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Zedler: Minister HIS-Data
5028-21-376-4
Titel: Minister
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 21 Sp. 376
Jahr: 1739
Originaltext: Digitalisat BSB Bd.21 S. 205
Vorheriger Artikel: Minischalchi (Wilhelm)
Folgender Artikel: Minister (Premier-)
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text Quellenangaben
  Minister, Minister, Aulae purpuratus, Ministre, ist eine vornehme Person, die von einem Fürsten in Staats-Geschäfften, oder auswärts gebrauchet wird.  
  Derjenige, welchem ein König oder Fürst die vornehmsten Staats-Sachen anvertrauet, heisset ein Staats-Minister, Ministre d'Etat. Zu diesen gehören zuförderst die, so mit einem neu-aufgekommenen Namen Geheime Cabinets-Räthe genennet werden, und denn die Geheimen Staats-Räthe.  
  Die zweyten, die nemlich auswärts gebrauchet werden, werden in die vom ersten und vom andern Range unterschieden. Jene sind die Botschaffter oder Ambassadeurs; diese sind die Abgesandten, Envoyés, Residenten, und insgemein alle, die um eines Geschäfftes willen, so den Staat oder die gemeine Sache betrifft, verschicket werden, darum sie auch insgesamt Ministri publici heissen.  
  Wenn ein Fürst unter seinen Ministern einem den Vorzug giebt, denselben über alle die andern setzet, und ihm das Haupt-Werck überall allein anvertrauet: so heisset er Premier-Minister, oder Ministrissimus, wie dieser Name in Franckreich dem Cardinal Mazzarini zu Gefallen aufgebracht worden.  
  Ob einem Lande, und selbst dem Fürsten ein Ministrißimus heilsam sey, kan auf beyden Seiten disputiret werden. Die verneinende Parthey führet an, daß er zu nichts anders diene, als daß er des Fürsten Hoheit verdunckele, den allgemeinen Neid, auch wider den Fürsten errege, und wegen seiner despotischen Administration zu allerhand gefährlichen Aufständen Anlaß gebe. Und hat man wenig Exempel, daß dergleichen Männer ihrer Erhebung sich beständig erfreuet, und einen glücklichen Ausgang gehabt, wie die Geschichte voriger und unserer Zeiten lehren.  
  Es ist aber ein Unterscheid zu machen unter einem Premier-Minister und einem Favorit oder  
  {Sp. 377|S. 206}  
  Günstling. Jener führet die gemeine Sache, und erleichtert seinem Fürsten die Last der Regierung, dieser geniesset allein des Fürsten Gnade und Gewogenheit auf eine ausnehmende Weise, ohne sich groß in die Geschäffte zu mischen. Speidel. Contin. Wilhelm Christ. Schröder hat de Ministrissimis von Staats-Bedienten ein Buch, und Jac. Thomasius eine Disputation geschrieben. Desgleichen de Ministro peccante Ahasver. Fritsch. Das wandelbare Glück der Minister stellet P.D.P. vor in seiner Histoire des Favoirs.
  So viel nun die Pflichten eines klugen und vorsichtigen Ministers anbelanget; besiehe unter dem Artickel Hof, im XIII. Bande p. 405. u.ff.  
  Was aber andere Personen, so mit Leuten von so hohem Range zu thun haben, anbetrifft; so kan vor dieselben nicht undienlich seyn, folgende Regeln zu mercken.  
  Zuförderst und vor allen Dingen kan also nichts nöthigers und nützlichers seyn, als wenn man eines Ministers, mit dem man entweder viel zu verkehren, oder bey welchem man auch etwas zu suchen hat, Gemüths-Art und Neigung auszuforschen, und sich darnach zu achten weiß. Denn solchergestalt ist man nicht allein im Stande, desselben Stärcke oder Schwäche zu übersehen, sondern auch bey Gelegenheit mit Vortheil in seinen Nutzen zu verwenden, und folglich auch um so viel eher auf seine Seite zu bringen.  
  Ist er z.E. Geldgeitzig; so muß man mit Geschencken kommen. Ist er ein Liebhaber vom Frauenzimmer; so muß man dasselbe gleichsam die Federn seyn lassen, die ihn nach unserm Willen bewegend machen. Mercket man, daß er nicht sonderlich verschwiegen, und viel bey sich behalten kan; so nimmt man sich vor ihm in Acht, und vertrauet ihm nicht viel, siehet aber, daß man dasjenige, daran uns zu wissen viel gelegen, von ihm erfahren kan.  
  Wenn man auch von geringen und unschuldigen Dingen weiß, was er gerne hat, und woran er Gefallen trägt, so kan man sich bey ihm beliebt machen, wenn man ihm dergleichen verehret. Denn es kan sich einer bisweilen durch schlechte und geringe Geschencke, die die Leute hoch achten, mehr beliebt machen, als durch grosse, die von dem andern nicht so sehr geachtet werden.  
  Wenn man weiß, was er gerne höret; so fängt man von dergleichen Sachen an mit ihm zu discuriren; aber das verdrüßliche unterläßt man. Weiß man, daß er von grosser Fähigkeit ist; so muß man sich sehr schlau, behutsam und verständig gegen ihn aufführen. Siehet man aber, daß er schlechte Studia, und auch sonst schlechten Verstand hat; so kan man sich dieses auch zu seiner Absicht zu Nutze machen.  
  Wenn er sich in seinen Schlüssen leicht übereilet; so bemühet man sich, daß man ihn zu einer Entschliessung bringet, die uns vorträglich, und bey der er doch hernach, wenn er sich nicht beschimpffen will, bleiben muß.  
  So kan auch nicht schaden, wenn man sich erkundiget, auf was vor Art dieser oder jener Minister zu seiner Bedienung gekommen,  
 
