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Quellenangaben |
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Minister, Minister, Aulae
purpuratus, Ministre, ist eine
vornehme Person, die von einem
Fürsten in Staats-Geschäfften, oder auswärts
gebrauchet wird. |
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Derjenige, welchem ein
König oder
Fürst die
vornehmsten Staats-Sachen anvertrauet, heisset
ein Staats-Minister, Ministre d'Etat. Zu diesen gehören zuförderst
die, so mit einem neu-aufgekommenen
Namen
Geheime Cabinets-Räthe
genennet werden, und
denn die Geheimen
Staats-Räthe. |
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Die zweyten, die nemlich auswärts
gebrauchet werden, werden in die vom ersten und
vom andern
Range
unterschieden. Jene sind die
Botschaffter oder Ambassadeurs; diese sind die Abgesandten, Envoyés,
Residenten, und insgemein alle, die um eines
Geschäfftes
willen, so den
Staat oder die gemeine
Sache betrifft, verschicket werden, darum sie auch
insgesamt Ministri publici heissen. |
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Wenn ein Fürst unter seinen Ministern einem
den
Vorzug giebt, denselben über alle die andern
setzet, und ihm das Haupt-Werck überall allein
anvertrauet: so heisset er Premier-Minister, oder
Ministrissimus, wie dieser
Name in Franckreich dem Cardinal Mazzarini zu Gefallen
aufgebracht worden. |
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Ob einem Lande, und selbst dem
Fürsten
ein Ministrißimus heilsam sey, kan auf beyden Seiten
disputiret werden. Die
verneinende Parthey führet
an, daß er zu nichts anders
diene, als daß er des
Fürsten
Hoheit verdunckele, den allgemeinen Neid,
auch wider den Fürsten errege, und wegen
seiner despotischen Administration zu allerhand
gefährlichen Aufständen Anlaß gebe. Und hat
man wenig
Exempel, daß dergleichen
Männer
ihrer Erhebung sich beständig erfreuet, und einen
glücklichen
Ausgang gehabt, wie die Geschichte voriger und unserer
Zeiten lehren. |
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Es ist aber ein
Unterscheid zu machen
unter einem Premier-Minister und einem Favorit
oder |
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{Sp. 377|S. 206} |
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Günstling. Jener führet die gemeine Sache, und
erleichtert seinem Fürsten die Last der
Regierung,
dieser geniesset allein des Fürsten
Gnade und
Gewogenheit auf eine ausnehmende Weise,
ohne sich groß in die
Geschäffte zu mischen. |
Speidel. Contin. Wilhelm Christ. Schröder hat
de Ministrissimis von Staats-Bedienten ein
Buch, und
Jac. Thomasius
eine
Disputation
geschrieben.
Desgleichen de Ministro peccante Ahasver.
Fritsch. Das wandelbare
Glück der Minister stellet P.D.P. vor in seiner
Histoire des Favoirs. |
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So viel nun die
Pflichten eines
klugen und
vorsichtigen Ministers anbelanget; besiehe unter
dem
Artickel
Hof, im
XIII.
Bande
p. 405. u.ff. |
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Was aber andere Personen, so mit Leuten
von so hohem
Range zu
thun haben, anbetrifft; so
kan vor dieselben nicht undienlich seyn, folgende
Regeln zu mercken. |
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Zuförderst und vor allen
Dingen kan also
nichts
nöthigers und
nützlichers seyn, als wenn man
eines Ministers, mit dem man entweder viel zu
verkehren, oder bey welchem man auch etwas zu
suchen hat, Gemüths-Art und
Neigung
auszuforschen, und sich darnach zu achten
weiß.
Denn solchergestalt ist man nicht allein im
Stande, desselben Stärcke oder Schwäche zu
übersehen, sondern auch bey
Gelegenheit mit
Vortheil in seinen
Nutzen zu verwenden, und
folglich auch um so viel eher auf seine Seite zu
bringen. |
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Ist er
z.E.
