse, im IV Bande, p. 392. abgehandelt
worden. |
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Es ist also nichts mehr übrig, als daß wir die
Erklärung einiger
Schrifftstellen hinzufügen. |
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Das Übel bedeutet Jon III, 10. eine grosse
und schwere
Straffe, mit welcher
GOtt die Sünden
der Menschen heimsuchet. Dergleichen Übel war
die allgemeine Sündfluth, damit GOtt die erste
Welt ersäuffete, |
1 B Mos. VII, 10; |
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Der Feuer- und Schwefel-Regen, mit
welchem GOtt Sodom und Gomorra
umkehrete, |
XIX, 24. |
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dergleichen es auch am obgedachten Orte
bedeutet, nehmlich den endlichen Untergang der
Stadt Ninive. Diesen Untergang nennet der HErr
ein Übel, nicht als wenn solche Straffe von Natur
böse wäre, denn wie kan dasjenige böse seyn,
das dem Bösen steuert und wehret, hingegen das
Gute befördert? sondern deswegen, weil die
Menschen dadurch geplagt und gestrafft
werden. |
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Sonst giebt es in dieser Welt dreyerley
Übel: |
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1) |
Die Sünde, die nicht nur
allein vom Satan entspringt, sondern auch den
Menschen in Jammer und Noth stürtzet. Wegen
dieses Übels schwemmet David die gantze
Nacht
sein Bette und netzet mit Thränen sein Lager |
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Ps. VI, 7. |
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und Paulus nennet sich
einen solchen elenden mühsamen
Mann, den
dieses Übel den gantzen Leib voller Schwülen
geschlagen, |
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Röm. VII, 12. |
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2) |
Alles dasjenige, was uns
Übels zu thun locket und reitzet. |
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3) |
Das Straf-Uibel, Creutz
und Elend, das auf die Sünden erfolgt.¶ |
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Im Propheten Hoseas IV, 3. wird
gesagt: Es
wird allen Einwohnern übel gehen, weil sie sich
alle an GOtt mit grossen Sünden vergriffen hatten,
und daher auch nach der göttlichen Gerechtigkeit
gestrafft werden. |
Ps. VII, 12. u.f. XI, 6.
u.f. |
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Darum heisset es allen, denn wer sündiget,
der |
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{Sp. 567|S. 297} |
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wird seine Schuld tragen. Im
Hebräischen
stehet von dem Uibelgehen, das
Wort
Umlal,
welches eine
Sache bedeutet, die den Safft und
Krafft verlohren hat. Es wird auch von einer
verdorbenen Stadt gebrauchet, wie Jerusalem zur
Zeit der Babylonischen Gefängniß gewesen, |
Klaglied. I, 1. |
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David braucht es von sich, und sagt: Ich bin
schwach, |
Ps. VI, 3; |
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besonders aber wird es auf
Menschen
gezogen, die im
Kriege, Pest, Hungers-Noth,
elendiglich verderben und umkommen, da sie offt
wegen Mangel der Hülffe verschmachten und
vergehen müssen. |
Ezechiel IX, 8. |
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Man kan den Nachdruck des Hebräischen
Wortes nicht recht ausdrücken, daher wird es von
dem gebraucht, was ausgehauen, gantz verderbt,
und zu Boden geworffen ist, |
Joel I, 12. |
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Dieses solte den Einwohnern des
Landes
begegnen, und es konnte ihnen nicht unbekannt
seyn, denn
GOtt hatte solches Übel durch Mosen
vorher sagen lassen. |
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