  • ob nemlich durch Meriten, welches gleich wohl gar selten zu geschehen pflegt, oder durch Heyrathen, daß er eines andern grossen Ministers Tochter geheyrathet, welche sonst vielleicht sitzen blieben wäre, und da die Charge des Schwieger-Sohns der Tochter zur Ausstattung dienen müssen?
  • Ob sie einem Minister, der damahls viel gegolten, Geschencke geben müssen, des Fürstens gewesene Maitresse
 
  {Sp. 378}  
 
  geheyrathet, dem Fürsten Geld vorgeschossen, und an statt des Interesse, oder wol gar des Capitals, eine ansehnliche Charge erhalten, mit einem Vornehmen des Hofes, oder des Fürstens Maitresse befreundet, durch Anwartschafft darzu gelanget? u.s.w.
 
   
  Man hat wenn man dieses thut, und sich die Neigungen des gantzen Hofes bekannt macht, vielfältigen Nutzen zu gewarten. Und man kan auch solchergestalt nicht allein von dem Staate eines gantzen Hofes gründlich urtheilen; sondern man ist auch in in dem Stande, einem ieden, der darnach fraget, Nachricht zu geben, und wenn man solche Kundschafft eingezogen, auch nur vor sich selbst von der Beschaffenheit eines Hofes bisweilen besser unterrichtet, als ein anderer, der sich gleich lange Zeit daselbst aufgehalten, und wol selbst in Diensten stehet, sich aber nicht so genau hierum bekümmert.  
  Will man vielleicht auch dereinst an einem solchen Hofe sein Glück machen; so weiß man alle Quellen und Canäle, an wen man sich zu adreßiren hat, oder nicht, auch wie man sich bey einem und dem andern aufführen soll, und beliebt machen kan.  
  Es dienet einem auch zur Vorschrifft, wie man das Gute, so man bey etlichen gefunden, nachahmen, vor dem unanständigen aber sich hüten möge. Ingleichen kan man, wenn man einst von seinem Principal an diesem Hof geschickt wird, und eines ieden Bedienten Stärcke und Schwäche weiß, in kurtzer Zeit seine Sachen viel glücklicher ausführen, als so man hierinnen unwissend wäre.  
  Insonderheit trägt diese Wissenschafft ungemein vieles darzu bey, wenn man irgend bey einem Minister, der nicht gar viel verstehet, um eine Bedienung anhält. Bey diesem lasse man ja nicht mercken, daß man mehr versteht, als er, oder man prahle wenigstens nicht mit seiner Geschicklichkeit; sondern stelle sich lieber unwissender an, als man würcklich ist. Denn wo man nur den Schein von sich giebt, geschickter zu seyn, als der Minister; so wird er sich fürchten, daß man ihn durch seine Geschicklichkeit übertreffen möge.  