Geldgeitzig; so
muß man mit
Geschencken kommen. Ist er ein Liebhaber vom
Frauenzimmer; so muß man dasselbe gleichsam
die Federn seyn lassen, die ihn nach unserm
Willen
bewegend machen. Mercket man, daß er
nicht sonderlich verschwiegen, und viel bey sich
behalten kan; so nimmt man sich vor ihm in Acht,
und vertrauet ihm nicht viel, siehet aber, daß man
dasjenige, daran uns zu wissen viel gelegen, von
ihm
erfahren kan. |
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Wenn man auch von geringen und
unschuldigen Dingen weiß, was er gerne hat, und
woran er Gefallen trägt, so kan man sich bey ihm
beliebt machen, wenn man ihm dergleichen
verehret. Denn es kan sich einer bisweilen durch
schlechte und geringe Geschencke, die die Leute
hoch achten, mehr beliebt machen, als durch grosse, die von dem andern nicht so
sehr geachtet werden. |
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Wenn man weiß, was er gerne höret; so fängt man von dergleichen
Sachen
an mit ihm zu discuriren; aber das
verdrüßliche
unterläßt man. Weiß man, daß er von grosser Fähigkeit ist; so muß man sich
sehr schlau, behutsam und verständig gegen ihn aufführen. Siehet man aber, daß
er schlechte
Studia,
und auch sonst schlechten
Verstand
hat; so kan man sich dieses auch zu seiner Absicht zu Nutze machen. |
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Wenn er sich in seinen
Schlüssen leicht
übereilet; so bemühet man sich, daß man ihn zu
einer Entschliessung bringet, die uns vorträglich,
und bey der er doch hernach, wenn er sich nicht
beschimpffen
will, bleiben muß. |
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So kan auch nicht schaden, wenn man sich
erkundiget, auf was vor Art dieser oder jener
Minister zu seiner
Bedienung gekommen, |
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- ob
nemlich durch Meriten, welches gleich wohl gar
selten zu geschehen pflegt, oder durch
Heyrathen, daß er eines andern grossen Ministers
Tochter geheyrathet, welche sonst vielleicht
sitzen blieben wäre, und da die
Charge des
Schwieger-Sohns der Tochter zur Ausstattung
dienen
müssen?
- Ob sie einem Minister, der
damahls viel gegolten, Geschencke geben
müssen, des Fürstens gewesene Maitresse
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{Sp. 378} |
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geheyrathet, dem Fürsten Geld vorgeschossen,
und an statt des Interesse, oder wol gar des
Capitals, eine ansehnliche Charge erhalten, mit
einem Vornehmen des
Hofes, oder des Fürstens
Maitresse befreundet, durch Anwartschafft darzu
gelanget? u.s.w. |
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- Ob sie in ihren
Rathschlägen
gute und
unumstößliche
Gründe angeben können, oder nur
was
sagen, und selbst nicht
wissen, warum?
- Ob
sie auf das Interesse des Fürstens und des
Landes, oder nur auf ihr
eigenes sehen?
- Ob sie
geschickt sind, die
Vota, so sie geben, selbst
auszusinnen, oder ob
gewisse Rechts-Gelehrte,
ihre Secretairs und andere ehrlicher Leute die
Boltzen darzu drehen, die sie hernach
verschiessen; in ihren
Ämtern durch die
Länge der
Zeit, und die Menge der vorkommenden
Geschäffte erst lernen müssen, oder bey ihren
Bedienungen die
nöthige Geschicklichkeit schon
besitzen; Geschencke nehmen, oder ihrer
Herrschafft
treu und redlich dienen?