  Sonderlich stelle man sich auch nicht an, als ob man etwas von demjenigen, so bey den meisten bisher vor gut gehalten worden, oder die von einer gewissen Unordnung Vortheil haben, ändern und gleichsam umgiessen wolle. Zwar wenn man bey einem gelehrten Minister ist; so kan man wohl zeigen, daß man in denen Studien etwas gethan, und die nöthige Geschicklichkeit besitzet; aber nicht, daß man ihm gleich sey, oder ihn gar übertreffe. Denn sonst, wenn man sich gar zu nase-weise stellt, wird er einen viel mehr zu drücken, als zu befordern suchen.  
  Solchemnach ist es am besten und sichersten, man erkundiget sich erst genau nach dem Humeur desjenigen  
  {Sp. 379|S. 207}  
  Ministers, bey dem man Ansuchung thut, ob er Studia habe, oder nicht; wie weit sich seine Wissenschafften erstrecken; ob er tugendhafft oder lasterhafft, auf Meriten sehe, wenn er Leute befördern will, oder auf andere Absichten, junge Leute sonst gerne zu versuchen pflege, und ihnen schlechte Bedingungen vorschlage, um ihre Gelassenheit zu sehen und s.f. Denn alle diese Umstände sind einem nöthig zu wissen, damit man sich in seinem Vortrage und in seinen Discursen darnach richten könne.  
  Endlich trage man auch, dafern man bey einem grossen Minister, der in vielen und wichtigen Bedienungen stehet, etwas anzubringen hat, seine Sachen kurtz und gründlich vor, und mache nicht viel Complimente, weil solche oratorische Zierraden ziemlich nach der Schule riechen, und sie wohl nöthigere Sachen zu thun haben, als eines andern viele Worte anzuhören. So richte man auch, wenn man an sie schreibet, seine Briefe nicht weitläufftig ein, sondern kurtz und gut.  
  Sonderlich hüte man sich vor denen Redens-Arten, welche aus den alten Brief-Stellern, aus Spatens Secretariats-Kunst, u.s.w. genommen sind. Und obwol der neuern ihre, als Talanders, Menantes, u.s.w. besser sind; so ist es doch sicherer, bey einem geschickten Secretar deshalber Nachricht einzuziehen, und mit unter geschriebener gute Concepte fleißig zu lesen. Hauptsächlich versehe man ja nichts in der die Titulatur, weil denen Leuten an den Titeln gewaltig viel gelegen, und darff man in diesem Stücke denen gedruckten Titulatur-Büchern nicht viel trauen.  
  Im übrigen nehme man sich auch bey den Visiten in acht, daß man nicht Ministers, oder andere Leute, die viel zu verrichten haben, allzu lange aufhält; es wäre denn, daß sie Zeit hätten, und selbst von einem verlangten, länger zu bleiben, und was dergleichen Regeln der Klugheit und des Wohlstandes mehr sind, die einem ieden sein weiteres vernünfftiges Nachdencken und eine behutsame Aufmercksamkeit gar leicht von selbst an die Hand geben, und von denen man auch in den meisten politischen Hand-Büchern mit mehresten belehret werden kan.  
     

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Stand: 9. August 2023 © Hans-Walter Pries