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Man hat wenn man dieses
thut, und sich die
Neigungen des
gantzen
Hofes bekannt macht,
vielfältigen
Nutzen zu
gewarten. Und man kan
auch solchergestalt nicht allein von dem Staate
eines gantzen Hofes
gründlich
urtheilen; sondern
man ist auch in in dem
Stande, einem
ieden, der
darnach
fraget, Nachricht zu geben, und wenn
man solche Kundschafft eingezogen, auch nur vor
sich selbst von der Beschaffenheit eines Hofes
bisweilen besser
unterrichtet, als ein anderer,
der sich gleich lange
Zeit daselbst aufgehalten,
und wol selbst in
Diensten stehet, sich aber nicht
so genau hierum bekümmert. |
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Will man vielleicht auch dereinst an einem
solchen Hofe sein
Glück
machen; so weiß man alle Quellen und Canäle, an wen man sich zu adreßiren hat, oder nicht, auch wie man sich
bey einem und dem andern aufführen
soll, und
beliebt machen kan. |
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Es dienet einem auch zur Vorschrifft, wie man
das
Gute, so man bey etlichen gefunden,
nachahmen, vor dem unanständigen aber sich
hüten möge. Ingleichen kan man, wenn man einst
von seinem Principal an diesem Hof geschickt
wird, und eines ieden
Bedienten Stärcke und
Schwäche weiß, in
kurtzer Zeit seine Sachen viel
glücklicher ausführen, als so man hierinnen unwissend
wäre. |
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Insonderheit trägt diese Wissenschafft
ungemein vieles darzu bey, wenn man irgend bey
einem Minister, der nicht gar viel
verstehet, um
eine
Bedienung anhält. Bey diesem lasse man ja
nicht mercken, daß man mehr versteht, als er,
oder man prahle wenigstens nicht mit seiner
Geschicklichkeit; sondern stelle sich lieber
unwissender an, als man
würcklich ist. Denn wo
man nur den Schein von sich giebt, geschickter
zu seyn, als der Minister; so wird er sich
fürchten,
daß man ihn durch seine Geschicklichkeit
übertreffen möge. |
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Sonderlich stelle man sich auch nicht an, als
ob man etwas von demjenigen, so bey den
meisten bisher vor
gut gehalten worden, oder
die von einer
gewissen
Unordnung
Vortheil haben,
ändern und gleichsam umgiessen
wolle. Zwar
wenn man bey einem
gelehrten Minister ist; so
kan man wohl zeigen, daß man in denen
Studien
etwas
gethan, und die
nöthige Geschicklichkeit
besitzet; aber nicht, daß man ihm gleich sey, oder
ihn gar übertreffe. Denn sonst, wenn man sich
gar zu nase-weise stellt, wird er einen viel mehr
zu drücken, als zu befordern suchen. |
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Solchemnach ist es am besten und
sichersten, man erkundiget sich erst genau nach
dem Humeur desjenigen |
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{Sp. 379|S. 207} |
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Ministers, bey dem man Ansuchung thut, ob er Studia
habe, oder nicht; wie weit sich seine
Wissenschafften erstrecken; ob er
tugendhafft
oder lasterhafft, auf Meriten sehe, wenn er Leute
befördern will, oder auf andere Absichten, junge
Leute sonst gerne zu versuchen pflege, und
ihnen schlechte Bedingungen vorschlage, um
ihre Gelassenheit zu sehen und s.f. Denn alle diese
Umstände sind einem nöthig zu wissen, damit
man sich in seinem
Vortrage und in seinen
Discursen darnach richten könne. |
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Endlich trage man auch, dafern man bey
einem grossen Minister, der in vielen und
wichtigen Bedienungen stehet, etwas anzubringen
hat, seine Sachen kurtz und
gründlich vor, und
mache nicht viel Complimente, weil solche
oratorische Zierraden ziemlich nach der
Schule riechen, und sie
wohl nöthigere Sachen zu thun haben, als eines
andern viele
Worte anzuhören. So richte man
auch, wenn man an sie
schreibet, seine Briefe
nicht weitläufftig ein, sondern kurtz und gut. |
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Sonderlich hüte man sich vor denen
Redens-Arten, welche aus den alten Brief-Stellern, aus
Spatens Secretariats-Kunst, u.s.w. genommen sind. Und
obwol der neuern ihre, als Talanders, Menantes, u.s.w. besser
sind; so ist es doch sicherer, bey einem geschickten Secretar
deshalber Nachricht einzuziehen, und mit
unter geschriebener gute
Concepte
fleißig zu
lesen. Hauptsächlich versehe man ja nichts in
der die Titulatur, weil denen Leuten an den
Titeln
gewaltig viel gelegen, und darff man in diesem
Stücke denen
gedruckten
Titulatur-Büchern
nicht viel trauen. |
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Im übrigen nehme man sich auch bey den
Visiten in acht, daß man nicht Ministers, oder
andere Leute, die viel zu
verrichten haben, allzu
lange aufhält; es wäre denn, daß sie
Zeit hätten,
und selbst von einem verlangten, länger zu
bleiben, und was dergleichen
Regeln der
Klugheit
und des Wohlstandes mehr sind, die einem ieden
sein weiteres
vernünfftiges Nachdencken und
eine behutsame Aufmercksamkeit gar leicht von
selbst an die Hand geben, und von denen man
auch in den meisten politischen Hand-Büchern mit
mehresten belehret werden kan. |
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